Projekt Diskussion:Politik der Wende/Landessprecher

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Landessprecher war der Titel der designierten kommissarischen Regierungschefs der neuen Bundesländer kurz nach der deutschen Wiedervereinigung.

Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung trat die w:de:Deutsche Demokratische Republik am 3. Oktober 1990 als fünf neue Bundesländer der w:de:Bundesrepublik Deutschland bei. Die Landtagswahlen dieser neuen Bundesländer fanden jedoch erst am 14. Oktober statt und die Wahl der Ministerpräsidenten durch die neu gewählten Landtage geschah von Ende Oktober bis Anfang November. Bis dahin fungierten Landessprecher als die kommissarischen Regierungschefs der jeweiligen Länder. Sie wurden am 3. August von dem Ministerpräsidenten der DDR w:de:Lothar de Maizière ernannt,[1] teils mit politischer Kontroverse unter den Bezirken.[2]

Die Landessprecher, in dieser Funktion ab 3. Oktober Landesbevollmächtigte genannt, übernahmen wie im w:de:Einigungsvertrag vorgeschrieben[3] die Funktion der Regierungschefs.[4] Zudem bestand die Aufgabe der Landessprecher in dem Aufbau der Verwaltung, insbesondere der Zusammenführung der Verwaltung der ehemaligen Bezirke. Landessprecher vertraten ihre jeweiligen Bundesländer im Bundesrat, hatten aber nur eine beratende Stimme.[5] Methodios (Diskussion) 16:03, 28. Jun. 2023 (CEST)Beantworten

Die Wiedereinrichtung der Länder in der DDR[Bearbeiten]

Die Wiedereinrichtung der Länder in der DDR

MDR 29. November 2021

Die DDR schaffte 1952 die fünf Länder auf ihrem Territorium ab und richtete stattdessen 15 Bezirke ein, die mit starker Hand von Berlin aus geführt wurden. Im Herbst 1989 regte sich Widerspruch gegen diesen Willkürakt.


Schon bald nach dem Fall der Mauer wurden auf den Montagsdemonstrationen erste Rufe laut, die Bezirke abzuschaffen und die "alten" Länder, also Mecklenburg, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Sachsen, wiederzugründen. In Leipzig wurde am 13. November 1989 erstmals ein Spruchband mit dem Text "Schwarz-rot-gold, Sachsen Freistaat, Freies Europa" gesichtet, eine Forderung, die schnell Anhänger fand. Bei der Rede von Helmut Kohl am 19. Dezember 1989 vor der Dresdner Frauenkirche fielen in der Menge neben den Deutschlandfahnen zahlreiche grün-weiße Sachsenfahnen auf.

Helmut Kohls historische Rede in Dresden

In Erinnerung ist vielen Ostdeutschen der historische Auftritt Helmut Kohls am 19. Dezember 1989 vor den Trümmern der Frauenkirche in Dresden.

Die Regierung Modrow reagiert

Auch in anderen Regionen erwachte das Selbstverständnis vieler Demonstranten als Thüringer, Sachsen oder Brandenburger, was die Regierung Modrow aufmerksam registrierte. Allerdings verstand sie dies eher als ein Aufbäumen gegen den verhassten Berliner Zentralismus und reagierte deshalb im Dezember 1989 lediglich mit der Einrichtung einer Kommission zur "Verwaltungsreform". An eine Bildung von Ländern mit eigenen hoheitlichen Befugnissen wurde erst einmal nicht gedacht. Komplette Neuordnung?

Nach der ersten freien Volkskammerwahl vom 18. März 1990 wollte die neue Regierung unter Lothar de Maizière auf jeden Fall die zentralistische Struktur mit den Bezirken zugunsten einer föderalen Länderstruktur abschaffen. Aber eine wichtige Frage lautete: Sollen die fünf ehemaligen Länder neu gegründet werden oder gleich größere Länder gebildet werden, die vielleicht wirtschaftlich bessere Chancen und sicherlich mehr politischen Einfluss in einem vereinigten Deutschland haben würden? Die Regierung entschied sich für die Wiederherstellung des Zustandes von 1952. Der Grund war ein pragmatischer.

Sie wollte ihre Kräfte vor allem auf das schnelle Erreichen der Deutschen Einheit konzentrieren und sich nicht in quälende Diskussionen über Gebietsreformen zerreiben lassen. Denn 1952 waren auch die früheren Landkreise aufgelöst und neu zugeschnitten. Konkret: verkleinert worden. In Sachsen entstanden so aus vormals 28 Landkreisen 48 neue Kreise. Diese Strukturen sollten erst einmal bestehen bleiben. Eine Gebietsreform sollten die Länder nach ihrer Entstehung dann in eigener Verantwortung durchführen.

Das Ende der Bezirke – auf dem Weg zur Landesgründung

Zum 31. Mai löste die DDR Regierung in einem ersten Schritt auf dem Weg zur Länderbildung die Bezirkstage auf. Die verbleibenden Bezirksverwaltungen sollten für die Schaffung von neuen Landesverwaltungen und Landesministerien in den Monaten bis zur Landesgründung am 14. Oktober 1990 von einem sogenannten Landessprecher vorbereitet und zusammengeführt werden. Am 03. August ernannte die Regierung für jedes in Gründung befindliche Land einen Sprecher. In Sachsen wurde der Leipziger Rudolf Krause berufen, in Sachsen-Anhalt der ehemalige DDR-Umweltminister Karl-Hermann Steinberg und in Thüringen Josef Duchač. Alle drei gehörten der CDU an.

Die Regierung versuchte aber nicht nur durch die Berufung eigener Parteigänger den Prozess der Landesbildung fest im Griff zu behalten. Sie versuchte auch, direkt auf die Personalausstattung der neuen Länder Einfluss zu nehmen. So war ursprünglich vorgesehen, dass die Abteilungen der Berliner Ministerien, deren Aufgaben von den Ländern übernommen werden sollten, komplett in die jeweiligen Landesverwaltungen überführt werden sollten. Erst nach heftigen Protesten der Gremien, die vor Ort mit der Landesgründung befasst waren, ließ sie diese Pläne fallen.


Die Volkskammersitzung vom 22. Juli 1990

Um über das sogenannte "Ländereinführungsgesetz" zu beraten, trat die Volkskammer ausnahmsweise an einem Sonntag zusammen. Es gab insgesamt 15 Kreise in der DDR, bei denen die Landeszugehörigkeit umstritten war. Dort sollten die Kreistage nach einer Befragung der Bevölkerung ein Votum abgeben und dem Regionalministerium mitteilen. In einigen Fällen entschieden die Kreistage jedoch anders, als die Bevölkerung bei der Befragung votiert hatte. In der Nacht zum Sonntag, den 22. Juli, wurden die letzten dieser Beschlüsse der Volkskammer übermittelt und konnten so in letzter Minute in den Gesetzentwurf eingearbeitet werden. Das Präsidium der Volkskammer wollte auf jeden Fall einen abschließenden Beschluss herbeiführen, wie Reinhard Höppner (SPD) als amtierender Präsident zu Beginn der Tagung sagte: "Da die Volkskammer heute vor allem wegen dieses Gesetzes zusammengekommen ist, wird die Volkskammer solange zusammen bleiben, bis dieses Gesetz verabschiedet worden ist."

VOLKSKAMMER BESCHLIESST NEUGRÜNDUNG DER LÄNDER

Wie um die neuen Bundesländer gefeilscht wurde

Im Juli 1990 verabschiedete die DDR-Volkskammer das Ländereinführungsgesetz. Aus 14 Bezirken der DDR mussten Bundesländer gebildet werden. Jetzt ging es um Schicksale: Werde ich Sachse, Thüringer, Sachsen-Anhalter?

Widerspruch aus dem Plenum gegen Kreistagsbeschlüsse, die gegen die Mehrheit der eigenen Bevölkerung zustande gekommen waren, fand kein Gehör. Lothar Bisky von der PDS monierte am Ende die "dilettantische Art und Weise der Befragung". In letzter Lesung wurde an diesem Tag die Wiedereinrichtung der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen per Handzeichen beschlossen. Wie viele Abgeordnete genau dagegen stimmten, wurde nicht ausgezählt.

Dass das Abstimmungsverfahren in den umstrittenen Kreisen unglücklich lief, räumte Jahre später der damalige Staatsminister im Büro des Ministerpräsidenten, Klaus Reichenbach, in einem Interview ein: "Ich habe das auch de Maizière gegenüber gesagt. Das ist doch Unsinn. Entweder machen wir eine Volksbefragung oder wir lassen die Vertreter durch das Volk wählen und die entscheiden dann. Aber beides zu machen, das ist Unsinn und das hat auch nur viel Frust und Ärger gebracht." (Interviewauszug aus : Die Bildung des Freistaates Sachsen, Michael Richter, Berlin 2007)

3 BILDER

ÜBERSICHTSKARTEN Die neuen Bundesländer und die "alten" DDR-Bezirke

Aus welchen ehemaligen DDR-Bezirke haben sich eigentlich die fünf neuen Bundesländern zusammengesetzt? Welche Streitfälle gab es in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen?

Widerstände aus dem Westen

Bei der Bundesregierung und in den alten Bundesländern wurden die Länderneugründungen begrüßt. Denn damit wurde eine föderale Struktur der DDR geschaffen, die den Beitritt zur Bundesrepublik erleichterte. Aber es gab auch Befürchtungen. Hätte die Regierung de Maizière eine weitergehende Neuordnung der Länder versucht, so wäre diese Diskussion kaum auf die DDR zu beschränken gewesen. So merkte die zuständige Abteilung im Bonner Innenministerium bereits am 16. März 1990 an, es sei "kaum erwünscht, dass in einer ersten Phase der Einigung Deutschlands, in der schwierigste rechtliche, soziale und wirtschaftliche Probleme zu bewältigen sind, Neugliederungsfragen zum Gegenstand politischer Auseinandersetzungen werden." Das war in den weiteren Gesprächen mit der DDR-Regierung die Bonner Position. Welche Rolle die neuen Länder in einem einheitlichen Deutschland spielen sollten, wurde allerdings ohne ihre Vertreter verhandelt.

Die Entscheidung

Letztlich folgte die Volkskammer den Empfehlungen der Regierung und des eigenen Verfassungsausschusses. So wurde an diesem Sonntag den 22. Juli mit Mehrheit die Einrichtung der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen mit Wirkung vom 14. Oktober 1990 beschlossen. An diesem Tag sollten Landtagswahlen durchgeführt werden. Der Termin wurde auch später nicht angetastet, als die Volkskammer den Beitritt zum Bundesgebiet mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 beschlossen hatte.

Über dieses Thema berichtet der MDR auch im TV:MDR | "Machtpoker um Mitteldeutschland"

| 22:10 Uhr

Erster Teil: 22. September 2020

Zweiter Teil: 29. September 2020

Dritter Teil: 06. Oktober 2020 Methodios (Diskussion) 16:25, 28. Jun. 2023 (CEST)Beantworten

Wie um die neuen Bundesländer gefeilscht wurde[Bearbeiten]

VOLKSKAMMER BESCHLIESST NEUGRÜNDUNG DER LÄNDER

Wie um die neuen Bundesländer gefeilscht wurde

von Andrea Besser-Seuß

Stand: 22. September 2020, 11:35 Uhr

Am 22. Juli 1990 verabschiedet die Volkskammer der DDR das Ländereinführungsgesetz. Aus den 14 Bezirken der DDR müssen Bundesländer gebildet werden, als Grundvoraussetzung für die deutsche Einheit. Jetzt geht es um Schicksale: Werde ich Sachse, bin ich Thüringer, möchte ich Sachsen-Anhalter sein? Noch nie zuvor ist eine derartig gravierende Strukturveränderung durch demokratische Abstimmungsprozesse und "politische Laien" umgesetzt worden. Der MDR hat dazu eine neue dreiteilige Dokumentation gedreht. Autorin ist die Leipziger Filmemacherin Katja Herr. Sie hat politischen Akteure von damals interviewt und erstaunliche Offenheit erlebt.

Gerd Schuchardt im Gespräch mit der Autorin Katja Herr für die Dokumentation

"Machtpoker um Mitteldeutschland". Er war Landtagsabgeordneter für die SPD im ersten Thüringer Landtag, stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Wissenschaft in der Regierung Vogel von 1994 bis 1999.

Ländereinführungsgesetz ist ein schwieriges Wort für einen schwierigen Vorgang. Was bedeutete die Aufteilung in fünf neue Bundesländer für die Menschen in Ostdeutschland?

Es ist ein Gesetz, das nicht nur die Anzahl und Größe der neuen Länder im Osten festlegt, sondern es regelt auch: Wie soll dieser Prozess stattfinden, wer hat welche Aufgabe, wer entscheidet schlussendlich, wo der Bürger seine neue Länder-Heimat finden soll?

Die Herausforderung war: Wie führt man 14 Bezirke der DDR plus Berlin zusammen? Wie schafft man sie ab, wie einigt man sich auf ein Land mit welchen Traditionen? Die Bezirke hatten alle ihre eigene Verwaltung und ihre eigene Regierung. Oft war es so, dass aus drei Bezirken ein Land gemacht wurde. In Thüringen aus den Bezirken Suhl, Gera und Erfurt. In Sachsen waren es die Bezirke Leipzig, Dresden und Karl-Marx-Stadt und in dem neuen Land Sachsen-Anhalt sollten sich die Bezirke Halle und Magdeburg einigen. Das war damals Potential für viele Konflikte, die teilweise auch sehr unschön und öffentlich ausgetragen wurden.


Interessenskonflikte bei der Aufteilung

Die meisten Probleme und Streitigkeiten gab es zwischen Halle und Magdeburg. Das Land Sachsen-Anhalt existierte kurz nach dem Krieg schon einmal, zwischen 1947 und 1952, zusammengeführt aus Teilen der preußischen Provinz Sachsen und dem kleinen Land Anhalt. Eingesetzt durch die sowjetische Besatzungsmacht, die ein Erstarken Preußens um jeden Preis verhindern wollte. Damals wurde Halle zur Landeshauptstadt, weil es am wenigsten zerstört war. Deshalb hatte nach der Wende Halle den Anspruch, es möchte wieder Landeshauptstadt werden. Magdeburg war zu DDR Zeiten viel bedeutsamer durch die Großbetriebe des Schwermaschinen- und Anlagenbaus. Durch den Industrie-Standort wollte sie Landeshauptstadt werden.

Es gab zudem 15 Kreise, die so genannten Krawallgebiete, die an den zukünftigen Ländergrenzen lagen und nicht mit den Bezirksgrenzen identisch waren. Man muss sich nur vorstellen, der Bezirk Cottbus wurde aus drei Länderteilen zusammengesetzt. Das musste jetzt wieder auseinander dividiert werden.

MDR-Filmemacherin Katja Herr im Interview

In der Regierung de Maizière hatte man in einer ersten Entscheidung am 06. Mai 1990 festgelegt, es gibt in diesen 15 Kreisen Volksabstimmungen. Die höchste Form der demokratischen Mitbestimmung. Dabei ging es auch um die historischen Wurzeln der ansässigen Menschen, um Traditionen, Verwaltungszentren und wirtschaftliche Strukturen. So dass man gesagt hat, das müssen die Leute vor Ort selbst entscheiden.

Allerdings fanden im Mai auch die Kommunalwahlen statt und es wurden neue regionale Regierungen demokratisch gewählt. Diese würde man nun durch Volksabstimmungen übergehen. In der Folge wurde deshalb die Volksabstimmung zurückgenommen und zu einer Volksbefragung umgewandelt, ohne es allerdings öffentlich zu kommunizieren. Das war ein riesiger Knackpunkt in der Erfahrung mit Demokratie, denn es gab auch drei Fälle, bei denen dann die Kreistage als Entscheidungsgremium etwas anderes entschieden haben, als es der mehrheitliche Bürgerwille gewesen war.

Laien sollten plötzlich Politik machen, niemand wusste so richtig, wo die Reise hingeht. Was hat Dich besonders überrascht?

Katja Herr im Gespräch mit Gerd Gies. Erster Ministerpräsident Sachsen-Anhalts 1990 bis 1991.

Natürlich sagen die Jungpolitiker von damals, es sei ungerecht, von ihnen als Laien, Amateure und so weiter zu sprechen, weil sie ja gestandene Leute jeweils in ihren Berufen waren. Man muss berücksichtigen, dass die Leute, die frisch in die Politik gekommen sind, auch parlamentarische Strukturen und Entscheidungsprozesse erst mal lernen mussten. Wir haben zum Beispiel eine Landrätin oder ehemalige Landrätin im Film, die sagt: "Ich bin erst gewählt worden und dann habe ich zum ersten Mal die Gemeindeordnung gelesen". Oder der Verfassungsrechts-Experte der Ost-SPD für die Volkskammer ist in diese Funktion gewählt worden, nachdem er einen einwöchigen Kurs in Verfassungsrecht absolviert hat. Darüber kann man lächeln, es ist aber ganz normal, weil wir ja bis zum 03. Oktober noch DDR hatten.

Da kannte man keine Verwaltungsvorschriften aus den alten Bundesländern, keine föderalen Ordnungen. Das kann man den neuen Politikern nicht wirklich zum Vorwurf machen. Insofern muss man sagen, ist das eine großartige Leistung, dass überhaupt Länder entstanden sind. Trotzdem muss man natürlich Abstriche machen bei dem Aspekt, welchen Einfluss der Osten sich mit seinen Neuen Ländern in der Bundesrepublik dann tatsächlich sichern konnte.

Oder der Verfassungsrechts-Experte der Ost-SPD für die Volkskammer ist in diese Funktion gewählt worden, nachdem er einen einwöchigen Kurs in Verfassungsrecht absolviert hat. Darüber kann man lächeln, es ist aber ganz normal, weil wir ja bis zum 03. Oktober noch DDR hatten.

Einheit 90: Die Wiedervereinigung

Wie schwierig war es, die Protagonisten dazu zu bewegen, "aus dem Nähkästchen zu plaudern"?

Hier die Autorin der historischen Dokumentation "Machtpoker um Mitteldeutschland" im Gespräch mit Bernhard Vogel. CDU-Ministerpräsident von Thüringen von 1992 bis 2003.

Überraschenderweise war es überhaupt nicht kompliziert. Ich habe versucht, die Landespolitik-Ebene relativ weitreichend anzufragen und keine einzige Absage bekommen. Ich habe zum Beispiel die drei ersten Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, die später zum Teil zurück getreten oder gestürzt worden sind, angerufen und um ein Interview gebeten. Und alle drei haben zugesagt. Vielleicht auch, weil es 30 Jahre her ist und alles schon so ein bisschen Patina angesetzt hat.

Und selbst wenn man es nur neun Monate im Amt geschafft hatte, war es trotzdem eine Leistung, an diese Position gekommen zu sein und ein Stück Geschichte mit geschrieben zu haben. Wir haben uns in jedem Bundesland an Orte begeben, wo es in der Anfangszeit gerade bei der Länderwahl einige Schwierigkeiten oder Besonderheiten gab und haben geguckt, wie haben diese Kreise sich entwickelt? Meist war es so, dass die Menschen vor Ort sehr schnell gesagt haben: "Interessantes Projekt, das ist noch gar nicht erzählt worden".

Ich glaube, das ist auch das Besondere dieses Films ist: Es wird ein Kapitel der DDR- oder früher bundesdeutscher Geschichte erzählt, das einfach noch nicht beleuchtet wurde. Das hat es auch für mich sehr interessant gemacht.

Und selbst wenn man es nur neun Monate im Amt geschafft hatte, war es trotzdem eine Leistung, an diese Position gekommen zu sein und ein Stück Geschichte mit geschrieben zu haben.

Was hast Du selbst mitgenommen aus dem Projekt?

Also mitgenommen habe ich aus dem Projekt extrem viel. Gerade die Anfangsjahre waren eine sehr spannende Zeit, in der gerade auf regionaler Ebene wirklich viel möglich war. Das Geld floss in Strömen und die Menschen hatten Lust, ihre Orte hübsch zu machen, sich selbst zu verwirklichen. Ich habe aber auch mitgenommen, dass auf damaliger Politikebene die Leute schon sehr lange brauchten, um ihren Platz in diesem bundesdeutschen Kontext zu finden. Es genügte eben nicht, mit Kohl befreundet zu sein, um langfristig politischen Erfolg zu haben. Was ich aber total irre fand, sind die Leute vor Ort, die mit so viel Witz und mit so viel Charme an die Gestaltung ihrer ganz konkreten Heimat rangingen. Das hat mich total beeindruckt.

Über dieses Thema berichtet der MDR auch im TV:MDR | "Machtpoker um Mitteldeutschland" | 22:10 Uhr

Erster Teil "Die Stunde der Polit-Amateure": 22. September 2020

Zweiter Teil "Die neuen Bundesländer": 29. September 2020

Dritter Teil "Die Zeit der Strategen": 06. Oktober 2020 Methodios (Diskussion) 16:47, 28. Jun. 2023 (CEST)Beantworten

Warum der "Pressefrühling" 1990 ein jähes Ende fand[Bearbeiten]

PRESSEFREIHEIT UND ZEITUNGSGRÜNDUNGEN

Warum der "Pressefrühling" 1990 ein jähes Ende fand

von Nils Werner

MDR 03. Mai 2022

Mehr als 100 Zeitungen wurden bis Mitte 1990 in der DDR gegründet. Die neue Pressefreiheit machte es möglich. Übrig geblieben sind genau zwei - die Dresdner Morgenpost und die Altmarkzeitung. Als im Januar 2020 bekannt wurde, dass die "Mitteldeutsche Zeitung" aus Halle von der Bauer Media Group übernommen wird, bedeutete das für den Zeitungsmarkt im Osten eine weitere Verdichtung. In Sachsen-Anhalt beherrscht seither nur noch ein Verlag das Geschäft der Tageszeitungen. Eine Entwicklung, die bereits 1990 begann.

Nach der ersten freien Wahl zur Volkskammer standen die Chancen schlecht für eine freie Presselandschaft in der DDR. Nur 336.000 Menschen machten ihr Kreuz beim Bündnis 90 - Die Grünen, welches die Bürgerbewegungen vereinte. Das entsprach gerade einmal 2,9 Prozent aller Wählerstimmen. Für all jene, die die Umwälzungen im Herbst '89 auf den Weg brachten ein Schock! Darunter etliche, die mit neuen Zeitungen und dem Anspruch freier, kritischer Öffentlichkeit ein neues Zeitalter der DDR-Presse einzuläuten begannen.

"Demokratisierung der Deutschen Demokratischen Republik"

Schriftsteller Ingo Schulze ist damals Dramaturg am Theater Altenburg und Mitglied des Neuen Forums. 1990 wird er plötzlich Journalist und Verleger in Personalunion, gründet 1990 mit Freunden das "Altenburger Wochenblatt": "Wir haben ja die Zeitung nicht aus journalistischem Interesse gegründet, sondern eigentlich aus einem politischen Interesse. Wir wollten die Demokratisierung der Deutschen Demokratischen Republik begleiten und dachten, da muss jeder an seinem Ort etwas tun. Das war wunderbar, aber auch so schockierend, weil man dachte: Jetzt gibt’s gar keine Grenze mehr. Jetzt haben wir so einen direkten Zugang zur Öffentlichkeit, das hatte auch was fast Erschreckendes. Und war natürlich toll."

Schriftsteller Ingo Schulze

Reißender Absatz für das "Altenburger Wochenblatt"

Das Gefühl, zum ersten Mal Politik im Land ungefiltert abbilden und unzensiert kommentieren zu können, beflügelt. Binnen Kürze entstehen in der DDR über 100 neue Zeitungen. Mit beachtlicher Reichweite. Auf bis zu 40.000 Exemplare etwa bringt es die "andere Zeitung" aus Leipzig. Und auch von Ingo Schulzes "Wochenblatt" laufen zu Anfang 12.000 Stück pro Ausgabe übers Band. Und das ohne Kapital im Rücken. "Das klingt sehr unglaubwürdig", sagt Ingo Schulze, "aber wir hatten nie über Geld nachgedacht. Und dann brauchten wir zum Glück keine Ersparnisse, weil die Zeitung immer schneller verkauft war, als die Druckrechnung kam. Wir waren Provinzzeitung, hatten also den Riesenbonus, dass wir der Platzhirsch in der Kleinstadt waren. 16 Seiten, das war damals sensationell."

PRESSE, FERNSEHEN UND RADIO

Medienlandschaft in der DDR: Mit dem Mauerfall kam die Vielfalt

Westdeutsche Verlage stehen in Startlöchern

Was Schulze und die anderen Neugründer nicht sehen: Zeitgleich mit ihnen nehmen auch andere den Umbau der DDR-Presselandschaft ins Visier. Finanzstarke Groß-Verlage aus dem Westen wollen das in Auflösung befindliche Pressemonopol der SED schnellstmöglich übernehmen. Erste Offerten zur Beteiligung am DDR-Pressevertrieb gehen beim zuständigen Postministerium bereits Ende 1989 ein. "Gruner + Jahr hat schon am 29. November 1989 ein komplettes Geschäfts- und Finanzierungskonzept zum Umbau des Pressevertriebswesens in der DDR vorgelegt", erzählt Medienwissenschaftlerin Mandy Tröger. Sie erforscht an der der Ludwig-Maximilians-Universität München den "Pressefrühling" und den Zusammenbruch des DDR-Zeitungsmarktes. "Da wollte Gruner + Jahr der alleinige Partner sein. Springer kam dann am 20. Dezember 1989 und wollte ebenfalls alleiniger Partner nicht nur in der Infrastruktur sein, sondern auch bei Neugründungen von Zeitungen."

DDR-Markt aufgeteilt

Der Politik, vor allem dem "Runden Tisch", geht das viel zu weit. Ein neuer, von allen Parteien, Kirchen und Verbänden besetzter DDR-Medienrat soll ab Februar 1990 diesen Umbau der Zeitungslandschaft selbst auf den Weg bringen. Doch dazu wird es nie kommen. Denn die "großen Vier" des westdeutschen Verlagsgeschäfts, neben Springer, Gruner + Jahr, auch Bauer und Burda ersinnen eine neue Strategie. Und haben dafür Rückendeckung aus Bonn. Mandy Tröger sagt: "Das Bundesinnenministerium hat sich schon Mitte Februar 1990 mit den Verlagen getroffen und gesagt, das Ziel Nummer Eins ist es, Informationen, also westdeutsche Informationen, in den Osten zu kriegen für die anstehenden Wahlen. Und hier wurde Eigeninitiative der Verlage ganz klar gutgeheißen." Am 30. März 1990 vermeldet die "Aktuelle Kamera" schließlich: "Vier bundesdeutsche Großverlage haben den DDR-Markt im Prinzip unter sich aufgeteilt, ohne die Regierung geschweige denn den Medienkontrollrat zu befragen."

Leipziger Buchmesse zu DDR-Zeiten

DDR-Zeitungen chancenlos: Preisdumping und fehlende Unterstützung

Dass die politische Entwicklung hin zur Vereinigung beider deutscher Staaten nicht ohne Auswirkung auf die Presselandschaft im Osten bleiben wird, ist klar. Nur, wie schnell und wie massiv die Ost-Presse binnen Wochen "unter Druck" gerät, hat dann doch alle überrascht. Einer der wichtigsten Beschlüsse der alten Volkskammer nach dem Mauerfall war die Gewährleistung der Meinungs-, Medien- und Informationsfreiheit. Die nun neu gewählte Volkskammer sollte dies neue Gut gewährleisten. Doch zwei Wochen nach der Wahl herrscht auf dem Zeitungsmarkt Hektik. Die komplette DDR-Presse- und Vertriebslandschaft droht abgewickelt und aufgelöst zu werden. Und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als die lang ersehnte Meinungs- und Informationsfreiheit sich gerade voll entfaltet.

Keine drei Monate nach der Wahl diskutieren Politiker und Journalisten in Ost und West darüber, ob die DDR eine Medienkolonie des Westens wird. Zu einem Zeitpunkt freilich, als die politischen und wirtschaftlichen Weichen dafür bereits gestellt waren.

Zeitungskiosk in Ost-Berlin 1985

Aggressive Verkaufspolitik

Mit einem eigenen Vertriebsnetz von über 3.000 Verkaufsstellen fluten die "großen Vier" noch vor der Wahl den Pressemarkt des Ostens und setzen die DDR-Verlage zusätzlich unter Druck: mit einer aggressiven Preispolitik! Statt zum allgemein üblichen Wechselkurs 1:3 wird die Westware im Verhältnis 1:1 verkauft. Weit unter den Produktionskosten. Die DDR-Jugendsendung "Elf 99" fragt deshalb: "Sind die 1:1 Preise für West-Zeitschriften nicht Dumpingpreise?" und bekommt von Helmut Reinke vom Springer Verlag die Antwort: "Das würde ich nicht so sehen. Mich hat 1:3 immer gestört. Ich bin der Meinung, das Dreifache sind sie auch im Westen nicht wert."

14. DEZEMBER 1990: LETZTE "AKTUELLE KAMERA" AUSGESTRAHLT"

Aktuelle Kamera" – Das Sprachrohr der SED


"Elf 99" - der Jugendnachmittag im DDR-Fernsehen

Regierung taucht ab

Allerdings – parallel zur West-Offerte der Verlage wurden am 1. April 1990 die Subventionen für DDR-Zeitungen gestrichen. DDR-Zeitungen mussten nun ihre Preise verdoppeln, teilweise verdreifachen. Die DDR-Verlage protestieren. Und wissen dabei den neuen Medienrat hinter sich. Doch das Recht einzugreifen hätte allenfalls die Regierung. Und die taucht ab. Professor Heinz Odermann, damals stellvertretender Vorsitzender des DDR-Medienkontrollrats, am 30. März 1990 in einem Interview mit "Elf 99": "Wir haben der Regierung das erste Mal Anfang März und das zweite Mal Mitte März Vorstellungen für ein Pressevertriebssystem unterbreitet. Leider hat darauf die Regierung bis heute nicht reagiert. Wir haben acht Wochen lang keine Antwort bekommen. Letztlich hat sich die Mehrheit im Rat mit der neuen historischen Situation abgefunden."

DDR-Zeitungen abhängig vom Westen

Im Mai 1990 weist DDR-Medienminister Gottfried Müller in einem Brief an den Springer Verlag auf die drohende "faktische Einschränkung der Pressefreiheit" hin. Ein Appell, der ohne Folgen bleibt. Die in die Ecke gedrängten DDR-Verlage ziehen daraus ihre Konsequenzen. "Man kann im April, Mai 1990 sagen, dass es fast keine ostdeutsche Zeitung mehr gab, die nicht in irgendeiner Weise mit einem westdeutschen Verlag kooperierte. Und da wurden früh, unabhängig vom Inhalt, Abhängigkeitsstrukturen geschaffen, die es bis heute gibt", erklärt Mandy Tröger.

Bild-Leser 1990 in Ost-Berlin

Kartellrecht hat vollkommen versagt

Auch das "Altenburger Wochenblatt" von Ingo Schulze bekommt die Entwicklungen zu spüren. "Wir merkten dann schon, jetzt kommt die WAZ-Mediengruppe aus Essen. Die kauften alle Tageszeitungen in Thüringen auf. Da war schon klar, hier hat das Kartellrecht vollkommen versagt. Die ganzen Druckereien gingen in deren Besitz. Und da waren wir so das Papierschiffchen dazwischen." Dennoch halten Schulze und seine Mitstreiter noch bis Oktober 1991 durch, dann erscheint die letzte Ausgabe des "Altenburger Wochenblatts".

"Wenn man sich anschaut, was vor 30 Jahren passiert ist, wie über 100 Zeitungsneugründungen eingegangen sind, da ist", so Mandy Tröger, "durch die politischen und wirtschaftlichen Interessen eine ganz große Chance vertan worden."

Das Verlagshaus der "Mitteldeutschen Zeitung" in Halle (Saale)

"Schwarzer Tag für die Medienvielfalt"

Heute gehört jede der 13 regionalen Tageszeitungen in den neuen Ländern direkt oder indirekt einem westdeutschen Konzern. Und diese schicken in der Regel westdeutsche Verlagschefs an ihre Ost-Standorte. Nur zwei von 23 Managern ostdeutscher Zeitungen kommen aus den neuen Ländern. Und die Medienkonzentration nimmt weiter zu. Mit dem Wechsel der "Mitteldeutschen Zeitung" von Du Mont zur Bauer Media Group beherrscht letztere nun den gesamten Tageszeitungsmarkt in Sachsen-Anhalt. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sprach in diesem Zusammenhang von einem "schwarzen Tag für die Medienvielfalt" in Sachsen-Anhalt.

(Der Artikel wurde zuerst im März 2020 veröffentlicht.) Methodios (Diskussion) 17:34, 28. Jun. 2023 (CEST)Beantworten

  1. Die Wiedereinrichtung der Länder in der DDR. Mitteldeutscher Rundfunk. 29. November 2021..
  2. "Machtpoker um Mitteldeutschland: Die Stunde der Polit-Amateure". 22. September 2020..
  3. Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands, 1990, S. 6.
  4. Amtsblatt des Landes Sachsen-Anhalt vom 2. Okt. 1990. Landesbevollmächtigter des Landes Sachsen-Anhalt. 1990..
  5. Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands, 1990, S. 18.