Kurs:CSCL/Transaktives Gedächtnis

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Überblick und Definition[Bearbeiten]

Bereits im 19. Jahrhundert bestand die Annahme über die Existenz eines gemeinsamen Gedächtnisses innerhalb von Gruppen. Diese Idee wurde in den letzten Jahren verstärkt aufgenommen, wodurch es zu expliziter Theoriebildung über das transaktive Gedächtnis kam.

Ein transaktives Gedächtnissystem setzt sich aus individuellen Gedächtnissystemen einer Gruppe zusammen, die miteinander in Kommunikation stehen. Es beschreibt somit ein soziales Netzwerk aus mehreren einzelnen Gedächtnissen, wie es in einer Familie, Projektgruppe oder Firma zu finden ist. In der Forschung werden in diesem Kontext zwei weitere Gedächtnissysteme thematisiert, die als individuelles Gedächtnis und externales Gedächtnis bezeichnet werden.

Das Transaktive Gedächtnis[Bearbeiten]

Das Transaktive Gedächtnis entwickelt sich dann, wenn Individuen etwas über das Wissen anderer Personen lernen. In spontan entstandenen Gruppen kann die Kenntnis über das Wissen anderer nur auf Basis oberflächlicher Kennzeichen (z.B. Vorurteile) stattfinden, während in über einen längeren Zeitraum bestehenden Gruppen die Kenntnis über das Wissen anderer aufgrund intensiver Kommunikation eine fundierte Grundlage hat. Mit diesem Wissen übereinander, sowie der Kommunikation untereinander, entsteht ein komplexes und großes Wissenssystem, von dem die Mitglieder stark profitieren können. Das transaktive Gedächtnis kann deshalb als eine Eigenschaft der Gruppe betrachtet werden.

Jedes Gruppenmitglied kennt dabei das System aus einer anderen Perspektive, wissend welche Information wo bei anderen (internal gespeichert) zu finden ist. Ein transaktives Gedächtnissystem ist also mehr als seine Komponentensysteme der einzelnen Individuen. Möchte man Zugang zu einem bestimmten transaktiven Gedächtnissystem haben, ist es sehr wahrscheinlich, an die gewünschte Information zu gelangen, selbst wenn man an ein Mitglied mit geringem Expertenwissen gelangt, da dieses Mitglied möglicherweise über Wissen über die Hauptorte der gespeicherten Information verfügt.

Konstruktion des transaktiven Systems[Bearbeiten]

Die gemeinsame Kommunikation in längerfristig gebundenen Gruppen führt dazu, dass bestimmte Gruppenmitglieder als Experten eingestuft werden. Diesen Experten wird im weiteren Verlauf der Gruppenarbeit häufig die Verantwortung für die Speicherung von Informationen in ihrer Wissensdomäne zugeteilt. Besteht für bestimmte Informationen kein solcher Experte, dann erfolgt die Wissensverteilung auf mehreren möglichen Wegen: es kommt zu einer expliziten Verantwortungszuteilung durch die Gruppe an eine einzelne Person, derjenige, der mit der Information als erstes zu tun hat, ist mit der Speicherung betraut oder derjenige, der am meisten mit der Information zu tun hat, ist für die Abspeicherung zuständig. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Verantwortung entweder durch Expertise oder durch die Umstände verteilt wird. Ein wichtiges transaktives Phänomen ist beispielsweise, dass man - sofern die Umstände der Informationsvermittlung für einen sprechen - je nachdem, wie man die Expertise des/der anderen einschätzt, die Information selbst abspeichert oder eben nicht. Hieran wird wieder offensichtlich, wie wichtig es für ein transaktives Gedächtnis ist, die eigenen Gruppenmitglieder gut zu kennen. Die Formierung eines transaktiven Gedächtnisses kann also als eine Folge von sozialer Wahrnehmung betrachtet werden.

Transaktiver Prozess in der Gruppe[Bearbeiten]

Gruppen haben einen starken Einfluss auf Informationen, d.h. Informationen können im Rahmen einer Gruppe verändert oder verzerrt werden (Groupthink), auch können Informationen verloren gehen. Dies kann aufgrund von Effekten des individuellen Gedächtnisses erfolgen, ebenso kann es sich aber auch um ein transaktives Phänomen handeln. Generell kann eine Information sich häufig stark verändern, wenn sie in Gruppen besprochen wird. Ein weiterer wichtiger transaktiver Prozess, welcher bei der Informationsverarbeitung in Gruppen stattfindet, ist das Zuweisen bestimmter Labels zu Items oder eingehender Information. Dabei gilt zu bedenken, dass Informationen durch zugewiesene Labels teilweise sehr einseitig in Richtung des Labels wahrgenommen und dadurch möglicherweise verzerrt werden. Ein weiterer Effekt, der bei der Informationsaufnahme und -verarbeitung in Gruppen stattfinden kann, ist die rasche Modifikation von eingehender Information, häufig noch während des Speicherungsprozesses.

Der beschriebene transaktive Prozess bietet allerdings auch einen großen Vorteil: die Kommunikation zwischen den Gruppenmitgliedern verzerrt und verändert Informationen nicht nur, sie ist auch Quelle von neuen und kreativen Ideen und Innovationen. Dadurch, dass verschiedene Informationen und Anregungen von verschiedenen Personen zusammengebracht werden, kann es im Gesprächsprozess zu einem dritten Standpunkt kommen. Dieser Prozess, auch "integrativer Prozess", ist nicht nur wichtig, wenn es um die Hervorbringung kreativer Ideen geht, sondern ist auch zentraler Bestandteil von Überlegungen in einer Gruppe zur Lösung bestimmter Problemstellungen.

Der transaktive Prozess beinhaltet weiter nicht nur die Gefahr der Verzerrung, sondern auch die Chance zur Richtigstellung bestimmter Annahmen, Klärung von Missverständnissen oder natürlich Wissensvermittlung und Aufklärung der anderen Gruppenmitgliedern über für sie relevante Informationen.

Bewertung[Bearbeiten]

Vorteile[Bearbeiten]
  • Erweiterung der eigenen Expertise durch die anderen Mitglieder
  • Die Spezialisierung eines Individuums auf bestimmte Wissensbereiche ist für alle anderen Gruppenmitglieder hilfreich.
  • Das Individuum gewinnt Zugang auf Wissen, welches erst durch die Integration verschiedener Bereiche innerhalb des transaktiven Gedächtnissystems entanden ist.
  • Innerhalb des transaktiven Gedächtnisses werden Informationen enkodiert und gespeichert, die vom Individuum nicht gespeichert würden.
  • Für das Individuum relevante Information wird oft auch dann gespeichert, wenn das Individuum alleine die Speicherung versäumt hat.
  • Andere Mitglieder koennen Informationen mit- oder weiterverarbeiten und Entscheidungen treffen, auch wenn das Individuum abwesend ist.
  • Gruppe mit funktionierendem transaktiven Gedächtnis erreicht ihre Ziele eher auf effektive Art und Weise als ein Individuum allein.
=> höhere Zufriedenheit der Mitglieder, die sowohl indirekt als auch direkt von der Gruppe profitieren
  • gute Erfolgswahrscheinlichkeit bezüglich des Gruppenziels schafft einen Anreiz für die einzelnen Gruppenmitglieder, sich aktiv zu beteiligen.


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das transaktive Gedächtnissystem vor allem deshalb wertvoll ist, weil

es Wissen unterschiedlichster Art der verschiedenen Individuen beinhaltet
sich Regeln beobachten lassen, nach denen mit dieser Vielfalt an Wissen nützlich umgegangen werden kann.

Dies genannten Vorteile führen (automatisch) zur Formation solcher transaktiven Gedächtnis-Systeme in Gruppen,
bzw. stellen den Grund für die Formation von Gruppen dar, die es sonst nicht gäbe.

Nachteile[Bearbeiten]
  • Verwirrungen und Fehler, die aufgrund von Vernetzungen mit anderen Gedächtnissen innerhalb des transaktiven Gedächtnissystems entstehen können (vorwiegend auf unzureichende Spezifizierungen der Verantwortlichkeiten innerhalb der Gruppe zurückzuführen)
  • mangelhafte Spezifizierungen können dazu führen, dass die Gruppenmitglieder sich nicht mehr im Klaren darüber sind
  1. welches Gruppenmitglied für welchen Wissensbereich verantwortlich ist
  2. welches Gruppenmitglied über welches Wissen verfügt.
Lösungsansatz: genaue Spezifizierung der Zuständigkeiten allen zugänglich (Tafel, Ausdruck, Liste)


  • Eine genaue Spezifizierung bezüglich der Verantwortlichkeit für einen bestimmten Wissensbereich kann wiederum dazu führen, dass die Verantwortlichen
  1. sich nicht mehr aus diesem Wissensbereich lösen können
  2. von anderen Gruppenmitgliedern als für einen bestimmten Wissensbereich verantwortlich definiert werden.
Lösungsansatz: Gruppendiskussionen und z.B. Jahresrückblick mit Neuverteilung von Zuständigkeitsbereichen


  • Auflösung der Gruppe führt zu Wissensverlust, Mitglieder können nicht autark mit dem vollständigen Wissen arbeiten,
  • Personen außerhalb der Gruppe haben keinen Zugriff (mehr) auf das transaktive Gedächtnis
Lösungsansatz:
Wissen in Skripten nach und nach im Amt niederschreiben, neu erworbenes Wissen hinzufügen
bei Austritt aus der Gruppe können sich neue Gruppenmitglieder einarbeiten und auf das protokollierte Wissen zurückgreifen
=> somit geht ein geringerer Teil des Wissens verloren

Empirische Ergebnisse[Bearbeiten]

Studien zum transaktiven Gedächtnis befassen sich mit Einflussfaktoren, die einerseits die Neubildung eines transaktiven Gedächtnisses fördern bzw. hemmen und andererseits auf das Funktionieren bzw. die Effektivität schon bestehender transaktiver Gedächtnissysteme einwirken. An dieser Stelle sollen einige Vorgehensweisen und Befunde exemplarisch dargestellt werden.

Transaktives Gedächtnis oder verbesserte Kommunikation[Bearbeiten]

Moreland und Myaskovsky (2000) untersuchten in ihrer Studie "Exploring the Performance Benefits of Group Training: Transactive Memory or Improved Communication?" ob die positiven Erfolge bei der Lösung einer Aufgabe nach einem Gruppentraining auf die Bildung eines Transaktiven Gedächtnisses oder auf die durch das Gruppentraining verbesserte Kommunikation zwischen den Gruppenmitgliedern zurückzuführen ist.

Hierzu führten sie ein Experiment durch, in dem die Probanden in Gruppen Radios zusammenbauen sollten, nachdem sie ein unterschiedliches Training für diese Aufgabe durchlaufen hatten. Ein Drittel der getesteten Gruppen (A) bestand aus Gruppenmitgliedern, die alle ein individuelles Training absolviert hatten. Diese Gruppen hatten also keine Möglichkeit vorher miteinander zu kommunizieren. Ebenso hatten die Gruppenmitglieder der Bedingung B keine Kommunikationsmöglichkeit während des Trainings; jedoch erhielten sie parallel zu dem individuellen Training Informationen über die Fähigkeiten der anderen Gruppenmitglieder bezüglich des Baus eines Radios. Die Probanden der dritten Bedingung (Bedingung C) erhielten ein Gruppentraining und somit die Möglichkeit schon während des Trainings miteinander zu kommunizieren und sich Wissen über die Kenntnisse der anderen Gruppenmitglieder anzueignen.

Moreland und Myaskovsky (2000) konnten zeigen, dass sowohl Gruppen der Bedingung C, als auch Gruppen der Bedingung B deutlich weniger Fehler beim Zusammenbau der Radios machten als Gruppen der Bedingung A. Damit konnten die Autoren zeigen, dass nicht nur die durch Gruppentraining verbesserte Bedingung Kommunikation zur Effizienz einer Gruppe beiträgt, sondern auch das Transaktive Gedächtnis, welches unabhängig von einem Gruppentraining gebildet werden kann.

Bestehende vs. neu gebildete Gruppen[Bearbeiten]

Eine weitere Studie zum transaktiven Gedächtnis wurde von Wegner (1991) durchgeführt. Ziel der Studie war es, die Effizienz des transaktiven Gedächtnisses von festen bzw. willkürlich zusammengefügten Paaren zu untersuchen. Weiterhin sollte festgestellt werden, welchen Einfluss von außen auferlegte Vorgaben auf schon bestehende bzw. sich neu bildende transaktive Gedächtnisse haben.

Die Teilnehmer der Studie waren 59 Paare. Die Paare mussten mindestens 3 Monate liiert sein und sich im Schnitt sechs Mal die Woche sehen, wodurch ein vergleichbares Ausmaß an Nähe und Vertrautheit gewährleistet sein sollte. Die 59 Paare wurden im Rahmen des Versuchsdesigns wiederum in 2 Gruppen aufgeteilt, wobei für die Hälfte der Paare die gewohnte Paarkonstellation beibehalten wurde (enge Paare) und die andere Hälfte der Paare wurde zufällig einem neuen gegengeschlechtlichen Partner zugewiesen wurde (fremde Paare). Die Aufgabe der Paare bestand nun darin, dargebotene Begriffe möglichst gut zu erinnern. Die Begriffe waren dabei klar zu bestimmten Spezialgebieten zuordenbar (z.B. Sport, Politik, Haushalt). Sowohl bei den engen, als auch bei den fremden Paaren wurden jeweils zwei weitere Untergruppen gebildet. In der ersten Untergruppe konnten die jeweiligen Spezialgebiete frei zwischen den Partnern verteilt werden, in der zweiten Untergruppe war diese Zuteilung von außen vorgegeben. Für enge Paare bedeutete dies, dass diese sich bei freier Zuteilung der Zuständigkeit der Spezialgebiete ihre gewohnten Expertisen zuweisen konnten. Bei von außen vorgegebenen Spezialgebieten für die jeweiligen Partner, wurde angenommen, dass die schon existierenden Strukturen des transaktiven Gedächtnisses durch den Eingriff von außen gestört werden, was zu einer erschwerten Interaktion führen sollte. Fremde Paare konnten bei freier Zuteilung der Spezialgebiete spontan die jeweilige Expertise ermessen und dementsprechend zuteilen, bei von außen zugewiesenen Spezialgebieten bestand eine vorgegebene Struktur zur Orientierung. Das zentrale Maß im Rahmen der Studie war die Erinnerungsleistung als Hinweis auf die Stärke des transaktiven Gedächtnisses.

Es zeigte sich, dass enge Paare bei freier Zuteilung der Spezialgebiete, fremden Paare in der gemeinsamen Erinnerungsleistung stark überlegen waren. War die Zuteilung zu Spezialgebieten jedoch von außen vorgegeben, zeigte sich bei engen Paaren eine stark verringerte Erinnerungsleistung. Eine von außen vorgegebene Struktur scheint bei einem schon eingespielten transaktiven Gedächtnis stark nachteilig zu sein und die gewohnte Interaktion der Partner deutlich zu stören. Bei fremden Paaren war dieser Effekt der vorgegebenen Struktur deutlich geringer, diese waren generell weniger leistungsfähig als enge Paare, zeigten aber dennoch eine höherer Erinnerungsleistung als enge Paare, die durch eine vorgegebene Struktur in ihrer gewohnten Interaktion gestört wurden. Dies zeigt, dass Vertrautheit mit den anderen Gruppenmitgliedern und Kenntnis über ihr Wissen bzw. Expertengebiete entscheidend für die Effizienz eines transaktiven Gedächnisses sind.

Transaktives Gedächtnis und Kommunikation[Bearbeiten]

Hollingshead und Brandon (2003) erweiterten die Studie von Wegner (1991), indem die Paare während der Encodierungs- und/oder Abrufprozess kommunizieren durften oder nicht.

Hierbei konnte festgestellt werden, dass die Erinnerungsleistung fremder Paare besser war, wenn sie sich während der Encodierungsphase unterhalten durften. Die Kommunikation während der Encodierungsphase bei engen Paaren führte im Gegensatz hierzu zu einer Verschlechterung der Leistung. War die Kommunikation während der Wiedergabe erlaubt, so schnitten enge Paare besser ab als fremde Paare. Der größte Effekt zeigt sich, wenn es erlaubt war, sowohl während der Encodierungs- als auch der Wiedergabephase mit dem Partner zu kommunizieren. Durch diese Untersuchung wird einerseits klar, dass Kommunikation ein entscheidender Faktor bei der Entstehung und Effektivität eines transaktiven Gedächtnisses ist, jedoch andererseits nicht unter allen Umständen zu einer Verbesserung der Leistung führen muss.

Weitere Möglichkeiten zur Messung des transaktiven Gedächtnis[Bearbeiten]

Manipulation der unabhänigen Variable:

  • Gruppengröße
  • Kommunikationsmedien
  • Gruppenhomogenität (Wissen, Persönlichkeitseigenschaften,...)
  • Lerninhalte

Messung der abhängigen Variable:

  • Qualität des Ergebnis
  • Gruppen- und individuelle Zufriedenheit
  • Grad der Vernetzung von Wissen zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern

Beispiele aus der Praxis[Bearbeiten]

Organisationsmanagement[Bearbeiten]

Die Strukturierung einer Organisation geht zwingend mit der Strukturierung eines transaktiven Gedächtnisses einher. Dieses Vorgehen beinhaltet die Aufteilung von verschiedenen Arbeitsfeldern, Verteilung von Zuständigkeiten und den Austausch von Informationen innerhalb verschiedener Instanzen. Oft finden sich Manager jedoch in der Situation, dass bereits ein transaktives Gedächtnis innerhalb einer bestehenden Organisation vorliegt, und ihre Aufgabe ist es nun, dieses effizienter zu gestalten. Hierbei müssen zwei Dimensionen beachtet werden:

1. Differenzierung: unterschiedliche Infos sind in verschiedenen Individualgedächtnissen gespeichert, den einzelnen Individuen sind Label & Location bekannt, um auf Informationen zugreifen zu können.

2. Integration: verschiedene Gedächtnissysteme beinhalten alle dieselben Informationen und die Individuen sind sich der Überlappung bewusst.

Je nach Aufgabe des Unternehmens sind die beiden Dimensionen in unterschiedlichem Ausmaß wichtig:

Differenzierte transaktive Gedächtnissysteme sind dann nützlich, wenn die Arbeit im Unternehmen viele unterschiedliche Tätigkeitsfelder umfasst sowie darauf angewiesen ist, dass die verschiedenen Arbeitsbereiche integrativ miteinander arbeiten und im Wissensaustausch neue Ideen und Strategien erarbeiten. Das ist vor allem dadurch möglich, dass ein differenziertes Gedächtnissystem ein viel größeres Wissensspeicherpotential beinhaltet als ein integratives Gedächtnissystem.

Das integrative transaktive Gedächtnissystem ist hingegen dann wichtig, wenn die einzelnen Angestellten jede Aufgabe, die für den Betrieb wichtig ist, allein können muss. Ein Beispiel hierfür wäre ein Versandhaus, in dem jede Person Waren verkaufe können muss. Das Individuum ist hierbei nicht vom transaktiven Gedächtnis abhängig, es kommt also auch zu keinem integrativen Prozess.

Bei der Effizienzsteigerung innerhalb einer Organisation müssen diese beiden Komponenten beachtet und je nach Unternehmensziel möglicherweise modifiziert werden.

Intime Beziehungen[Bearbeiten]

In engen Beziehungen entsteht meist die intensivste und akkurateste Form des transaktiven Gedächtnisses. Grund dafür ist eine genaue Kenntnis der Expertisen und hierdurch eine gute Organisation der Zuständigkeiten, welche nicht zwingend verbalisiert werden muss und so oft nur implizit vorliegt (Atkinson & Hudson, 1984). Die Annahme besteht, dass ein gutes transaktives Gedächtnis als Indikator für eine gut funktionierende Beziehung gewertet werden kann. Hierfür sprechen auch Befunde von Giuliano & Wegner (1985), wonach die Aufteilung der Zuständigkeiten für bestimmte Wissensdomänen positiv mit der Zufriedenheit in der Beziehung korreliert ist. Die Aufteilung ist jedoch meist nicht willkürlich, oft spielen Geschlechterrollen eine große Rolle bei der Verteilung und Abspeicherungen der Informationen, dieses Phänomen konnte u.a. auch in Familienstrukturen nachgewiesen werden (Davis, 1976). Der Idealfall des transaktiven Gedächtnisses in intimen Beziehungen besteht dann, wenn beide Partner für die gleiche Menge an Informationen zuständig sind und es so nicht zu einer einseitigen Verantwortlichkeit innerhalb der Beziehung kommt. Das Auseinandergehen der Partner wird aus dieser Perspektive als so schmerzhaft gewertet, weil durch die Trennung für die Individuen das aufgebaute transaktive Gedächtnissystem wieder entfällt. Das hat zur Folge, dass die Instanz, die zum einen viel Wissen, welches nicht irrelevant für die andere Person ist, wegfällt, und des weiteren auch eine Instanz, mit der ein integratives Arbeiten möglich war, z.B. was die eigenen Angelegenheiten oder komplexe Lebenssituationen betrifft.

Gesundheitsbezogenes Verhalten[Bearbeiten]

Den meisten Menschen gelingt es nur selten, eine Selbstdiagnose über eine Krankheit zu erstellen. Oft werden Angehörige und Freunde konsultiert, um die vorliegenden Symptome zu klassifizieren und durch den gemeinsamen Wissens- und Erfahrungspool werden dann weiterführende Schritte, wie die Einnahme bestimmter Medikamente, die Einleitung gesundheitsfördernder Verhaltensweisen und Maßnahmen (z.B. keinen Sport treiben, Tee trinken etc.) oder das Aufsuchen eines Arztes eingeleitet.

Der Arzt-Patient-Dialog kann ebenfalls als ein transaktiver Gedächtnisprozess gesehen werden, bei welchem der Arzt als Experte für die Krankheitsbehandlung und der Patient ein Experte hinsichtlich der vorliegenden Symptome und ihrer Ausprägung ist.

Instruktionspsychologie[Bearbeiten]

Das Lehrer-Schüler-Verhältnis kann ebenfalls als ein transaktives Gedächtnissystem aufgefasst werden, bei dem eine spezielle Rollenverteilung zutrifft. Der Lehrer liefert die Informationen und der Schüler nimmt diese auf. Ein Ansatz, um die Elaborationstiefe und die Effizienz der Unterrichts zu verbessern, ist die "scaffolding"-Methode (engl. Baugerüst). hier wird der Generierungs-Effekt ausgenutzt, welcher besagt, dass Informationen, die selber generiert werden, besser erinnert werden, als solche, denen die Schüler nur ausgesetzt werden. Hier wird der Schüler einer Aufgabe ausgesetzt, die er v.a. alleine und nur unter minimaler Leitung des Lehrers bewältigen muss. Dabei soll der Lehrer, der zum einen einen Überblick über das vorhandene Wissen des Schülers und zum anderen das Lernziel vor Augen hat, immer nur dann eingreifen, wenn der Schüler nicht mehr weiter weiß oder Gefahr läuft, die Aufgabe falsch zu bewältigen. Letztendlich werden dem Schüler so mit einem geringen Aufwand, aber mit maximalem Erfolg internale Wissenstrukturen vermittelt.

Bezug zu "computer supported collaborative learning" (CSCL)[Bearbeiten]

Der Schlüssel zu einem Transaktiven Gedächtnis ist die Bildung eines Gedächtnisnetzwerkes zwischen verschiedenen Personen, durch welches das Wissen der einzelnen Personen sich zu einem gemeinsamen Wissenspool vereint. Innerhalb des Netzwerkes haben die unterschiedlichen Personen Verantwortungsbereiche, für welche die entsprechende Person Experte ist. Die einzelnen Mitglieder können auf diesen gemeinsamen Wissenspool, der die Kapazität eines individuellen Gedächtnisses übersteigt, zurückgreifen und dadurch die eigene Effizienz und somit die der Gruppe erheblich steigern. Beim Computer Suppported Cooperative Learning kann die Effizienz der Gruppe ebenfalls durch die Konstruktion eines solchen Transaktiven Gedächtnisses gesteigert werden. In der Untersuchung von Moreland und Myaskovsky wurde deutlich gezeigt, dass für die Konstruktion eines solchen Gedächtnisses kein persönlicher Kontakt notwendig ist, sondern schon alleine das Wissen über die Fähigkeiten der anderen dafür hinreichend ist. Da die Personen beim CSCL nur virtuell in Kontakt treten, müsste der Prozess des CSCL gezielt so strukturiert werden, dass die Teilnehmer regelmäßige Fähigkeitssteckbriefe der anderen Teilnehmer erhalten und somit Kenntnis über die Fähigkeiten der anderen haben und wissen, wie das Expertenwissen verteilt ist, um diesen erweiterten Wissenspool effizient nutzen zu können.

Literatur[Bearbeiten]

Hollingshead, A. B., & Brandon, D. P. (2003). Communication and transactive memory systems. Human Communication Research, 29, 607-615.

Moreland, R. & Myaskovsky, L. (2000). Exploring the Performance Benefits of Group Training: Transactive Memory or Improved Communication?. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 28 (1), 117-133.

Wegner, D. M. (1987). Transactive memory: A contemporary analysis of the group mind. In B. Mullen & G. R. Goethals (Eds.), Theories of group behavior (pp. 185-208). New York: Springer.

Wegner, D. M., Erber, R., & Raymond, P. (1991). Transactive memory in close relationships. Journal of Personality and Social Psychology, 61, 923-929.

Wegner, D. M. (1995). A computer network model of human transactive memory. Social Cognition, 13, 1-21

http://www4.psychologie.uni-freiburg.de/einrichtungen/Paedagogische/rolf/Lehre/WissPsy_05_06/Transaktives%20Gedaechtnis%20(Laquai%20Roederer).pdf