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Kurs:Riemannsche Flächen (Osnabrück 2022)/Vorlesung 28/latex

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\setcounter{section}{28}






\zwischenueberschrift{Der Satz von Riemann-Roch}





\inputfaktbeweis
{Riemannsche Fläche/Invertierbare Garbe/Untergarbe/Quotientengarbe/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei ${ \mathcal M }$ eine \definitionsverweis {invertierbare Garbe}{}{} auf einer \definitionsverweis {riemannschen Fläche}{}{} $X$ und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \mathcal L } }
{ \subseteq }{ { \mathcal M } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine invertierbare Untergarbe.}
\faktfolgerung {Dann besitzt die \definitionsverweis {Quotientengarbe}{}{} einen diskreten Träger, deren Halme \definitionsverweis {endlichdimensionale}{}{} ${\mathbb C}$-\definitionsverweis {Vektorräume}{}{} sind.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Lokal auf einer offenen Kreisscheibe
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} liegt die Situation \maabbeledisp {} { {\mathcal O}_{ U } } { {\mathcal O}_{ U } } {1} {f } {,} mit einer nichttrivialen \definitionsverweis {holomorphen Funktion}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f }
{ \in }{ \Gamma { \left( U , {\mathcal O}_{ U } \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} vor. Auf dem Ort, wo $f$ nullstellenfrei ist, liegt ein Isomorphismus mit Quotientengarbe $0$ vor. Nach Satz 1.3 ist das Komplement diskret. Es habe $f$ eine Nullstelle in $P$. Dann ist mit einer lokalen Koordinate $z$ die Funktion gleich
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{f }
{ =} {g z^n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit $g$ nullstellenfrei in $P$ und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \geq }{1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Im lokalen Ring ${\mathcal O}_{X,P}$ erzeugen $f$ und $z^n$ das gleiche Ideal, daher ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \left( { \mathcal M }/ { \mathcal L } \right) }_P }
{ \cong} { {\mathcal O}_{X,P} /( z^n) }
{ \cong} { {\mathbb C}^n }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}

}


Speziell hat bei $X$ \definitionsverweis {kompakt}{}{} die Quotientengarbe ${ \mathcal M }/ { \mathcal L }$ einen endlichen Träger.





\inputfaktbeweis
{Riemannsche Fläche/Kompakt/Invertierbare Garbe/Untergarbe/Quotientengarbe/Gradbeziehung/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $X$ eine \definitionsverweis {kompakte}{}{} \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{} und seien
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \mathcal L } }
{ \subseteq }{ { \mathcal M } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \definitionsverweis {invertierbare Garben}{}{} mit der zugehörigen \definitionsverweis {kurzen exakten Garbensequenz}{}{}
\mathdisp {0 \, \stackrel{ }{\longrightarrow} \, { \mathcal L } \, \stackrel{ }{ \longrightarrow} \, { \mathcal M } \, \stackrel{ }{\longrightarrow} \, { \mathcal M } / { \mathcal L } \,\stackrel{ } {\longrightarrow} \, 0} { . }
}
\faktfolgerung {Dann ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{Grad} \, ({ \mathcal M }) }
{ =} { \operatorname{Grad} \, ({ \mathcal L }) + \dim_{ {\mathbb C} } { \left( \Gamma { \left( X, { \mathcal M } / { \mathcal L } \right) } \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Nach Lemma 28.1 und wegen der Kompaktheit ist der Träger der Quotientengarbe endlich und der Raum der globalen Schnitte dieser Garbe besitzt eine endliche Dimension. Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \mathcal L } }
{ = }{ {\mathcal O}_{ X } (D) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \mathcal M } }
{ = }{ {\mathcal O}_{ X } (E) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und wegen der vorausgesetzten Inklusion gilt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ D }
{ \leq }{ E }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} nach Lemma 20.16  (2). Wir tensorieren die Gesamtsituation mit ${ \mathcal L }^{-1}$. Dabei ändert sich die Graddifferenz zwischen den beiden invertierbaren Garben nicht und die Quotientengarbe ändert sich nicht, da sie einen endlichen Träger besitzt und lokal mit der Strukturgarbe tensoriert wird. Es liegt also eine Situation
\mathdisp {0 \, \stackrel{ }{\longrightarrow} \, {\mathcal O}_{ X } \, \stackrel{ }{ \longrightarrow} \, {\mathcal O}_{ X } (F) \, \stackrel{ }{\longrightarrow} \, {\mathcal O}_{ X } (F) /{\mathcal O}_{ X } \,\stackrel{ } {\longrightarrow} \, 0} { }
mit einem \definitionsverweis {effektiven Divisor}{}{} $F$ vor. Somit folgt die Aussage aus Aufgabe 28.4.

}





\inputfaktbeweis
{Riemannsche Fläche/Kompakt/Invertierbare Garbe/Globaler Schnitt/Nichtnegativer Grad/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $X$ eine \definitionsverweis {kompakte}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{} und sei ${ \mathcal M }$ eine \definitionsverweis {invertierbare Garbe}{}{} mit einem nichttrivialen globalen Schnitt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ s }
{ \in }{ \Gamma { \left( X, { \mathcal M } \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist der \definitionsverweis {Grad}{}{} von ${ \mathcal M }$ nichtnegativ.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Der nichttriviale Schnitt $s$ definiert einen \definitionsverweis {Modulhomomorphismus}{}{} \maabbele {} { {\mathcal O}_{ X } } { { \mathcal M } } {1} {s } {,} der injektiv ist. Daher folgt die Aussage aus Lemma 28.2.

}

Der folgende Satz heißt \stichwort {Satz von Riemann-Roch} {.} Er stiftet eine vom Geschlecht abhängige Beziehung zwischen dem Grad eines Divisors bzw. einer invertierbaren Garbe auf einer kompakten riemannschen Fläche und den Dimensionen der nullten und der ersten Kohomologie der Garbe. Insbesondere erlaubt er, die Existenz von globalen Schnitten unter gewissen Gradbedingungen nachzuweisen. Wir verwenden die abkürzenden Schreibweisen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ h^0(X , { \mathcal F } ) }
{ =} { \dim_{ {\mathbb C} } { \left( \Gamma { \left( X, { \mathcal F } \right) } \right) } }
{ =} { \dim_{ {\mathbb C} } { \left( H^0 (X, { \mathcal F } ) \right) } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ h^1(X , { \mathcal F } ) }
{ =} { \dim_{ {\mathbb C} } { \left( H^1 (X, { \mathcal F } ) \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } {}
} {}{}{.}





\inputfaktbeweis
{Kompakte riemannsche Fläche/Divisor/Riemann-Roch/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei $X$ eine \definitionsverweis {kompakte}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{} vom \definitionsverweis {Geschlecht}{}{} $g$ und sei $D$ ein \definitionsverweis {Divisor}{}{} auf $X$ mit der zugehörigen invertierbaren Garbe ${\mathcal O}_{ X } (D)$.}
\faktfolgerung {Dann ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ h^0(X, {\mathcal O}_{ X } (D)) - h^1(X, {\mathcal O}_{ X } (D)) }
{ =} { \operatorname{Grad} \, ( D ) +1 -g }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Die Aussage ist für die Strukturgarbe richtig, da diese zum trivialen Divisor $0$ gehört und da
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ h^1 (X, {\mathcal O}_{ X } ) }
{ =} { 1 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} nach Satz 3.7 ist.

Zu einem Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \in }{X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} betrachtet man die kurze exakte Garbensequenz
\mathdisp {0 \longrightarrow { \mathcal I }_P \longrightarrow {\mathcal O}_{ X } \longrightarrow {\mathbb C}_P \longrightarrow 0} { , }
wobei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{{ \mathcal I }_P }
{ = }{ {\mathcal O}_{ X } (-P) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die invertierbare \definitionsverweis {Idealgarbe}{}{} zu dem Punkt $P$ ist und rechts ${\mathbb C}_P$ die eindimensionale \definitionsverweis {Wolkenkratzergarbe}{}{} mit Träger $P$ bezeichnet, siehe Lemma 28.1. Die Tensorierung dieser Sequenz mit einer invertierbaren Garbe ${ \mathcal L }$ ergibt
\mathdisp {0 \longrightarrow { \mathcal I }_P \otimes { \mathcal L } \longrightarrow { \mathcal L } \longrightarrow {\mathbb C}_P \otimes { \mathcal L } = {\mathbb C}_P \longrightarrow 0} { . }
Diese exakten Sequenzen stiften eine Beziehung zwischen den beiden invertierbaren Garben \mathkor {} {{ \mathcal I }_P \otimes { \mathcal L }} {und} {{ \mathcal L }} {,} die sich um den Punkt $P$ \anfuehrung{unterscheiden}{.} Die zugehörige lange exakte Kohomologiesequenz ist
\mathdisp {0 \longrightarrow \Gamma { \left( X, { \mathcal I }_P \otimes { \mathcal L } \right) } \longrightarrow \Gamma { \left( X, { \mathcal L } \right) } \longrightarrow {\mathbb C} \longrightarrow H^1(X, { \mathcal I }_P \otimes { \mathcal L } ) \longrightarrow H^1(X, { \mathcal L } ) \longrightarrow 0} { , }
da
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ h^0 (X, {\mathbb C}_P ) }
{ = }{ 1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ h^1 (X, {\mathbb C}_P ) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gilt, da ${\mathbb C}_P$ eine \definitionsverweis {welke Garbe}{}{} ist. Für die Dimensionen ergibt sich die Beziehung
\mavergleichskettedisphandlinks
{\vergleichskettedisphandlinks
{ h^0 (X, { \mathcal L } )-h^1 (X, { \mathcal L } ) }
{ =} { h^0 (X, { \mathcal I }_P \otimes { \mathcal L } )-h^1 (X, { \mathcal I }_P \otimes { \mathcal L } ) + 1 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei insbesondere beiden Kohomologien zu ${ \mathcal L }$ genau dann endlichdimensional sind, wenn dies für
\mathl{{ \mathcal I }_P \otimes { \mathcal L }}{} gilt. Wegen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{Grad} \, ( { \mathcal I }_P ) }
{ =} { -1 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist nach Lemma 28.2
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{Grad} \, ( { \mathcal L } ) }
{ =} { \operatorname{Grad} \, ( { \mathcal I }_P \otimes { \mathcal L }) +1 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und der Grad verhält sich wie die Differenz der Dimensionen der nullten und der ersten Kohomologie. Die Formel von Riemann-Roch gilt also genau dann für ${ \mathcal L }$, wenn sie für ${ \mathcal I }_P \otimes { \mathcal L }$ gilt. Da jede invertierbare Garbe auf der riemannschen Fläche die Form
\mathl{{\mathcal O}_{ X } (-D)}{} zu einem \definitionsverweis {Divisor}{}{} $D$ besitzt, kann man jede invertierbare Garbe ausgehend von der Strukturgarbe durch eine endliche Hinzu- oder Wegnahme von Punkten erhalten. Daher gilt die Formel für alle invertierbaren Garben.

}





\inputfaktbeweis
{Kompakte riemannsche Fläche/Divisor/Riemann-Roch/Abschätzung für Schnitte/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei $X$ eine \definitionsverweis {kompakte}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{} vom \definitionsverweis {Geschlecht}{}{} $g$ und sei $D$ ein \definitionsverweis {Divisor}{}{} auf $X$ mit der zugehörigen invertierbaren Garbe ${\mathcal O}_{ X } (D)$.}
\faktfolgerung {Dann ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ h^0(X, {\mathcal O}_{ X } (D)) }
{ \geq} { \operatorname{Grad} \, ( D ) +1 -g }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Dies folgt unmittelbar aus Satz 28.4.

}





\inputfaktbeweis
{Riemannsche Fläche/Invertierbare Garben/Eine fixiert/Lineare Schranke/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $X$ eine \definitionsverweis {kompakte}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{} und es sei ${ \mathcal M }$ eine \definitionsverweis {invertierbare Garbe}{}{} auf $X$.}
\faktfolgerung {Dann gibt es eine ganze Zahl $c$ mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ h^0(X, { \mathcal L } \otimes { \mathcal M } ) }
{ \geq} { \operatorname{Grad} \, ({ \mathcal L } ) +c }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für jede invertierbare Garbe ${ \mathcal L }$.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei $g$ das vom \definitionsverweis {Geschlecht}{}{} von $X$. Nach Korollar 28.5 ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ h^0(X, { \mathcal L } \otimes { \mathcal M }) }
{ \geq} { \operatorname{Grad} \, ( { \mathcal L } \otimes { \mathcal M } ) +1 -g }
{ =} { \operatorname{Grad} \, ( { \mathcal L } ) + \operatorname{Grad} \, ( { \mathcal M } ) +1 -g }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Man kann also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{c }
{ =} { \operatorname{Grad} \, ( { \mathcal M } ) +1 -g }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} nehmen.

}


Die vorstehende Aussage wird meistens in Situationen angewendet, wo ${ \mathcal M }$ fixiert ist und wo man ${ \mathcal L }$ variieren lässt, beispielsweise in der Form
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \mathcal A }^k }
{ = }{ { \mathcal A }^{ \otimes k} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Wenn $A$ positiven Grad besitzt, so besitzt ${ \mathcal A }^k$ beliebig großen Grad. Daher besitzen nach dem Korollar für $k$ hinreichend groß die invertierbaren Garben
\mathl{{ \mathcal A }^k \otimes { \mathcal M }}{} nichttriviale globale Schnitte.






\zwischenueberschrift{Kohomologie der holomorphen Differentiale}

Für die invertierbare Garbe $\Omega_X$ der \definitionsverweis {holomorphen Differentialformen}{}{} auf einer kompakten zusammenhängenden riemannschen Fläche vom Geschlecht $g$ besagt der Satz von Riemann-Roch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ h^0(X, \Omega_X) - h^1(X, \Omega_X ) }
{ =} { \operatorname{Grad} \, ( \Omega_X ) +1-g }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Dies ist im Moment noch nicht sehr ergiebig. Für die einzelnen Terme wissen wir im Moment nur, dass
\mathl{h^0(X, \Omega_X)}{} die Anzahl der linear unabhängigen globalen Differentialformen ist, was sicher eine wichtige Invariante der Fläche ist, und dass
\mathl{\operatorname{Grad} \, ( \Omega_X )}{} der kanonische Grad, also der Grad einer jedem \definitionsverweis {meromorphen Differentialform}{}{} ist, siehe Lemma 20.4. Für die projektive Gerade ist nach Beispiel 20.2 der Grad des kanonischen Divisors gleich $-2$, die rechte Seite wird also zu $-1$, und wegen Lemma 15.9 ist
\mathl{H^0( {\mathbb P}^{1}_{ {\mathbb C} } , \Omega_{ {\mathbb P}^{1}_{ {\mathbb C} } })}{} der Nullraum und somit ist
\mathl{H^1( {\mathbb P}^{1}_{ {\mathbb C} } , \Omega_{ {\mathbb P}^{1}_{ {\mathbb C} } })}{} eindimensional. Dies wird im folgenden Beispiel auch direkt berechnet.




\inputbeispiel{}
{

Bei der affinen Standardüberdeckung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ {\mathbb P}^{1}_{ {\mathbb C} } }
{ =} { U \cup V }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \cong }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{V }
{ \cong }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ U \cap V }
{ \cong} { {\mathbb C} \setminus \{ 0 \} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Eine erste Kohomologieklasse der Garbe der holomorphen Differentialformen wird durch
\mathdisp {z^{-1} dz} { }
repräsentiert. Diese Form kann man auch als
\mathl{-zd z^{-1}}{} schreiben. Man kann sie nicht als eine Differenz
\mathl{hdz-gdz^{-1}}{} schreiben, wobei $h$ eine holomorphe Funktion auf $U$ \zusatzklammer {in $z$} {} {} und $g$ eine holomorphe Funktion auf $V$ \zusatzklammer {in $z^{-1}$} {} {} ist. Für eine solche Form gilt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{h(z) dz - g(z^{-1}) dz^{-1} }
{ =} { h(z)dz + { \frac{ g(z^{-1}) }{ z^2 } } dz }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Wenn man die Koeffizienten in den Potenzreihen anschaut, so sieht man, dass der Summand $z^{-1}$ nicht vorkommt. Zugleich sieht man, dass skalare Vielfache der Form
\mathl{z^{-1}dz}{} die einzigen holomorphen Formen sind, die man nicht als Differenz schreiben kann. Es ist also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{H^1( {\mathbb P}^{1}_{ {\mathbb C} }, \Omega ) }
{ \cong} { {\mathbb C} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}


}

Bei einem komplexen Torus
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ X }
{ = }{ {\mathbb C} / \Gamma }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist die Garbe der holomorphen Differentialformen nach Korollar 15.14 isomorph zur Strukturgarbe. Insbesondere ist der Grad des kanonischen Divisors gleich $0$ und somit folgt aus dem Satz von Riemann-Roch sofort
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ h^1(X, \Omega_X ) }
{ =} { g }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} was sich später als $1$ ergeben wird. Dieses und allgemeinere Resultate werden wir im Kontext der Serre-Dualität erzielen, siehe insbesondere Korollar 30.6, Korollar 30.9 und Satz 30.10.






\zwischenueberschrift{Punkttupel und Divisorenklassengruppe}

Eine Ansammlung von Punkten
\mathl{P_1 , \ldots , P_n}{} \zusatzklammer {eventuell mit Wiederholungen} {} {} auf einer riemannschen Fläche $X$ legt den \definitionsverweis {Divisor}{}{} $\sum_{i = 1 }^n P_i$ und damit die Divisorklasse fest. Im kompakten Fall hat das Geschlecht $g$ die folgende Auswirkung. Unter $X^g$ verstehen wir einfach das $g$-fache Produkt der riemannschen Fläche mit sich selbst, was in natürlicher Weise eine komplexe Mannigfaltigkeit der Dimension $g$ ist. Für den elliptischen Fall vergleiche man Satz 15.7 (Elliptische Kurven (Osnabrück 2021-2022)).





\inputfaktbeweis
{Riemannsche Fläche/Kompakt/g-faches Produkt in DKG_0/Surjektiv/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei $X$ eine \definitionsverweis {kompakte}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{} mit dem \definitionsverweis {Geschlecht}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ g }
{ \geq }{ 1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{Q }
{ \in }{X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein fixierter Punkt.}
\faktfolgerung {Dann ist die Abbildung \maabbeledisp {} { X^g } { \operatorname{DKG}_0 { \left( X \right) } } { \left( P_1 , \, \ldots , \, P_n \right) } { \sum_{i = 1}^g [P_i] -g[Q] } {,} \definitionsverweis {surjektiv}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{D }
{ \in }{ \operatorname{DKG}_0 { \left( X \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} vorgegeben. Wir betrachten den Divisor
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{E }
{ = }{D+gQ }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dieser hat den Grad $g$. Nach Satz 28.4 ist somit die Dimension von
\mathl{H^0(X, {\mathcal O}_{ X } (E))}{} positiv und das bedeutet, dass es eine \definitionsverweis {meromorphe Funktion}{}{} $f$ gibt, deren Hauptdivisor
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{div} { \left( f \right) } + E }
{ \geq} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} erfüllt. Da der Grad dieses effektiven Divisors nach Satz 19.17 gleich $g$ ist und er effektiv ist, besitzt dieser Divisor die Form
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{div} { \left( f \right) } + E }
{ =} { \sum_{i = 1}^g P_i }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit gewissen Punkten
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P_1 , \ldots , P_n }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} wobei Wiederholungen erlaubt sind. Dieser Divisor ist \definitionsverweis {linear äquivalent}{}{} zu $E$ und daher ist $D$ linear äquivalent zu
\mathl{\sum_{i = 1}^g P_i -g Q}{.} Daher ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ [D] }
{ = }{ \sum_{i = 1}^g [ P_i] -g[Q ] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}

}


Die Abbildung ist nicht injektiv, da im Produkt $X^g$ die Reihenfolge der Punkte unterschieden wird, in der Divisorenklassengruppe aber nicht. Die richtige Frage ist, ob die entsprechende Abbildung, die vom sogenannten symmetrischen Produkt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ S^g(X) }
{ =} { X^g/S_g }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ausgeht, wobei $S_g$ die \definitionsverweis {Permutationsgruppe}{}{} mit $g$ Elementen bezeichnet und die natürliche Operation betrachtet wird, injektiv ist. Dies ist aber im Allgemeinen auch nicht der Fall.





\inputfaktbeweis
{Riemannsche Fläche/Kompakt/Geschlecht 1/DKG_0/Bijektiv/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei $X$ eine \definitionsverweis {kompakte}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{} mit dem \definitionsverweis {Geschlecht}{}{} $1$. Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{Q }
{ \in }{X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein fixierter Punkt.}
\faktfolgerung {Dann ist die Abbildung \maabbeledisp {} { X } { \operatorname{DKG}_0 { \left( X \right) } } {P} { P-Q } {,} \definitionsverweis {bijektiv}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Die Surjektivität ist ein Spezialfall von Satz 28.8. Zum Nachweis der Injektivität seien
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P_1,P_2 }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ [P_1]-[Q] }
{ = }{ [P_2]-[Q] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dann ist
\mathl{P_1-P_2}{} ein \definitionsverweis {Hauptdivisor}{}{.} Es gibt also eine \definitionsverweis {meromorphe Funktion}{}{} $f$ auf $X$ mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{div} { \left( f \right) } }
{ =} { P_1-P_2 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Diesem $f$ entspricht bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P_1 }
{ \neq }{ P_2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} nach Satz 18.6 eine \definitionsverweis {endliche}{}{} \definitionsverweis {holomorphe Abbildung}{}{} \maabbdisp {f} {X} { {\mathbb P}^{1}_{ {\mathbb C} } } {,} wobei das Urbild zu $0$ \zusatzklammer {und zu $\infty$} {} {} aus einem einzigen Punkt besteht \zusatzklammer {nämlich aus \mathkor {} {P_1} {bzw} {P_2} {}} {} {.} Nach Korollar 9.9 ist dann $f$ \definitionsverweis {bijektiv}{}{} und somit \definitionsverweis {biholomorph}{}{.} Die projektive Gerade hat aber nach Lemma 27.2 das Geschlecht $0$.

}

Insbesondere steht eine kompakte zusammenhängende riemannsche Fläche vom Geschlecht $1$ in natürlicher Bijektion zu einer Gruppe. Wir haben aber noch nicht gezeigt, dass diese Bijektion eine holomorphe Gruppenstruktur auf einer riemannschen Fläche vom Geschlecht $1$ definiert, da wir auf $\operatorname{DKG}_0 { \left( X \right) }$ keine holomorphe Struktur haben.