Benutzer:Cethegus/Philosophisch Schnipsel und Ähnliches

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Kierkegaard[Bearbeiten]

w:Søren Aabye Kierkegaard

"Es ist ganz wahr, was die Philosophie sagt, daß das Leben rückwärts verstanden werden muß. Aber darüber vergißt man den andern Satz, daß vorwärts gelebt werden muß." - Die Tagebücher. Deutsch von Theodor Haecker. Brenner-Verlag 1923, S. 203 books.google

("Det er ganske sandt, hvad Philosophien siger, at Livet maa forstaaes baglaends. Men derover glemmer man den anden Saetning, at det maa leves forlaends." - 1843, Journalen JJ 167, Søren Kierkegaards Skrifter 18: Journalerne EE, FF, GG, HH, JJ, KK. Søren Kierkegaard Forskningscenteret, 2001, S. 194, books.google) Wikiquote liefert Zitate, deren Kontext unklar ist und stellt sie zusammen mit anderen ohne Kontext, schafft dadurch aber einen farbigeren Kontext, als wenn man in nur einem Werk zwei, drei Seiten vollständig liest.

"Was wird geschehen? Was wird die Zukunft bringen? Ich weiß nicht; ich ahne nichts. Wenn eine Spinne sich von einem festen Punkte aus in ihre Konsequenzen hinabstürzt, da sieht sie vor sich beständig einen leeren Raum, in welchem sie nirgends Fuß findet, wie sehr sie auch zappeln mag. Geradeso geht es mir. Vorn immer ein leerer Raum; was mich vorwärts treibt, ist eine Konsequenz, deren erster Anstoß hinter mir liegt. Dieses Leben ist ein verkehrtes und schreckliches, nicht zum Aushalten." - Entweder - Oder, 1. Teil zeno.org

(Original dän.: "Hvad skal der komme? Hvad skal Fremtiden bringe? Jeg veed det ikke, jeg ahner intet. Naar en Edderkop fra et vast Punkt styrter sig ned i sine Consequentser, da seer den bestandig et tomt Rum foran sig, hvori den ikke kan finde Fodfæste, hvormeget den end sprætter. Saaledes gaaer det mig; hvad der driver meg frem er en Consequents, der ligger bag mig. Dette Liv er bagvendt og rædsomt, ikke til at udholde." )

https://de.wikiquote.org/wiki/S%C3%B8ren_Kierkegaard

Foucault: Pastoralmacht[Bearbeiten]

Pastoralmacht ist nach w:Michel Foucault eine insbesondere christliche-religiöse Machttechnik, die mit dem Aufspüren einer „inneren Wahrheit“ – beispielsweise durch Techniken der Versprachlichung (w:Diskursivierung) – einhergeht, wie in der christlichen w:Beichte. Die Funktion der Pastoralmacht besteht in der Beförderung einer Subjektwerdung (w:Subjektivierung). Dieser Prozess führt zu einer Unterwerfung („Subjektivation“ von lat. sub-iacere) des Individuums unter die gesellschaftlichen Verhältnisse, wie dies schon w:Louis Althusser, einer von Foucaults Lehrern, beschrieben hatte. Im Laufe der Entwicklung der kapitalistisch-bürgerlichen Gesellschaft wurde Pastoralmacht säkularisiert und spielt nach Foucault eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung und Reproduktion der gesellschaftlichen Verhältnisse.

Dieser Machttechnik liegt die Konzeption einer „Regierung der Seelen“ zugrunde, wie sie sich in der Metapher der Beziehung von Hirte (lateinisch Pastor) und Herde findet.[1]

Foucault legt Wert auf den Unterschied zu antiken Techniken der Selbstsorge. Während in der Antike der Meister, der Pädagoge, zur w:Wahrheit führte, konnte im Christentum das Individuum die Wahrheit nur in sich entdecken: „das Christentum koppelt die Psychagogik von der Pädagogik ab und fordert von der psychagogisierten und geführten Seele, dass sie eine Wahrheit sagt, die nur sie sagen kann, die nur sie besitzt und die zwar nicht das einzige, aber eines der fundamentalen Elemente jener Operation ist, durch die seine Seinesweise verändert werden wird; und genau darin besteht dann das christliche Geständnis.[2] [...] Mit der Transformation der Regierungsziele bildeten sich auch äußerst heterogene Regierungskünste aus, die in der neoliberalen w:Gouvernementalität das individuelle Interesse mit dem staatlichen Interesse in eins setzen. Damit wird die dichotome Trennung zwischen Staat und Individuum zugunsten des ‚zivilgesellschaftlich fähigen Bürgers' aufgehoben. Dieser ist Hirte seiner selbst – also sich selbst gegenüber rechenschaftspflichtig und verantwortlich für das Erlangen seiner individuell gesetzten Ziele und Zufriedenheit. Er wird außerdem über die Ansprache und Anrufung einer individuellen Sorge gesellschaftlich integriert. Sich selbst als politisches Subjekt zu erkennen, an gesellschaftlichen Prozessen zu partizipieren und w:Verantwortung, nicht nur für das individuelle Wohlergehen, sondern auch für die w:soziale Ordnung zu übernehmen, steht innerhalb der politischen Ordnung des w:Neoliberalismus, die auf den Zerfall der Integrationsfähigkeit des traditionellen kapitalistischen Wirtschafts- und Sozialsystems antwortet. Gleichwohl ist in der neoliberalen Gouvernementalität der Wille zum Regieren nicht obsolet geworden, vielmehr ist das Subjekt selbst Objekt des Regierens, aber nun in der Form, dass es sich selbst zum Gegenstand und Mittel der Regierungspraxis macht: Das Interesse als Bewußtsein jedes einzelnen Individuums, das mit den übrigen die Bevölkerung bildet, und das Interesse der Bevölkerung – ganz gleich, was die individuellen Interessen und Bestrebungen derer, aus denen sie sich zusammensetzt, sein mögen – sind Zielscheibe und das Hauptinstrument der Regierung der Bevölkerung.[3]" (Wikipedia: Pastoralmacht)

  1. Thomas Lemke: Gouvernementalität (PDF-Datei; 130 kB)
  2. Michel Foucault: Hermeneutik des Subjekts, S. 60.
  3. Michel Foucault: Geschichte der Gouvernementalität, S. 158f.

Michel Foucault und das Mittelalter? Analysebegriff „Pastoralmacht“

"Der Begriff der Pastoralmacht ist einer der wenigen von Foucault auf das Mittelalter bezogen ersonnenen Begriffe und entstammt seinen Arbeiten zur Genealogie des modernen Staates, genauer einer öffentlichen Vorlesung am Collège de France, in der Foucault als Professor seine laufende Arbeit vorstellte. Er beschreibt eine Form der Machtausübung, die er als eine mittelalterliche Vorform der modernen Gouvernementalität versteht. Dabei ist die Pastoralmacht nicht gleichzusetzen mit der Institution der (römischen) Kirche, sondern ist als Beziehung zwischen Individuen definiert. Die Pastoralmacht umfasst eine Reihe von Praktiken, die der Beeinflussung der Handlungen von Individuen in Form von Fremd- und Selbstführung dienen. [...] Das für das spätere Christentum relevante Hirtenthema prägte sich in der Genese der hebräisch-jüdischen Mythologie aus, die das Motiv ausgehend vom Prototypen des Moses vielfältig elaborierte.[2] Der Hirte konnte dabei entweder Gott oder eine von Gott berufene Führungsfigur des Volkes sein.[...] Das hebräisch-jüdische Hirtenthema machte mit Aufkommen des Christentums einen Wandel durch, inkorporierte griechische und römische Einflüsse und formte sich zur christlichen Pastoralmacht. [...] Das Christentum löste die ethnischen Schranken des prämessianischen, hebräischen Judentums auf und begann mit der Mission anderer Völker, ein neuer universaler christlicher Expansionismus entstand. Eines seiner Paradigmen soll mit dem eigenen Begriff der ‚Peccatisierung der Welt‘[6] beschrieben werden. Diese unterwarf nun auch Nicht-Christen christlichen Bewertungskategorien. Gerade im römischen Reich konnten die Missionschristen auf ihrer Gemeindeorganisation ähnelnde Strukturen wie das römische Klientelsystem[7] zurückgreifen und sich mittels der Konversion der Eliten über die Provinzen und ihre Verwaltungsstrukturen ausbreiten.[8]

Die Pastoralmacht war, so Foucault, altruistisch auf das individuelle Seelenheil aller Menschen hin ausgerichtet. Sie war keine zerstörerische oder physisch gewalttätige Form der Machtausübung, sondern agierte kreativ auf dem Wege individueller Handlungsanleitung und angeleiteter Selbstreflexion.[9] Daher ist sie auch nicht mit anderen Machtformen, etwa der Gesetzgebung, zu verwechseln.

Ein wichtiger Aspekt der Pastoralmacht ist ihr individualisierendes Moment, das sich in der reziproken Beziehung des Geistlichen zu jedem einzelnen Gemeindemitglied ausdrückt. So hat sich der Geistliche gleichermaßen in bestmöglicher Weise um jeden einzelnen Schutzbefohlenen zu kümmern: „omnes et singulatim“.[10] Dazu ist vom Priester gefordert, seine Gemeindemitglieder genau zu kennen und individuell auf diese zugeschnittene Methoden anzuwenden, um jeden zum persönlichen Heil zu führen: [...] "

Zur Reflexion[Bearbeiten]

Im Blick auf die Coronapolitik der demokratischer Staaten kann die Einschränkung der Freiheiten danach einerseits als als Selbstsorge der verantwortlichen Bürger verstanden werden oder als Übergriff des Staates, der sich voraufklärerische Macht über Seelen zu schaffen versucht. (Cethegus)