Axiomatik/Anwender/Einführung/Textabschnitt

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Die Mathematik ist durchzogen von Strukturen, die immer wieder in ähnlicher Weise auftreten. Beispielsweise besitzen die rationalen Zahlen und die reellen Zahlen sehr viele gemeinsame Eigenschaften, bezüglich gewisser Eigenschaften weichen sie aber voneinander ab. Diese Beobachtung ist die Grundlage für den axiomatischen Aufbau der Mathematik. Dabei fasst man verschiedene strukturelle Eigenschaften, die in einem bestimmten Kontext immer wieder auftauchen, in einen neuen Begriff zusammen. Das Ziel ist dabei, weitere Eigenschaften aus einigen wenigen Grundeigenschaften logisch zu erschließen. Man argumentiert dann nicht auf der Ebene vertrauter Beispiele, wie der reellen Zahlen, sondern logisch-deduktiv auf der Ebene der Eigenschaften. Der Gewinn ist dabei, dass man mathematische Schlüsse nur einmal auf der abstrakten Ebene der Eigenschaften durchführen muss und diese dann für alle Modelle gelten, die die jeweiligen Grundeigenschaften erfüllen, also unter den Begriff fallen. Zugleich erkennt man logische Abhängigkeiten und Hierarchien zwischen den Eigenschaften. Grundlegende Eigenschaften von mathematischen Strukturen werden als Axiome bezeichnet.

Im axiomatischen Zugang werden die Gesetzmäßigkeiten in den Mittelpunkt gestellt. Mathematische Objekte, die diese Gesetzmäßigkeiten erfüllen, sind dann Beispiele oder Modelle für diese Gesetzmäßigkeiten. Als Eigenschaften wählt man dabei vor allem solche Eigenschaften, die einerseits einfach zu formulieren sind und andererseits starke Folgerungen erlauben. Die Vorteile dieses Aufbaus sind die folgenden Punkte.

    • Die mathematischen Objekte werden auf eine mengentheoretisch-logische Grundlage gestellt, man muss sich nicht auf die Anschauung stützen.
    • Man weiß jederzeit, welche Argumentation, um eine Eigenschaft nachzuweisen, erlaubt ist und welche nicht, erlaubt ist nämlich nur das logische Erschließen der Eigenschaft aus den Axiomen heraus.
    • Es werden wenige grundlegende Eigenschaften herausgearbeitet. Es entsteht eine Hierarchie zwischen fundamentalen Gesetzmäßigkeiten und abgeleiteten Eigenschaften.
    • Es werden strukturelle Ähnlichkeiten sichtbar, die von einem intuitiven Standpunkt her übersehen werden könnten.
    • Viele Aussagen, die man aus Axiomen ableiten kann, benötigen gar nicht das volle Axiomensystem, sondern nur Teile davon. Man kann daher die Axiome gruppieren, und wenn man aus einer bestimmten Axiomengruppe eine Aussage ableiten kann, so gilt diese auch für alle mathematischen Gebilde, die diese Axiomengruppe erfüllen.
    • Durch „Gegenbeispiele“ kann man zeigen, dass gewisse Eigenschaften nicht aus anderen Eigenschaften folgen.
    • Das Vorgehen ist sehr ökonomisch, da es Wiederholungen von Schlüssen vermeidet.

Als Nachteile kann man die folgenden Punkte nennen.

    • Großer begrifflicher Aufwand.
    • Abstraktes, manchmal übertrieben formal oder unintuitiv scheinendes Vorgehen.
    • Offensichtlich „triviale Eigenschaft“ brauchen eine Begründung, wenn sie nicht explizit im Axiomensystem vorkommen.