Kurs:Dresdner Baudenkmäler/Der Wohnhausbau von 1550 — 1620

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Wohnhausbau von 1550 — 1620.

Die Grundrissanlage der Wohnhäuser erhielt unter der Regierung Kurfürst Augusts gewisse feststehende Formen.

Zunächst verschwinden aus der ganzen inneren Stadt die ursprünglich wohl vielfach vorhandenen Hofthore, überhaupt die Einfahrten in die Grundstücke. Die Gesetze über die Abfuhr des Unrathes verschärfen sich, in der Willkür von 1513 heisst es: Mist und Abraum dürfen vor den Häusern nur eine gesetzlich festgelegte Zeit lang liegen, Unflat und stinkendes Wasser nicht auf die Strassen, Kehricht „ader scinder" nicht in die Quergassen geworfen werden. Die Willkür von 1559 verbot schon das freie Herumlaufenlassen des Viehes, das Halten von


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Mastschweinen, ordnet das Stehenlassen der Wagen auf den Strassen und wirkt somit auch auf die Verdrängung des Ackerbürgerthums in die Vorstädte.

Bei der Schmalseite der Grundstücke, die nicht selten auf 8, ja 5 m Breite herabgehen, hat man die typische Grundanlage natürlich nicht völlig einhalten können. Dort erscheint das Erdgeschoss getheilt in einen langen Hausflur und einen Laden oder Werkstatt, dem sich ein zweiter gegen den Hof zu gelegener Baum anschloss.

Das sind aber nur verkümmerte Formen. Das Ziel ist die Anlage eines breiten, überwölbten Hausflurs, der meist in der Achse des Hauses bis zum Hofe führt und an den sich vier Stuben legen. Denn parallel zur Strasse theilt eine Mauer in der Kegel den Grundplan. Auch diese Zimmer sind im Erdgeschosse oft überwölbt. Sie dienen als Läden, Werkstätte, auch als Wohnstuben. Der Flur steht zumeist unmittelbar in Verbindung mit der Treppe. Als solche dient noch ausnahmslos die Wendeltreppe („Schnecke", „Wendelstein").

Solche Wendeltreppen giebt es in Dresden noch eine grosse Zahl, obgleich seit dem 17. Jahrhundert ihre Verdrängung und die Anlage geradläufiger Treppen eines der Hauptziele der Umbauten wurde. Die älteren Wendeltreppen haben zumeist auch noch ansteigende Fenster. So beispielsweise in den Häusern Wilsdruffer Strasse Nr. 38 u. 31. Ein gutes Beispiel der Wendeltreppen eines vornehmen Hauses Schössergasse Nr. 16. Weitere Beispiele Webergasse Nr. 3 u. 5, Wilsdrufferstrasse 17 u. 21, Breitestrasse Nr. 12. Wendel- treppen in Holz: Scheffelstrasse Nr. 14. Wilsdrufferstrasse Nr. 27 und Nr. 40, Webergasse Nr. 9 u. a. a. 0.

Im Obergeschoss wurde entschieden auf einen grossen Flur Gewicht gelegt, in dem sich das häusliche Leben zu gutem Theile mit abgespielt haben dürfte. Die meisten Häuser sind wohl schon geschossweise vermiethet worden. 0. Richter berechnet, dass 1454 jedes Haus von durchschnittlich 7,2 Köpfen bewohnt war und dass in den 149 Häusern der Stadt 147 Miethshaushaltungen sich befanden. 1608 war die Zahl der ein Haus bewohnenden Köpfe auf 10 gestiegen. Unter den 830 Häusern der Stadt standen 17 leer, waren 14 nur von Miethern bewohnt, 24 enthielten Amtswohnungen. Mit diesen waren in den Häusern 787 Mieths- haushaltungen untergebracht, denen 775 Hauswirthe gegenüber stehen.

Diesem Verhältnisse gemäss bilden die Geschosse zumeist eine in sich ge- schlossene Wohnung und sind sie durch Verschluss der Thüre des Hausflurs zur Wendeltreppe abgesondert.

Nach der Strasse zu befinden sich die Hauptzimmer in gleichmässiger Folge. Während bei den älteren Häusern die Fenster jedes Raumes in Gruppen beisammen stehen, ist seit der Mitte des 16. Jahrhunderts mehr auf gleich- mässige Vertheilung der Lichtöffnungen auf die Facade Rücksicht genommen.

Die Fenster wechseln gegen die vorhergehende Zeit den Typus der Profile. Es treten die auf Fig. 489 angegebenen Gestaltungen ein. Eine historische Folge dieser Profile lässt sich nicht nachweisen. Es werden häufig in demselben Hause in verschiedenen Geschossen verschiedene Typen angewendet. In der Regel wird das reichliche untere Drittel des Gewändes einfach abgeschrägt. Gekuppelte Fenster kommen seltener vor. Unverkennbar wurden diese Fenster ohne viel


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Wahl in den Steinmetzhütten oder wohl gar gleich in Pirna oder Struppen be- stellt und lassen daher keinerlei Schluss auf die den Bau Ausführenden zu.

Zur Ueberwölbung des Erdgeschosses werden anscheinend noch bis tief in das 16. Jahrhundert hinein die Netzgewölbe in Ziegel, mit Graten statt der Rippen verwendet, wie sie die Albrechtsburg in Meissen in glänzendster Ent- wickelung zeigt.

Die Geschosshöhen sind reichlich, so dass sie auch heutigen Bedürfnissen vollständig genügen.

Die Decken der Obergeschosse werden in der Weise gebildet, dass starke Unterzüge über weitere Räume gespannt und auf diese, sowie auf die Mauern die Balkenlage quer zur Strassenfront gelegt wurde. Die Balken zeigen viel- fach gothisehe Profile noch bis ins 17. Jahrhundert hinein, wie denn der Zimmer- mann überhaupt wenig berührt wurde von der Stilbewegung. Zwischen die Balken sind am Rande leicht profilirte Bretter eingeschoben. Auf den Balken lag unmittelbar der Fussboden der Obergeschosse. Häufig sind die Mauern unter der Balkenlage dadurch verstärkt, dass für die Mauerlatte ein Auflager auf


Fig. 489. Fensterprofile.


flachen Blendbogen geschaffen ist, die wieder an den Mauerschäften auf kleinen Steinconsolen aufliegen.

Die später beliebte Anordnung von Rohrdecken, die an die früher offene Balkenlage befestigt wurden, hat bewirkt, dass an diesen sich unter dem neuen Putz oft die alte Bemalung findet. Sie ist in der Regel in Leimfarben freihändig aufgemalt und zeigt im 16. Jahrhundert zumeist sehr derbes, lebhaft gefärbtes Ornament auf den Einschubbrettern und einige Farbentöne in den Profilen des Balkenwerkes.

Die Oefen wurden fast immer von aussen geheizt, Kamine erscheinen nur in vornehmeren Haushaltungen.

Den Hof umschliessen Nebenbauten. Diese sind in der Regel zugängig durch Galerieen, die noch im 17. Jahrhundert häufig in Holz ausgeführt worden zu sein scheinen. Sowohl Thüren als Fenster dieser Gelasse öffnen sich dann nach diesen Galerieen zu. Es ist diese Anordnung selbst bei dem hinteren Flügel des Frau- mutterhauses (Fig. 357) im Hauptgeschoss angewendet, obgleich hier die Zimmer gegen 5 m Tiefe haben.

Das Dach hat in älterer Zeit eine steile Neigung und infolgedessen bei der Tiefe der Bauten eine nicht unbeträchtliche Höhe, so dass mehrere Balkenlagen eingefügt werden mussten. Nach aussen zeigen sich diese Stockwerke durch Dach- luken, die meist rechtwinkelig sind, seltener ein Dreieckdach haben. Manchmal erscheinen ganze Reihen solcher Luken im unteren Dachgeschoss, das wohl als Trockenboden diente.


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Der Dachfirst scheint im Mittelalter zumeist im rechten Winkel zur Strassen- front gelegen zu haben. So erscheint es nach dem Stadtmodell. Doch findet man auch mehrfach die Lage parallel zur Strassenfront.

1556 wurde bestimmt, dass hinfort Keiner dem Nachbar Traufen und Fensler auf dessen Grund und Boden führen und bauen dürfe, dass aber die alte Ge- rechtigkeit noch gelten solle, wo sie bisher bestanden. Es vollzog sich also wohl während des 16. Jahrhunderts die Schwenkung der Firste, so dass im 17. Jahr- hundert kaum noch ein ansehnliches Haus mit dem Hauptgiebel nach der Strasse zu stand. Doch waren vielfach stattliche Schmuckgiebel an deren Stelle getreten. Das Dachdreieck schliesst nun ein Brandgiebel ab, der bei den älteren Bauten eine Katzentreppe zeigt. Später verschwindet er in der Dachfläche. Die gothischen Bauten, die wie die Marienapotheke mit dem First parallel der Strasse lagen, scheinen keine Giebel an der Front gehabt zu haben. Im Stadtmodell erscheinen solche nicht. Doch ist dieses für die Privatbauten wenig zuverlässig.

Die Giebelform des alten Bathhauses in der Neustadt von 1527 (Fig. 462) ist für die Frührenaissance maassgebend. Sie fand sich noch 1678 an zahlreichen Ge- bäuden. So an stattlichen Häusern in der Schlossstrasse, der jetzigen Sächsischen Bank und Stadt Gotha, an der jetzigen Löwenapotheke, Wilsdruffer Strasse.

In der Mitte des 16. Jahrhunderts wird jene Form der Giebel allgemein, die am kurfürstlichen Schlosse zur Verwendung kam. Der Unterschied besteht im Wesentlichen darin, dass bei den älteren Bauten die Abtreppungen der Giebel mit Halbkreisverdachungen bekrönt wurden, während nun der höchste, mittlere Theil eine Dreieckverdachung erhielt und in die Treppen verschiedenartig gestaltete Voluten eingefügt wurden. Die Giebel wuchsen dabei an Breite und Zahl der Geschosse. Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts und zu Anfang des folgenden wurden Quaderungen der Schäfte der Giebel und reichere Gebilde angewendet.

Die Gestaltung der Schauseiten in der Renaissancezeit bietet wenig Ab- wechselung.

Zumeist sind sie glatt geputzt und nur die Fenster und Thüren mit Stein- gewänden versehen. Von den Hausthüren haben sich einige erhalten, die näher besprochen werden sollen. Neben den Thüren sieht man in alten Abbildungen vielfach grössere Ladenfenster. Sie sind meist im Bundbogen gebildet und überdeckt von einem vorstehenden Holzdache. Die Sohlbank ist tischartig vor- gezogen. Man erkennt, dass der Laden verkehr zumeist durch das Fenster sich abspielte. Erhalten haben sich solche Anlagen nicht.

Der Wohnhausbau der zweiten Hälfte des 16. und des beginnenden 17. Jahrhunderts lässt sich noch an zahlreichen Beispielen nachweisen, namentlich durch die noch erhaltenen Fenstergewände. Es finden sich solche in fast allen Theilen der ursprünglichen Altstadt, weniger in den im siebenjährigen Kriege so stark beschädigten Theilen der ehemaligen Frauenvorstadt, so gut wie gar nicht in der durch Brand 1685 zerstörten Neustadt. Zumeist fehlen die Fenster in den so oft durch Ladeneinbauten veränderten Erdgeschossen. Dagegen findet man sie oft im ersten und zweiten Obergeschoss , nicht selten im dritten Ober- geschoss, hier und da auch im vierten Obergeschoss — ein Beweis dafür, dass die Häuser vor dem dreissigjährigen Kriege schon jene Höhe erlangten.


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Durch die Gewändeprofile erkennt man nachstehende Häuser als solche, die noch in ihrem Kern der Renaissance angehören. Die Zahl solcher Häuser ist zweifellos noch viel grösser. Hier sind nur solche aufgeführt, an denen zweifellose Merkmale das Alter ungefähr bestimmen lassen.

Scheffelstrasse Nr. 18. Erstes bis drittes Obergeschoss mit nach Typus 7 profilirten Fenstern; Scheffelstrasse Nr. 22. Dreifensterhaus, an dessen rundbogiger Hofthüre das Profil Typus 7 erscheint; Pfarrgasse Nr. 4. Drei- fensterhaus von drei Geschossen, mit Fenster im Typus 5. Der Flur mit drei Jochen gothisirender Gewölbe; Webergasse Nr. 29. Die Fenster im Erdgeschoss nach Typus 5 profilirt und im Stichbogen abgeschlossen. Webergasse Nr. 13, in drei Obergeschossen mit Fenstern nach Typus 5. Ebenso Webergasse Nr. 9, erstes und zweites Obergeschoss; Webergasse Nr. 3, erstes und zwei-


Fig. 490. Fenster, Wilsdrufferstrasse Nr. 30. Fig. 491. Fenster, Wilsdrufferstrasse Nr. 20.

tes Obergeschoss; Web er gas se Nr. 5, erstes bis drittes Obergeschoss; Zahns- gasse Nr. 21. Im ersten Obergeschoss Fenster nach dem Typus 6; Scheffel- strasse Nr. 13, 1. und 2. Obergeschoss; Scheffelstrasse Nr. 7, 1. und 2. Obergeschoss; Scheffelstrasse Nr. 4, 1. und 2. Obergeschoss, bei oberem Abschluss im Stichbogen; Wallstrasse Nr. 3, 1. und 2. Obergeschoss; Wils- druffer Strasse Nr. 40, 1. bis 3. Obergeschoss; Wilsdruffer Strasse Nr. 31, 1. Obergeschoss; Wilsdruffer Strasse Nr. 42, 1. Obergeschoss; Wilsdruffer Strasse Nr. 36, 1. und 2. Obergeschoss; Wilsdruffer Strasse Nr. 30, 1. bis 3. Obergeschoss; Wilsdruffer Strasse Nr. 6, 3. Obergeschoss; Wilsdruffer Strasse Nr. 3, 1. bis 3. Obergeschoss; Wilsdruffer Strasse Nr. 4, im Hofe Fenster mit Stichbogenabdeckung; Wilsdruffer Strasse Nr. 20 (Fig. 491), mit vom Schlossbau entlehnten Formen; Schlossstrasse Nr. 12; Schlossstrasse Nr. 6, nach Typus 8 profilirte Fenster im 1. und


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2. Obergeschoss. Ebensolche Schlossstrasse Nr. 15 im 1. und 3. Oberge- schoss, Schlossstrasse Nr. 18 im 2. Obergeschoss, Schlossstrasse Nr. 23, kleine Brüdergasse Nr. 10 im 1. bis 3. Obergeschoss, desgleichen kleine Brüdergasse Nr. 8, Nr. 9, Nr. 7, Nr. 3; grosse Brüdergasse Nr. 37 (Ty- pus 7), Nr. 23 (mit drei gekuppelten Fenstern nach Typus 5), Nr. 16, Nr. 19, Nr. 17, Nr. 3, Nr. 8, Nr. 11. Weiter Seestrasse Nr. 13 nach Typus 8; See- strasse Nr. 5, im Stiebbogen abgeschlossen, und zwar bis ins vierte Ober- geschoss, wenngleich in verputztem Zustande; Altmarkt Nr. 14, Seestrasse Nr. 15, mit Stichbogen im 1. und 2., geraden Stürzen im 3. und 4. Oberge- schoss; Schössergasse Nr. 5, 2. und 3. Obergeschoss; Schössergasse Nr. 11 (Ecke Rosmaringasse); S ch ö ssergasse Nr. 17, mit Stichbogenfenster im Erd- geschoss; Schössergasse Nr. 27, mit nach Typus 6 profilirten Fenstern;

Jüdenhof Nr. 3, Galeriestrasse Nr.8, Galeriestrasse Nr. 3 mit nach Typus 5 profilirten Fenstern im 2. bis 4. Ober- geschoss; Frauenstrasse Nr. 6, 1. bis 3. Obergeschoss nach Typus 6; Terras- sengasse Nr. 14, 1. Obergeschoss nach Typus 5; Münzgasse Nr. 12, sowohl an den gekuppelten Fenstern, wie an der kleinen Thüre im Erdgeschoss; Salz- gasse Nr. 12, Nr. 1, Nr. 15; kleine Kirchgasse Nr. 7, Nr. 2; Friesen- gasse Nr. 7; grosse Frohngasse Nr. 19 (Fig. 490).

Weiterhin seien einige Häuser be- ^ sprochen, an denen sich reichere Merk- male der Renaissance erhielten.


Fig. 495. Wilsdrufferstrasse Nr. 15.


a) Wohnhäuser. Einige solche sind auch bereits zur Darstellung gekommen. Bemerkenswerth ist vor Allem Melchior Hauffes Haus (Fraumutterhaus, Vergl. S. 505, Fig. 357) als ein sicher datirbares Beispiel grösster Art von 1555.

Ferner das Gerv'sche Haus (S. 386, Fig. 256), als ein typisches Beispiel für eine Anlage auf nicht zu tiefem Grundstück. Ferner die auf Tafel XVII dargestellten Wohnhäuser, das Weissenfels'sche (S. 386) und das Kühn'sche als typische Beispiele der Bebauung auf langen schmalen Grundstücken. Als weitere Bauten dieser Art seien herangezogen:

Schreibergasse Nr. 1 (Ecke Altmarkt). Stattlicher Bau mit schmaler Front gegen den Altmarkt (Fig. 492) und langgestreckter gegen die Schreibergasse. Nach den Gewänden der Fenster gehört er dem Ende des 16. Jahrhunderts an. Darauf weist auch der Erker, dessen mit Diamantquadern versehener Unterbau auf zwei kurzen toscanischen Säulen steht. Die Architektur des Obergeschosses ist mehrfach verändert worden. Fenster nach Typus 8. Den Giebel bildet ein kleiner Aufbau mit einem Belief unter dem Giebel, der Darstellung eines auf dem


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Todtenkopfe ruhenden Kindes, also des hodie mihi, cras tibi. Erhalten ist auch der schlichte Hauptgiebel des Hauses gegen den Altmarkt zu.

Der Grundriss (Fig. 493) zeigt die ursprüngliche Anlage, wenngleich ein dritter Erker, der sich an der langen Front gegen die Schreibergasse zu befand, auch hier schon entfernt ist. Die Eaumanordnung entspricht noch der von Wils- druffer Strasse Nr. 2. Ein Vorderraum von nahezu 10 m Geviert, seitlich eine Zimmerflucht, hinter die- ser die Diele mit der hier geradläufigen Treppe und in Anschluss daran der Verbindungsgang im Hofe, der sich den Grundstücks- grenzen gemäss ent- wickelte. Im breiten Haus- flur, der in flachen Kreuz- kappen gedeckt ist, wur- den zwei von der Facade stammende Wappen in Stein angebracht, und zwar das der Schönberg (theilweise falsch tingirt) und das der Haugwitz. Caspar von Schönberg war bis 1629 im Besitz des Hauses.

Seestrasse Nr. 1 (Ecke Altmarkt). Der Bau entwickelt einen ähnlichen Grundrissgedanken wie der vorige auf breiterem Grundstück (Fig. 494). Auch hier ist die Haupt- treppe spätere Einfügung. Der Erker des Hauses ent- spricht gleichfalls dem von Schreibergasse Nr. 1. Ur- sprünglich dürfte der Hausflur auch im darge- stellten Obergeschoss durchweg mit Kreuzgewölben überdeckt gewesen sein. Be- achtenswerth ist die Anordnung der Gänge um den Hof. Die Fenstervertheilung folgt noch ganz der Innenanordnung. Die Fenster sind nach Typus 5 profilirt. Eine moderne Inschrift giebt den Bau des Hauses auf 1526 wohl um 3 — 4 Jahr- zehnte zu früh an.

Wilsdruffer Strasse Nr. 15, Hotel de France. Die Facade des Hauses (Fig. 495 u. 496) ist eine der merkwürdigsten in Dresden. Sie stand sicher schon vor dem 30jährigen Kriege, dürfte sogar noch dem 16. Jahrhundert angehören.


Milium!


Fig. 496. Wilsdrufferstrasse Nr. 15.


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Nach der Vogel'schen Stadtansicht, sowie nach Tschimmers „Durchlauchtiger Zusammenkunft" war sie reich mit Fresken oder Sgraffiten geziert. Sie stellt sich als Nachbildung der italienischen Paläste dar und ist mit einem in den Formen an Serlio undVignola mahnenden strengen, gequadertem Thore ver-


15M


Fig. 497. Altmarkt Nr. 14. Ursprünglicher_Zustand. Fig. 498. Altmarkt Nr. 14. Späterer Zustand.

sehen, sowie im jetzt verbauten Erdgeschoss und in den drei Obergeschossen mit einer vornehmen Fensterarchitektur. Die Ecken sind durch Quaderstreifen gegliedert, die durch zwei kleine Statuen abgeschlossen werden: Nach Hasche (Bd. I, S. 235) Pomona und Pallas. In den abgebrochenen Yerdachungen der obersten Fensterreihe kleine Büsten.


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Altmarkt Nr. 14, früher CreiTsches Haus (Fig. 497). Der Grundriss giebt die Anlage vor einem im 18. Jahrhundert erfolgten Umbau wieder. Die Profile der Fenster weisen nach, dass schon der ursprüngliche Bau 4 Oberge- schosse hatte. Die Einrichtung des Hauses ist typisch. Noch dient der Hausflur als eigentliche Verkehrstätte, die schmale Stube daneben mit dem dunklen Niederlagraume dürfte als Werkstätte anzusehen sein, dahinter die Wendeltreppe, der Hof und das Hinterhaus. Zu diesem gelangte man im Obergeschoss mittelst einer den Hof ringsum umgebenden offenen Galerie. Man beachte die centrale Anlage des Kamins im Vorder- hause und die bescheidenen Ab- orte. Fig. 498 giebt zum Ver- gleich die Umgestaltung wieder, die das Obergeschoss im 18. Jahr- hundert erfuhr.

Schlossstrasse Nr. 11 (Hotel Stadt Gotha). Bemerkens- werth durch den kräftig ausge- bildeten Eck- Erker (Fig. 499), der wieder auf zwei toscanischen Säulen und darüber auf gequa- dertem Tragstein ruht (in der Abbildung ist irrthümlicherWeise die oberste Schicht dieses als breite Platte gezeichnet). Auf der Brüstung zwei Wappen, und zwar das kursächsische und kur- brandenburgische, mit Bezug auf Kurfürst Christian I (1586-1591) und Sophie von Brandenburg, wie die Wappen beweisen. Der Erker entstand also vor 1591. Mehrfach bezeichnet mit nebenstehendem Steinmetzzeichen. Die J\ Fac,ade ist in der zwei- ) S ten Hälfte des 19. Jahr- hunderts vielfach ver- ändert worden.


Fig. 499. Schlossstrasse Nr. 11.


Kreuzstrasse Nr. 12 (Fig. 500). Das Haus wurde bei dem Neubau des Ge- wandhauses (vergl. S. 621) beseitigt, ist aber als Durchhaus bemerkenswerth. Das breitere Hinterhaus lag an der grossen Frohngasse. Es zeigte noch die alte Ein- richtung, obgleich der Hof im 18. Jahrhundert umgestaltet und das Erdgeschoss zu Ställen eingerichtet wurde. Das schmälere Wohnhaus gegen die Kreuzstrasse dürfte dem 17. Jahrhundert angehört haben.

Schlossstrasse Nr. 24. Ein zweites Durchhaus, wurde 1899 völlig nie- dergerissen. Fig. 501 zeigt die Schmalseite des Hofes mit seiner kräftigen Arka- xxin. 5 (43^


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denarchitektur aus dem endenden 16. Jahrhundert. Die seitlichen Arkaden im Hofe gehörten hier ebenfalls dem 18. Jahrhundert an.

Zahnsgasse Nr. 7. Der Hof zeigt den Rest einer Steinarchitektur: in zwei Geschossen toscanische Säulen und zwischen diese gespannte Arkaden. Auf der Seite gegen das Vorderhaus ein offener Balcon über kräftigem mittleren Tragstein. Leider befindet sich das Ganze im arg verwahrlosten Zustande.

Im breiten Hausflur Kappengewölbe, dessen Grate durch Putzstreifen ver- stärkt sind.

Hübsche Schmiedearbeiten im Oberlicht der Thüre. Um 1600.

b) Giebel.

Weissegasse Nr.2 (Fig. 502, links). Das Haus ist mehrfach um- gestaltet worden. Der schlichte Giebel dürfte etwa von 1600 stammen.

Grosse Fr ohngasse Nr. 7, Ecke Weissegasse (Fig. 502, rechts). Der Giebel ist nur in seinen Hauptformen erhalten, von derber Bildung, in Putz. Um 1620.

Altmarkt Nr. 16 (Fig. 503) befand sich bis zur Errichtung des jetzt dort stehenden Bankgebäudes einer der anmuthigsten Renais- sancegiebel über einem vierge- schossigen, fast ganz in alter Form erhaltenen Bau. Vergl. Oanalettos Stiche.

Grosse Frohngasse Nr. 1, Ecke Altmarkt (Fig. 504). Das Haus wurde 1899—1900 umge-

Fig. 500. Kreuzstrasse Nr. 12. Abgebrochen 1768. ^ über dem bitten Ober-

geschoss stehende Giebel blieb theilweise erhalten und wurde über dem an- stossenden Hause wiederholt. Die Schäfte sind hier gequadert, bis auf die nach Tischlerart ausgebildeten Pilaster. Der schlichte Erker in Holz, zweigeschossig, ruhte auf zwei Tragsteinen. Die Fenster waren einfach profilirt. Den kräftigeren und reicheren Formen nach gehörte der Giebel der Zeit um 1620 an.

Schössergasse Nr. 21. Reste zweier schlichter Giebel. Die oberen Theile sind abgebrochen, das frühere Dachgeschoss wurde ausgebaut und ein Haupt- gesims darüber hingeführt. Wohl Ende 16. Jahrh.

Kleine Brüdergasse Nr. 2, Ecke Schlossstrasse. Das Haus hat noch zwei schlichte Giebel und nach Typus 8 ausgebildete Fenster.

Schlossstrasse Nr. 16 und Schlossstrasse Nr. 23. Bescheidene Giebel.


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20 Meter.


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Scheffelstrasse Nr. 14. Der schlichte Giebel ist bei einer modernen Er- neuerung in dankenswerther Weise gegen weitere Zerstörung verwahrt worden. Fenster des 1. und 2. Obergeschosses sind nach Typus 7 profilirt.

Das wenig veränderte Gebäude hat zwei Obergeschosse von fünf Achsen. Darüber ein Dachausbau von drei Achsen und über diesem ein nur in den Hauptmassen erhaltener Giebel.


Fig. 501. Schlossstrasse Nr. 24. Hofarchitektur. Abgebrochen 1899.

Grosse Brüdergasse Nr. 13, Eckhaus am Gässchen. Einer der wenigen völlig unberührten Renaissancebauten aus der Zeit um 1560; nur das Erdge- schoss ist erneuert worden. Drei Obergeschosse mit schlicht profilirten Fasen an den Fenstern, schlichter Giebel in zwei Geschossen. An der Ecke in der Höhe des zweiten Obergeschosses ein Adler mit einem Spruchband in Sandstein. Auf dem Spruchbande nach Schäfer, Deutsche Städtewahrzeichen (Leipzig 1858)

die Worte: Der Adler - Genime — dem liebt Und ihn in Himmel hinauf trägt MDLXIII.

Diese Worte allein weisen darauf hin, dass hier ein Adler, nicht eine Gans dargestellt ist, wie die Sage annahm, die um das Bild ihr Gewebe zog.

Grosse Brüdergasse Nr. 8. Köllig unberührtes Renaissancehaus, ähnlich

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Grosse Brüdergasse Nr. 13. Mit einem Erker in Holz, der zierlich, aber auch schwächlich gegliedert ist. Auf dem Giebel (Fig. 505) eine Wetterfahne mit nicht deutlich lesbarer Inschrift (A. H.?).

An der Kreuzkirche Nr. 10 (Fig. 506). Das dreigeschossige Haus hat noch nach zwei Seiten gut entwickelte Giebel mit kräftigen Voluten und schlichten Pfeilern. Im Innern ein gewölbter, mit drei Kappen abgeschlossener Flur und ein Wendelstein, der hier ausnahmsweise an einer Strassenfront, gegen die Schulgasse zu, liegt. Im Flur eine einfache Console mit der In- schrift 1628.

c) Thore.

Zu den bezeichnenden For- men des Dresdner und säch- sischen Wohnhausbaues gehören die Sandsteinthore. Diese sind zumeist nur für Fussgänger, nicht für Eeiter oder Wagen berechnet, mit reich profilirten Archivolten, unter diesen mit einem Kämpfergliede versehen. Die Gewände sind nach Innen abgeschrägt und durch eine

Nische vertieft. Letztere schliesst meist nach oben mit einer Muschel ab, während nach unten pilzartige runde Sitze in die Nische eingestellt erscheinen.

Zahnsgasse Nr. 13 (Fig. 507). Thor schlichterer Form. Die Archivolte läuft sich un- mittelbar in der Muschel über den Gewänden todt. An Stelle des Schlusssteines eine Kar- tusche. Die Sitze sind sehr beschädigt, Wohl um 1560.

Pfarrgasse Nr. 7. Hübsches Thor (Fig. 508) mit abgeschrägten Ge- wänden, deren Kehle je eine Muschel abschliesst. Die Seitensitze sind fortge- schlagen. Die Archivolte sitzt auf einem Kämpfergesims und ist reich profilirt.

Kleine Kirchgasse Nr. 5. Reicheres Thor (Fig. 509) in gleicher An- ordnung wie Pfarrgasse Nr. 7. Auch hier sind die seitlichen Sitze fortgeschlagen. Ueber der Archivolte ein horizontaler Wulst, auf dem ein Perlstab aufgewunden ist, darüber ein kräftiges Gebälk. In den Zwickeln unter dem Wulst zierliches Ornament. Ueber dem Gesims eine von Consolen seitlich gestützte Inschrifts- platte, darauf die Inschrift:

Einer . Saeuien . gleich . bien ich . Alle . die . mich . kenen .

Viel . Levtte . hassen . mich . Wvnsche . ich . was . sie . mir . goenen .

Vnd . alle . die . mich . hassen . All . mein . Anfang- . vnd . Ende .

Die . mvssen . mich . bliben . lassen . Stehet . in . Gottes . Henden .


Fig. 502. Weissegasse Nr. 2 und Grosse Frohngasse Nr. 7.


Giebel. Thore.


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Auf der mit Kollwerk verzierten Kartusche in der Archivolte ein Monogramm aus J F C 1769, das sich jedoch nur auf einen Besitzwechsel bezieht, da ausser- dem noch die Jahreszahl 1579 angegeben ist.

Weissegasse Nr. 2. Thor (Fig. 510) ähnlich jenem in der Pfarrgasse Nr. 7, doch mit einem Schlusssteine, der mit Rollwerk geschmückt ist. Auch hier sind die seitlichen Sitze fortgeschlagen. Um 1600.

Weisseri tzstrasse Nr. 1%. Reicheres Thor, ähnelt im Aufbau sehr dem Pfarrgasse Nr. 7. Die Gewände sind abgeschrägt, die Sitz- plätze abgeschlagen, die Kehle der ersteren wird oben durch eine Mu- schel abgeschlossen. Darüber ein Kämpfergesims mit der reich profi- lirten Archivolte, Konsole, Eierstab, Zahnschnitt wechseln mit einander ab. Als Schlussstein dient eine Kartusche, in deren inneren ovalen Begrenzung ein blasender Reiter zu Pferde in Relief angebracht ist.

An der Kreuzkirche Nr. 8. Hübsches Thor von nahezu gleicher Form. Die Sitze an den Seitenge- wänden haben sich erhalten. Der Bau gehört nach den Gewänden der Fenster und nach den Gewölben des Hausflures mit ihren angeputz- ten rippenartigen Graten der Zeit um 1580 an.

An der Kreuzkirche Nr. 9. Thor im Stichbogen, mit schlichter Quaderung. Nach den Gewänden im Erdgeschoss (Typus 5), im ersten und zweiten Obergeschoss (Typus 6) und den etwas reicher profilirten des dritten Obergeschosses, wie nach dem stark restaurirten Giebel (vergl. Fig. 506 links) gehört der Bau der Zeit um 1620 an.

Schössergasse Nr. 19. Thor nach Art der obigen. Auf der ifrjzfo Kartusche in der Archivolte die nebenstehende Marke mit Bezug auf ZL Martin Dietze. Jetzt im Hausflur aufgestellt. M |D

Brühische Gasse Nr. 6. Einfaches Thor ähnlicher Art; 1900 /*\ abgebrochen. Ob erhalten?

Kreuzstrasse Nr. 6. Hausthor, in Sandstein, mit schlichtem Gewände und Stichbogen, in den Zwickeln grosse Engelsköpfe mit Flügeln, darüber ein einfaches Gebälk. Im Fries die Inschriften:

Siehe das ist das Lamb Gottes das der Welt Sünde trägt Ich bin die Aufferstehung* . . . wer da an mich gleubet . . .


Fig. 503. Altmarkt Nr. 16. Abgebrochen 1899.


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Dresden (Stadt), Wohnhausbau 1550 - 1620.


In der Mitte durchschneidet eine Relieftafel mit einer diese umgebenden Architektur das Gebälk. Unten zwischen zwei Diamantsteinen die Inschrift: 1621.

c^^^ Auf der Tafel des Crucifix vor diesem ein ^§5^ Mann mit erhobenem Arme. Seitlich eine Tafel mit der Inschrift:

Umb vnser Sünde willen ist er erschlagen.

Jetzt an die Hofseite der Hausflur versetzt. Vorzüglich erhalten.

Terrassenufer Nr. 12. Vergl. Seite 76.

I


Fig. 505. Grosse Brüdergassc Nr. 8-


Ueberhänge, Holzbau.


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Der Wohnhausbau von 1620 bis gegen 1700.