Aussagen/Variablen und Junktoren/Elementare Einführung/Textabschnitt

Aus Wikiversity

Um sich die Abhängigkeiten von zusammengesetzten Aussagen allein von den einzelnen Wahrheitsgehalten der beteiligten Teilaussagen und den Junktoren, nicht aber von den konkreten Aussagen und ihren Bedeutungen klarer zu machen, ist es sinnvoll, mit Aussagenvariablen zu arbeiten und die Junktoren durch Symbole zu repräsentieren. Für Aussagen schreiben wir jetzt

und wir interessieren und also nicht für den Gehalt von , sondern lediglich für die möglichen Wahrheitswerte (oder Belegungen) von , die wir mit (wahr) oder (falsch) bezeichnen (gelegentlich verwendet man auch die Wahrheitswerte und ). Bei der Negation werden einfach die Wahrheitswerte vertauscht, was man mit einer einfachen Wahrheitstabelle ausdrückt:

Negation
w f
f w

Bei einer konkreten Aussage gibt es in der Regel mehrere sprachliche Möglichkeiten, die Negation zu formulieren. Um die Aussage „ich fresse einen Besen“ zu negieren, ist es egal, ob man sagt:

Ich fresse nicht einen Besen.
Ich fresse keinen Besen.
Es ist nicht der Fall, dass ich einen Besen fresse.
Es trifft nicht zu, dass ich einen Besen fresse.

Die Negation wirkt auf eine einzelne Aussage, man spricht von einem einstelligen Operator. Kommen wir nun zu mehrstelligen Operatoren, die von mindestens zwei Aussagen abhängen. Bei der Verknüpfung von zwei Aussagen gibt es insgesamt vier mögliche Kombinationen der Wahrheitswerte, so dass jede logische Verknüpfung dadurch festgelegt ist, wie sie diesen vier Kombinationen einen Wahrheitswert zuordnet. Daher gibt es insgesamt logische Verknüpfungen, die wichtigsten sind die folgenden vier.

Die Konjunktion ist die Und-Verknüpfung. Sie ist genau dann wahr, wenn beide Teilaussagen wahr sind; sie ist also falsch, sobald nur eine der beteiligten Aussagen falsch ist. Die Wahrheitstabelle der Konjunktion sieht so aus.

Konjunktion
w w w
w f f
f w f
f f f

Die Disjunktion (oder Alternation) ist die einschließende Oder-Verknüpfung. Sie ist wahr sobald mindestens eine der Teilaussagen wahr ist, und insbesondere auch dann wahr, wenn beide Aussagen zugleich wahr sind. Sie ist nur in dem einzigen Fall falsch, dass beide Teilaussagen falsch sind. Offensichtlich sind bei einer Konjunktion und einer Disjunktion die beteiligten Teilaussagen gleichberechtigt.

Disjunktion
w w w
w f w
f w w
f f f

Die Implikation ist die in der Mathematik wichtigste Verknüpfung. Mathematische Sätze haben fast immer die Gestalt einer (verschachtelten) Implikation. Der logische Gehalt einer Implikation ist, dass aus der Gültigkeit einer Voraussetzung die Gültigkeit einer Konklusion folgt.[1] Sie wird meistens durch „Wenn wahr ist, dann ist auch wahr“ (oder kurz: Wenn , dann ) ausgedrückt. Ihre Wahrheitsbedingung ist daher, dass wenn mit wahr belegt ist, dann muss auch mit wahr belegt sein. Dies ist erfüllt, wenn falsch ist oder wenn wahr ist.[2] Ihre Wahrheitstabelle ist daher

Implikation
w w w
w f f
f w w
f f w

Bei einer Implikation sind die beiden beteiligten Teilaussagen nicht gleichberechtigt, die Implikationen und sind verschiedene Aussagen. Eine Implikation hat also eine „Richtung“.[3] Im allgemeinen Gebrauch und auch in der Mathematik werden Implikationen zumeist dann verwendet, wenn der Vordersatz der „Grund“ für die Konklusion ist, wenn die Implikation also einen kausalen Zusammenhang ausdrückt. Diese Interpretation spielt aber im aussagenlogischen Kontext keine Rolle.

Wenn die beiden Implikationen und zugleich gelten, so wird das durch „genau dann ist wahr, wenn wahr ist“ ausgedrückt. Man spricht von einer Äquivalenz der beiden Aussagen, die Wahrheitstabelle ist

Äquivalenz
w w w
w f f
f w f
f f w

Beispiele für eine mathematische Äquivalenzaussage sind:

Eine natürliche Zahl ist genau dann gerade, wenn sie im Zehnersystem auf oder endet.
Ein Dreieck ist genau dann rechtwinklig, wenn es eine Seite gibt, deren Quadrat gleich der Summe der beiden anderen Seitenquadrate ist.

Die Hinrichtung im zweiten Beispielsatz ist dabei der Satz des Pythagoras, die Rückrichtung gilt aber auch. Achtung: In gewissen Kontexten werden Äquivalenzen als Implikationen formuliert. Dies gilt beispielsweise für Belohnungen, Bestrafungen und auch in mathematische Definitionen. Wenn man sagt: „wenn du nicht durch teilst, bekommst du ein Gummibärchen“, so meint man in aller Regel, dass man auch nur dann eines bekommt, aber nicht, wenn man durch teilt. Mathematische Definitionen wie „eine Zahl heißt gerade, wenn sie ein Vielfaches der ist“, sind als genau dann, wenn zu verstehen.

Unter Verwendung der Negation kann man jede logische Verknüpfung durch die angeführten Verknüpfungen ausdrücken, wobei man noch nicht mal alle braucht. Z.B. kann man die Konjunktion (und ebenso die Implikation und die Äquivalenz) auf die Disjunktion zurückführen, die Wahrheitstabelle[4]

Konjunktion als Disjunktion
w w w
w f f
f w f
f f f

zeigt nämlich, dass die Wahrheitsfunktion von mit der Wahrheitsfunktion von übereinstimmt. Daher sind die beiden Ausdrücke logisch gleichwertig. Bei einem solchen nur leicht verschachtelten Ausdruck kann man die Wahrheitswerte noch einfach berechnen und damit die Wahrheitsgleichheit mit der Konjunktion feststellen. Bei komplizierteren (tiefer verschachtelten) Ausdrücken ist es sinnvoll, abhängig von den Belegungen der beteiligten Aussagenvariablen die Wahrheitswerte der Zwischenausdrücke zu berechnen. Im angegebenen Beispiel würde dies zur Tabelle

Konjunktion als Disjunktion
w w f f f w
w f f w w f
f w w f w f
f f w w w f

führen. Natürlich kann man statt zwei auch beliebig viele Aussagenvariablen verwenden und daraus mit den Verknüpfungen neue Aussagen konstruieren. Die Wahrheitsbelegung der zusammengesetzten Aussagen lassen sich dann ebenfalls in entsprechend größeren Wahrheitstabellen darstellen.

  1. Genauer gesagt haben mathematische Sätze fast immer die Gestalt .
  2. An die Wahrheitsbelegung einer Implikation für den Fall, wo der Vordersatz falsch ist, muss man sich etwas gewöhnen. Der Punkt ist, dass wenn man eine Implikation beweist, dass man dann als wahr annimmt und davon ausgehend zeigen muss, dass auch wahr ist. Der Fall, dass falsch ist, kommt also in einem Implikationsbeweis gar nicht explizit vor. In diesem Fall gilt die Implikation, obwohl sie keine „Schlusskraft“ besitzt. Nehmen wir als Beispiel die mathematische Aussage, dass wenn eine natürliche Zahl durch vier teilbar ist, sie dann gerade ist. Dies ist eine wahre Aussage für alle natürlichen Zahlen, sie gilt insbesondere auch für alle Zahlen, die nicht durch vier teilbar sind. Es gibt auch jeweils für alle drei Wahrheitsbelegungen, die eine Implikation wahr machen, Beispiele von natürlichen Zahlen, die genau diese Wahrheitsbelegung repräsentieren, nicht aber für die vierte.
  3. Bei einer Implikation sagt man auch, dass eine hinreichende Bedingung für und dass eine notwendige Bedingung für ist. Siehe dazu auch die Wahrheitstabelle zur Kontraposition weiter unten.
  4. Im Folgenden verwenden wir, um Klammern zu sparen, die Konvention, dass die Negation stärker bindet als alle mehrstelligen Junktoren, und dass die Konjunktion stärker bindet als die anderen zweistelligen Junktoren.