Kurs:Gewöhnliche Differentialgleichungen/2.3 Lineare Systeme von gewöhnlichen Differentialgleichungen

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Lineare Systeme von gewöhnlichen Differentialgleichungen[Bearbeiten]

Wir betrachten folgendes System von Differentialgleichungen.
Für eine gegebene stetige Matrixfunktion , eine stetige Funktion der rechten Seite und finde die Lösung der Anfangswertaufgabe

(In diesem Absatz bezeichnen wir mit die vektorwertige Funktion und ihre Komponenten mit , .)

Alle Lösungen des inhomogenen Problems (2.11) findet man als Superposition (Summe) der Lösung der homogenen Anfangswertaufgabe


und einer speziellen Lösung der inhomogenen Anfangswertaufgabe (2.11) mit homogenen Anfangsbedingungen . D.h. jede Lösung kann geschrieben werden als

Wir befassen uns erstmal mit dem homogenen System (2.12) und suchen die Lösung dieses Systems. Betrachten wir eine Abbildung , die den Anfangsvektor auf die Lösung von (2.12) abbildet. Aus Beispiel 2.1 wissen wir, dass das lineare System (2.12) global eindeutig lösbar ist, falls die Matrixnorm von beschränkt ist, was der Fall ist. Die Abbildung ist also bijektiv (und linear) und damit hat der Lösungsraum auch die Dimension . Das heißt aber auch, dass die Abbildung die Basisvektoren auf linear unabhängige Vektoren abbildet. Diese bezeichnen wir jeweils mit Hilfe des Indexes als . Wir haben also unabhängige Lösungen von


Definition 2.3 (Fundamentalmatrix). Die Fundamentalmatrix ist eine -Matrix, deren Spalten die Lösungen von (2.13) bilden,


Mit Hilfe der Fundamentalmatrix kann man die Lösung des homogenen System mit allgemeinen Anfagsbedingungen (2.12) schreiben als

Die Fundamentalmatrix gegeben duch die Lösung von (2.13) erfüllt in . Man kann die Fundamentalmatrix auch mithilfe einer anderen Basis d.h. anderer Anfangsbedingung in (2.13) definieren, zum Beispiel nimmt man den Eigenraum einer konstanter Matrix, wie im nächsten Abschnitt beschieben. In diesem all ist , aber regulär. In diesem Fall lässt sich die Lösung des homogenen System mit allgemeinen Anfagsbedingungen (2.12) bestimmen als

Eine wichtige Eigenschaft der Fundamentalmatrix ist folgendes Lemma:


Lemma 2.3. Gilt für ein , dann ist für alle .


Beweis. Der Beweis wird durch Widerspruch durchgeführt. Ist für ein und existiert ein mit , dann gibt es einen Vektor mit . Der Vektor ist eine Linearkombination der Lösungen des Systems , also auch eine Lösung dieses Systems, die zur Zeit verschwindet. Das lineare System ist eindeutig lösbar, und damit ist die eindeutige Lösung, die zur Zeit verschwindet, die triviale Lösung . Dies führt zum Widerspruch zu , da dann die Lösung auch zur Zeit verschwindet, aber . ◻


Das obige Lemma garantiert für das homogene System (2.13), dass die zugehörige Fundamentalmatrix auch in regulär bleibt ().

Die spezielle Lösung des inhomogenen Systems (2.11) mit homogenen Startwerten lautet

Dies kann man leicht nachrechen. Nach dem Ableiten der rechten Seite nach erhält man

Gleichzeitig gilt für das Integral , siehe (2.16), also insgesamt
Da die Fundamentalmatrix aus den Lösungen von (2.13) besteht, gilt . Das Einsetzen in die rechte Seite der oberen Gleichung führt schließlich zu
damit ist aus (2.16) die Lösung von (2.11) mit .

Das Prinzip der Superposition mit den Formeln (2.14) bzw. (2.15) und (2.16) liefert uns schließlich die Lösungsformel für das inhomogene System (2.11),

Um mit dieser Formel die Lösung bestimmen zu können, muss man die Fundamentalmatrix ausrechnen und invertieren. Für allgemeine gibt es keine allgemeine explizite Darstellung der Fundamentalmatrix. Ist allerdings eine konstante Matrix, kann man die Lösungen , und damit die Fundamentalmatrix explizit bestimmen. Diesen Lösungsansatz beschreiben wir im nächstem Abschnitt.