Kurs:Dresdner Baudenkmäler/Die gothischen Wohnhäuser

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Die gothischen Wohnhäuser.

Ueber die baupolizeilichen Verhältnisse und Bestimmungen in Dresden siehe bei O. Richter, Verwaltungsgeschichte der Stadt Dresden I, S. 326; dorther sind die nachstehenden Angaben zumeist entnommen.

Am 15. März 1474 versprach der Rath jenen, die in der Stadt die Strassen- seite von Stein bauen würden, den dritten Theil des Kalkes; jenen, die auf steinernen Grundmauern mit Ziegel bauen oder ein Schindeldach mit Ziegeln decken, ein Drittel der Ziegel. 1486 beschloss man, denen, die hölzerne Bauten abbrechen und steinerne errichten, die Hälfte des Kalkes und der Ziegel zu ge-


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währen; ebenso bei Umdeckungen in Ziegel. Man verbot zugleich neue Schindel- deckungen. — Von den vor dem Brande von 1491 errichteten Gebäuden hat sich

nur eines bis auf spätere Zeit erhalten.


Die den Wiederaufbau regelnde Verfügung des Herzogs Albrecht be- stimmte neben vielfachen Begünstig- ungen der Bauenden, dass alle Eck- häuser ganz und die übrigen Vor- derhäuser mindestens ein Geschoss hoch von Stein gebaut und mit Zie- geln gedeckt sein sollten. Besondere Unterstützungen erhielt, wer zwei Geschoss hoch steinern baute. 1J Den Aermeren war der Bau der Hinter-


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Fig. 472 u. 473. Marienapotheke, Grundriss des Erdgeschosses und 1. Obergeschosses.


häuser in Holz und Lehm nachgelassen, doch sollten die Dächer mit Latten und Sparren versehen werden, um leicht in Ziegel umgedeckt werden zu können.


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Erhalten haben sich aus gothischer Zeit nur ganz spärliche Reste.

Die Marien-Apotheke. Das Haus wurde 1722 umgebaut, um ein Ge- schoss erhöht. Neue Umbauten fanden 1755, 1830 und 1890 statt. Schon in Zschimmers „Durchlauchtigster Zusammenkunft" von 1678 fällt die Marien-Apo- theke als der einzige Wohnhausbau auf, in dem sich der Künstler mühte, die von ihm nicht mehr verstandenen gothischen Formen darzustellen. Sie bestand


Fig. 474. Marienapothekc, Hausthor.


aus einem Erdgeschoss und zwei Obergeschossen. Bemerkenswerth ist der Grund- riss (Fig. 472 u. 473). Die Vorderräume haben eine Tiefe von 9 m. Im Erdgeschoss befand sich eine Flur von 3,8 m Breite, zu beiden Seiten Ladenräume, deren Zugänge verändert wurden. Der hintere Raum von rund 5,sm Tiefe ist theil- weise zum rechten Laden, der Apotheke, zugezogen, war aber im Obergeschoss einheitlich als 14,5 m breiter Hausflur ausgebildet, in dem sich die Treppe be- fand. Die jetzige Treppe gehört wohl dem 18. Jahrhundert an. An den Haus- flur schloss sich links die Hinterstube von etwa 9 m Geviert. Die anderen


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Bautheile dürften später angefügt worden sein. Das Hintergebäude an der Kirch- gasse war das Terminirhaus der Pirnaer Dominikaner. Bis zur letzten Umge- staltung erhielt sich das gothische um 1460 entstandene Thor (Fig. 474), das vom Besitzer, Apotheker Zielcke, dem Zoologischen Garten geschenkt wurde. Dort liegt es in Trümmern. Ein zweites Thor (Fig. 475) befand sich an der Hofseite des Hausflures.

Das Thor dürfte der Mitte des 15. Jahrhunderts angehören. Es ist ein kräftiges Werk der Spätgothik.

Neben dem Thore stand die unten zu beschreibende Statue der Jung- frau Maria, über diesem war ein die beiden Obergeschosse durchragendes Wandgemälde mit der Jungfrau und darüber Gottvater, das 1722 über- strichen wurde. Auf dem Dache da- rüber ein spitzer thurmartiger Erker.

Im Hausflur ist ein Sandstein- relief eingemauert, das sich früher wohl an der Fagade befand. Es ent- hält (Fig. 476) zwei Wappen und die Inschrift:

Bartel . von . Pragaw. | Anna . Ketwigin . 1535

und bezieht sich auf den damaligen Apotheker und seine Frau.

Statue (Fig. 477), Maria mit dem Kinde. In Holz, etwa l,ao m hoch.

Die bekrönte Jungfrau hält auf der Linken das halb sitzend dargestellte nackte Kind, dessen Haltung noch sehr unbeholfen ist. Es spielt mit einem Apfel. Das Gewand gross gefaltet und ruhig fliessend. Die Haltung leicht in der S- Linie. Auf einer Konsole von Holz, deren Profile sich theil- weise durchdringen. Auf dem Sockel bez. h. k. t. 1679, wohl mit Bezug auf eine spätere Ueber- malung. Die Statue dürfte um 1460 entstanden sein.


Fig. 475. Marienapotheke, Thor.


Fig. 476. Marienapotheke, Wappenschild.


Jetzt in der Sammlung des K. Alterthumsvereins Nr. 144 (Inv.-Nr. 66). xxiii. 4 (42)


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Wilsdruffer Strasse Nr. 2 (Ecke Schlossstr). Am Aeusseren ist nur der Erker alt. Wie sich aus dem Stadtmodell ergiebt, war der Bau zweigeschossig. Der Grundriss (Fig. 478 u. 479) hat sich im Wesentlichen trotz vieler Um- gestaltungen erhalten. Auch hier ist an Stelle der alten Wendeltreppe eine geradläufige angebracht worden. Der ursprüngliche Zugang dürfte an der Schmal- seite, Schlossstrasse, gewesen sein. Es ergeben sich also auch hier: tiefe Vorder- räume, eine breite Diele mit der Treppe und ein Hinterbau, der einem schmalen Hofe Raum lässt. Die Wölbung stellt auf Fig. 479 den Zustand in der Zeit um 1870 dar. An den Fenstern erkennt man an Profil und Ueberschneidung die go- thische Herkunft. Die gothische Archi- tektur, die jetzt den Erker (Fig. 480) um- giebt, gehört der Mitte des 19. Jahrhun- derts an. Um den oberen Rand der schlich- ten Console legte sich eine bei dem Um- bau von 1901 leider zerstörte Inschrift mit den Worten:

x optimo x morimo x flloria x Bei publice saius x ppetu . nobis x omimx porxrt sreuritas x l)o(n5 gleinifl). Auf der Brüstung zierliches Maass- werk. An den Pfeilern zwischen den Fenstern auf Consolen und unter Bal- dachinen drei kleine Steinstatuen, und zwar: der Apostel Johannes mit dem Kelch, an den er segnend die Rechte legt; die Jungfrau mit dem Kinde; St. Christo- pherus mit dem Kinde auf dem Eücken.

Die Form dieser reizvollen Arbeiten weist auf den Anfang des 16. Jahrhunderts. Hans Gleinig (Gleynig) erscheint seit 1506 im Eathe der Stadt, war zwischen 1526 bis 1544 sieben Mal regierender Bürgermeister und einer der wohlhabendsten Kaufleute der Stadt.

Schössergasse Nr. 2 (Ecke Altmarkt). Hier stand bis zum Abbruche des Hauses 1901 in der Ecke des ersten Obergeschosses eine Sandsteinfigur auf schlichter Console unter einem Baldachin. Dieser stammte vom Umbau unter Exners Leitung (1770), bei dem dem Hause zwei Geschosse aufgesetzt wurden, nachdem es schon 1733 erneuert worden war.

Statue (Fig. 481), der h. Nicolaus, Sandstein, etwa 1,4 o m hoch. Der Heilige in bischöflicher Tracht. Die Rechte stützt sich auf den Bischofsstab, die Linke hält das Buch. Auf der Fussplatte die Inschrift 1527. Diese Jahreszahl deutet zweifellos auf die Entstehung des Werkes hin und widerspricht der oft ausge-


Fig. 477. Marienapotheke, Statue, Maria mit dem Kind.


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sprochenen Annahme, dass es vom alten Rathhause stamme. Seit dem Umbau von 1901 im Innern des Hauses aufgestellt.

Eine weitere Ecke des Altmarktes besass eine gleiche Sandsteinstatue (Fig. 482), den h. Johannes den Täufer darstellend, in härenem Gewand und Mantel darüber. Die Rechte hält ein Buch, darauf ein Schaf. Zu Füssen der Kopf eines Thieres. Auf der Fussplatte die Inschrift 1522.

Jetzt in der Sammlung des Königl. Alterthumsvereins, Inv.-Nr. 2159.


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, | | | | | | | f 2pLLI_LN Fig. 478 und 479.^; Wilsdruff erstrasse Nr. 2. Grundriss dos Erd- und ersten Obergeschosses.

An einer dritten Ecke war der heilige Antonius von Padua, an einer vierten ein weiterer Heiliger aufgestellt. Diese beiden sind verschollen,

Bei manchen Häusern erkennt man die ursprüngliche Entstehungszeit nur noch aus den Profilen der Fenstergewände, die fast überall den Umbauten den längsten Widerstand entgegensetzten. Es finden sich verschiedene Typen der Profilirung, von denen die nachstehenden (Fig. 483, Typus 1 — 4) an gothischen Bauten vorkommen. Da aber Gewände gleicher Art anscheinend bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts beibehalten wurden, so ergiebt sich nicht mit völliger Sicherheit die Entstehungszeit dieser Bauten. Die Gewände zeigen in der Regel etwa bis über das untere Drittel nur eine Abschrägung und erst darüber das mit

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Kundstäben versehene Profil. Diese Kundstäbe überschneiden sich in der Kegel in den Ecken.

Webergasse Nr. 2, Ecke Altmarkt. Die Fenster haben ein Profil nach Art von Typus 1. An den Kundstäben befinden sich unten verzierte gothische Basen, der obere Abschluss im Kundbogen. Diese Fenster finden sich im zweiten und dritten Obergeschoss. Der Bau ist später erhöht, mit einem Erker versehen und im Erdgeschoss ganz umgebaut wor- den, gehört aber in den hier in Frage


Fig. 480. Wilsdruffer Strasse Nr. 2. Erker. Ursprünglicher Zustand.


Fig. 481. Schössergasse Nr. 2, Statue.


kommenden Theilen der Zeit um 1500 an.

Kreuzstrasse Nr. 4. Im ersten Stock finden sich nach Typus 4 profilirte gleichfalls mit Basen versehene Fenster, die im Stichbogen abgeschlossen sind.

Gothische Fensterprofile, die auf die Zeit vor 1550 zurückweisen, finden sich noch mehrfach erhalten. So der Typus 3 mit geradem Sturz und an den Ecken sich überschneidendem Kundstab an den Häusern Sehl ossstrasse Nr. 26, Schlossstrasse Nr. 21, erstes und zweites Obergeschoss, Schlossstrasse


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Nr. 30; vier Fenster nach der Schlossstrasse, zwölf Fenster nach der Sporergasse im ersten bis dritten Obergeschoss Schlossstrasse Nr. 32, zwölf Fenster des ersten bis vierten Obergeschosses (vergl. Geistliches Gebäude, Seite 417) Schloss- strasse Nr. 12 im Hofe, mit Stichbogenfenstern mit breiterer Fase, Schloss- strasse Nr. 9 nach Typus 2. Ebensolche im zweiten Obergeschoss Schloss- strasse Nr. 14, wobei sich beide Rundstäbe an den Ecken tiberschneiden.


Fig. 482. Statue von einer Ecke des Aitmarktes. Fig. 484. Gewölbe, Seestrasse 2.


wo in 6 Jochen Netzgewölbe mit scharfen Graten nach Art jener der Albrechts- burg in Meissen auftreten; in einem Vorderraume des Hauses Seestrasse Nr. 2, in dem in sehr eigenartiger Weise spätgothische Eippengewölbe durch angeputzte, etwa 5 cm hohe Grate angedeutet sind. Es handelt sich um zwei, etwa qua- dratische Wölbsysteme mit reichem Curvennetzwerk (Fig. 484). Aehnliche Ge- wölbe finden sich noch Zahnsgasse Nr. 7, 10 und 20, Scheffelstrasse Nr. 4, Wilsdruffer Strasse Nr. 4, 14 und 50, Kleine Brüdergasse Nr. 7, 8 und 10, Grosse Brüdergasse Nr. 1 u. a. a. O.


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