OpenSource4School/Lernumgebungen zum Beweisen in der Primarstufe/Rechenketten

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Formale Aspekte[Bearbeiten]

Entwickler der Lernumgebung[Bearbeiten]

Annika Leist und Lisa Zimmer

E-Mail-Adressen und Datum[Bearbeiten]

s8anleis@stud.uni-saarland.de

s8lmzimm@stud.uni-saarland.de

Datum: 01.09.2021

Inhaltsaspekte[Bearbeiten]

Name der Lernumgebung[Bearbeiten]

Das Geheimnis der Rechenketten

Kurzbeschreibung der Lernumgebung[Bearbeiten]

Die erstellte Lernumgebung beinhaltet Aufgaben im produktiven Übungsformat, welche sich auf die Anwendung der Grundrechenarten Addition, Multiplikation und Division beziehen. Durch das produktive Aufgabenformat wird eine Verbindung zwischen formalem und gestütztem Üben hergestellt. Im Zuge des formalen Übens “werden die Aufgaben in der symbolischen Darstellungsform behandelt; beim gestützten Üben hingegen stützen sich die Aufgabenbearbeitungen auf bildliche Darstellungen oder Handlungsmaterial (PIKAS, 2009, S. 1). So werden aus dem konkreten Handeln am Material mentale Vorstellungsbilder generiert (vgl. ebd.). Die Aufgaben der Lernumgebung entsprechen dem strukturierten Üben, da die genutzten Rechenketten in einem strukturellen Zusammenhang zueinanderstehen. So stehen auch “die Lösungswege und die Ergebnisse der einzelnen Aufgaben […] in einem Zusammenhang und können sich gegenseitig unterstützen und korrigieren” (PIKAS, 2009, S. 2) Im Zuge der Aufgabenbearbeitung werden verschiedene prozessbezogene Kompetenzen gefördert. Einerseits wird die Kompetenz des Problemlösens geschult, da die Schüler*innen “Zusammenhänge erkennen, nutzen und auf ähnliche Sachverhalte übertragen” (Ministerium für Bildung, Familie, Frauen und Kultur, 2009, S. 6). Zudem wenden sie ihre mathematischen Vorkenntnisse zur Problemlösung an (vgl. ebd.). In Bezug auf den Kompetenzbereich Kommunizieren lernen die Schüler*innen ihr eigenes Vorgehen zu verbalisieren und die Lösungen anderer nachzuvollziehen, sodass im Anschluss eine gemeinsame Reflexion stattfinden kann. Dabei nutzen sie “mathematische Fachbegriffe und Zeichen sachgerecht” (Ministerium für Bildung, Familie, Frauen und Kultur, 2009, S. 6). Die prozessbezogene Kompetenz des Argumentierens wird gefördert, indem mathematische Zusammenhänge entdeckt und Hypothesen formuliert werden. Auch suchen die Kinder nach Begründungen und lernen diese nachzuvollziehen (vgl. ebd.). Bei der Aufgabenbearbeitung wählen die Schüler*innen geeignete Darstellungen aus, wenden diese an und übertragen sie wiederum in andere Darstellungsformen. Somit wird auch der Kompetenzbereich des Darstellens angesprochen (vgl. ebd.). Die Lernumgebung zielt darauf ab, dass die Schüler*innen durch die Arbeit mit Rechenketten zu der Erkenntnis gelangen, dass sich Start- und Zielzahl um 1 unterscheiden, wenn die Operationszahlen identisch sind und die Rechenoperationen Multiplikation, Addition und Division vorliegen. Als investive Arbeitsmittel werden den Schüler*innen ein Malwinkel, ein Hunderter-Punktefeld und Rechenplättchen zur Verfügung gestellt. Zusätzlich erhalten sie konsumtives Material in Form von Arbeitsblättern. Die Lernumgebung ist für den Einsatz in der dritten Klassenstufe konzipiert. Die Bearbeitungsdauer beträgt ca. 90 Minuten. Sind die Schüler*innen bereits mit dem Beweisen und der Verwendung des Malwinkels vertraut, kann von einer geringeren Bearbeitungszeit ausgegangen werden. Die Auseinandersetzung mit den Aufgaben der Lernumgebung kann in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit erfolgen. Die Ergebnisse werden abschließend im Plenum besprochen.

Ungefährer Zeitbedarf zur Durchführung[Bearbeiten]

Für die unterrichtliche Umsetzung der Lernumgebung ist ein zeitlicher Rahmen von 90 Minuten vorgesehen. Die Schüler*innen sollten hierfür jedoch bereits mit der Nutzung der benötigten Materialien vertraut sein. Anderenfalls ist vorab beispielsweise eine Einführung des Malwinkels notwendig, wodurch sich der zeitliche Umfang der Lernumgebung erweitert.

Adressaten der Lernumgebung[Bearbeiten]

Die Lernumgebung wurde für den Einsatz in der dritten Klassenstufe entwickelt. Je nach Leistungsstand der Klasse kann sie jedoch auch in einer zweiten oder vierten Klasse durchgeführt werden. Die Lernumgebung adressiert alle Kinder, auch solche mit besonderem Förderbedarf. Durch den Einsatz verschiedener Arbeitsmaterialien kann der Schwierigkeitsgrad an das individuelle Leistungsniveau der Schüler*innen angepasst werden.

Zentrale Aufgabenstellungen und Arbeitsaufträge in der Lernumgebung[Bearbeiten]

Gestaltung des Einstiegs

Die Lehrperson zeichnet vor Beginn der Unterrichtsstunde eine Rechenkette an die Tafel. Diese dient als stummer Impuls, um die Vorkenntnisse der Schüler*innen in Hinblick auf Rechenketten zu aktivieren.

  • Mögliche Schüler*innenantworten: "Ich glaube, das heißt Rechenkette.", "Das ist eine Rechenkette", "In das zweite Kästchen muss eine 15.", ...

Beim Lösen der ersten Rechenkette wird die Vorgehensweise thematisiert. Außerdem werden die benötigten Fachbegriffe (Startzahl, Zielzahl, Operationen, …) besprochen (vgl. Weiß, 2021, S. 16). Auf diese Weise wird der spezifische Fachwortschatz wiederholt, indem sich die Schüler*innen zu den einzelen Begriffen äußern und diese erklären. Die Lehrperson heftet die genannten Begriffe an der entsprechenden Stelle an. Der Aufbau dieses Fachvokabulars ist "für produktives Argumentieren in diskursiven Situationen" (Brunner, 2014, S. 89) wichtig.

  • Lehrperson: "Hinter dieser Rechenkette verbirgt sich ein Geheimnis. Welche Besonderheiten fallen euch an dieser Rechenkette auf?"
  • Mögliche Schüler*innenantworten: "Die Operationszahlen sind gleich", "Die Zielzahl ist eins größer als die Startzahl", ...

Das gemeinsame Lösen einer Rechenkette zu Beginn der Einheit “bietet sich neben der Möglichkeit, die Struktur zu erläutern, auch gerade deswegen an, weil bei geeignetem Zahlenmaterial bereits von Beginn an der gemeinsame Fokus auf dem Untersuchen und Aufdecken von Beziehung zwischen Zahlen und Operationen liegen kann” (Weiß, 2021, S. 16). So erfahren die Schüler*innen bereits früh, dass es bei der Bearbeitung von Rechenketten im Rahmen der Lernumgebung nicht darum geht, die Lösung der Aufgaben zu berechnen, sondern auch darum die Beziehungen innerhalb der Aufgabe zu beschreiben und zu begründen (vgl. ebd.). Im Einstieg wird lediglich eine einzelne Rechenkette behandelt. So soll der Fokus auf die “Beziehungen […] innerhalb der einzelnen Rechenkette” gelenkt werden (Weiß, 2021, S. 17).


Konkrete Aufgabenstellungen

  • Lehrperson: "Du hast herausgefunden, dass die Zielzahl bei dieser Rechenkette um eins größer ist als die Startzahl. Ist das bei anderen Startzahlen auch so? Wenn ja, warum? Finde eine Begründung. Du kannst selbst entscheiden, ob du alleine, mit einem Partner oder mit mehreren Kindern arbeiten möchtest. Vorne auf dem Tisch liegt Material bereit, das dir beim Begründen helfen soll. Dokumentiere deine Vorgehensweise auf dem Arbeitsblatt. Wenn du weitere Notizen machen möchtest, findest du vorne leere Blätter."

Die Kinder beginnen nun mit der Bearbeitung der Lernumgebung. Die Lehrperson beobachtet das Geschehen und unterstützt die Schüler*innen bei Bedarf durch gezielte Impulse (siehe Abschnitt "Artikulation, Kommunikation, Soziale Organisation"). Im Anschluss ruft die Lehrperson die Kinder im Sitzkreis zusammen.

  • Lehrperson: "Du hast dich jetzt sehr genau mit dem Geheimnis der Rechenkette auseinandergesetzt. Beschreibe, was du herausfinden konntest."
  • Die Schüler*innen erläutern ihre Erkenntnisse und verbalisieren ihre Lösungswege. Dabei greifen sie auf das verwendete Material zurück und demonstrieren ihren Mitschüler*innen ihre Gedankengänge. Durch die Präsentation unterschiedlicher Begründungsansätze werden die Kinder zu einem diskursiven Austausch angeregt, welcher durch die Lehrperson unterstützt wird. Insbesondere zu Beginn des Beweisens ist eine "Unterstützung auf der Ebene des Diskurses [durch die Lehrperson] sinnvoll" (Brunner, 2014, S. 89).

Abschließend werden die zentralen Erkenntnisse gemeinsam zusammengefasst. Dies kann in mündlicher Form erfolgen oder auch als Tafelbild oder Plakat.

Technische Voraussetzungen[Bearbeiten]

Zur Durchführung der Lernumgebung werden nicht zwingend technische Hilfsmittel benötigt. Den Schüler*innen sollten jedoch unbedingt die angeführten Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt werden:

Malwinkel:

Rechenplättchen:

Hunderter-Punktefeld:

Außerdem erhalten die Kinder leere Blätter für ihre Überlegungen sowie das folgende Arbeitsblatt:

Seite 1
Seite 2

Mathematischer Gehalt der Lernumgebung[Bearbeiten]

Mathematische Analyse[Bearbeiten]

Zunächst werden verschiedene mathematische Vorkenntnisse benötigt. So ist eine flexible und gezielte Anwendung der Grundrechenarten sowie eine sichere Orientierung im Zahlenraum bis 100 notwendig. Zudem sollten die Schüler*innen optimalerweise bereits mit dem Aufgabenformat der Rechenketten vertraut sein. Da das Begründen erst durch die Nutzung eines entsprechenden Fachvokabulars ermöglicht wird (vgl. Weiß, 2021, S. 17), ist die Kenntnis der folgenden mathematischen Fachbegriffe zur Bearbeitung der Lernumgebung erforderlich:

  • Startzahl
  • Zielzahl
  • Nachbarzahl
  • Rechenoperation
  • Operationszahl
  • Zwischenergebnis
  • multiplizieren
  • addieren
  • dividieren

Auch bestimmte "Phrasen wie ‘ist um eins größer als’” (Weiß, 2021, S. 17) sollten von den Schüler*innen beherrscht werden. So findet zu Beginn der Doppelstunde zunächst eine Wiederholung dieser zentralen Begrifflichkeiten statt, um sicherzustellen, dass diese bei allen Kindern verankert sind.

Mathematikdidaktischer Gehalt der Lernumgebung[Bearbeiten]

Didaktische Analyse[Bearbeiten]

Bei der Erstellung einer substanziellen Lernumgebung sollten verschiedene Aspekte berücksichtigt werden, welche aus didaktischer Sicht sinnvoll sind. So sollte die mathematische Struktur im Vordergrund stehen, sodass den Schüler*innen der Aufbau von inhaltlichen und auch prozessbezogenen Kompetenzen ermöglicht werden kann (vgl. Wittmann, 1995, S. 528 zit. n. Krauthausen & Scherer, 2010, S. 110). In der beschriebenen Lernumgebung wird den Kindern genügend Raum gegeben, sich vertieft mit mathematischen Strukturen zu befassen. Somit werden neben den Grundrechenarten auch diverse prozessbezogene Kompetenzen gefördert, welche im Abschnitt "Kurzbeschreibung der Lernumgebung" bereits erläutert wurden. Den Schüler*innen werden durch die Bearbeitung der Lernumgebung "reichhaltige Möglichkeiten für mathematische Aktivitäten" (Wittmann, 1995, S. 528 zit. n. Krauthausen & Scherer, 2010, S. 110) geboten. Dabei wird das E-I-S-Prinzip von Bruner berücksichtigt, welches die Auseinandersetzung mit dem mathematischen Inhalt auf enaktiver, ikonischer und auch symbolischer Ebene berücksichtigt (vgl. ebd.). Dies kann durch die freie Auswahl des Materials gewährleistet werden, da die Darstellungsform somit ebenfalls eigenständig gewählt werden kann. Weiterhin ermöglicht die Lernumgebung durch die selbstständige Wahl der Sozialform sowie die verschiedenen bereitgestellten Hilfsmittel eine flexible Anpassung an die Voraussetzungen der Lernenden. Diese "didaktische Flexibilität" (Wittmann, 1995, S. 528 zit. n. Krauthausen & Scherer 2010, S. 110) ist ebenfalls ein Merkmal substanzieller Lernumgebungen (vgl. ebd.). Letztlich können die Dokumente der Schüler*innen, welche im Zuge der Bearbeitung entstehen, für weiterführende empirische Forschungen herangezogen werden und wichtige Erkenntnisse und Informationen liefern (vgl. ebd.).

„Gute“ Aufgaben & Differenzierung[Bearbeiten]

Gute Aufgaben

Gute Aufgaben im Rahmen einer Lernumgebung "fördern ein tragfähiges Verständnis von Mathematik und fundamentalen Ideen" (Krauthausen & Scherer, 2010, S. 117). Die entwickelte Lernumgebung spricht zum Einen die Leitideen Zahlen und Operationen an, da die Schüler*innen "Zahldarstellungen und Zahlbeziehungen verstehen" und "Rechenoperationen verstehen und beherrschen" müssen (Ministerium für Bildung, Familie, Frauen und Kultur, 2009, S. 15). Zum Anderen wird auch die Leitidee Muster und Strukturen gefördert, da die Kinder zum Erkennen, Beschreiben und Darstellen funktionaler Beziehungen angeregt werden (vgl. ebd., S. 19). Durch das Erkennen von Zusammenhängen wird weiterhin die Entwicklung von Problemlösestrategien geschult, die auf andere mathematische Situationen übertragen werden können (vgl. Krauthausen & Scherer, 2010, S. 117). Auch die Förderung der argumentativen Fähigkeiten stellt einen wesentlichen Aspekt guter Aufgaben da (vgl. ebd.), der in der entwickelten Lernumgebung berücksichtigt wird. Durch die Arbeit in Kleingruppen und die abschließende Diskussion im Plenum lernen die Schüler*innen ihre Ergebnisse vor anderen zu begründen. Da die Schüler*innen im Zuge der Bearbeitung der Lernumgebung die Grundrechenarten anwenden, werden zudem ihre mathematischen Fähigkeiten und Fertigkeiten geschult (vgl. ebd.). Durch die freie Wahl der Sozialform und der Arbeitsmittel wird zudem ein produktiver Umgang mit Heterogenität möglich (vgl. Krauthausen & Scherer, 2010, S. 117), da die individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse der Schüler*innen berücksichtigt werden. Durch die Lernumgebung wird zudem eine positive Unterrichtskultur im Mathematikunterricht angestrebt (vgl. ebd.).


Differenzierung

Lernumgebungen sollten "auf die heterogenen Voraussetzungen der Lernenden einstellbar sein" (Platz, 2020, S. 38). In der hier beschriebenen Lernumgebung erfolgt eine natürliche Differenzierung, da alle Schüler*innen am gleichen mathematischen Gegenstand arbeiten (vgl. ebd., S. 39). Die Kinder entscheiden selbst, auf welche Art sie die Aufgabe bearbeiten und welche Hilfsmittel und Darstellungsformen sie dabei nutzen. Durch die unterschiedlichen Zugänge zur Thematik und die verschiedenen Lösungswege treten die Lernenden miteinander in Interaktion, wodurch sie sowohl miteinander als auch voneinander lernen können (Krauthausen & Scherer, 2010 zit. n. Platz, 2020, S 39).

Artikulation, Kommunikation, Soziale Organisation[Bearbeiten]

Nutzung verschiedener Artikulationsoptionen

Im Rahmen der Lernumgebung haben die Schüler*innen die Möglichkeit die Artikulationsoptionen Handeln, Sprechen und Schreiben zu nutzen. Durch das bereitgestellte Material (Malwinkel, 100er-Punktefeld, Plättchen) ist ein handelndes Lernen möglich. Die Kinder agieren weiterhin sprachlich, indem sie ihre Überlegungen und ihre Vorgehensweise gegenüber der Lehrperson oder ihren Mitschüler*innen mündlich beschreiben und begründen. Außerdem besteht die Möglichkeit zur schriftlichen Dokumentation auf dem bereitgestellten Arbeitsblatt oder auf einem separaten Blatt.


Raum zum Gestalten und zum Behalten

Die Schüler*innen erhalten Raum zum Gestalten, indem ihnen verschiedene Arbeitsmaterialien zur Verfügung gestellt werden. So können sie frei wählen, anhand welchen Hilfsmittels sie sich Thematik erschließen und ihre Beobachtungen beweisen. Raum zum Behalten erhalten die Kinder durch die Möglichkeit zur Dokumentation ihrer Arbeitsschritte und Begründungen auf dem Arbeitsblatt und den leeren Blätter. Durch die abschließende Präsentation verschiedener Begründungen durch die Schüler*innen wird eine Diskussion im Plenum angeregt, welche wiederum dem Behalten dient.


Sozialform

Die Sozialform in der die Lernumgebung bearbeitet wird, ist den Kindern freigestellt. Sie können folglich wählen, ob sie alleine, zu zweit oder in Kleingruppen arbeiten.


Gestaltung der Schlusssequenz

Zum Abschluss der Unterrichtsstunde erhalten die Schüler*innen die Gelegenheit ihre Ergebnisse im Plenum vorzustellen und ihre Begründungen zu präsentieren. Auf diese Weise können verschiedene Begründungen gegenübergestellt und überprüft werden. Abschließend werden gemeinsam die zentralen Erkenntnisse mündlich zusammengefasst. Ergänzend bietet sich zur Ergebnissicherung auch die Erstellung eines Tafelbildes oder eines Merksatzes an.


Impulse und Fragen

Durch gezielte Impulse und W-Fragen soll bei den Kindern ein Beweisbedürfnis hervorgerufen werden (vgl. Brunner, 2014, S. 87). Im Folgenden werden diesbezüglich verschiedene Beispiele angegeben, welche bei der Durchführung der Lernumgebung herangezogen werden können:

  • Was fällt dir auf?
  • Wieso ist das so?
  • Wie kommst du darauf?
  • Welche Erklärung hast du dafür?
  • Überprüfe noch einmal.
  • Ist das immer so?

In Anlehnung an Krauthausen und Scherer (2010, S. 118) bieten sich darüber hinaus die folgenden Impulsfragen an:

  • "Findest du weitere Beispiele?"
  • "Findest du alle Beispiele? Wie viele Beispiele kann es geben?"
  • "Kannst du beweisen, dass es nicht mehr geben kann?"

Potenzial des Einsatzes (digitaler) Medien[Bearbeiten]

Investives und konsumtives Material

Als investives Material werden den Schüler*innen Malwinkel, Rechenplättchen und Hunderter-Punktefelder zur Verfügung gestellt. Die Kinder sollten bereits mit deren Nutzung vertraut sein, ansonsten müssen diese Arbeitsmittel vorab ausführlich eingeführt werden, wodurch allerdings ein höherer Zeitaufwand einzuplanen ist. Die Arbeitsmittel werden zur enaktiven bzw. ikonischen Darstellung der Aufgabe benötigt. Die Unterschiede zwischen der Start- und der Zielzahl werden auf Basis dieser Darstellungen begründet (vgl. Weiß, 2021, S. 17). Ergänzend erhalten die Kinder konsumtive Materialien in Form eines Arbeitsblattes, leerer Blätter und Blättern mit Rechenkästchen.


Organisation des Materials

Die Lehrperson teilt jedem Kind ein Arbeitsblatt aus. Alle übrigen Materialien liegen in ausreichender Menge auf einem Tisch bereit. An diesem können sich die Schüler*innen frei bedienen. Da es sich um Materialien handelt, die leicht zugänglich sind und ohnehin in den meisten Klassen zur Verfügung stehen, können diese in der Regel ohne Weiteres bereitgestellt werden. Die Schüler*innen erhalten durch die Organisation des Materials ein hohes Maß an Freiheit und Eigenständigkeit. Sie können selbstständig entscheiden, welche Hilfsmittel sie in welchem Umfang nutzen. Ein möglicher Nachteil der Organisation des Materials besteht darin, dass einzelne Schüler*innen auf die Verwendung der bereitgestellten Arbeitsmittel verzichten könnten. Ist dies der Fall, so ist es Aufgabe der Lehrperson, die Kinder diesbezüglich durch gezielte Impulse anzuregen.


Funktion der Arbeitsmittel

Beim Beweisen ist es wichtig, geeignete Arbeitsmaterialien zur Verfügung zu stellen. Da es besonders zu Beginn des Beweisens für die Kinder schwierig sein kann, selbstständig passendes Material auszuwählen, ist eine Unterstützung durch die Lehrperson notwendig (vgl. Krauthausen, 2001, S. 107). Daher trifft die vorliegende Lernumgebung eine Vorauswahl an Materialien. Da "eine Festgelegtheit auf immer nur ein und dasselbe Werkzeug" (Krauthausen, 2001, S. 107) nicht sinnvoll ist und die Schüler*innen auf verschiedenen Darstellungsebenen arbeiten sollten, werden im Zuge der entwickelten Lernumgebung bewusst differenzierte Arbeitsmaterialien angeboten (vgl. ebd.).


Fachdidaktische Potentiale der Arbeitsmittel

Durch das Nutzen des Malwinkels werden die Rechenoperationen enaktiv dargestellt und die Schüler*innen werden mit "dem sukzessiven Nachbilden der Rechenketten vertraut" (Weiß, 2021, S. 18). So sollen die Kinder dazu befähigt werden, Begründungen für die Beziehung zwischen Start- und Zielzahl zu finden. Durch die Verwendung des Materials findet ein Transfer von der symbolischen hin zur enaktiven und ikonischen Darstellungsform statt (vgl. ebd.). Ein solcher "Transferprozess kann zu einem tieferen Verständnis führen" (Weiß, 2021, S. 18). Insbesondere für leistungsschwächere Kinder stellt diese bildliche und handelnde Darstellung eine Unterstützung dar (vgl. ebd.).


Preis-Leistungs-Verhältnis des Lernumgebung

Das verwendete Material steht in den meisten Schulen zur Verfügung, weshalb der Aufwand zur Materialbeschaffung als angemessen betrachtet wird. Auch wenn die Arbeitsmittel noch nicht vorhanden sind, sind diese schnell und einfach selbst zu erstellen.


Erforderliche Zuwendung der Lehrperson und mögliche Alternativen

Die Zuwendung der Lehrperson hängt von der Vorerfahrung der Kinder ab. Sind die Schüler*innen noch nicht mit dem Beweisen vertraut, so sind vermehrt gezielte Impulse durch die Lehrperson erforderlich. Wenn bereits Beweiserfahrung vorhanden ist, rückt die Lehrperson eher in den Hintergrund und die Kinder unterstützen sich gegenseitig durch ein kooperatives Zusammenarbeiten.

Evaluation[Bearbeiten]

Strategiedokumente

Die erstellte Lernumgebung ermöglicht die Erzeugung von Strategiedokumenten, da die Schüler*innen ihre Vorgehensweise und ihre Überlegungen auf den bereitgestellten (Arbeits-)Blättern dokumentieren können. Wird die Lernumgebung in einer kleineren Lerngruppe durchgeführt, so ist nach Zustimmung der Schüler*innen sowie deren Erziehungsberechtigten auch eine Video- und Audio-Dokumentation möglich, mit welcher verbale und handelnde Begründungen festgehalten werden können.


Förderimpulse

Innerhalb der Lernumgebung können verschiedene Förderimpulse identifiziert werden. Sowohl im Rahmen der Aufgabenstellungen als auch zur zusätzlichen Unterstützung während der Bearbeitung setzt die Lehrperson gezielt Impulse (siehe Abschnitt "Artikulation, Kommunikation, Soziale Organisation").


Anerkennung von Schüler*innenlösungen

Durch die Erstellung der Strategiedokumente und die abschließende Präsentation der erarbeiteten Begründungen erfahren die Schüler*innen Wertschätzung für ihre Lösungen. Hier ist es Aufgabe der Lehrperson auch bei fehlerhaften Schüler*innenlösungen herauszustellen, welche Aspekte besonders anerkennswert sind.


Soziales Lernen

Im Rahmen der Lernumgebung findet an verschiedenen Stellen soziales Lernen statt. Durch die Arbeit in Partner- oder Kleingruppen treten die Schüler*innen miteinander in Interaktion. Sie kommunizieren ihre Überlegungen und begründen ihre Vorgehensweise argumentativ. Auch die Abschlussphase, in der die Kinder ihre Begründungen präsentieren, dient dem sozialen Lernen. Hier lernen sie andere Lösungswege kennen, vollziehen diese nach und diskutieren darüber, welche Begründungen logisch und sinnvoll sind.

Vernetzung mit anderen Lernumgebungen[Bearbeiten]

Die Lernumgebung weist Beziehungen zu anderen Strategien im selben mathematischen Problemfeld auf, da verschiedene Lehr-Lernaktivitäten auf andere mathematische Situationen übertragen werden können. So können die mathematischen Fachbegriffe, die im Zuge der Lernumgebung eingeführt werden, auch bei der Bearbeitung anderer Aufgaben zum Thema Rechenketten genutzt werden (Startzahl, Zielzahl, Operationen, …). Auch der Malwinkel kann beim Lösen anderer mathematischer Probleme genutzt werden.

Als weiterführende Aufgabenstellungen bieten sich beispielsweise die Entwicklung eigener Rechenketten (vgl. Weiß, 2021, S. 18) sowie die Konstruktion eigener Rechenketten dieses Typs, “in denen die Zielzahl gegenüber der Startzahl systematisch verändert ist” (Wittmann, 2014, S. 217) an.

Weiterhin weist die Lernumgebung Beziehungen zu anderen Bereichen des Mathematikunterrichts auf. Durch das Aufgabenformat der Rechenketten und durch die Verwendung von Malwinkel und Rechenplättchen ergeben sich Verbindungen zur Arithmetik und zur Geometrie.

Da es sich um einen innermathematischen Beweis handelt bestehen zunächst weder Bezüge zu anderen Fächern der Primarstufe noch zur außerschulischen Lebenswelt der Schüler*innen.

Reflexion der Lernumgebung[Bearbeiten]

Bei der Durchführung der Lernumgebung können verschiedene Stolpersteine auftreten. So kann es zu Schwierigkeiten kommen, wenn die Kinder die benötigten Grundrechenarten nicht sicher beherrschen. Auch ist es problematisch, wenn die Anwendung des Malwinkels nicht verinnerlicht ist. Die Kinder sollten mit den Hilfsmitteln vertraut sein, "damit tatsächlich ihr Werkzeug-Charakter zum Tragen kommen kann und die Werkzeuge nicht als solche einen Teil des Problems darstellen" (Krauthausen, 2001, S. 106). Diese beiden Faktoren können bereits dazu führen, dass die eingeplante Bearbeitungszeit ausgeweitet werden muss. Beim Austausch miteinander kann es zu Missverständnissen kommen, wenn Fachbegriffe nicht adäquat verwendet werden oder eine Verbalisierung der eigenen Entdeckungen ausbleibt. Letztlich besteht die Gefahr, dass die Schüler*innen auf die Nutzung des angebotenen Materials zurückgreifen. Das Beweisen ist in der Grundschule jedoch auf das Arbeiten mit Material angewiesen. Die Kinder sollten den Beweis zuerst mithilfe anschaulicher Arbeitsmittel erbringen, ehe sie lernen auf formaler Ebene zu beweisen (vgl. Brunner, 2014, S. 88). Aufgrund der beschriebenen Stolpersteine ergeben sich verschiedene Bedingungen, unter welchen die Lernumgebung nicht angewendet werden sollte. Wenn die notwendigen mathematischen Voraussetzungen im Unterricht noch nicht ausreichend behandelt wurden, ist ein Einsatz der Lernumgebung wenig sinnvoll. Insbesondere für Kinder mit einer diagnostizierten Rechenschwäche können sich bei der Bearbeitung große Schwierigkeiten ergeben, weshalb hier alternative Angebote bereitgestellt werden sollten. Weiterhin sollte die Lernumgebung nur dann durchgeführt werden, wenn ausreichend Zeit zur Verfügung steht und die Lehrperson alle benötigten Materialien zur Verfügung stellen kann.

Nach der Durchführung[Bearbeiten]

Daten zur Durchführung[Bearbeiten]

Die Lernumgebung wurde am 28.06.2021 nach Schulschluss mit zwei Schülerinnen (9 Jahre) einer dritten Klassenstufe durchgeführt.

Schülerdokumente[Bearbeiten]

Reflexion[Bearbeiten]

Bei der Erprobung der Lernumgebung stellte sich heraus, dass die Bearbeitung für die beiden Schülerinnen schwieriger war als erwartet. Zu Beginn demonstrierten die Interviewerinnen anhand der Einstiegsaufgabe die Arbeit mit dem Malwinkel. Dennoch konnte beobachtet werden, dass dieser kaum genutzt wurde. So waren mehrfach Impulse zur Materialnutzung durch die Interviewerinnen notwendig. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass die Kinder weder mit dem Hunderterpunktefeld noch mit dem Malwinkel vertraut waren und dementsprechend Schwierigkeiten hatten, das Material zielführend zu verwenden. Die Rechenplättchen kamen bei der Durchführung nicht zum Einsatz, wodurch den Kindern die freie Auswahl des Materials verwehrt blieb. Für die Schülerinnen lag der Fokus hingegen vor allem auf dem Ausfüllen des Arbeitsblattes. Hier war festzustellen, dass das System der Rechenkette schnell erkannt und angenommen wurde. So nutzten die Kinder zunächst weiterhin die Startzahl 5 und variierten die Operationszahlen. Dabei wurde stets beachtet, dass die Operationszahlen innerhalb der Rechenkette gleich bleiben. Auch die Übernahme der Rechenoperationen erfolgte ohne explizite Anleitung. Die Schüler*innen entdeckten schnell, dass bei Verwendung der Startzahl 5, die Zielzahl immer 6 ist. Nach kurzer Zeit erfolgte außerdem eine eigenständige Variation der Startzahl. Durch gezielte Impulse seitens der Interviewerinnen stellten die Kinder fest, dass es sich bei Start- und Zielzahl um Nachbarzahlen handelt. Die Schülerinnen machten also bereits zentrale Beobachtungen, verinnerlichten schnell das System der Rechenkette und konnten dies verbalisieren. Jedoch blieb eine konkrete Begründung über ihre Feststellungen aus. Folglich kam es zu keiner begründeten Verallgemeinerung, sodass die Kinder sich noch nicht auf der Ebene des Beweisens befanden.

Abschließend kann festgehalten werden, dass es zu Schwierigkeiten kommen kann, wenn die Kinder nicht ausreichend mit dem Material vertraut sind. Daher ist es notwendig, vorab ausreichend Zeit einzuplanen, um die Schüler*innen an die benötigten Hilfsmittel heranzuführen. Zudem wird für die Durchführung selbst ein größerer zeitlicher Rahmen benötigt, wenn erstmalig mit einem Beweis gearbeitet wird. Um die Kinder auf die Ebene des Beweisens zu führen, sind gezielte Impulse und W-Fragen unabdingbar.

Literatur[Bearbeiten]

  • Brunner, Esther (2014): Mathematisches Argumentieren, Begründen und Beweisen. Grundlagen, Befunde und Konzepte. Wiesbaden: Springer Verlag.
  • Krauthausen, Günter & Scherer, Petra (2010): Natürliche Differenzierung im Mathematikunterricht. Konzepte und Praxisbeispiele aus der Grundschule. Seelze: Verlag Klett Kallmeyer.
  • Krauthausen, Günter (2001): "Wann fängt das Beweisen an? Jedenfalls ehe es einen Namen hat". Zum Image einer fundamentalen Tätigkeit. In: Weiser, Werner & Wollring, Bernd (Hrsg.): Beiträge zur Didaktik der Mathematik für die Primarstufe. Festschrift für Siegbert Schmidt. Hamburg: Verlag Dr. Kovac. S. 99-113.
  • Platz, Melanie (2020): Ein Schema zur kriteriengeleiteten Erstellung und Dokumentation von Lernumgebnugen mit Einsatz digitaler Medien. In: Dilling, Frederik & Pielsticker, Felicitas (Hrsg.): Mathematische Lehr-Lernprozesse im Kontext digitaler Medien. MINTUS - Beiträge zur mathematisch-naturwissenschaftlichen Bildung. Wiesbaden: Springer Verlag. S. 29-56.
  • Weiß, Ben (2021): Darstellen und Begründen an Rechenketten. In Rechenketten Muster und Strukturen aufdecken und Regelmäßigkeiten begründen. In: Grundschule Mathematik, Heft Nr. 68/2021. S. 16-19.