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Benutzer:Altenkim/Situative Erinnerungskultur

Aus Wikiversity

Die Online-Enzyklopädie Wikipedia stellt schon längst einen Teil des (geschichts-)kulturellen Orientierungsrahmens dar. Jedoch sind die Funktionsmechanismen, die für die Konstruktion der Inhalte typisch sind, aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive nahezu unerforscht. Genau an diesem Desiderat knüpft das hier skizzierte Promotionsvorhaben an. Leitend ist dabei die Frage, ob sich diese Konstruktionsprozesse als Teil einer situativen Erinnerungskultur zeigen.

Wikipedia als erinnerungskulturelles Produkt

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Prinzipiell für alle offen, ermöglicht die Wikipedia die Mitarbeit an Artikeln aus dem Bereich Geschichte nicht nur für Historiker, sondern auch für interessierte Laien. Gleichzeitig eröffnet die Wikipedia dem Nutzer der Online-Enzyklopädie einen umfassenden Einblick in die Konstruktionsprozesse der Inhalte. Alle Versionen eines Artikels sind genauso abrufbar wie die einzelnen Beiträge von beteiligten Autoren. Daneben bieten eben jene über die Kommentierung und Diskussion von Inhalten Einblicke in ihre Vorstellung von Geschichte. Die analytische Betrachtung der Funktionsweise dieses Konstruktionsprozesses stellt dabei das Neue der hier vorgestellten Untersuchung dar.

Situative Erinnerungskultur

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Eine Situative Erinnerungskultur zeigt sich als eine an einzelne Situationen angepasste Herstellung von Kohärenz innerhalb des Meinungsspektrums unterschiedlicher Autoren der Wikipedia. Trotz der Auseinandersetzung der am gemeinschaftlichen Verhandlungsprozess beteiligten Akteure bleibt der Inhalt eines Artikels unabgeschlossen und bietet so die Chance situativ an die jeweiligen Bedingungen bzw. Voraussetzungen angepasst zu werden. Im Zusammenhang mit dem von Jakob Krameritsch entwickelten Typ des Situativen Erzählens kann hier eine medial angepasste Form der Erinnerungskultur skizziert werden, die sowohl die medialen Bedingungen der Wikipedia als auch die theoretischen Bedingungen der Erinnerungskultur berücksichtigt.

Forschungsstand

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Erste Ansätze zur Beschäftigung mit der Wikipedia als geschichtskulturellem Produkt beschränkten sich häufig auf eine einseitige Auseinandersetzung mit den Inhalten der Artikel. Eine Erforschung der Konstruktionsprinzipien spielte dabei keine Rolle. Das skizzierte Vorhaben stellt also eine explorative Untersuchung dar, die das Feld für weitere Untersuchungen öffnet. 

ebenenintegratives Vorgehen

Forschungsgegenstand

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Untersucht werden Artikel der Online-Enzyklopädie, die Erinnerungsorte thematisieren. Es ist davon auszugehen, dass bei der Ausgestaltung der Inhalte für die Artikel gerade zu jenen Inhalten kontroverse Meinungen existieren, die im Rahmen einer nationalen Erinnerungskultur von Bedeutung sind. Nationale Erinnerungsorte können sich so zu Themen entwickeln, die auf besondere Weise einen Einblick in die Vorstellungen von (nationaler) Geschichtsschreibung der Wikipedia-Autoren ermöglichen. Daher soll aus fachwissenschaftlichen Publikationen eine Liste von Erinnerungsorten erstellt werden, die als Basis der Untersuchung dienen soll.

Fragestellung

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Ziel der Arbeit ist es, Konstruktionsprozesse von Geschichte in der Wikipedia als Teil der Erinnerungskultur in einem virtuellen Medium zu analysieren, zu systematisieren und im Idealfall zu generalisieren. Hierfür soll das Konzept dersituativen Erinnerungskultur, das bereits bestehende Theorien integrativ verknüpft, entwickelt werden. Die Arbeit orientiert sich an folgenden Leitthesen als Grundbasis der Untersuchung:

Untersuchungsaufbau
  • Die Darstellung von „nationalen Erinnerungsorten“ zeigt sich als diskursiv geführte Auseinandersetzung, die in besonderem Maße in Diskussionen geführt wird und durch wikipedia-typische Edit-Sonderformen charakterisiert ist.
  • Über die Ausgestaltung von Artikeln und die Diskussion über die Artikelinhalte wird in der Wikipedia inhaltliche Kohärenz hergestellt. Diese Kohärenz kann durch Auswertung der Artikelentwicklung, der begleitenden Diskussionen und der Auswertung von Wikipedia-Metadaten nachvollzogen werden.
  • Erinnerungskultur als Form der bewussten Erinnerung von historischen Ereignissen, Persönlichkeiten und Prozessen, ist in der Wikipedia geprägt von einer Fluidität und einer Beschleunigung der möglichen inhaltlichen Deutungen. Dies zeigt sich in Form einer situativen Erinnerungskultur.
  • Diese situative Erinnerungskultur ist geprägt von einem ständigen Aushandlungsprozess zwischen Formen individueller und kollektiver Erinnerungskultur.

Die Untersuchung kann aus geschichtsdidaktischer Perspektive als Grundlagenforschung verstanden werden, da durch sie ein Forschungsfeld für die Disziplin erschlossen wird, das einen direkten Bezug zur historischen Bildung an (Hoch-)schulen aufweist.

Forschungsdesign

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In einem ersten Schritt soll Literatur mit Bezug zur Fragestellung im Hinblick auf das abduktive Verfahren ausgewertet werden, um so einen erster Zugang zu möglichen Konstruktionsprinzipien und Kriterien für das Konzept der situativen Erinnerungskultur zu schaffen. Auf dieser Auswertung aufbauend soll dann eine mehrgliedrige Datenerhebung durchgeführt werden. Diese gliedert sich in

  • die Untersuchung von Wikipedia-Artikeln (System-,Inhalts- und Autorenebene)
  • die Auswertung des theoretischen Vorwissens, welches in engem Zusammenhang mit der Auswertung der Wikipedia-Artikel steht
  • begleitende Experteninterviews mit Wikipedia Autoren