Kurs:Funktionentheorie (Osnabrück 2023-2024)/Vorlesung 16/latex

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\setcounter{section}{16}






\zwischenueberschrift{Laurent-Reihen}

Die Funktion
\mathl{{ \frac{ 1 }{ z } }}{} besitzt in jedem Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine Potenzreihenentwicklung, die man einfach mit Hilfe der geometrischen Reihe erhalten kann. Im Nullpunkt kann man sie aber definitiv nicht durch eine Potenzreihe beschreiben. Es erhebt sich die Frage, wie eine möglichst einfache Beschreibung einer außerhalb eines Punktes definierte holomorphe Funktion in dem Punkt aussieht, und welche Verhaltensweisen um eine solche Undefinierbarkeitsstelle \zusatzklammer {einer Singularität} {} {} auftreten können. Im Rahmen der Laurent-Reihen betrachtet man die inversen Potenzen
\mathl{z^{-k}}{} \zusatzklammer {$k$ positiv} {} {} als die einfachsten Grundformen der Funktionen, die in $0$ nicht definiert sind, und drückt andere, auf einer punktierten Umgebung von $0$ definierte, holomorphe Funktionen als Reihe zu solchen inversen Potenzen aus, so wie eben holomorphe Funktionen durch Potenzreihen beschrieben werden. Allgemeiner untersucht man auf Kreisringen definierte holomorphe Funktionen mit Hilfe ihrer Lauren-Reihen.




\inputdefinition
{}
{

Eine \definitionswort {Laurent-Reihe}{} über ${\mathbb K}$ in $z$ ist ein formaler Ausdruck der Form
\mathl{\sum_{n \in \Z} c_n z^n}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ c_n }
{ \in }{ {\mathbb K} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}

}

Jede Potenzreihe ist insbesondere eine Laurent-Reihe. Ein \stichwort {Laurent-Polynom} {} ist ein Ausdruck der Form
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ F }
{ =} { c_nz^n+c_{n-1} z^{n-1} + \cdots + c_1z+c_0+c_{-1}z^{-1} + \cdots + c_{-k} z^{-k} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Bei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ c_n,c_{-k} }
{ \neq} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} nennt man $n$ auch den \zusatzklammer {Ober} {-} {} Grad und $-k$ den Untergrad von $F$, im Allgemeinen geht aber eine Laurent-Reihe in beide Richtungen gegen unendlich. Laurent-Reihen wie oben sind genuaer Laurent-Reihen im Entwicklungspunkt $0$, zu jedem Punkt $a$ kann man auch die Laurent-Reihe im Entwicklungspunkt $a$ betrachten, die die Gestalt
\mathl{\sum_{ n \in \Z} c_n (z-a)^n}{} besitzt.

Wie bei Potenzreihen ist die Konvergenz eine zusätzliche Bedingung.




\inputdefinition
{}
{

Eine \definitionsverweis {Laurent-Reihe}{}{}
\mathl{\sum_{n \in \Z} c_n z^n}{} über ${\mathbb K}$ \definitionswort {konvergiert}{} in $z$, wenn die \definitionsverweis {Reihen}{}{}
\mathl{\sum_{n \in \N} c_n z^n}{} und
\mathl{\sum_{n \in \Z_-} c_n z^n}{} \definitionsverweis {konvergieren}{}{.}

}

Der Konvergenzbereich einer Laurent-Reihe ist typischerweise ein Kreisring, da die Konvergenz der Potenzreihe eine Bedingung der Form
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { z } }
{ \leq }{ R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und die Konvergenz der Reihe
\mathl{\sum_{n \in \Z_- } c_n z^n}{} eine Bedingung der Form
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { z } }
{ \geq }{ r }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} erfordert \zusatzklammer {siehe unten} {} {.} Die beteiligten Teilreihen einer Laurent-Reihe bekommen eigene Namen, die etwas überaschen.




\inputdefinition
{}
{

Zu einer \definitionsverweis {Laurent-Reihe}{}{}
\mathl{\sum_{n \in \Z} c_n z^n}{} nennt man die \definitionsverweis {Reihe}{}{}
\mathl{\sum_{n \in \Z_-} c_n z^n}{} den \definitionswort {Hauptteil}{.}

}




\inputdefinition
{}
{

Zu einer \definitionsverweis {Laurent-Reihe}{}{}
\mathl{\sum_{n \in \Z} c_n z^n}{} nennt man die \definitionsverweis {Reihe}{}{}
\mathl{\sum_{n \in \N} c_n z^n}{} den \definitionswort {Nebenteil}{.}

}

Diese Begriffe erklären sich aus einem Kontext, wo man holomorphe Funktionen und die sie beschreibenden Potenzreihen schon gut verstanden hat und wo es jetzt darum geht, auch meromorphe Funktionen und ihre Verhalten in Polen und allgemeiner das Verhalten von holomorphen Funktionen auf Kreisringen zu verstehen. Unter diesem Gesichtspunkt ist dann in einer Laurent-Reihe die Potenzreihe, also die Teilreihe zu den nichtnegativen Indizes, nebensächlich und das Hauptgewicht liegt auf der Teilreihe zu den negativen Indizes. Potenzreihen stimmen mit ihrem Nebenteil überein und ihr Hauptteil ist gleich $0$.




\inputbeispiel{}
{

Die rationale Funktion ${ \frac{ 1 }{ z } }$ besitzt im Nullpunkt den Hauptteil ${ \frac{ 1 }{ z } }$ und den Nebenteil $0$.


}





\inputfaktbeweis
{Laurent-Reihe/Hauptteil/Eigenschaften/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mathl{\sum_{n \in \Z_-} c_n z^n}{} eine \definitionsverweis {Laurent-Reihe}{}{} zu ausschließlich negativen Indizes.}
\faktvoraussetzung {Es gebe ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ z_0 }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart, dass die Reihe
\mathl{\sum_{n \in \Z_-} c_n z_0^n}{} \definitionsverweis {konvergiert}{}{.}}
\faktuebergang {Dann gelten folgende Eigenschaften.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungdrei{Die Laurent-Reihe konvergiert für jedes $z$ mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { z } }
{ > }{ \betrag { z_0 } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{Für jedes $s$ mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ s }
{ > }{ \betrag { z_0 } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist die Laurent-Reihe auf
\mathl{{\mathbb C} \setminus U { \left( 0,s \right) }}{} \definitionsverweis {punktweise}{}{} \definitionsverweis {absolut}{}{} und \definitionsverweis {gleichmäßig konvergent}{}{.} }{Es gibt ein \zusatzklammer {minimales} {} {}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ r }
{ \geq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart, dass die Reihe auf
\mathl{{\mathbb C} \setminus B \left( 0,r \right)}{} konvergiert und dort eine \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{} darstellt. }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wir können die Reihen \mathkor {} {\sum_{n \in \Z_-} c_n z^n} {bzw.} {\sum_{n \in \Z_-} c_n z_0^n} {} direkt als Potenzreihen \mathkor {} {\sum_{m \in \Z_+} c_{-m} w^m} {bzw.} {\sum_{m \in \Z_+} c_{-m} w_0^m} {} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ w_0 }
{ = }{ z_0^{-1} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ w }
{ = }{ z^{-1} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} auffassen. Die Behauptungen folgen somit direkt aus Lemma 8.1 und aus Satz 8.12.

}

Das $r$ aus Lemma 16.6  (3) nennt man den \zusatzklammer {unteren oder inneren} {} {} Konvergenzradius der Laurent-Reihe.





\inputfaktbeweis
{Potenzreihe/Invertierung vorschalten/Laurent-Reihe/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei $f$ eine \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{,} die durch eine Potenzreihe
\mathl{\sum_{n = 0}^\infty c_nz^n}{} mit \definitionsverweis {Konvergenzradius}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ R }
{ > }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} beschrieben werde.}
\faktfolgerung {Dann ist die Laurent-Reihe
\mathl{\sum_{n = 0}^\infty c_nz^{-n}}{} für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { z } }
{ > }{ { \frac{ 1 }{ R } } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} konvergent und stellt auf
\mathl{{\mathbb C} \setminus B \left( 0, { \frac{ 1 }{ R } } \right)}{} die holomorphe Funktion
\mathl{f(z^{-1})}{} dar.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Dies folgt aus Lemma 16.6, die Holomorphie von
\mathl{f(z^{-1})}{} beruht auf Lemma 1.7 und Satz 1.8.

}





\inputfaktbeweis
{Laurent-Reihe/Konvergenz auf Kreisring/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mathl{\sum_{n \in \Z} c_n z^n}{} eine \definitionsverweis {konvergente Laurent-Reihe}{}{,} wobei der Konvergenzradius $r$ des Hauptteiles kleiner als der Konvergenzradius $R$ des Nebenteils sei.}
\faktfolgerung {Dann stellt die Reihe auf dem \definitionsverweis {offenen Kreisring}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ U(a,r,R) }
{ =} { U { \left( a,R \right) } \setminus B \left( a,r \right) }
{ } { }
{ } { }
{ } {}
} {}{}{} eine \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{} dar.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Dies folgt aus Lemma 16.6 und Satz 8.12.

}





\inputbeispiel{}
{

Wir betrachten die Potenzreihe
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sum_{n = 0}^\infty { \left( { \frac{ z }{ 2 } } \right) }^n }
{ =} { \sum_{n = 0}^\infty { \left( { \frac{ 1 }{ 2 } } \right) }^n z^n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} die für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { z } }
{ < }{ 2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} nach Satz 7.3 konvergiert. Nach Lemma 16.8 konvergiert daher die \definitionsverweis {Laurent-Reihe}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sum_{n = 0}^\infty { \left( { \frac{ 1 }{ 2z } } \right) }^n }
{ =} { \sum_{m \in \Z_{\leq 0} } { \left( 2z \right) }^{m} }
{ =} { \sum_{m \in \Z_{\leq 0} } 2^m z^{m} }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { z } }
{ > }{ { \frac{ 1 }{ 2 } } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Die Laurent-Reihe
\mathl{\sum_{n \in \Z} { \left( { \frac{ 1 }{ 2 } } \right) }^{ \betrag { n } } z^n}{} konvergiert also auf dem Kreisring
\mathl{U { \left( 0,2 \right) } \setminus B \left( 0, { \frac{ 1 }{ 2 } } \right)}{.}


}






\zwischenueberschrift{Laurent-Entwicklung auf Kreisringen}

Wir möchten nun umgekehrt zeigen, dass eine holomorphe Funktion auf einem Kreisring durch eine Laurent-Reihe entwickelbar ist, was insbesondere für holomorphe Funktionen auf einer punktierten Kreisscheibe anwendbar ist. Der folgende Satz ist eine direkte Verallgemeinerung von Satz 13.7 und von Satz 14.1.






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Laurent_series.svg} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { Laurent_series.svg } {} {Pko} {Commons} {Public domain} {}





\inputfaktbeweis
{Kreisring/Holomorphe Funktion/Laurent-Entwicklung/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es seien
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{0 }
{ \leq }{ r }
{ < }{ R }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} reelle Zahlen \zusatzklammer {wobei für $R$ auch $\infty$ erlaubt ist} {} {,}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ \in }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt und sei $f$ eine \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{} auf dem \definitionsverweis {offenen Kreisring}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ U }
{ =} { U(a,r,R) }
{ =} { U { \left( a,R \right) } \setminus B \left( a,r \right) }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann gibt es eine auf $U$ \definitionsverweis {konvergente Laurent-Reihe}{}{}
\mathl{\sum_{n \in \Z} c_n (z-a)^n}{,} die dort $f$ darstellt.}
\faktzusatz {Für die Koeffizienten der Laurent-Reihe gilt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ c_n }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_\gamma { \frac{ f(z) }{ (z-a)^{n+1 } }} dz }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei $\gamma$ eine einfache Umrundung von $a$ im Kreisring $U$ ist.}
\faktzusatz {}

}
{

Ohne Einschränkung sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ z }
{ \in }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} fixiert. Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \delta }
{ > }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} hinreichend klein, wir setzen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ r }
{ <} { s }
{ =} { \betrag { z } - \delta }
{ <} { \betrag { z } }
{ <} { \betrag { z } + \delta }
} {
\vergleichskettefortsetzung
{ =} { S }
{ <} { R }
{ } {}
{ } {}
}{}{.} Es sei $\alpha$ die einfache Umrundung von $z$ mit dem Abstand $\delta$, nach der Integralformel gilt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f(z) }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_\alpha { \frac{ f(w) }{ w-z } } d w }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Statt $\alpha$ betrachten wir den Weg $\tilde{\alpha}$, der sich aus je einem Kreisbogen auf den Kreisen um $0$ mit den Radien \mathkor {} {s} {und} {S} {} und den an
\mathl{B \left( z,\delta \right)}{} tangentialen Strahlen zusammensetzt. Wegen Satz 13.3, angewendet auf Viertelausschnitte von \mathkor {} {\alpha} {bzw.} {\tilde{\alpha}} {,} ist auch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f(z) }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_{ \tilde{\alpha} } { \frac{ f(w) }{ w-z } } d w }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Wir füllen den durch \mathkor {} {s} {und} {S} {} gegebenen Kreisring durch \zusatzklammer {neben den durch $\tilde{\alpha}$ gegebenen} {} {} weitere sternförmige Kreisringsektoren auf, die zugehörigen Wegintegrale über
\mathl{{ \frac{ f(w) }{ w-z } } d w}{} sind nach Satz 13.3 gleich $0$, da die Form dort holomorph ist. Wenn man diese Wegintegrale aufsummiert, so ergibt sich, da die Strahlen entgegengesetzt durchlaufen werden,
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ f(z) }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_{ \tilde{\alpha} } { \frac{ f(w) }{ w-z } } d w }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_{\gamma_S} { \frac{ f(w) }{ w-z } } d w- { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_{\gamma_s} { \frac{ f(w) }{ w-z } } d w }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_{\gamma_S} { \frac{ f(w) }{ w-z } } d w+ { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_{\gamma_s} { \frac{ f(w) }{ -w+z } } d w }
{ } { }
} {} {}{,} wobei $\gamma_s,\gamma_S$ die einfach gegen den Uhrzeigersinn durchlaufenen Kreiswege um $0$ mit den Radien \mathkor {} {s} {und} {S} {} bezeichnen.

Auf die beiden Integrale wenden wir den Trick mit der geometrischen Reihe aus Satz 14.1 an \zusatzklammer {beachte, dass im linken Integral
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { { \frac{ z }{ w } } } }
{ < }{ 1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und im rechten Integral
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { { \frac{ w }{ z } } } }
{ < }{ 1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gilt} {} {.} Das linke Integral wird zu
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ \int_{\gamma_S} { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \cdot { \frac{ f(w) }{ w-z } } d w }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_{\gamma_S} \sum_{k = 0}^\infty { \frac{ f(w) }{ w } } \left( \frac{ z }{ w } \right)^k d w }
{ =} {{ \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \sum_{k = 0}^\infty { \left( \int_{\gamma_S} { \frac{ f(w) }{ w } } \cdot{ \frac{ 1 }{ w^k } } d w \right) } z^k }
{ =} { \sum_{k = 0}^\infty { \left( { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_{\gamma_S} { \frac{ f(w) }{ w^{k+1} } } d w \right) } z^k }
{ } {}
} {} {}{} und das rechte Integral wird unter Verwendung von
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ f(w) }{ z-w } } }
{ =} { { \frac{ f(w) }{ z } } \cdot { \frac{ z }{ z-w } } }
{ =} { { \frac{ f(w) }{ z } } \cdot { \frac{ 1 }{ 1- { \frac{ w }{ z } } } } }
{ =} { { \frac{ f(w) }{ z } } { \left( \sum_{\ell = 0}^\infty \left( \frac{ w }{ z } \right)^\ell \right) } }
{ } { }
} {}{}{} zu
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ \int_{\gamma_s} { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \cdot { \frac{ f(w) }{ z-w } } d w }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_{\gamma_s} \sum_{\ell = 0}^\infty { \frac{ f(w) }{ z } } \left( \frac{ w }{ z } \right)^\ell d w }
{ =} {{ \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \sum_{ \ell = 0}^{ \infty } { \left( \int_{\gamma_s} f(w) \cdot { \frac{ 1 }{ w^{- \ell } } } d w \right) } z^{-1 - \ell } }
{ =} { \sum_{k = -1}^{-\infty } { \left( { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_{\gamma_s} { \frac{ f(w) }{ w^{k+1} } } d w \right) } z^k }
{ } {}
} {} {}{.} Dies zeigt insgesamt die Gleichheit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f(z) }
{ =} { \sum_{n \in \Z} c_n z^n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei die Koeffizienten $c_n$ durch die angegebenen Integrale gegeben und insbesondere unabhängig von $z$ sind. In der Berechnung der Koeffizienten kann man dabei \mathkor {} {\gamma_s} {und} {\gamma_S} {} nach Korollar 13.5 untereinander und durch einen beliebigen Kreisweg um den Nullpunkt innerhalb des Kreisringes ersetzen.

}







\inputbemerkung
{}
{

In der Situation von Satz 16.10 kann man die Koeffizienten der Laurent-Entwicklung, wenn man mit der Umrundung
\mathl{s e^{ { \mathrm i} t}}{} mit einem Radius
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ r }
{ < }{ s }
{ < }{ R }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} arbeitet, auch als
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ c_n }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_\gamma { \frac{ f(z) }{ (z-a)^{n+1} } } dz }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_0^{2 \pi} { \frac{ f(a + s e^{ { \mathrm i} t } ) }{ s^{n+1} e^{ (n+1) { \mathrm i} t } } } s { \mathrm i} e^{ { \mathrm i} t } dt }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi s^n } } \int_0^{2 \pi} f(a + s e^{ { \mathrm i} t } ) e^{ -n { \mathrm i} t } dt }
{ } { }
} {}{}{} ausdrücken.

}

Die folgende Aussage heißt \stichwort {Identitätssatz für Laurent-Reihen} {.}




\inputfaktbeweis
{Laurent-Reihe/Kreisring/Identitätssatz/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es seien
\mathl{\sum_{n \in \Z} c_n z^n}{} und
\mathl{\sum_{n \in \Z} d_n z^n}{} \definitionsverweis {konvergente Laurent-Reihe}{}{,} die auf einer offenen Menge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} konvergieren und dort übereinstimmen.}
\faktfolgerung {Dann ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ c_n }
{ = }{ d_n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Nach Lemma 16.8 sind beide Laurent-Reihen konvergent auf einem offenen Kreisring und wegen der Voraussetzung können wir zu einem Kreisring übergehen, wo beide konvergieren und zwar so, dass auf einer offenen Menge davon die Funktionen übereinstimmen. Wir können weiter davon ausgehen, dass die eine Laurent-Reihe die Laurent-Reihe aus Satz 16.10 ist. Nach Bemerkung 16.11 können wir weiter zu einem Kreis mit Radius $s$ übergehen. Wir setzen in die dortige Formel für $f(z)$ die nach Voraussetzung konvergente Laurent-Reihe
\mathl{\sum_{n \in \Z} d_n z^n}{} ein und erhalten
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ c_n }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi s^n } } \int_0^{2 \pi} f( s e^{ { \mathrm i} t } ) e^{ -n { \mathrm i} t } dt }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi s^n } } \int_0^{2 \pi} { \left( \sum_{k \in \Z} d_k s^k e^{k { \mathrm i} t} \right) } e^{ -n { \mathrm i} t } dt }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi s^n } } \sum_{k \in \Z} d_k s^k \int_0^{2 \pi} e^{(k -n){ \mathrm i} t} dt }
{ =} { d_n }
} {} {}{,} da bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ k }
{ \neq }{ n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Integrale nach Lemma 23.4 (Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)) gleich $0$ sind.

}





\inputfaktbeweis
{Punktierte Kreisscheibe/Holomorphe Funktion/Laurent-Entwicklung/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ \in }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt und sei \maabbdisp {f} { U { \left( a,R \right) } \setminus \{a \} } { {\mathbb C} } {} eine auf einer punktierten Kreisscheibe um $a$ definierte \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann gibt es eine auf
\mathl{U { \left( a,R \right) } \setminus \{a \}}{} \definitionsverweis {konvergente Laurent-Reihe}{}{}
\mathl{\sum_{n \in \Z} c_n (z-a)^n}{,} die dort $f$ darstellt.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Dies ist ein Spezialfall von Satz 16.10.

}





\inputfaktbeweis
{Hauptteil/Punktiert/Konvergent/Stammfunktion/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ \in }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt und sei \maabbdisp {f} { U { \left( a,R \right) } \setminus \{a \} } { {\mathbb C} } {} eine auf einer punktierten Kreisscheibe um $a$ definierte \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{} derart, dass ihre \definitionsverweis {Laurent-Reihe}{}{} nur aus dem Hauptteil besteht.}
\faktuebergang {Dann gelten folgende Aussagen.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungzwei {Die Laurent-Reihe besitzt eine holomorphe Fortsetzung $f$ auf
\mathl{{\mathbb C} \setminus \{a\}}{.} } {Wenn der Koeffizient zu
\mathl{(z-a)^{-1}}{} gleich $0$ ist, so besitzt $f$ eine \definitionsverweis {Stammfunktion}{}{} auf
\mathl{{\mathbb C} \setminus \{a\}}{.} }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

\aufzaehlungzwei {Dies folgt aus Lemma 16.6. } {Ohne Einschränkung sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} die Laurent-Reihe sei
\mathl{\sum_{ n \geq 2} c_{-n} z^{-n}}{.} Wir zeigen, dass der natürliche Kandidat
\mathl{\sum_{ n \geq 2} { \frac{ c_{-n} }{ -n+1 } } z^{-n+1}}{} konvergiert und eine Stammfunktion zu $f$ ist. Wir schreiben die Ausgangsreihe als
\mathl{\sum_{ n \geq 2} c_{-n} w^{n}}{,} welche überall konvergiert, und den Kandidaten als
\mathl{\sum_{ n \geq 2} { \frac{ c_{-n} }{ -n+1 } } w^{n-1}}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ w }
{ = }{ z^{-1} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Es konvergiert dann \zusatzklammer {Multiplikation mit $- w^{-2}$} {} {} auch
\mathl{\sum_{ n \geq 2} - c_{-n} w^{n-2}}{.} Dazu ist aber
\mathl{\sum_{ n \geq 2} { \frac{ c_{-n} }{ -n+1 } } w^{n-1}}{} eine Stammfunktion, die nach Satz 8.17 konvergiert. }

}





\inputfaktbeweis
{Laurent-Reihen/Linearität/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es seien
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{0 }
{ \leq }{ r }
{ < }{ R }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} reelle Zahlen \zusatzklammer {wobei für $R$ auch $\infty$ erlaubt ist} {} {,}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ \in }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt und seien \mathkor {} {f_1} {und} {f_2} {} \definitionsverweis {holomorphe Funktionen}{}{} auf dem \definitionsverweis {offenen Kreisring}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ U }
{ =} { U(a,r,R) }
{ =} { U { \left( a,R \right) } \setminus B \left( a,r \right) }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit den \definitionsverweis {Laurent-Reihen}{}{} \mathkor {} {L_1} {bzw.} {L_2} {}}
\faktfolgerung {Dann ist die beschreibende \definitionsverweis {Laurent-Reihe}{}{} zu $b_1f_1+b_2f_2$ \zusatzklammer {mit
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{ b_1,b_2 }
{ \in }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}} {} {} gleich der Laurent-Reihe
\mathl{b_1L_1+b_2L_2}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Dies folgt wegen Satz 16.10 aus Lemma 12.7  (1).

}