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Assoziative Netze/Kritik

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Kritik

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Das Interesse, das der bedingte Reflex in der angelsächsischen und russischen Psychologie fand und das auch eines der hauptsächlichen Anliegen des Behaviorismus darstellte, geht nicht zuletzt darauf zurück, dass er eine experimentelle Bestätigung zu sein schien für den eher umfassenden Anspruch der Assoziationspsychologie, die alle psychischen Vorgänge betrifft. Dies trifft aber in diesem eher weitläufigen Umfang nicht zu. Messungen haben nämlich ergeben, dass die Dauer der Reflexantwort durch die Konditionierung verlängert wird. Dies deutet darauf hin, dass die durch den unkonditionierten Stimulus (US) ausgelöste Erregung über eine längere Nervenbahn bzw. über insgesamt längere Neuronenketten hinweg als Reflexbogen abläuft. Damit rückt der bedingte Reflex hinsichtlich seiner Ablaufzeit in die Nähe willkürlicher Reaktionen. Weitere Tierversuche scheinen bewiesen zu haben, dass bei der Konditionierung nicht die Großhirnrinde in Anspruch genommen wird, sondern dass vielmehr die Ausbildung bedingter Reflexe in subkortikalen Teilen des Gehirns abläuft. Damit könnte auch die allmähliche Auslöschung (Extinktion) bedingter Reflexe zu erklären sein, wenn konditionierte Stimuli (CS) nicht mehr regelmäßig angewendet und ausgeübt werden. Dies stellt eine gewisse Relativierung der experimentellen Ergebnisse als nur vorübergehende Phänomene dar. Die Funktionen des neuroanatomischen Substrats für die unbedingten Auslöser [US] können daher auch nicht umgangen und durch erlernte Signale [CS] ersetzt werden. Diese sind aus verständlichen Gründen vielmehr unverzichtbar, da auch die erlernte Reaktion (CR) ausgelöscht wird, wenn nur CS erfolgt und US (etwa die Fütterung des Pawlow'schen Hundes) ausbleibt.[1] [2](e)

Die Ergebnisse Pawlows schienen den politischen Machthabern in Russland auch eine Bestätigung für die von ihnen propagierte ideologische Erziehung zu sein, siehe dazu auch die eher politischen Konsequenzen in → Aufwärts-Effekt.[2]

Diese Faktoren sind es offenbar, weshalb sich die Psychoanalyse den Erkenntnissen der Assoziationspsychologie widersetzt hat. Sie hat das Verfahren der freien Assoziation entwickelt, in dem nicht der mit Absicht gelenkte Ablauf der Gedanken, Vorstellungen und Erinnerungen, sondern die eigenen Motive und Wünsche frei erkennbar werden, ohne ein von außen kommendes gezieltes Zutun.[3](d)

Hans Jürgen Eysenck (1916–1997) bahnte 1968 mit seinen Untersuchungen zur Dekonditionierung und Desensibilisierung der Verhaltenstherapie einen Weg als neues Therapieverfahren.[4]. So kann bei einem Alkoholiker eine Entkopplung der Verbindung des unspezifischen Reizes [US] im Sinne einer „Versuchungs- und Versagungssituation“ und der Reaktion „Trinken“ [CR] durch ein Medikament wie etwa Antabus erreicht werden, das kurz nach der Alkoholaufnahme zu Brechreiz führt. Diese Maßnahme kann jedoch nur zur unterstützenden Therapie neben anderen therapeutischen Strategien empfohlen werden, da sie kaum Einfluss auf die auslösenden eigenen Motive und eine evtl. aktive persönliche Änderung dieser auslösenden Situation haben kann.[3](e)

Auch die Gestaltpsychologie übte Kritik an der Assoziationslehre aus eher prinzipiellen Erwägungen, da sie einen ganzheitlichen Ansatz vertritt und Kombinationen elementarer psychischer Einheiten angezweifelt hat. Gestalten würden nicht aus Elementen gebildet, sie seien primär und unmittelbar gegeben.[5][1](f)

Eine ausführliche Übersicht über kritische Hinweise zur Assoziationslehre hat Ludwig J. Pongratz (1915–1995) gegeben.[6] Es ist darüber hinaus auf die für die Elementenpsychologie geltende Kritik zu verweisen.

Quellennachweise

  1. a b Peter R. Hofstätter (Hrsg.): Psychologie. Das Fischer Lexikon, Fischer-Taschenbuch, Frankfurt am Main 1972, ISBN 3-436-01159-2;
    (a) S. 97 zu Lemma „Denken“, Stw. „Vorstellung und Assoziation“;
    (b) S. 29 zu Lemma „Assoziation“, Stw. „Aristoteles“;
    (c) S. 29 zu Lemma „Assoziation“, Stw. „englische Assoziationspsychologie“;
    (d) S. 64 zu Lemma „Bedingter Reflex“, Stw. „Assoziation infolge der oft wiederholten Erfahrung“;
    (e) S. 66–70 zu Lemma „Bedingter Reflex“, Stw. „Es ist nicht alles Gold, was glänzt“ und „experimentelle Neurosen“;
    (f) S. 155 f. zu Lemma „Gestalt- und Ganzheitspsychologie“, Stw. „Elementenpsychologie, Gefühle“.
  2. a b Thure von Uexküll: Grundfragen der psychosomatischen Medizin. Rowohlt Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg 1963; S. 164 zu Stw. „psychologisches Interesse Pawlows“; S. 165 f. zu Stw. „Vergleich Pawlows mit Freud“.
  3. a b Wilhelm Karl Arnold et al. (Hrsg.): Lexikon der Psychologie. Bechtermünz, Augsburg 1996, ISBN 3-86047-508-8;
    (a) Sp. 157 f. zu Lemma „Assoziation“ Stw. „Aristoteles“;
    (b) Sp. 158 zu Lemma „Assoziation“, Stw. „Scholastik“;
    (c) Sp. 163 zu Lemma „Assoziationspsychologie“;
    (d) Sp. 160 zu Lemma „Assoziation“, Stw. „Kritik seitens der Psychoanalyse“ und Sp. 161 zu Lemma „Assoziation, freie“;
    (e) Sp. 160 zu Lemma „Assoziation“, Stw. „Eysenck“.
  4. Hans Jürgen Eysenck: Fact and fiction in psychology. Baltimore 1968.
  5. Heinrich Schmidt: Philosophisches Wörterbuch (= Kröners Taschenausgabe. 13). 21. Auflage, neu bearbeitet von Georgi Schischkoff. Alfred Kröner, Stuttgart 1982, ISBN 3-520-01321-5; S. 40 zu Lemma „Assoziation“, Stw. „Gestalt und Ganzheitspsychologie“.
  6. Ludwig J. Pongratz: Problemgeschichte der Psychologie. Bern/München 1967.

Siehe auch

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