Kurs:Analysis III/Kapitel I: Differentiation und Integration auf Mannigfaltigkeiten/§5 Der Gaußsche und der Stokessche Integralsatz

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Voraussetzung (A):[Bearbeiten]

Sei eine beschränkte, offene Menge mit dem topologischen Rand . Zu jedem gebe es eine Punktfolge

für die für richtig ist, d. h. jeder Randpunkt ist 'von außen erreichbar'.

Voraussetzung (B):[Bearbeiten]

Seien als Parameterbereiche die beschränkten Gebiete gewählt. Es gebe reguläre Hyperflächen im

wobei injektiv sei und für alle und alle der Rang der Funktionalmatrix erfülle. Weiter gelte für die Flächeninhalte

Für setzen wir

Der Rand von sei Vereinigung dieser endlich vielen Hyperflächenstücke , d. h.

Weiter gelte

für alle mit ;

zwei verschiedene Flächen haben also höchstens Randpunkte gemeinsam.

Definition 1[Bearbeiten]

Die Menge genüge den Voraussetzungen (A) und (B). Wir setzen dann
als regulären Rand von . Weiter sei eine stetige, beschränkte Funktion auf . Wir erklären durch
das Oberflächenintegral von über den regulären Rand .

Voraussetzung (C):[Bearbeiten]

Die Funktion gehöre zur Regularitätsklasse und es gelte

Voraussetzung (D):[Bearbeiten]

Die Menge habe den -dimensionalen Hausdorffschen Inhalt Null bzw. sie sei eine -dimensionale Hausdorffsche Nullmenge. Genauer gibt es zu jedem endlich viele Hyperkugeln

mit und , so dass folgendes gilt:

  1. (Überdeckungseigenschaft)
  2. (Kleinheit der Gesamtoberfläche).

Satz 1 (Gaußscher Integralsatz)[Bearbeiten]

Sei eine beschränkte, offene Menge, die den Voraussetzungen (A), (B) und (D) genügt. Weiter erfülle die Vektorfunktion die Voraussetzung (C). Dann gilt die Identität

Beweis[Bearbeiten]

1. Wir fassen als -dimensionale Mannigfaltigkeit im auf mit dem Atlas . Nun gibt es für jeden Punkt

einen Quader , so dass gilt

Auf dem Halbwürfel

mit der oberen begrenzenden Seite in -Richtung

betrachten wir die Transformation

mit . Wählen wir die Vorzeichen geeignet, so erreichen wir

und

für die Funktionaldeterminante von . Somit ist verträglich mit der obigen Karte und wir statten mit dem induzierten Atlas aus. Wegen zeigt die durch orientierte Normale an ein Flächenstück in Richtung der äußeren Normalen an .

Wir betrachten nun die -Form

Wegen obiger Überlegungen sehen wir

ein.

2. Wegen Voraussetzung (D) gibt es zu jedem endlich viele Kugeln

mit

und .

Wir zeigen nun, dass die Kapazität des singulären Randes Null ist. Hierzu konstruieren wir zunächst eine Funktion mit

und

Für betrachten wir die Funktion

mit und

.

Ist das Volumen der -dimensionalen Einheitskugel, so berechnen wir

mit . Wir erhalten eine Funktion

mit

Somit hat die Kapazität Null.

3. Der Stokessche Integralsatz für Mannigfaltigkeiten liefert schließlich

was der Behauptung entspricht.

q.e.d.

Satz 2 (Greensche Formel)[Bearbeiten]

Sei eine offene, beschränkte Menge im , die den Voraussetzungen (A), (B) und (D) genügt. Weiter seien die Funktionen und der Klasse mit
gegeben, wobei den Laplace-Operator gemäß
bedeutet. Dann gilt
mit den Bezeichnungen

Beweis[Bearbeiten]

Wir wenden den Gaußschen Integralsatz auf das Vektorfeld

an. Es folgt

und wir erhalten schließlich

woraus die Behauptung folgt.

q.e.d.

Satz 3 (Oszillationslemma von Courant-Lebesgue)[Bearbeiten]

Sei
die offene Einheitskreisscheibe. Weiter sei
eine vektorwertige Funktion mit endlichem Dirichletschen Integral , d. h. es gilt
Dann gibt es zu jedem Punkt und jedem eine Zahl , so dass die Ungleichung
für die Länge der Kurve erfüllt ist.

Beweis[Bearbeiten]

Wir führen um den Punkt Polarkoordinaten ein, d. h.

Weiter definieren wir die Funktion

und berechnen

sowie

Unter Verwendung des Mittelwertsatzes der Integralrechnung erhalten wir

für ein . Schließlich folgt mit

die Behauptung.

q.e.d.

Satz 4 (Der klassische Stokessche Integralsatz mit singulärem Rand)[Bearbeiten]

1. Auf dem Rand der abgeschlossenen Einheitskreisscheibe seien Punkte mit gegeben. Nehmen wir die Punkte aus den Mengen und heraus, erhalten wir die Mengen bzw. .
2. Weiter sei die injektive Abbildung
mit für alle und endlichem Dirichletintegral gegeben. Bezeichnen wir mit
die Einschränkung von auf , so erhalten wir das Linienelement
Wir fordern, dass die Kurve endliche Länge hat, d. h. es gelte
wobei gesetzt wurde.
3. Wir bezeichnen mit
den Einheitsnormalenvektor und mit
das Oberflächenelement der Fläche . Für den Tangentialvektor an die Randkurve schreiben wir
4. Sei eine offene Menge im und sei das Vektorfeld
mit
gegeben.
Dann gilt die Stokessche Identität

Beweis[Bearbeiten]

1. Wir wollen den Stokesschen Integralsatz für Mannigfaltigkeiten anwenden. Die Menge ist eine beschränkte, orientierte, 2-dimensionale -Mannigfaltigkeit im mit der Karte . Der reguläre Rand erhält durch die Abbildung eine Orientierung und hat wegen endliche Länge. Wir zeigen zunächst, dass der singuläre Rand die Kapazität Null hat.

2. Sei ein singulärer Punkt der Fläche, so führen wir in der Umgebung von Polarkoordinaten ein:

Zu vorgegebenem gibt es nach dem Courant-Lebesgueschen Oszillationslemma ein mit folgender Eigenschaft: Sei , So gilt für mindestens ein die Ungleichung

Folglich gibt es Zahlen mit der Eigenschaft

für alle .

Wir betrachten nun die schwach monoton steigende Glättungsfunktion

mit

.

In einer Umgebung der Fläche konstruieren wir nun eine Funktion

mit

Es folgt

Wir schließen

für alle . Wir sehen so, dass der Randpunkt die Kapazität Null hat. Folglich haben die endlich vielen Randpunkte die Kapazität Null.

3. Wir betrachten nun die Pfaffsche Form

welche

erfüllt. Satz 1 aus §4 liefert mit

die Behauptung.

q.e.d.