"Interview 1"

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Interview 1 mit Proband 1[Bearbeiten]

Du hattest ja mit Soldaten zu tun die muslimischen Glaubens waren und einen Migrationshintergrund haben. Kannst du mir sagen welcher Ethnie sie angehören, also die muslimischen Soldaten selbst oder deren Eltern?

  • Der eine gute Kamerad und Freund von mir ist Syrer, gehört aber der arabischen Ethnie an. Die Eltern kommen aus Syrien aber, gehören zur Ethnie der Araber. Und er ist aufgewachsen in Deutschland, spricht aber fließend arabisch, ist ja auch Moslem. Im Grunde genommen ist er Araber, spricht aber deutsch.


Und du hattest jetzt nur mit einem zu tun der muslimischen Glaubens war?

  • Ja, wir hatten noch Austauschoffiziere hier, aber die sind ja nicht hier aufgewachsen.[1]


Hast du Verhaltensunterschiede bemerkt zwischen dem Syrer oder diesem Soldaten und den anderen, also den ethnisch-deutschen in dem Fall. Also beim Handeln, bei der Sprache, Forderungen?

  • Der Syrer an sich war ziemlich deutsch vom Verhalten her. Er ist in der Masse nicht aufgefallen, aber er war auch gegenüber den Auslandsoffizieren viel offener. Das liegt wahrscheinlich daran, dass er selber durch seine Ethnie, seine Herkunft, einfach viel mehr Kontakt hatte mit den anderen Ethnien. Er selbst hat ansonsten kein auffallendes Merkmal das man jetzt der Ethnie zusprechen konnte. Er war immer sehr lustig, man hat viel Spaß gehabt mit ihm aber es war nichts an ihm, außer diese Offenheit die wir hatten. Ich bin mit ihm auch oft, - zusammen in der Synagoge unterwegs. Er hat sich auch für Kulturgeschichte und Religionskunde interessiert und ist auch im deutsch-arabischen und deutsch-israelischen Arbeitskreis. Er ist ein sehr offener Mensch, aber ansonsten ist da nichts Besonderes zu erwähnen.


Hat der seine religiösen Praktiken ausgeführt oder hat er sie nicht ausgeübt?

  • Er hat sie zurückgestellt im Sinne des Dienstes. Der Kamerad hat an jedem Dienst teilgenommen, auch in Festmonaten oder religiösen Tagen die bei ihm Feste wären und hat sich nur da zurückgehalten wo es dem Korpsgeist nicht geschadet hat. Er hat zum Beispiel kein Bier getrunken und er hat auch kein Schweinefleisch gegessen. Auch wenns halt mal vorkam dass er aus versehen ein Bier getrunken hatte, weil er dachte es war Apfelsaft. Aber ansonsten hat er nie die religiösen Aspekte vor den Dienst gestellt, war immer andersrum und hat sie dann abends nach geholt. Ich weiß zum Beispiel das er einmal nach dem Dienst gebetet hat an einem Festtag. Und ein Fest, des war glaub ich Ramadan, teilweise nachgeholt hat also wie es verhältnismäßig noch ging.

Er hat also nicht darauf bestanden, dass er während des Ramadans auch tagsüber nichts essen und nichts trinken darf?

  • Nein, das wär auch ziemlich fahrlässig gewesen, gerade beim Sportdienst. Aber wie gesagt des hat er alles zurückgestellt für den Dienst.


Und wie war denn das Verhältnis von euren Vorgesetzten zu diesem Soldaten. Also weil er jetzt Moslem war oder weil er aus Syrien gekommen ist?

  • Also man kann überhaupt nicht von einem Abweichen des Vorgesetzten ihm gegenüber sprechen im Vergleich zu den anderen Soldaten die der deutschen Ethnie angehörten. Also er hat sich nie anders verhalten aber der Vorgesetzte war immer darauf bedacht grad bei ihm in den ersten 4 bis 5 Wochen noch mal anzusprechen, ob er Gebetszeiten braucht oder wenn wir gemeinsam essen gegangen sind, ob er eine andere Speise haben will. Er hat ihn auch immer angeboten was anderes zu trinken zu nehmen wenn es nur Bier gab beim Zugabend. Aber ansonsten war da nichts Besonderes.


Und innerhalb eures Zuges, wie war da das kameradschaftliche Verhältnis? Also wenn du sagst, dass er eben arabisch sozialisiert wurde man das eben merkt gabs da zwischen euch ein anderes Verhältnis?

  • Mh, wir hatten noch einen Kameraden der kam ursprünglich aus Georgien oder Tadschikistan, ich bin mir nicht sicher, also aus dem Kaukasus, der war kein Moslem, der war Christ, aber man hat gemerkt, dass die Ausländer unter sich oftmals viel lockerer im Verhalten sind und persönlicher werden. Bei den Deutschen, da hat halt auch der Araber, also der Syrer, keinen Unterschied gezeigt. Aber wenn die zwei unter sich waren, wo ich auch öfters mal dabei war, dann waren sie herzlicher zueinander im Verhalten als zu den Deutschen. Die Deutschen waren eher immer formaler und es haben sich Gruppen gebildet und man hat geredet, wenn es aber darum ging wenn man da unter sich in der Mentalität war, weil der Kamerad aus dem Kaukasus war halt auch vom Verhalten her, -man hat die Mentalität schon mehr gemerkt als beim Syrer, und wenn die unter sich waren, da war er viel lockerer im Verhalten auch mir gegenüber, wegen meinem türkischen Stiefvater. Aber ansonsten war da kein besonderes Verhalten, von ihm vom Syrer aus zu sehn.


Gabs aber von den ethnisch-deutschen Kameraden irgendwelche Anfeindungen, wegen seiner Religion oder weil er kein Bier getrunken hat?

  • Ne überhaupt nicht, ist nie vorgekommen. Er selber hat immer ironische Witze gemacht wenn in den Nachrichten mal wieder ein Attentat vorkam oder eine Nachricht über al-Qaida oder die Taliban. Er hat auch selber ironische Witze gemacht über den Islam. An sich haben sich die Kameraden zurückgehalten, aber nicht weil sie irgendwie mussten, sondern es war einfach ein lockerer Umgang, da ist nie irgendwas vorgekommen.


Und wenn des jetzt nicht so optimal gelaufen wäre, also das ist jetzt sehr positiv, würde ich so sagen also siehst du auch nicht die Einheit der Truppe gefährdet durch einen muslimischen Soldaten oder durch die kulturelle Identität die ja vielleicht doch anderes ist als die bei den Deutschen?

  • Die Moral der Truppe oder den Zusammenhalt der Truppe den sehe ich nicht gefährdet, was ich aber gefährdet sehe ist die geistige Einheit der Truppe aufgrund des Verhaltens der Deutschen, nicht der Ausländer. Ich hab des oft miterlebt und das ist ja auch logisch: Die Ausländer die hier freiwillig herkommen wirklich den Willen haben und gut integriert sind und meistens ja auch die eigenen kulturellen und religiösen Besonderheiten zurückstecken, wie jetzt zum Beispiel nicht beten zu gehen oder doch mal ein Bier mit zu trinken, was den Islam angeht. Aber was ich mitbekommen habe und was mich hier schockiert hat, gerade hier was junge Offiziersanwärter angeht, dass da einfach ein permanentes Desinteresse besteht. Und dieses Desinteresse verursacht denn meistens nicht offensive Handlung oder keine Herabwürdigung oder so was, sondern falsche Einschätzungen was die Ausländer angeht, auch diejenigen die hier aufgewachsen sind bezeichnen sie ja als Ausländer, schon mal der erste Fehler, und dieses Desinteresse an der Kultur und zu wissen was überhaupt vor Einem steht, wer vor Einem steht, wie man sich veralten sollte. Dieses Desinteresse habe ich bei den Ausländern nicht gesehen, die ich bis jetzt getroffen habe, abgesehen mal von der islamischen Kultur. Also des haben bis jetzt nur die Deutschen gezeigt und des war teilweise wirklich, das würde in die Richtung Gefährdung des Zusammenhaltes nicht gehen. Aber [in Richtung Gefährdung des] einheitlichen Zusammenhalts. Das man die Person indirekt nur noch als Dienstgrad sieht und aber sie als Person eingeschränkt wahrnimmt, weil sie eben einer anderen Kultur angehört. Aber nicht weil man die Kultur nicht mag, sondern weil sie einfach kein Interesse an der Kultur haben. Und das ist ein Problem das ich bei der deutschen Seite sehe, die auf die Kultur trifft und nicht anders herum.


Also wenn Integration ein Prozess ist der von beiden Seiten passieren muss, von dem der nach Deutschland kommt und von den Deutschen die in Deutschland leben. Würdest du dann sagen dass die Bundeswehr, da sie ja ein Spiegelbild der Gesellschaft sein soll auch als Ort der sozialen Integration für die Gesellschaft dienen kann? Also das jemand, der in der Bundeswehr integriert ist auch nachträglich in der Gesellschaft integriert ist oder wird?

  • Das trifft meines Erachtens voll und ganz zu, die These, das Dienst, ein zusammengehöriger Dienst mit verschiedenen Ethnien, mit verschiedenen kulturellen Hintergrund zusammenschweißt und die Ethnien erst mal zusammenbringt. Dann werden die Kulturen miteinander konfrontiert, durch die psychische Anstrengung und physische im Wehrdienst, im Biwak draußen, die man da durchlebt werden eben diese kulturellen Unterschiede überwunden und man merkt, dass man nichts anderes ist als ein Mensch und dass man zusammengehört und das man zusammen was schaffen kann. Also ist der Ansatz meines Erachtens richtig, nur er kann nicht ausgeführt werden, weil der Wehrdienst nicht mehr stattfindet und die Kulturen sich nicht mehr in der Bundeswehr treffen können.

Vielen Dank.

  1. Da die Ausweitung der für die Hypothese relevanten Soldaten auf jene ohne deutsche Staasbürgerschaft erst im Laufe der Auseinandersetzung mit dem Thema hinzugekommen ist, geht Proband 1 nicht auf diese Gruppe ein. Aufgrund eines Auslandsaufenthaltes konnte auch kein zweites Interview geführt werden.