Projekt:Dresdner Glossar/Gvozdec

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  • 1076: Egbert II. zerstörte die in böhmischen Besitz befindliche Burg Gvozdec.
  • 1088: Vratislav II. von Böhmen baut die Burg Gvozdec wieder auf.
  • 1123: * vor dem 30. November: Sachsenherzog Lothar von Süpplingenburg erreicht in Verhandlungen bei der Burg Gvozdec (die [wüste] Befestigung Gwosdetz auf dem 237 Meter hohen Gohlberg oberhalb von Constappel - nach anderer Quelle der Burgberg Niederwartha[1]) den Abzug des für Wiprecht von Groitzsch versammelten böhmischen Heeres (Wiprecht hatte Herzog Vratislav II. [ab 1085 König Vratislav I.] als dessen Berater bei dessen Erlangung der Königswürde unterstützt und dafür dessen Tochter Judith zur Frau erhalten, welche die Gaue Bautzen und Nisan in die Ehe einbrachte - an Nisans Westgrenze [der Saubach/ die Wilde Sau; altsorbisch Save] bei Constappel an der Saubachmündung versammelte sich das böhmische Heer)[2]

Nisaner:

  • 1075: König Heinrich IV. gibt die Mark Meißen als Reichslehen an den böhmischen Herzog und späteren König Vratislav II.
  • 1076: Zerstörung der böhmischen Grenzfeste Gvozdec (nahe Meißen) durch den abgesetzten Meißner Markgrafen Ekbert II.
  • 1085: Judith (Jutta) von Böhmen, Tochter von Vratislav II., erhält Nisan (und Budissin) als Mitgift in ihre Ehe mit Wiprecht von Groitzsch. Dieser fördert die Einwanderung deutscher Bauern in beide Gebiete.

Vratislav II. von Böhmen

  • König Heinrich IV. belehnte Vratislav anstelle des noch minderjährigen und in Ungnade gefallenen Egbert II. bzw. statt Heinrich I. 1075 mit der Mark Meißen bzw. mit der Lausitz. Dies war der Dank für Vratislavs Unterstützung im Kampf des Königs gegen abtrünnige Reichsfürsten und im Konflikt mit dem Papst. Auf Seiten der Königsgegner kämpfte der vorherige Meißner Markgraf Egbert II., der nach seiner Amtsenthebung Vratislav das Leben schwer machte. So zerstörte er 1076 die Burg Gvozdec, die Vratislav 1088 wieder aufbaute.[3]

Vladislav I.

  • Vladislav war ein Sohn von Vratislav, der von 1075 bis 1089 in der Mark Meißen herrschte. Als König Heinrich V. 1109 gegen ihn in böhmische Nachfolgestreitigkeiten eingriff und in diesem Zusammenhang auch Breslau angriff[4], erhielt Vladislav Unterstützung von Wiprecht von Groitzsch, der schon zu den Gefolgsleuten seines Vaters gehört hatte. Als aber Wiprecht von Groitzsch in der Nachfolge von Heinrich II. im Jahre 1123 von Kaiser Heinrich V. mit der Mark Meißen belehnt wurde, sollte Vladislav ihm helfen, diese gegen Ansprüche von Konrad dem Großen zu sichern, was er effektiv nicht tat. Nachdem er und Otto von Mähren ihre Truppen bei Gvozdec versammelt hatten, zogen sie plündernd wieder ab.[5] Auf Vladislav gehen die Gründung von Großenhain und der Wiederaufbau von Dohna im Jahre 1121 zurück.[6] [7] [8]

Egbert II. Markgraf von Meißen

  • Egbert II. folgte noch unmündig seinem Vater, Egbert I., weshalb Markgraf Dedo von der Ostmark die Mark Meißen für ihn verweste. Trotz seiner Jugend nahm Egbert an der Verschwörung der Sachsen gegen König Heinrich IV., seinen Cousin, teil. Der brach mit einem böhmischen Heer unter Vratislav in der Mark Meißen ein. Vratislav erhielt 1075 die Mark, die friesische Grafschaft ging an das Bistum Utrecht. Der Bischof von Meißen, Benno, wurde inhaftiert. Egbert besaß auch in der Folgezeit großen Einfluss in der Mark Meißen, die Vratislav nie unangefochten beherrschen konnte. 1076 zerstörte er die in böhmischen Besitz befindliche Burg Gvozdec.[9]

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Gertraud Eva Schrage: "Die Oberlausitz bis zum Jahr 1346". In: Joachim Bahlcke (Hrsg.): Geschichte der Oberlausitz: Herrschaft, Gesellschaft und Kultur vom Mittelalter bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, Leipziger Universitätsverlag 2001
  2. Cosmas III, 53, MGH SSrerGerm NS 2 S. 225-227.
  3. Gertraud Eva Schrage: "Die Oberlausitz bis zum Jahr 1346". In: Joachim Bahlcke (Hrsg.): Geschichte der Oberlausitz: Herrschaft, Gesellschaft und Kultur vom Mittelalter bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, Leipziger Universitätsverlag 2001
  4. Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste, F. A. Brockhaus, 1823
  5. Gertraud Eva Schrage: "Die Oberlausitz bis zum Jahr 1346". In: Joachim Bahlcke (Hrsg.): Geschichte der Oberlausitz: Herrschaft, Gesellschaft und Kultur vom Mittelalter bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, Leipziger Universitätsverlag 2001
  6. WINKLER, Max und RAUSSENDORF, Hermann: Die Burggrafenstadt Dohna, in: Mitteilungen des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz 1936
  7. Vorlage:Meiche
  8. Vorlage:Kobuch
  9. Gertraud Eva Schrage: "Die Oberlausitz bis zum Jahr 1346". In: Joachim Bahlcke (Hrsg.): Geschichte der Oberlausitz: Herrschaft, Gesellschaft und Kultur vom Mittelalter bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, Leipziger Universitätsverlag 2001



https://archive.org/stream/neuesarchivfur11sach/neuesarchivfur11sach_djvu.txt

Die Feste Gvozdec bei Meifsen.

Von

Gustav Hey.


Unter die Hunderte von verschwundenen Ortschaften

unseres Sachsenlandes, welchen der eine oder andere der

vielen auf unserem Heimatsboden ausgefochteneu Kriege

den Untergang' gebracht hat, und die wir heute als

Wüstungen oder wüste Marken bezeichnen, sind auch

solche Örtlichkeiten zu rechnen , die einstmals als feste,

umwallte Plätze, slavisch grad, deutsch Burgwart,

lat. hurgiuardus, castrum oder castellum, in Zeiten der

Kriegsnot zu Schutz und Trutz gedient haben, zum Teil

ohne sonst ständig bewohnt zu sein, und von denen mehr-

fach ebenfalls nichts als der Name übrig geblieben ist.

Ja infolge der in diesem Falle leicht erklärlichen gründ-

lichen Zerstörung ist es öfters mit Schwierigkeiten ver-

bunden, die Stätte, an welcher ein solcher Name haftete,

genauer zu ermitteln. So ist unter andern zu nennen

castellum Hivoznie in pago Dalminze oder hiircwardus

Gozne, Goze (981. 1214. 1222), in welchem man eine ehe-

malige Feste auf dem Treppenberge bei Sachsenburg an

der Zschopau vermutet, burcirardus Trebista oder Ti^ehiste

mit einem Dorfe Rocina (100(3. 1071) im Milzenergau,

ferner hurgirardus Titihutzien oder Titihuzie, welclies

von Thietmar (Clu'on. VIII) in Verbindung mit Rochlitz


Neues Archiv f. S. U. u. A. XL 1. 'i.


2 Gustav Hey:

erwähnt und einer näheren Angabe vom Jahre 1090

gemäfs auf den Burgberg bei Lastau bezogen wird^).

Eine besondere Bedeutung für die Gegend von Meilsen besals eine alte Feste, welche in einiger Nähe von der Stadt lag und in des Cosmas von Prag Chronica Boe- morum (Mon. Germ. SS. IX) an drei Stellen zur Er- wähnung kommt, das verschollene Gvozdec (spr. Gwos- dez), über dessen Örtlichkeit bisher nur ganz unsichere Vermutungen aufgestellt worden sind; die nachfolgende Darlegung soll die noch offene Frage zu einem hoffent- lich befriedigenden Abschluls bringen.

Es ist zunächst erforderlich und, wie sich zeigen wird, von entscheidender Wichtigkeit, den Namen selbst genau festzustellen. Derselbe lautet bei Cosmas an den drei Stellen Ouozäec, wofür von verschiedenen Gelehrten, wie V. Gersdorf, Preusker, Posse u. s. w., ganz irrtümlicher AVeise Guozdek gesetzt worden ist; denn nicht Kehllaut ist der auslautende Konsonant des Namens, sondern dem slavischen Brauche gemäls Zahnlaut. Das beweisen ein- mal verschiedene andere bei dem böhmischen Chronisten erwähnte slavische Namen, bei denen c entschieden nur als z zu fassen ist, wie Satec (auch Satz) = tschech. Zatec, Saaz, Gradec = tsch. Hradec, Camenec = tscli. Kamenec, Olomuc = tsch. Oloniouc, 01m ütz u. s. w., während auslautendes k wirklich mit diesem Buchstaben bezeichnet wird, wie Vecek, Wececk, Tiirkk, Zlaunik, (Slavmk,) Detrissek (Detrüek, kleiner DietrichJ u. a. zeigen; sodann entspricht Ouozdec genau dem sechsmal in Galizien sich findenden Owozdicc und dem böhmischen Hvo.idcc-) bei Beraun und bei Budweis, wobei indes nicht unerwähnt bleiben soll, dafs allerdings auch ein urkund- liches Givozdek in Schlesien sich findet. Das sorbische


^) Kreysig-, Beiträge zur sächsischen Geschichte VI, 36 und Hingst, Mitteilungen des Königl. Sächsischen Altertumsveieins XXIII, 24 haben in dem Teitzig- Walde hei Colditz die Stätte des alten Titibutzien zu finden vermeint; indes haben die beiden Namen keine Gemeinschaft miteinander. Der Teitzig heifst 1265 Tjjzk und entspricht dem Ortsnamen Tisch in Böhmen, d. i. der Ideine Lärcheu- wald, Eihenwald, während Titihutzie wahrscheinlich einen Personen- namen Tetihud (vgl. Tctislav, Tctimiü) in der Adjektivform darstellt, Avie Muzelhuze oder Meuselwitz von Myslihnd, Meldahudzie polu. von Mcldahnd.

-) Im Tschechischen und im AVendischen der Oberlausitz ist h der Vertreter des älteren im Altslovenischen, Polnischen, Nieder- wendischen erhalteneu "•.


Die Feste Gvozdec bei Meifsen. 3

Ovozdec, wie wir nun besser als Guozdec schreil)en, pol- nische Givo.idicc und tschechische Hvozdcc erklärt sich als tschechisches Maskulinum livozdec, altslovenisch gvoz- dki, polnisch gvozdiec = Wäldchen, kleiner Bergwald, Diminutiv vom altslovenischen gvocdr, neusl. gozd, tschech. Jwozd, dichter Wald, Bergforst, Waldberg.

Da unser Ovozdec zweimal als castrum prope urhem Missen, einmal als oppidum bezeichnet und zugleich von einer Verlegung der ursprünglichen Feste an einen andern Ort berichtet wird, ohne dals eine noch genauere Orts- angabe hinzugefügt würde, so beziehen Ursinus (1778) und Preusker (Vaterländische Vorzeit III, 18) die zwei- fache Örtlichkeit auf die hohe Eifer beim Götterfelsen südlich von Meilsen und den Keilbusch nördlich von der Stadt, Leuber und Posse auf Coswig"), Schöttgen (1745) auf Grofsenhain, das alte slavische Osek, die letzteren offenbar verführt durch die Klangähnlichkeit zwischen dem fälschlich angenommenen Guozdek und den genannten zwei slavischen Namen. Neuerdings hat Schöttgens An- sicht Wiederaufnahme und Verteidigung durch G. Schuberth in dem Schriftchen „Gvozdec = Grolsenhain" (1889) ge- funden^).

Um die wahre Lage der alten Feste vorerst wenig- stens annähernd zu ermitteln, bedarf es einer genauen Verfolgung dessen, was uns Cosmas davon erzählt. Im zweiten Buche seiner böhmischen Chronik unter dem Jahre 1087 berichtet derselbe: Rex (Boemiae) Wratislaus, colledo exercitu, intrat Zrhiam (= Sorabiam, Misniam), quam olim Imperator Heinriciis in 2->erpetuum sihi liahen- dam tradiderat Et dum quoddam castrum nomine Guozdec prope urhem Missen reaedificat, cdiis insistenti-


■•) Codex dipl. Saxoniae regiae I. 1, 105, Anm. 132 meint Posse, dals Guozdec offenbar eine GegeuAvehi" zu Meifsen, dementsprecheiid auf das jenseitige Eibufer zu verlegen sei, wobei ihm ein Versehen im Gebrauche von links und rechts unterläuft, gerade wie S. 192, II. 2. Absatz zwischen Osten und Westen, oberhall) und unterhalb.

') Diese Arbeit gründet sich hauptsächlich auf eine lange zwischen dem Verfasser und mir geführte briefliche Auseinander- setzung. Nachträglich erst .ist mir bekannt geworden, dafs hin.sicht- lich der vielumstrittenen Örtlichkeit von Gvozdec durch Koepke in seinei' Ausgabe des Cosmas (1847) und durch von Heinemann, Albrecht der Bär (18H4) die Ansicht, welche im folgenden vertreten wei'den soll, teihveise bereits g(dtend gemacht worden ist, doch ohne tiefer ein-


gehende ]3egründung.


1*


4 Gustav Hey:

his operi mittit duas scaras ex dectis militlhus cum filio suo Brecülao nltum ire olim sibi iUatae imuriae^).

Mit dieser Stelle ist zu verbinden, was zu dem folgenden Jahre 1088 von Cosmas erzählt wird: Contigit, ut iterwm rex Wratislaus Zrhiam cttm suo exercitn in- traret, quo praedictum castrnm Guozdec in aUum firmiorem. locum trcmsfcrret Hiernach wird die in der Nähe von Meifsen gelegene Feste Gvozdec, Avelche unter die nach dem Bericht des Lambert von Hersfeld zum Jahre 1076 durch den Markgrafen Ekbert von Meilsen zerstörten Burgen gehört, durch den mit Sorabien belehnten Wrati- slaw, welcher von Böhmen her durch den Miriquidi-Wald in das Sorbenland, und zwar den Gau Nizane, also in die Dresdner Eiblandschaft einrückt, wieder aufgebaut, aber nach neuerlicher Zerstörung bei einem zweiten Zuge an eine gesichertere, der ursprünglichen immer noch nahe Stelle verlegt. Wie wäre die Beibehaltung des Namens „kleiner Bergwald, Wäldchen" zu rechtfertigen, wenn eine Verlegung in eine entferntere Gegend statt- gefunden hätte? Bei diesem zweiten Zuge nimmt Wrati- slaw, wie er schon mit dem ersten enie' That der Rache verbunden hatte, die Gelegenheit wahr, einen edeln und tapfern böhmischen Kriegsmann Beneda unschädlich zu machen, der vor ihm hatte flüchten müssen und jetzt nach Verlauf von zwei Jahren bei Bischof Benno in Meilsen sich aufhielt, um durch dessen Vermittelung die Gunst seines Herrn wieder zu erlangen. Der König, der des Beneda Aufenthalt erfahren hatte, entbietet denselben zu sich, und da der Arglose alsbald vor ihm in Gvozdec


'0 Es sei nämlich, so wird weiter erzählt, kurze Zeit vorher hei Gelegenheit der Rückkehr von des Kaisers Hofe dem ehen zum Könige erholjenen Wratislaw widerfahren, dafs er in einem ansehn- lichen Dorfe Kyleh ühernachtend plötzlich überfallen und ein Teil seiner Begleiter von den Bauern erschlagen wurde. Jetzt hätten nun die zur Rache ausgesandten zwei Scharen nach zweitägigem angestrengtem Marsche (festinantes die et noctu terüa Ince summa dilncnlo) Kyleb erreicht, angegriffen und ohne alle Schonung ge- plündert und niedergebrannt und dann mit der Beute sich Avieder unversehrt auf den Heimweg gemacht. Unter diesem Kyleb ist möglicherweise die jetzige Wüstung Culba oder Colba westlich von Leipzig bei Priestäblich zu verstehen, die von der Meifsner Gegend aus genau in der angegebenen Zeit zu erreichen ist; freilich steht dieser Bestimmung, wie Schuberth bemerkt, die spätere auf jenen Vorgang bezügliche Angabe des Cosmas in partibus Saxoniae an- scheinend entgegen.


Die Feste Gvozdec bei Meifsen. 5

ersclieintj wird er nach tapferer Gegenwehr überwältigt, erschlagen nnd noch im Tode gemifshandelt.

Da nnn hei diesen zwei Heerzügen weder eine Be- rührung Meilsens, noch auch, und dieser Umstand ist von Wichtigkeit , eine Überschreitung der Elbe erwähnt wird, die Nähe von Meifsen aber aus mehrfachen An- gaben — der ausdrücklichen Bezeichnung propc. urheni Missen, der zweimaligen von Meilsen aus erfolgten Zer- störung der Feste, dem raschen Erscheinen des Beneda von Meilsen her — aufs bestimmteste dargethan ist, so mufs man schon hiernach zu der Annahme kommen, dals Gvozdec oberhalb Meilsens, nach Dresden zu, auf einer der Höhen des linken Eibufers gestanden habe, und dals weder an Coswig oder den Keilbusch, noch gar an Groisenhain- Ossek zu denken ist, welches letztere als Stadt von der durch Schuberth angenommenen Bedeutung des Zusatzes j^'^W'^ urheni Missen nicht bedurft hätte und sich auch nicht wohl als in der Nähe von Meilsen gelegen bezeichnen lälst.

Die dritte ErAvähnung unserer Feste fällt in das Jahr 1123, in die Zeit, avo entgegen den Absichten des Kaisers Heinrich V. Herzog Lothar von Sachsen nach dem Tode Heinrichs des Jüngeren von Eilenburg dessen Verwandten, den Grafen Konrad von Wettin, an Stelle des Grafen Wiprecht von Groitzsch in den Besitz der Mark Meilsen bringt. Zur Wiedereinsetzung des von Lothar vertriebenen Wiprecht werden vom Kaiser die Herzöge Wladislaw von Böhmen und Otto von Mähren mit Heeresmacht im Sorbenlande zu erschehien aufge- fordert. Hisäem diehns, heilst es bei Cosmas im 3, Buche (ebenso bei Annalista Saxo), dux WadisJaus et Otto, sicut praeceperat eis imperator, tarn Boemiae quam Mora- riae coadunato exercitu, transeuntes silvam, metati simt casfra idtra opindnm Giiozdec, ex adverso pracdidi ducis (Lothar). Praesul autem Mucjimtinus ("Erzbischof Adalbert von Mainz) et comes Vigbertus circa (citra) finvium Mul- tava stahant gravi cum multitudine armata. Saxones autem posiii (!) castra in medio dirimehant cos nee sinc- hant insimul coire adrersarios suos. Also die beiden Slavenfürsten rücken mit vereinter Heeresmacht auf dem gewöhnlichen Heerwege über den Miriquidi in den Gau Nizane ein, nördlich über Gvozdec hinaus **) und schlagen


") Seiner vorgefafsten Meinung- zuliebe läfst Schubertli das Heer, nachdem es in die Dresdner Landschaft eingerückt ist, dort,


6 Gustav Hey:

in dessen Nähe den Sachsen gegenüber ihr Lager, indem sie die Feste als Stützpunkt und etwaigen Rückzugs- platz hinter sich haben, während Wiprecht im Bunde mit Adalbert an der Mulde, wahrscheinlich in der Gegend von Nossen, seine Stellung nahm. Die Verbindung aber mit dem Eibheere vereitelte Lothar in geschickter Weise, indem er von Norden her — von Meifsen, avo er Konrad als Markgrafen eingesetzt hatte — sein Heer nach Süden zwischen beide Gegner schob. Für Lothar ge- staltete sich die Sache noch günstiger, da die Böhmen und Mälu'en, denen das kaiserliche Aufgebot sehr unge- legen gekommen war, überhaupt gar keine Lust bezeigten, in einen ernsten Kampf sich einzulassen. Denn nach des Cosmas. Bericht lassen sie dem Sachsenherzog sagen: nicht aus Übermut hätten sie die Waifen ergriffen, son- dern lediglich auf des Kaisers Befehl zur Unterstützung Wiprechts und Adalberts, Da diese nun nicht zur Stelle wären, so möchten die Sachsen etwas aus ihrer Stellung zurückweichen, damit sie selbst sagen könnten, die Feinde seien gewichen, sie aber hätten das Feld behauptet und die Verbündeten am verabredeten Orte erwartet. Darauf- hin wurde es Lothar leicht, durch Vorspiegelungen in seiner Erwidermig die Unlust der Slaven zum Unmut und zum Milstrauen gegen den Kaiser zu steigern und sie zum Abzüge zu bewegen. His auditis, sagt Cosmas, male credidi verbis dolo compositis Boemi depopulata regione quae est circa urhem Missen reversi sunt ad propria. Nur um den Schein zu wahren und alter Sitte getreu, brandschatzen sie die Gegend südlich von Meilsen (sie waren ja idtra Guozdec) und kehren, ohne dals es zu eigentlichen ernsten Feindseligkeiten gekommen wäre,


wahrscheiiilicli in Aukuüpfuug' au das fabelhafte Stammwort von Dresden, trasi Fähre, über die Elbe setzen, anf dem rechten Ufer an Meifsen vorüber weit nordwärts nach Grofsenhain ziehen nnd mm ultra (ivozdec- Grofsenhain den Weg westwärts einschlagen, einen zweiten Elbüliergang- bei Merschwitz ausführen und in der Eiesaer Gegend — ultra Gvozdec ! — dem Feinde gegenüber das Lager schlagen. Jedenfalls gehört eine lebhafte Phantasie dazu, diesen umständlichen Marsch mit zweimaligem Elbübergange herauszulesen aus deu schlichten Worten: transcuntes silvam metati sitnt castra idtra oppidnm Gtiozdec. Und ist es glaublich, dafs, während "Wiprecht auf dem Zuge gegen Meifsen an der Mulde steht, die widerwillig zu Hilfe kommenden Böhmen mit einem weiten, beschwerlichen Bogen- marsche in eine Stellung nördlich von Meifsen gerückt sein sollten ■?


Die Feste Gvozdec bei Moiiseu. 7

Wieder heim in ihr Land^), während Lothar nunmehr gegen das Westheer sich wendet und es in die Flucht schlägt.

Auch diese Darstellung führt zu dem unumstölslichen Ergebnis, dals Gvozdec im Südosten von Meilsen auf dem Hnken Eibufer gelegen haben muis.

Nun findet sich freilich in der zuletzt angezogenen Stelle ein xlusdruck, von dem es scheinen möchte, als könnte er dieses Ergebnis doch in Frage stellen; es ist oben nicht von dem castrum, sondern von dem opptdum. Guozdec die Eede, also anscheinend von einer Stadt, und eben diese Bezeichnung ist für die älteren Forscher so- wohl, als auch namentlich für den jüngsten Untersucher unseres Gegenstandes die Hauptveranlassung gewesen, Guozdec als gleichbedeutend mit Grofsenhain anzusehen. Allein dagegen ist mit aller Entschiedenheit geltend zu machen, dals oiyptänm bei den lateinischen Chronisten und Urkundenschreibern jener Zeit gar nicht die Stadt bezeichnet — denn in diesem Sinne wie zugleich in der Bedeutung Burg ist nrhs oder vlvitas in Gebrauch — sondern lediglich die feste Burg mit ihrem Zubehör; während castrum und castellum entsprechend dem slavi- schen fjrad und im Wechsel mit hitrgirardus oder hunj- ■imrdiuni zumeist die kleinere umwallte oder verpallisadierte Feste und bei der Erweiterung des Ganzen den eigent- lichen festen Hauptbau bezeichnet, ist unter oppidmn, auch mit dem Zusätze munitum, die grölsere Burg oder die Feste in ihrem ganzen Umfange zu verstehen^). So wird die Rudelsburg, die doch niemals Stadt gewesen ist, teils als castrum, teils als oppidum Eutlcihisberg be- zeichnet; in diesem Sinne wu'd sowohl von dem castrum wie von dem oppidiou Donhi, d. i. Dohna, bei Cosmas III, 39 geredet ; so wird das Dorf Plötzky bei Gommern (Magdeburg) 1221 Plozclie oppidum genannt (Brückner, Slav. Ansiedelungen in der Altmark S. 46); so findet sich in einer Urkunde von 1197 (Brückner S. 15) tum. castra qucim o^ipida: so spricht Helmold Chron. Slav. I, 88 von der Ansiedelung der Holländer in urhihus et


') Vgl. V. Webers Archiv f. d. S. Gcsdi. 1II(18R5), 77 (Hingst), 125 (Flathe). Wenn Posse Cod. Sax. I. 1, 153 in der Botschaft der Eühnien eine List erblickt, um Lothar aus seiner Stellung zu lo(;ken, so vertriiiit sich das schlecht mit der Bezeichnung, welche der eigene landsmännische Chronist ihnen beilegt: male ereduH.

^) Vgl. Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte VIII, 197.


8 Gustav Hey:

oijpiäis Sdavorum, und ebenda stellt er unterscheidend nebeneinander civitafes et oppida. Und zum Beweise, dals selbst urhs und civitas nicht immer einen gröfseren Wohnort bezeichnen, sondern oft nur einen festen Platz, mögen noch folgende Angaben dienen. Die mit dem Dorfe Kabelitz. bei Jerichow (Magdeburg) verbundene Feste Marienburg heißt 94G Marienhorch castrum, 1150 Marien- hurg urhem quae et CoheUtse didtur, 1172 curdtem de hir(fi)'ivardo Kaheli? quae et Marienhun/l- dicitur: Schlofs und Dorf Döben bei Grimma heilst 1117 urhs Deuin bei Hoffmann, Script, rer. Lusat. I, 25, Dorf Jahna bei Ostrau urhs Ocma bei Widukind res g. Sax. III; die urhes Birjni, Pauc, Liidxmici und Oezerisca bei Thietmar Chr. III, 9 sowie VII, 37 hurfju-ardus Bklmi sind die Dörfer Püchen, Pouch, Löbnitz und Tiefensee (slav. Jezerisko) bei Würzen und Düben; und das Dorf Choren bei Nossen, nicht die im ehemaligen Gau Chutizi gelegene Stadt Kohren, ist die 983 genannte civitas Corin in pago D(üaminzü. Von weiteren Belegen kann füglich abgesehen werden, die Beispiele dürften genügen, um darzutlmn, dals wir unter oppidum, wie gesagt, nichts weiter als das ausgedehntere castrum, die wohlumschanzte, aus Mauerwerk und Pallisaden hergestellte Burg mit den Hütten der Burgmannen zu verstehen haben, wie auch urhs und civitas das befestigte Dorf bezeichnen können. Da also die Bezeichnung oppidum Guozdec nur allein darauf hinweist, dals das bisherige castrum an seinem neuen gesicherteren Platze seit dem Jahre 1088 eine stärkere Befestigung erhalten hat, und in keiner Weise die Beziehung auf einen gröfseren Wohnort ver- langt, am allerwenigsten auf das für alle jene geschicht- lichen Vorgänge viel zu weit abseits liegende Grofsen- hain, so kehren wir nach dieser notwendigen Abschwei- fung wieder zu unserer Behauptung zurück, dafs castrum und oppidum Guozdec unbedingt oberhalb Meifsens auf dem linken Ufer der Elbe gesucht werden mufs.

Wenn man nun erwägt, dafs es in der seit alters bedeutsam hervortretenden Landschaft zwischen Meifsen und Dresden kaum eine Ortschaft giebt, die nicht in frühen Urkunden erwähnt würde, sowie dafs unser Gvozdec als alter sorbischer Grad eine wichtige Örtlichkeit ge- wesen sein muls, so dürfte es doch wohl höchst auf- fällig erscheinen, wenn dieses letzteren nur der böhmische Chronist, und nicht auch unsere Urkunden Erwähnung


Die Feste Gvozdec bei Meifseu. 9

thäteii. Von vornlierein muls man annehmen, dals auch in diesen Denkmälern des Altertums die alte Feste irgendwie verborgen steckt, wenn nicht in der von dem böhmischen Gewährsmanne überlieferten alttschechischen Form, so doch in einer volkstümlichen Umgestaltung. Um zu ermitteln, wie sich Gvoidec oder Hvo.nJcc im deutschen Munde umwandeln konnte, ziehen wir die andern sorbischen Namen desselben Stammes und haupt- sächlich die böhmischen Ortsnamen zu Rate. Da bieten sich einmal das schon oben genannte casteUnm Hwoznie oder hurcivaräiis Ooznc und Oozc, d. i. Gvozdna (wie Hvozdnu in Mähren und der Bach Gvozäna in Gradiska), sodann olw. Hoznica für Petershain bei Kamenz, d. i. Or Ol' (Inka, Hrozänicc, Namensformen also, bei denen das inlautende v und d zur beciuemeren Aussprache weg- gefallen sind. Auf tschechischem Boden finden wir zwei Hi-os:d=^i\\(\, zwei i?ro,i7^'C==Bergwäldchen, ein Hvozdce und zwei Hro.idnice, auch mit Wegfall von v und d gleich dem erwähnten olw. Ortsnamen Hoimce genannt, = Walddorf, endlich vier Hvozd'any = Waldsassen; von diesen lautet nun aber Hvozdnice bei Königgrätz in der volkstümlichen Form Wosuifz und Hvozd'amj bei Pilsen Wosdiana, indem das anlautende h (= g) sowie d vor der bequemeren Sprechweise haben weichen müssen. Daraus folgt, dafs Gvozdec oder Hvozdec in der deut- schen Aussprache auch zu Wo sitz wird, statt Hwositz. Und weiter muls nun hiernach geschlossen werden, dafs castrum Gvozdec im Südosten von Meiisen mit dem alten burgwardus Wosice oder Woz in provincia Nisanen, also in der Dresdner Eiblandschaft, welches dreimal urkundlich genannt wird, identisch ist'*). Die tschechische Endung ec entspricht der altslovenischen ici, die zwei fast stumme Vokale enthält; kein Wunder also, dafs die Urkunden sowohl Wosice als auch statt Wosec oder Wosc kurzweg Woz bieten. Wosice verhält sich


") Woz und Guozdek (!) stellt wie die oben erwähnten Kocpke und V. Heiuemannn auch v. Gersdorf im Cod. Sax. II. 1, 37 ver- mutungsweise, oline Begründung zusammen und ninnnt als walir- sclieiniiche Ortlichkcit die Gegend von Weistropp au. Die Gleicli- setzung von A\'oz mit diesem Wcistiopp, welche sich bei Weite, Gau und Archidiakonat Nisan S. 2.5 Jiudet, wird im folgenden Wider- legung erfahren, auch die Beziehung auf W'eiisig bei Tharandt (Böttiger-Flathe, Gesch. v Sachsen I. 72) mufs zurückgewiesen werden, da letzteres das sorbische Vysoka ist lloheudorf.


10 Gustav Hey:

ZU Guozdec wie Womiiz zu Hvozänke. Wie die Er- wähnung von Guozdec in die Jahre 1087, 1088. 1123 fällt, so gehören der gleichen Zeit auch Woz und ÄVosice an, nämlich den Jahren 1071, 1091, 1140 (Cod. Sax. I, 1, 335. 355. IL 1, 36. 41. 50).

Man wende nicht ein, wie dies von selten Schuherths geschehen, dals nicht wohl in buntem Wechsel so ver- schieden lautende Namensformen für denselben Ort ge- braucht sein könnten, 1071 Woz, 1087, 1088 Guozdec, 1091 Woskc, limGiiozäcc, 1140 Woz^""). Wenn einer- seits von dem des Slavischen mächtigen böhmischen Chronisten Cosmas in seinem Geschichtswerke in gleich- mälsiger Weise die echte , gleichsam schriftmäfsige Xamensform, andererseits von den des Slavischen niclit kundigen deutschen Urkundenschreibern die landläufige, volksmäfsige Form gebraucht wird, ist das denn nicht völlig ordnungsgemäfs und begreiflich? Ferner, wenn von den Urkuudenschreibern statt der genauen Namen unsres und des oben mit erwähnten Burgwarts Gvozdec und Gvozdna, oder Hvozdec und Hvozdna, ohne Kenntnis der Schreibweise und Bedeutung einerseits AVosice und AVoz, andrerseits Hwoznie, Gozne, Goze uns überliefert werden, so haben wir darin die Unbehilflichkeit gegen-


^") Eigentüinliilierweise kommt Schuberth keiu Bedenken, wenn er seinerseits Grofsenhain (wie etwa Koustantiuopel: Byzantion, ]|oraa nova, Constantinopolis, Stambul) einen besonderen Namen- reicbtnm Ijeilegt, der bei Lichte besehen doch ein ganz bescheidener ist und beilänflg hier beleuchtet werden möchte. Osek nämlich, Avelches dreizehnmal auch in Böhmen vertreten ist, hat als die ur- sprüngliche Bezeichnung' des alten Wendenortes zu gelten, = Wahl- hau, Verhau, Verliack, auch eing'efriedigter, eingehegter Ort, wie Oschatz, ursprünglich Ösec, das auch in Böhmen sich findet; und gleichwie das entsprechende olw. Wosyk bei Bischofswerda deutsch mit (Grofs-)Hähnchen übersetzt wurde, d. i. kleiner Hagen, so wurde auch Osek nach dem Deutschwerden des Landes durch Hagen er- setzt, Aveil diese Bezeichnung der alten am besten entsprach, im Sinne von eingehegte]', geschützter Ort. Hagen aber verwandelte sich bekanntlich, wie Magd zu Maid, so zu Hain, im Volksmunde zu Hahn, woraus Hähnchen — Haiu(i)chen; damit ist aber der Stadt keiu neuer Name gegeben worden. Dafs Urkundenschreiber ..statt der deutschen Bezeichnung aiich ein paar Mal die lateinische Über- setzung Indago = Gehege wählten, ohne dafs natürlich dieser Name in Gebrauch war, ist zwar bedauerlich aber nicht ungewöhnlich; mnfste doch Colin bei Meifsen auch die Latinisierung Colouia, Hermsdorf Hermanni villa, Merseburg gar ein Martipolis sich ge- fallen lassen. Mit Gvozdec aber, das keinen Hag, sondern den offnen Bergwald bedeutet, ist Grofsenhain niemals bezeichnet worden!


Die Feste Gvozdec bei Mei&en. 11

Über dem fremden Worte mit den weiclien Lauten hw oder g\v und zd zu erkennen und die Mühe, welche es dem Deutschen machte, den shxvischen Lauten völlig ge- recht zu werden. Und das ist kein Wunder, macht sich doch selbst der geborene Slave die Wörter jenes Stammes mundgerechter und sagt der Oberlausitzer statt Hwüzd- nica Höznica, der Niederlausitzer statt GAVözd Gözd u. s. w. Wenn wie im Jahre 981 Hwoznie, über dessen Herkunft von livozd gar kein Zweifel obwaltet, so auch 1071, 1091, 1140 etwas sorgfältiger, nur mit Beachtung des liüchtigsten Konsonanten Hwosice und Hwoz geschrieben worden wäre, so bedürfte es gar nicht erst der langen Untersuchung und Auseinandersetzung, und es würde bei einigem guten Willen ein jeder erkennen, welch ein inniger Zusammenhang zwischen diesen Namen besteht. Während nun Schuberth gegen Wosice sich einfach ablehnend verhält, vermeint er eme neue starke Stütze für seine x\nsicht in einer urkundlichen Angabe vom Jahre 1045 (Cod. Dipl. Sax. I. 1, 307 f.) gefunden zu haben, wo von Königshufen in villa Saitrojmi in hurcJi- ivardo Guodezi die Rede ist. Er nimmt hier Schreib- fehler an, verbessert Scuptropei in b. Guozdezi und deutet dies als Skaup-tropp oder^.Skaupdorf, kurz Skaup bei Guozdec-Grolsenhain. Die Änderung Gito^dezi hat ja un- leugbar etwas Bestechendes, ist aber doch durchaus un- gereclitfertigt. Svnptmpcl ist ein Unding; denn wenn auch die Anhängung von -dorf glaublich wäre, so kann doch unmöglich die erst am Ende des Mittelalters er- scheinende niederdeutsche Form drof, druf, drop, drup, trop, trup für Dorf (Förstemann, Die deutschen Orts- namen S. 99; Arnold, Ansiedelungen und Wanderungen deutscher Stämme S. 371), welche in den von Förstemaini, Altdeutsches Namenbuch II, 1464 f. aufgeführten 851 alten, mit Dorf zusammengesetzten Namen nicht ein ein- ziges Mal sich findet, noch dazu mit der unerklärlichen Endung ei als Zusatz zu dem willkürlich hergestellten Scup- angenommen werden. \\'eder ^der eine noch der andere Name bedarf so gewaltsamer Änderungen, beide sind richtig überliefert. BiirvJuvaydus Onodcii ist der Burgwart Svhkenditz, bei Thietmar Sciidki, 1028 Choticci (hier handelt es sich ebenfalls um Königshufen, Cod. Dipl. Sax. I. 1, 290); auch der hiernach feenannte Gau zwischen Saale und Mulde heilst aulser Scuntiia, Svlinli.ci, Sciidizl u. s. w. mit auch sonst nachweisbarem Schwinden des


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anlautenden s ClmnÜzi, Chuoyitiza, Gunthizi , Clmflzi, Clmfiz, Gwlki , teils mit, teils ohne den altslavisclien Nasallaut. Scutropei aber lautet pol. Szczodrohy , olw. Scedroby (Personenname „Freigebig") und ist, verwandelt in Scedrohec, Sceroher'^^') , das heutige an Schkeuditz grenzende Ält-Scherbitz. So wird denn also unsere Frage durch jene von Schuber th so nachdrücklich hervorge- hobene und geltend gemachte urkundliche Angabe von 1045 in keiner Weise berührt und beschränkt sich ledig- lich auf Gvozdec — Wosice — Woz, deren Identität keinem Unbefangenen nach den obigen Darlegungen mehr zweifel- haft sein dürfte.

Die Bestimmung des Burgwartbezirkes Wosice oder Gvozdec bietet keine wesentlichen Schwierigkeiten, da in den erwähnten Urkunden nicht weniger als zehn zu- gehörige Ortschaften namhaft gemacht werden, von denen nur eine einzige der genaueren Feststellung sich vorder- hand entzieht.

Die betreffende Urkunde von 1071 nennt 5 v/Uas in provincici Nisanen in Inirfjuardo Woz sitas: Gozchndi, Oicice , Orodice, Cinici, Ludermvice; die Urkunde von 1091 itnam (vilJam) in provincia Nisani in hurgivardo Wosice quae vocatur Mocozice ; endlich die von 1140 Cozehude, Jazelice, Hermanni viUa, Bidsize, Nicradctvice in provincia Nisanen in hurgivardo Woz. Von diesen sind Gozebudi und Cozebude = Cossebaude, sorb. Kosobudy ; Ludern wice, 1468 Luderwicz = L e u t e r i t z , ursprünglich Ljuderovici; Mocozice, 1288 Mobschitz, 1350Mepticz, 1468 Mopczicz, 1484 Mockschicz = Mob- schatz, im Volke Mocksch, ursprünglich Mokosici; Hermanni villa — Hermsdorf bei Kesselsdorf; Oicice statt Obcice^"-) = Klein-Opitz bei Tharandt^, ursprüng- lich obeice „Gemeindegut", wie Oppitzsch bei Strehla, ur- kundlich Obtitz, Obscitz, Obschitz, nicht etwa = Ocker- witz, welches zum Burgwart Bresnice gehörte, noch viel weniger = Eutschütz südlich von Dresden (Cod. Dipl. Sax. I. 1, 192), welches 1288 Odizschowe heilst; Grodice ist nicht das zu weit westlich liegende Groitzsch an der


") Zum AVeg-fall des d vgl. Pauritz, Podegrodici ; Brösern, Pfezdrei'i ; Kauscha, Cudeschowe; Moritz. Mordiz und die obengenann- ten Namen aus gvozd.

^") Vgl. Hoysclie, Wald bei Frauenhain, 1197 Hobicwald = tscli. obec, sorb. hobec ^ Gemeindebesitz, Gemeindebusch, mit Aspirat.ion wie Hagenest ^ ogniste, Hubrigen = oborky.


Die Feste Grvozdec bei Meifsen. 13

Triebisch, sondern Roitzsch östlich von Wilsclruff, sorbisch Grodec, tschechisch Hradec = kleine Schanze, mit wohl erklärlichem Verluste des Anlautes, wie ihn auch böhmische Ortsnamen von demselben Stammworte zeigen, z. B. Hradiste oder Ratsch zweimal bei Leitmeritz und Hradcany oder Ratschan bei Bunzlau und Bidschow  ; Cinici, später vielleicht Czunow, dürfte das eingegangene Dorf Zschone sein, von dem noch die Zschoner Mühle und der Zschoner Busch und Grund genannt sind, slavisch wohl Cujnici, Cujnov, vom Namen Cujny = wachsam, munter; Jazelice, in späterer Zeit vermutlich Gosliz, dann, nach dem sehr ausgedehnten Gebrauche der Gleich- machung ähnliche]^ Namen, wie Gohlis bei Weinböhla im 14. Jahrhundert Goluz genannt, ist Gohlis an der Elbe, slavisch Jasllce, kleines Gehege (olw. jasla) gleich dem nahen Ostra-Gehege; NicradeAvice ist = IJnkersdorf, 1393 Vnkersdorf, wenn man den Personennamen Vnukorad zu Grunde legen darf = Enkelfroh, wie Zschadras von Cadorad =^ Kinderfroh; wechseln doch auch bei dem aus Personennamen Ratibor hervorgegangenen Rottewitz die Formen Rothebariz und Rothiboresdorf. So bleibt nur noch übrig und spottet jeden Nachweises der Ort Bulsize, welcher nach dem Personennamen Bolesa oder wie 2 Polzice in Böhmen nach einem Poleh benannt sein kann oder auch mit polesice = Ort am Walde sich erklärt '").

Diese Bestimmung der im Burgwart Wosice oder Gvozdec belegenen Ortschaften läfst uns mit voller Deutlichkeit die Ausdehnung dieses Bezirks er- kennen. Die westliche Grenze bildet die „wilde Sau" bis zu ihrer Einmündung in die Elbe bei Constappel, sie fällt also hier zusammen mit der Grenze des Gaues Nizane nach Daleminze zu; im Nordosten geht die Grenze an der Elbe entlang, dann von Kemnitz ab südwestlich durch den Zschoner Grund, über die Kesselsdorfer Höhe bis vor Tliarandt, berührt sich also auf dieser Strecke mit den Burgwartbezirken Bresnice oder Brielsnitz, d. i. Birkicht, und Bvistrizi oder Nieder-Pesterwitz , d. i. Weifseritzdorf (Cod. dipl. Sax. I. 1, 335. 331). Zu dem


^ä) Seltsamerweise finden sich zu Jazelice, Bnlsize nnd Nicrade- wice vortrefflich entsprechende Ortschaften im Jahnathnl. niindich tiaselitz bei Zschaitz, Piüsitz bei üstrau und Nickritz bei Riesa; aber dies war ja Daleminziergebiet, während es sich hier nm Nisane handelt.


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so umgrenzten Bezirke gehören noch von slavischen Ort- schaften Weistropp, Stetzsch, Kemnitz, Merbitz, Prab- schütz, Podemus, Schletta und Sachsdorf, mit alter Be- nennung Wiztrop^^), Steiz, Kamenice, Merenvitz, Bratz- zicken (Prawdziska), Podemuz, Slettow, Sachowe, so dafe der Burgwart Gvozdec im ganzen an die 20 Dörfer um- falst zu liaben scheint, schwerlich mehr, da die ganze Westhälfte dieser Landschaft mit dichtem Walde be- standen war, der über den Grenzbach die wilde Sau hinüber zunächst bis nach der grofseu Triebisch und Bobritzsch sich ausdehnte, dann weitliin nach Westen sich fortsetzte und erst von den deutschen Kolonisten Lichtung und Besiedlung erfuhr.

Es erübrigt noch, die Hauptfrage zu erledigen, zu welcher sich der behandelte Gegenstand zuspitzt: an welcher Stelle in dem Burg wartbezirke hat die Feste Gvozdec oder Wosice gestanden? Nach den oben ge- gebenen Ausführungen gewinnt es hohe Wahrscheinlich- keit, dafs dieselbe gerade wie ihre Nachbarinnen Bresnice und Misni und die fernerliegenden Zadili, Boruz, Grobe und Sträle auf einem der Waldhügel an der Elbe einst ihre Stätte gehabt hat, und zwar unmittelbar an der Grenze des Gaues Nizane nach dem Gau Dalemince zu, an dem nördlichen Ende des Burgwartbezirkes, oberhalb Constappel ^). Ziehen wir nun aber diesen Namen noch


^^) Damit es ersichtlich werde, dafs Weistropp nicht selbst mit Woz, Wosice gleichgesetzt werden darf, werde die wahrscheinliche Deutung hier augefügt, wonach dasselbe mit den urk. Formen Wiztrop (1296), Wiztrob, Wystroph, AVizstroeph, Wistrop, Wystrop, Wystrop, Weistrop, wenn nicht einfach als Personenname Vystrop, so als tsch. Vsetrop, Plur. Vsetropy erscheint = Familie Thunicht- gut, von asl. vist. tsch. vse all, stets, imd tropiti, stropiti etwas an- stiften, übelthun. Ebenso entsprechen Wissirobi, Wisribben, d. i. Wirsclileben in Anhalt und Wüstung Wischerup dem tsch. Vseruby in Böhmen, Wischstauden bei Groitzsch Ysestudy Böhm., Weischlitz im Vogt]., urk. Wisols, dem tsch. Vselisy u. s. w.

^■^) .Schul)erth l)ezeichuet als die von mir für Gvozdec ge- haltene (Jrtlichkeit das Dörfchen Hartha auf dem linken Ufer der wilden Sau, also auf daleminzischem Gebiete. Nun hatte ich zwar im Anfange unseres Briefwechsels, ehe die Karte mir genauere Be- lehrung verschaffte, namentlich wegen der gleichen Bedeutung von gvozd und ahd. hart, auf diesen Ort hingewiesen, dann aber stets nur auf die gegenüberliegende Höhe von Constappel. Es l)edeutet also eine Entstellung meiner offen ihm dargelegten Ansicht, wenn Schuberth trotzdem jenes daleminzische Hartha als Gvozdec von mir bezeichnet werden läfst und eine selbstverständliche Zurück- weisung daran knüpft. — Schuberths Einwurf, einen Burgwart


Die Feste Gvozdec bei Meifsen. 15

in den Rahmen unsrer Untersucliung , so steigert sich die Wahrscheinlichkeit der Amiahme zur Gewilsheit. Denn Constappel, urkundlich 13G0 Constoinl, 1495 Con- stapel , auch Constapil, ein Name, dessen gewöhnliche Deutung aus dem AV endischen sich durchaus nicht recht- fertigen lälst, ist nichts andres als das aus comes stahuli verderbte mittelalterliche coiiicsfahüis oder constahulus (Du Gange, Gloss. 1883 II, 431), deutsch Konstabel, mit der Nebenform Konstapel (Grimm, D. W. Y, 1742), dessen ursprüngliche Bedeutung „oberster Beam.ter des königlichen Marstalls*' sich so verallgemeinerte, dals überhaupt ein Befehlshaber, Führer einer bewaffneten Schar, Burghauptmann damit bezeichnet wurde. So kommen wir zu dem Endergebnis, dem man ausreichende Begründmig nicht absprechen wird : Die ehemalige slavische Feste und der nachmalige deutsche BurgAvart Guozdec- Wosice lag auf einem Hügel oberhalb Constappel, dieses letztere war ursprünglich, zum con- stapel genannt, die Wohnstätte des Konstabel, des Burg- wartobersten, der den Befehl über die zur Bewachung der Feste aufgebotene Kriegerschar führte. Eine sehr willkommene Stütze findet das Ergebnis unsrer Unter- suchung in einer von Herrn Pfarrer Schüttoff" in Con- stappel erbetenen „und erhaltenen höchst dankenswerten Beschreibung der Örtlichkeit. Hiernach muls der über Constappel sich frei erhebende und Aveite Umschau ge- wälu^ende Gohlberg als die Stätte der Grenzfeste Gvoz- dec erscheinen. Am Westabhange dieses mächtigen Hügels nach der wilden Sau hin befindet sich der sogenannte „Erdfall" (dessen Deutung als Erdrutsch mein Herr Gewährsmann als ausgeschlossen betrachtet, wälu'end er die als Erd-vallum für wahrscheinlich hält), ein kleines Halbhochplateau zwischen Eibthal, Saubach und Prinz- bach, mit starken, von Menschenhand herrührenden Ein- schnitten, die in doppelter Ileihe im Zickzack bis nacli dem dort sehr hohen Saubachufer sich herabziehen. Auf dem dazwischen liegenden Haume aber konnten be((uem selbst mehrere tausend Mann, gegen den Feind durch


snclie man in der Mitto seines Bezirkes, wird schon dnrcli den Ilin- Aveis anf den Nachbarbe/irk Brcsnice binfiillig; IJriefsnitz liegt ebenfalls an der nöi-dlicben Spitze seines elienialiyen 15nrg\vart- liezirkes. Dafs aber gerade die Grenze des Ganes Nizane gegen Daleminee dnrcli eine Bnrg gesichert wurde, liegt in der Natnr der Sache.


16 Gustav Hey: Die Feste Gvozdec bei Meifsen.

die voriiliegeiide Berghohe, die Zickzackgräben links mid rechts und das hohe Bachufer im Grunde, also ringsum geschlitzt, ihr festes Lager haben, während die Gohl- bergkuppe als Auslug nach allen Seiten dienen konnte, welchen Dienst sie nachweislich in neueren Kriegszeiten mehrfach gethan hat. Da auf der Höhe sich uralte Wein- bergsmauern finden, der Boden selbst aber kein Gestein, sondern nur festen Lehm enthält, so darf vielleicht an- genommen werden, dafs die Steine dieser Mauern von den Trümmern der alten Burg herrühren. Auch für das zweite Gvozdec, vielleicht das ältere, findet sich, wenn es nicht auf dem Höllberge unmittelbar an der Elbe ge- sucht werden darf, in der Nähe, südwestlich vom Gohl- berge und von diesem .. durch den Prinzbach getrennt, eine ziemlich geeignete Ortlichkeit, und zwar ein Wald- hügel auf der Flur von Klein-Schönberg, wo ebenfalls altes Mauerwerk noch erhalten ist, das der Volksmund auf ein ehemaliges Kloster zurückführt, obgleich dort nie ein solches bestanden hat.

Wenn man nun den Gohlberg bei seiner vorzüglichen, freien, wohlgesicherten und nach Daleminzien herüber- drohenden Lage als Gvozdec erkennen und in dessen Verbindung mit dem Dorfe Constappel die einfachste Erklärung für den Ausdruck „oppidum" finden darf, so hat die Frage ihre Lösung gefunden, des Cosmas Be- zeichnung castrum Ouozdec jjt'ope nrhem Missen erscheint vollkommen gerechtfertigt, und die Gleichsetzung „Guozdec und Guodezi =^ Grofsenhain" darf und muis in das Reich der Fabel verwiesen werden.