Kurs:Analysis I/Kapitel III: Die elementaren Funktionen/§7 Die allgemeinen Potenzfunktionen

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Definition 1[Bearbeiten]

Zur Potenz betrachten wir die universelle Potenzfunktion vermöge
(1) .

Satz 1 (Universelles Potenzgesetz)[Bearbeiten]

Für je zwei potenzen mit erfüllen die Potenzfunktionen die identität
.

Beweis[Bearbeiten]

Wir berechnen

.

q.e.d.

Definition 2[Bearbeiten]

Zur Potenz betrachten wir die allgemeine Potenzfunktion vermöge
(3) .

Zur Differentiation dieser Funktion verwenden wir Satz 2 aus §6 mit den dortigen Bezeichnungen: In einem beliebigen Punkt betrachten wir die Liftung

auf die maximale Kreisscheibe in der Überlagerungsfläche. Die assoziierte Funktion

(4)

ist holomorph und ihre komplexe ableitung lautet:

(5)

Satz 2[Bearbeiten]

Für alle ist die allgemeine Potenzfunktion auf der universellen Überlagerungsfläche holomorph. Im oben präzisierten Sinne – siehe (4) und (5) – gilt die Differentiationsregel
.

Satz 3[Bearbeiten]

Sei die komplexe Zahl und die natürliche Zahl gegeben. Die gesamtheit der komplexen stammfunktionen der folgenden gebrochen rationalen funktion lautet
(6) für alle
mit der komplexen Integrationskonstante .

Definition 3[Bearbeiten]

Zur Potenz betrachten wir die allgemeine komplexe Potenzfunktion
vermöge
(7) .

Satz 4 (Binomialreihe)[Bearbeiten]

Mit dem Exponenten gilt für die Funktion
auf der Einheitskreisscheibe die folgende Darstellung
(8)
durch die konvergente Binomialreihe. Dabei haben wir die verallgemeinerten Binomialkoeffizienten wie folgt erklärt:
(9) für und .

Beweis[Bearbeiten]

1. Zunächst genügt die Funktion dem folgenden Anfangswertproblem:

(10) holomorph, und .

Haben wir nun zwei Lösungen von (10) mit gegeben, so erfüllt deren Quotient

das folgende Anfangswertproblem:

(11)
für alle und .

Somit ist bzw. richtig. Folglich ist das Anfangswertproblem (10) eindeutig bestimmt.

2. Wir zeigen nun, dass die Binomialreihe in konvergiert:

(12)
für .

Wir sehen

für alle ein. Das Quotientenkriterium liefert sofort die Konvergenz der Binomialreihe in .

3. Schließlich genügt

dem anfangswertproblem (10): Offenbar ist erfüllt. Dann differenzieren wir gemäß Satz 15 aus §3 in Kapitel II gliedweise die binomialreihe und erhalten

(13)

Hierbei haben wir das vom Binomialsatz bekannte Additionstheorem für die Binomialkoeffizienten

verwandt, welches auch für die verallgemeinerten Binomialkoeffizienten gilt. Da das Anfangswertproblem (10) eindeutig lösbar ist, stimmt die funktion in mit der Binomialreihe überein.

q.e.d.

Satz 5[Bearbeiten]

Sei die komplexe Zahl mit in der oberen Halbebene und die natürliche Zahl gegeben sowie . Die Gesamtheit der reellen Stammfunktionen folgender echt gebrochen rationaler Funktionen lautet:
(15)
für alle , mit der reellen Integrationskonstante .
Während im Zähler reelle Polynome vom Grad höchstens und auf der linken bzw. rechten Seite auftreten, finden wir im Nenner Potenzen eines quadratischen Polynoms, welches keine Nullstellen in besitzt.

Beweis[Bearbeiten]

Wir berechnen

mit der reellen Integrationskonstante .

Bemerkungen[Bearbeiten]

Den Fall haben wir bereits in Satz 7 und der anschließenden Bemerkung aus §6 gesondert behandelt. Speziell im Fall erhalten wir aus obigem Satz die Integrationsregel

(17) .

Es ist mühsam, solche gebrochen rationale Funktionen im Reellen zu integrieren.

Definition 4[Bearbeiten]

Zur Potenz betrachten wir die allgemeine reelle Potenzfunktion
vermöge
(18) .

Satz 6[Bearbeiten]

Sei die komplexe Zahl und die natürliche Zahl gegeben. Die Gesamtheit der reellen Stammfunktionen der folgenden echt gebrochen rationalen Funktionen lautet:
(19) für alle
mit der reellen integrationskonstante .

Satz 7[Bearbeiten]

Für alle und mit gilt
(20) .

Beweis[Bearbeiten]

Gemäß §6 in Kapitel II ist eine konkave Funktion ein Element der Menge

.

Analog zu Satz 3 aus §6 in Kapitel II gilt für konkave Funktionen unter obigen Voraussetzungen die Jensensche Ungleichung

.

Betrachten wir nun die konkave Funktion mit der zweiten Ableitung

für alle ,

so erhalten wir die Ungleichung

.

Bilden wir nun die Potenz zur Basis , so erhalten wir wegen der Monotonie der reellen Exponentialfunktion die Ungleichung (20), nämlich

,

wobei und erfüllt ist. Aus Stetigkeitsgründen bleibt (20) auch für alle und richtig.

q.e.d.

Folgerung 1[Bearbeiten]

Für mit erklären wir die Koeffizienten mit und wir erhalten die Ungleichung

bzw.

(21)

für alle rellen Zahlen mit . Dieses besagt, dass das geometrische Mittel kleiner oder gleich dem arithmetischen Mittel ist.

Folgerung 2[Bearbeiten]

Wir setzen nun und für in Satz 7 ein, wobei und sowie gelten. Wegen erhalten wir die Ungleichung

.

Folgerung 3[Bearbeiten]

Im Falle mit , und , sowie ergibt sich die Youngsche Ungleichung

(22) .

Satz 8 (Höldersche Ungleichung im )[Bearbeiten]

Es seien – für – gegeben. Wenn die Exponenten die Bedingung erfüllen, dann folgt
(23) .

Beweis[Bearbeiten]

Wir brauchen nur die rechte Ungleichung in (23) zu beweisen. Wenn erfüllt ist, so muss gelten und in (23) tritt Gleichheit ein. Also können wir ohne Einschränkung und annehmen. Dann betrachten wir die normierten Größen

und ,

welche offenbar die Bedingung

erfüllen. Nach der Youngschen Ungleichung (22) gilt

für .

Summation über liefert die ungleichung

(24)

wegen der Normierungsbedingungen. Diese Ungleichung (24) impliziert offenbar die rechte ungleichung in (23).

q.e.d.