Benutzer:SimonFrank/Protokoll der Sitzungen am 13.05.09

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Die Wissenschaft der sinnlichen Erkenntnis. Textbeispiel: Alexander Gottlieb Baumgarten[Bearbeiten]

Protokollantin: Regine Weißinger

(1) Alexander Gottlieb Baumgarten – Begründer der Ästhetik als philosophischer Disziplin[Bearbeiten]

Alexander Gottlieb Baumgarten begründet 1750 in seinem unvollendeten Werk „Aesthetica“ die Ästhetik als die „Wissenschaft der sinnlichen Erkenntnis“ (§1). Er strebt mit seinem Werk, obwohl nur auf Dichtkunst bezogen, universellen Charakter an. Zentraler Aspekt ist dabei die Analogie der Kunst und der Verstandeserkenntnis (ars analogi rationis): ebenso wie die Logik den Verstand regelt, beschäftigt sich die Ästhetik mit der Sinnlichkeit. Die Ästhetik als Disziplin zeigt sich bei Baumgarten folglich ambivalent: sie ist sowohl Kunst, als auch Wissenschaft. Eine seiner Hauptleistungen besteht in der Aufwertung der unteren Erkenntnisvermögen gegenüber der Vernunft. Nach Baumgartens Theorie steht die Ästhetik als Wissenschaft neben der Logik. Dies zeigt sich auch im Neologismus „ästhetikologisch“.

2) Die „Aesthetica“ §1-12[Bearbeiten]

Baumgarten definiert in den ersten vier Paragraphen der„Aesthetica“ Grundlegendes für seinen Ansatz. Daran anschließend argumentiert er gegen fiktive Einwendungen gegen die von ihm begründete Wissenschaft. Grundlegend unterscheidet er zwischen der angeborenen (und daher schönen) und der erworbenen Ästhetik (vgl. §2,11). Zweitere wird in lehrende und ausübende Ästhetik unterteilt. Den Nutzen seines Ansatzes sieht er vor allem in der Anwendung auf Wissenschaften, die auf der Erkenntnis des Verstandes beruhen (§ 3). Die Ästhetik wird als interdisziplinärer Ansatz verstanden (§5). Zentral erscheint §10, in dem Baumgarten gegen den Einwand argumentiert, die Ästhetik sei Kunst und nicht Wissenschaft. Zunächst weißt er auf die historische Entwicklung hin und ergänzt in einem zweiten Schritt, dass Kunst auch wissenschaftliche Zwecke bedienen kann, auch durch Kunst kann man zu Erkenntnis gelangen. Baumgarten bezeichnet den Philosoph als „Mensch unter Menschen“ (§ 6), der sich mit der Theorie der ästhetischen Praxis beschäftigen muss. Verwirrung definiert er als „unerlässliche Bedingung zur Auffindung der Wahrheit“ (§7), die man nicht aus den Augen lassen darf. Wichtig erscheint, dass die unteren Vermögen von den Ästhetikern beherrscht und gelenkt werden müssen, nicht jedoch unterdrückt (§12).

Ästhetik also ist die Wissenschaft der sinnlichen Erkenntnis und funktioniert ebenso wie die Logik in ihrem Verhältnis zur rationalen Erkenntnis. Die neue Wissenschaft beschäftigt sich mit den unteren Erkenntnisvermögen und unterscheidet sich von Rhetorik, Poetik und Kritik. Die Ästhetik als Kunstlehre kann den Wissenschaften, die sich mit Verstandeserkenntnis beschäftigen zuarbeiten (vgl. §3, 4). Sinnliche Erkenntnis sollte den gleichen Stellenwert erreichen, wie rationale Erkenntnis.

(3) §560: Die Marmorkugel[Bearbeiten]

Am Beispiel einer Marmorkugel1 erläutert Baumgarten den Zusammenhang von unterem Erkenntnisvermögen und Vernunft. Im Seminar ergaben sich zwei Deutungsvariationen dieses Beispiels:

a) Zugunsten des Kerns werden die abgeschlagenen Reste vernachlässigt. Dabei bleibt die sinnliche Wahrnehmung Außen vor.

b) Beim Arbeiten am Marmorblock schlägt man Unwichtiges weg, dies setzt aber voraus, dass man sich mit allem beschäftigt und somit lernt Unwichtiges von Wichtigem zu trennen, um somit zum Kern gelangen zu können. Bei dieser Lesart bleibt also nichts unbeachtet.

Beide Lesarten ergeben Sinn, im Seminar allerdings wurde die zweite Auffassung als wahrscheinlicher gedeutet, da sie sich durchaus auf den Kern fokussiert, aber die Verluste nicht aus den Augen verliert. Um die Ästhetik als Wissenschaft begreifen zu können muss abstrahiert werden – durch diese Abstraktion entstehen Verluste. Ohne diese Verluste ist jedoch keine Verallgemeinerung möglich. Die Verluste müssen folglich ebenso betrachtet werden, wodurch schlussendlich ein Mehrwert entstehen kann. Abstraktion steht bei Baumgarten also immer in enger Verbindung zu Verlust. Durch diese Verluste erhält die sinnliche Erkenntnis nach Baumgartens Verständnis Einzug in die Wissenschaft.

(4) Literatur[Bearbeiten]

  • Nivelle, Armand (1960): Kunst- und Dichtungstheorien zwischen Aufklärung und Klassik, Berlin, S. 7-38.
  • Schneider, Norbert (1996): Geschichte der Ästhetik von der Aufklärung bis zur Postmoderne, 3.Auflage, Stuttgart, S. 21-29.
  • Baumgarten, Alexander Gottlieb (1750 und 1758): Aethetica. In: Schweizer, Hans Rudolf (Hrsg.) (1988): A.G. Baumgarten. Theoretische Ästhethik. Lateinisch-Deutsch, Hamburg.