Benutzer:Cethegus/Don Quijote

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Don Quijote (spanischer Titel: El ingenioso hidalgo Don Quijote de la Mancha) ist ein Roman von Miguel de Cervantes.*

Zum Inhalt

Alonso Quijano, ein kleiner Landadeliger, hat so viele Ritterromane gelesen, dass er selbst ein „fahrender Ritter“ werden will, um seine Tapferkeit zu beweisen, Unrecht zu bekämpfen und dafür berühmt zu werden. Dafür nennt er sich Don Quijote**, nennt sein Pferd Rosinante und erklärt ein Bauernmädchen, das ihm in seiner Jugend gefallen hat, zu Dulcinea von Toboso, der Herrin, für die er seine Heldentaten vollbringen will.

Textausschnitte[Bearbeiten]

Erster Teil: Der Aufbruch[Bearbeiten]

[...] Ohne also irgend jemanden seinen Vorsatz mitzuteilen und ohne daß ihn einer bemerkte, rüstete er sich eines Morgens vor dem Tage – der einer der heißesten im Julius war – mit allen Waffenstücken, bestieg den Rozinante, setzte den übel gemachten Helm auf, faßte das Schild und ergriff die Lanze und zog durch eine kleine Tür des Hinterhofes aufs Feld hinaus, sehr zufrieden und vergnügt, daß sein guter Vorsatz einen so leichten Anfang gewann. Kaum aber sah er sich auf dem Felde, als ihn ein furchtbarer Gedanke mit solcher Gewalt befiel, daß er beinah sein angefangenes Unternehmen gänzlich aufgegeben hätte. Es kam ihm nämlich ins Gedächtnis, daß er noch kein geschlagener Ritter sei und daß er also nach den Gesetzen der Ritterschaft mit keinem Ritter einen Waffenkampf weder halten könne noch dürfe, daß er ferner als neuer Ritter weiße Waffen führen müsse, ohne Sinnbild auf dem Schilde, bis seine Tugend ihm eins gewinne. Diese Vorstellungen erschütterten seinen Vorsatz heftiglich, aber seine Torheit, mächtiger als jeder andre Grund, gab ihm ein, daß er sich vom ersten, auf den er träfe, zum Ritter wolle schlagen lassen, in Nachahmung vieler andern, die ebenso verfahren, wie er in den Büchern gelesen, die ihn in diesen Zustand versetzt hatten. Was die Weiße der Waffen beträfe, so gedachte er sie, wenn er Zeit und Muße fände, so hell zu schleifen, daß sie den gefallenen Schnee an Weiße überträfen. Hiermit beruhigte er sich und setzte seinen Weg fort, ohne einen andern zu suchen, als den sein Pferd eingeschlagen, denn er meinte, daß dies die Kunst sei, Abenteuer zu beginnen. [...] Dann sagte er wieder, als wäre er wirklich verliebt: O Prinzessin Dulcinea, Herrin dieses mit Gefangenschaft bestrickten Herzens! Große Unbill habt Ihr mir getan, mich abzuweisen und wegzustoßen mit der grausamen Strenge des Gebotes, daß ich vor Euer Huldseligkeit mich nicht mehr zeigen soll. Es beliebe Euch, Herrin, dieses Euch untertänigen Herzens zu gedenken, das so viele Nöten um Eurer Liebe willen erduldet. An diese Ungereimtheiten reihte er noch vielfach andre an, alle in der Art jener, die seine Bücher ihn gelehrt, indem er ihre Sprache, soviel es ihm möglich war, nachahmte; und dabei ritt er so langsam fürbaß, und die Sonne stieg so eilig und mit solcher Glut herauf, daß es hingereicht hätte, ihm das Hirn breiweich zu schmelzen, wenn er welches gehabt hätte. [...]

Es gibt Schriftsteller, die da sagen, das erste Abenteuer, das ihm zustieß, sei das im Bergpaß Lápice gewesen; andre sagen, das mit den Windmühlen. Was ich jedoch über diesen Kasus ermitteln konnte und was ich in den Jahrbüchern der Mancha geschrieben fand, ist, daß er den ganzen Tag seines Weges zog und beim Herannahen des Abends er und sein Gaul erschöpft und bis zum Tode hungrig waren; und daß, nach allen Seiten hin spähend, ob er irgendeine Burg oder einen Hirtenpferch entdeckte, wo er eine Zuflucht finden und seinem großen Notstand abhelfen könnte, er nicht weit von dem Weg, den er ritt, eine Schenke erblickte. Da war ihm, als sähe er einen Stern, der ihn zur Pforte – wenn auch nicht in den Palast – seiner Erlösung leitete. Er beschleunigte seinen Ritt und langte eben zur Zeit an, wo es Abend wurde. Hier standen von ungefähr an der Tür zwei junge Frauenzimmer, aus der Zahl jener, welche man Die von der leichten Zunft benennt; sie waren auf der Reise nach Sevilla mit Maultiertreibern, die zufällig diese Nacht in der Schenke Rast hielten. Und da es unsern Abenteurer bedünkte, alles, was er auch immer dachte, sah oder sich einbildete, sei so beschaffen und trage sich so zu wie die Dinge, die er gelesen hatte, so kam es ihm sogleich vor, da er die Schenke sah, sie sei eine Burg mit ihren vier Türmen und Turmhauben von glänzendem Silber, ohne daß ihr ihre Zugbrücke und ihr tiefer Graben fehlte, nebst allen jenen Zubehörungen, womit man dergleichen Burgen malt. Er ritt näher an die Schenke heran – die ihm eine Burg schien –, und eine kurze Strecke von ihr hielt er seinem Rosinante die Zügel an und wartete, daß irgendein Zwerg sich zwischen den Zinnen zeige, um mit einer Drommete oder dergleichen das Zeichen zu geben, daß ein Ritter der Burg nahe. Da er aber sah, daß man zögerte, und Rosinante nach dem Stall Eile hatte, ritt er vor die Tür der Schenke und erblickte die beiden liederlichen Dirnen, die dort standen und die ihm als zwei schöne Fräulein oder anmutvolle Edelfrauen erschienen, die vor der Burgpforte sich erlusten mochten. [...]

Und so, mit außerordentlicher Befriedigung, nahte er der Schenke und den Damen; diese aber, als sie einen in solcher Weise gerüsteten Mann, mit Speer und Tartsche, heranreiten sahen, wollten voller Angst in die Schenke hinein. Jedoch Don Quijote, der aus ihrer Flucht auf ihre Ängstlichkeit schloß, hob das Pappdeckelvisier empor, und sein dürres, bestäubtes Gesicht halb aufdeckend, sprach er zu ihnen mit freundlicher Gebärde und sachter Stimme: »Euer Gnaden wollen nicht zur Flucht sich wenden noch irgendeine Ungebühr befürchten, sintemal es dem Orden der Ritterschaft, der mein Beruf ist, nicht zukommt noch geziemend ist, solche irgendwem anzutun; wieviel weniger so hohen Jungfrauen, wie Euer edles Aussehen verkündigt.« Die Dirnen schauten ihn an und suchten mit den Augen hin und her nach seinem Gesicht, das das schlechte Visier zum Teil verdeckte; aber da sie sich Jungfrauen nennen hörten, ein so ganz außerhalb ihres Berufs liegendes Wort, konnten sie das Lachen nicht zurückhalten, und es war so arg, daß Don Quijote in Zorn geriet und ihnen sagte: »Gut steht Höflichkeit den Schönen, und zudem ist zu große Einfalt das Lachen, so aus unerheblicher Ursache entspringt. Indessen sage ich Euch das nicht, auf daß Ihr Euch etwa kränktet oder unfreundlichen Mut zeigtet; denn der meine steht auf andres nicht, als Euch zu Diensten zu sein.« [...]

Wie man so weit war, kam zufällig ein Schweinschneider vor die Schenke, und wie er anlangte, blies er vier- oder fünfmal auf seiner Rohrpfeife. Das bestärkte Don Quijote vollends darin, daß er in irgendeiner berühmten Burg sei und daß man ihn mit Tafelmusik bediene und daß der Stockfisch eine Forelle, das Brot Weizenbrot, die Dirnen edle Damen und der Wirt Burgvogt dieser Feste sei; und somit fand er seinen Entschluß und seine Ausfahrt wohlgelungen. Was ihn jedoch hierbei noch sehr quälte, war, sich noch nicht zum Ritter geschlagen zu sehen, weil es ihn bedünkte, er könne sich nicht rechtmäßig in irgendwelches Abenteuer einlassen, ohne den Orden der Ritterschaft empfangen zu haben.

Cervantes: Don Quijote 1. Teil, 1. Buch, 2. Kapitel

sieh auch:

Der Kampf gegen die Windmühlen[Bearbeiten]

[...] Indem sahen sie wohl dreißig bis vierzig Windmühlen, die auf jenem Felde stehen, und sowie sie Don Quixote erblickte, sagte er zu seinem Stallmeister: »Das Glück führt unsre Sache besser, als wir es nur wünschen konnten, denn siehe, Freund Sancho, dort zeigen sich dreißig oder noch mehr ungeheure Riesen, mit denen ich eine Schlacht zu halten gesonnen bin und ihnen allen das Leben zu nehmen; mit der Beute von ihnen wollen wir den Anfang unsers Reichtums machen, denn dies ist ein trefflicher Krieg und selbst ein Gottesdienst, diese Brut vom Angesichte der Erde zu vertilgen.« »Welche Riesen?« fragte Sancho Pansa.

»Die du dorten siehst«, antwortete sein Herr, »mit den gewaltigen Armen, die zuweilen wohl zwei Meilen lang sind.«

»Seht doch hin, gnädiger Herr«, sagte Sancho, »daß das, was da steht, keine Riesen, sondern Windmühlen sind, und was Ihr für die Arme haltet, sind die Flügel, die der Wind umdreht, wodurch der Mühlstein in Gang gebracht wird.«

»Es scheint wohl«, antwortete Don Quixote, »daß du in Abenteuern nicht sonderlich bewandert bist, es sind Riesen, und wenn du dich fürchtest, so gehe von hier und ergib dich indessen dem Gebete, indem ich die schreckliche und ungleiche Schlacht mit ihnen beginne.« Mit diesen Worten gab er seinem Pferde Rozinante die Sporen, ohne auf die Stimme seines Stallmeisters Sancho zu achten, der ihm noch immer nachrief, daß es ganz gewiß Windmühlen und nicht Riesen wären, was er angreifen wollte. Aber er war so fest von den Riesen überzeugt, daß er weder nach der Stimme seines Stallmeisters Sancho hörte noch etwas anders sah, ob er ihnen gleich schon ganz nahe gekommen war, vielmehr rief er jetzt mit lauter Stimme: »Entflieht nicht, ihr feigherzigen und niederträchtigen Kreaturen! Ein einziger Ritter ist es, der euch die Stirn beut!« Indem erhob sich ein kleiner Wind, der die großen Flügel in Bewegung setzte; als Don Quixote dies gewahr ward, fuhr er fort: »Strecktet ihr auch mehr Arme aus, als der Riese Briareus, so sollt ihr es dennoch bezahlen!« Und indem er dies sagte und sich mit ganzer Seele seiner Gebieterin Dulcinea empfahl, die er flehte, ihm in dieser Gefährlichkeit zu helfen, wohl von seinem Schilde bedeckt, die Lanze im Haken eingelegt, sprengte er mit dem Rozinante im vollen Galopp auf die vorderste Windmühle los und gab ihr einen Lanzenstich in den Flügel, den der Wind so heftig herumdrehte, daß die Lanze in Stücke sprang, Pferd und Reiter aber eine große Strecke über das Feld weggeschleudert wurden.

Sancho Pansa trabte mit der größten Eilfertigkeit seines Esels herbei, und als er hinzukam, fand er, daß Don Quixote sich nicht rühren konnte, so gewaltig war der Sturz, den Rozinante getan hatte. »Gott steh uns bei!« sagte Sancho, »sagte ich's Euer Gnaden nicht, daß Ihr zusehen möchtet, was Ihr tätet, und daß es nur Windmühlen wären, die ja auch jeder kennen muß, wer nicht selber welche im Kopfe hat!« – »Gib dich zur Ruhe, Freund Sancho«, antwortete Don Quixote, »das ist Kriegesglück, das am meisten von allen Dingen einem ewigen Wechsel unterworfen ist; um so mehr, da ich glaube und es auch gewiß wahr ist, daß eben der weise Freston, der mir mein Zimmer und meine Bücher geraubt hat, mir auch jetzt diese Riesen in Mühlen verwandelt, um mir den Ruhm ihrer Besiegung zu entreißen. So groß ist die Feindschaft, die er zu mir trägt! Aber endlich, endlich wird er doch mit allen seinen bösen Künsten nichts gegen die Tugend meines Schwertes vermögen!« Don Quixote schlief die ganze Nacht hindurch nicht, sondern gedachte an seine Gebieterin Dulcinea, um es nachzutun, was er in seinen Büchern gelesen, wie die Ritter ohne Schlaf viele Nächte in den Waldungen und Einöden zubrachten und sich mit dem Andenken ihrer Herrscherinnen unterhielten. Nicht also trieb es Sancho Pansa, der, da er den Magen, und zwar mit keinem Habersüppchen, angefüllt hatte, die ganze Nacht aus einem Stücke schlief und auch nachher nicht erwacht wäre, wenn ihn sein Herr nicht aufgeweckt hätte, denn die Strahlen der Sonne, die ihm auf das Gesicht schienen, sowie der Gesang der Vögel, die von allen Zweigen mit jubelndem Gesange die Ankunft des neuen Tages feierten, vermochten es nicht. Als er sich ermuntert hatte, schenkte er seinem Schlauche eine Umarmung, wobei er ihn viel eingefallener fand als den Abend vorher und sich von Herzen darüber betrübte, weil es nicht aussah, als wenn sie auf diesem Wege seine Auszehrung bald würden heilen können. Don Quixote begehrte nicht zu frühstücken, weil er sich, wie schon gesagt, mit nahrhaften Vorstellungen unterhalten hatte.

Sie ritten auf der Straße nach dem Passe Lapice weiter, den sie auch drei Stunden nach Sonnenaufgang entdeckten. »Hier«, rief Don Quixote, als er ihn erblickte, »Bruder Sancho, hier können wir die Hände bis an die Ellenbogen hinauf in das tauchen, was man Abenteuer nennt, aber vernimm, daß, wenn du mich auch in der allergrößten Gefahr erblicken solltest, du doch niemals die Hand an den Degen legen sollst, um mich zu verteidigen, außer du müßtest gewahr werden, daß ich vom Pöbel oder gemeinen Volke beleidigt würde, in einem solchen Falle ist es dir gestattet, mir beizustehen; sind es aber Ritter, so ist es dir nach den Rittergesetzen keinesweges erlaubt oder vergönnt, mir zu helfen, bis du selbst zum Ritter geschlagen bist.« 

»Seid versichert, gnädiger Herr«, antwortete Sancho, »daß ich Euch darinne pünktlich Gehorsam leiste, vollends da ich sehr friedliebend bin und mich nicht gern in Schlägereien und Händel einmenge; aber freilich, wenn einer meine eigne Person angreifen wollte, da würde ich nach Euren Gesetzen nicht fragen, denn göttliche und menschliche Gesetze erlauben, daß sich jedermann wehren darf, wenn ihm was zuleide geschieht.« [...]

Also, wie gemeldet, rannte Don Quixote gegen den vorsichtigen Biscayer, das Schwert geschwungen und mit dem Vorsatze, ihn mitten durchzuhauen. Ebenso erwartete ihn der Biscayer, das Schwert geschwungen, von seinem Kissen geschirmt, und alle Umstehenden voll Furcht und Erwartung, was sich aus diesen gräßlichen Hieben ergeben möchte, mit denen sie sich beiderseits bedrohten; die Dame in der Kutsche und ihre Bedienten taten allen Heiligenbildern und Kapellen in Spanien tausend Gelübde, daß Gott ihren Diener und sie selber aus einer so großen Gefahr erretten möge.

Das ist aber nun schade und zu beklagen, daß in diesem Moment und Zeitpunkt der Autor dieser Historie diese Schlacht abbricht, mit der Entschuldigung, daß er nichts Weiteres von Don Quixotes Taten vorgefunden, als was er bereits erzählt habe. Der zweite Autor dieses Werkes konnte aber unmöglich glauben, daß eine so treffliche Geschichte so ganz der Vergessenheit sollte überliefert sein oder daß die herrlichen Köpfe in la Mancha so wenig Wißbegier haben sollten, daß sich nicht noch in den Archiven oder in einigen Schreibpulten Papiere vorfinden dürften, die von diesem berühmten Ritter Meldung tun. Diesen Gedanken also nährend, verzweifelte er nicht, den Schluß dieser anmutigen Historie anzutreffen, welches ihm auch, unter Begünstigung des Himmels, auf die Weise gelungen ist, die im zweiten Teile erzählt werden soll.

Cervantes: Don Quijote 1. Teil, 1. Buch 8. Kapitel

Links zu weiteren Episoden des Romans[Bearbeiten]

Suche nach der Fortsetzung des Kampfes mit dem Biskayer in Weites Feld

Don Quijote erzählt den Ziegenhirten von den fahrenden Rittern in Weites Feld

Don Quijote über Dulcinea von Toboso in Weites Feld

Don Quijote kämpft gegen eine Hammelherde in Weites Feld

Sancho Pansa erzählt eine Geschichte in Weites Feld

Don Quijote wird zum Ritter von der traurigen Gestalt in Weites Feld

Don Quijote beschließt, vor Trauer, dass seine Herrin ihn nicht erhört hat, verrückt zu werden in Weites Feld

Prinzessin Mikomikona bittet um Don Quijotes Schutz in Weites Feld

Dorothea erzählt die Geschichte, wie sie als Mikomikona ihr Mikomikonisches Reich verlor in Weites Feld

Auftritt Don Fernandos und Auflösung seiner Liebeshändel in Weites Feld

Geschichte des Algeriersklaven in Weites Feld

Sancho Pansa erhofft weiterhin Wundertaten von Don Quijote in Weites Feld

Kaum aus dem Käfig befreit, stürzt sich Don Quijote in neuen Streit in Weites Feld

Zweiter Teil: Don Quijote erfährt, dass seine Taten schon in einem Buch beschrieben sind[Bearbeiten]

Don Quixote war sehr nachdenklich, indem er den Baccalaureus Carrasco erwartete, von dem er Neuigkeiten über sich selbst zu hören hoffte, die, wie Sancho sagte, in einem Buche abgefaßt waren; er konnte sich nicht überreden, daß eine solche Geschichte da sei, denn auf der Klinge seines Schwertes war ja kaum das Blut der Feinde getrocknet, die er getötet hatte, und doch wollte man behaupten, daß seine glorreiche Ritterschaft schon durch den Druck verbreitet wäre. Bei alledem mußte er sich einbilden, daß ein Weiser, entweder sein Freund oder Feind, durch die Kunst der Zauberei das Buch dem Druck übergeben habe; wenn sein Freund: um seine Taten vor denen der berühmtesten irrenden Ritter zu erheben und auszuzeichnen; wenn sein Feind: um sie zu vernichten oder sie unter die gemeinsten herabzuwürdigen, die man nur jemals von einem gemeinen Stallmeister beschrieben hätte; obgleich, wie er zu sich selber sagte, niemals die Taten der Stallmeister wären beschrieben worden; wenn es also Wahrheit sei, daß es eine solche Historie gäbe, so folge auch, da sie von einem irrenden Ritter handle, daß sie großtönend, erhaben, wundervoll, prächtig und wahrhaftig sein müsse. Hiermit tröstete er sich einigermaßen; aber er wurde von neuem trostlos, wenn er daran dachte, daß sein Autor, nach dem Namen Cide zu schließen, ein Mohr sei und wie sich von den Mohren keine Wahrhaftigkeit hoffen ließe, weil alle Lügner, Betrüger und Phantasten sind. Er fürchtete auch, daß er seiner Liebe irgend Unanständigkeiten möchte beigemischt haben, die der Keuschheit seiner Dame Dulcinea von Toboso zum Nachteil gereichen könnten; er wünschte, daß er seine Treue und Zucht dargestellt habe, die er immer bewahrt, Königinnen, Kaisertöchter und Jungfrauen alles Standes verschmähend, indem er die Gewalt der natürlichen Triebe im Zaume gehalten. Und so, zwischen diesen und vielen andern Gedanken hin und her geworfen, fanden ihn Sancho und Carrasco, welchen Don Quixote mit vieler Höflichkeit empfing. Der Baccalaureus, ob er gleich Simson hieß, war in Ansehung seines Körpers nicht groß, aber ein großer Schelm, von bleicher Farbe, aber von sehr gutem Verstande; er war ungefähr vierundzwanzig Jahre alt, von rundem Gesicht, platter Nase und großem Munde, alles Zeichen von einem boshaften Gemüt, und daß er ein Freund von Scherzen und Späßen sei, wie er es auch gleich bewies, als er des Don Quixote ansichtig wurde, indem er sich vor ihm auf die Knie warf und sagte: »Gebe mir Eure Hoheit, Herr Don Quixote von la Mancha, die Hand; denn bei diesem meinem Gewande des heiligen Petrus, ob ich gleich nur die vier ersten Weihen empfangen habe, Euer Gnaden ist einer der berühmtesten irrenden Ritter, die auf dem Erdenrunde gewesen sind oder jemals sein werden. Gepriesen sei Cide Hamete Benengeli, der die Geschichte Eurer großen Taten niederschrieb, und gesegnet sei der fleißige Mann, der die Mühe über sich nahm, sie aus dem Arabischen, zur allgemeinen Ergötzung aller Leute, in unsere kastilianische Sprache zu übersetzen.«

Don Quixote hob ihn auf und sagte: »So ist es denn also wahr, daß es eine Historie von mir gibt und daß ein Mohr und Weiser Verfasser derselben ist?« »Dieses ist so sehr die Wahrheit, mein Herr«, antwortete Simson, »daß ich glaube, daß heutiges Tages mehr als zwölftausend Exemplare von dieser Historie gedruckt sind. Sie ist wenigstens in Portugal, Barcelona und Valenzia in Druck erschienen, ja man sagt, daß sie auch in Antwerpen aufgelegt werde, und ich bin überzeugt, daß es keine Nation und keine Sprache geben wird, in die man dieses Buch nicht übersetzt.«

»Eins von den Dingen«, sagte hierauf Don Quixote, »was einen tugendhaften und vorzüglichen Mann besonders vergnügen muß, ist das: sich noch bei Lebzeiten, mit einem guten Namen im Munde der Leute, gedruckt und in Büchern dargestellt zu sehen; ich sage, mit einem guten Namen, denn das Gegenteil wäre schlimmer als der schlimmste Tod.«

»Wenn es auf gutes Gerücht und guten Namen ankommt«, sagte der Baccalaureus, »so tragt Ihr dadurch allein schon die Palme vor allen übrigen irrenden Rittern davon; denn sowohl der Mohr in seiner Sprache als der Christ in der seinigen haben Sorge getragen, ganz nach dem Leben Euren edlen Anstand abzuschildern, Eueren kühnen Sinn beim Aufsuchen der Gefahr, Eure Geduld in Widerwärtigkeiten und Eure Standhaftigkeit sowohl in Unglücksfällen als bei Verwundungen; die Keuschheit und Enthaltsamkeit in Eurer durchaus platonischen Liebe gegen die Dame Doña Dulcinea von Toboso.« »Niemals«, sagte jetzt Sancho Pansa, »habe ich die Dame Dulcinea Doña nennen hören, sondern nur die Dame Dulcinea von Toboso, das ist denn schon in der Geschichte ein Fehler.«

»Das ist kein Einwurf von Wichtigkeit«, antwortete Carrasco.

»Nein, wahrlich nicht!« antwortete Don Quixote. »Aber sagt mir doch gefälligst, Herr Baccalaureus, welche von meinen Taten sind diejenigen, die man in der Historie am meisten würdigt?«

»Hierüber«, antwortete der Baccalaureus, »gibt es unterschiedliche Meinungen, so wie der Geschmack selber verschieden ist; einige halten sich an das Abenteuer mit den Windmühlen, die Euch Briareus und Riesen schienen; andere ziehen das mit den Walkmühlen vor; diese ergötzen sich an der Beschreibung der beiden Armeen, die sich nachher als zwei Herden von Hämmeln auswiesen; jener zieht das mit der Leiche vor, die man fortführte, um sie zu Segovia beizusetzen; ein anderer behauptet, daß die Befreiung der Ruderknechte alles übrige übertreffe; wieder ein anderer, daß nichts dem mit den beiden Benediktinerriesen und dem Kampfe mit dem tapfern Biscayer gleichkomme.«

»Sagt mir doch, Herr Baccalaureus«, sprach hierauf Sancho, »kommt denn auch das Abenteuer mit den Yanguesern vor, als es unserem guten Rozinante einfiel, Trauben von den Dornen zu lesen?«

»Nichts«, antwortete Simson, »hat der Weise im Tintenfasse zurückgelassen, alles sagt er und alles führt er aus, sogar bis auf die Kapriolen, die der gute Sancho im Bettuche machte.«

»Im Bettuche machte ich keine Kapriolen«, antwortete Sancho, »aber in der Luft wohl, und noch dazu mehr, als mir lieb sein konnte.« »Ich stelle mir vor«, sagte Don Quixote, »daß es keine menschliche Historie in der Welt geben könne, die nicht ihre Unebenheiten habe, vorzüglich aber, wenn sie von Ritterschaft handelt, wo alsdann durchaus nicht lauter glückliche Begebenheiten erzählt werden können.«

»Dessenungeachtet«, antwortete der Baccalaureus, »behaupten einige, welche die Historie gelesen haben, daß es ihnen lieber sein würde, wenn die Autoren etwelche von den unzähligen Schlägen vergessen hätten, die bei unterschiedlichen Vorfällen dem Herrn Don Quixote zugeteilt wurden.« »Doch ist die Historie darin auf der wahren Spur«, sagte Sancho.

»Aber billigerweise hätten sie dieses verschweigen können«, sagte Don Quixote, »denn diejenigen Vorfälle, die an der Wahrhaftigkeit der Historie nichts verändern oder verrücken, brauchen nicht beschrieben zu werden, wenn sie Veranlassung geben, den Helden der Geschichte geringschätziger zu machen. Wahrlich, Aeneas war nicht so fromm, als ihn Virgilius darstellt, noch Ulysses so weise, wie ihn Homerus beschreibt.« »Das ist wahr«, versetzte Simson; »aber ein anderes ist es als Poet, ein anderes als Historiker schreiben. Der Poet darf die Dinge sagen oder singen, nicht wie sie gewesen sind, sondern wie sie hätten sein sollen; der Historiker aber muß sie beschreiben, nicht wie sie sein sollten, sondern wie sie gewesen sind, ohne der Wahrheit das Kleinste hinzuzufügen oder abzunehmen.«

»Wenn aber der Herr Mohr darauf ausgegangen ist, Wahrheit zu sprechen«, sagte Sancho, »so bin ich versichert, daß sich unter den Schlägen meines Herrn auch die meinigen befinden, denn dem Gnädigen wurde keinmal das Maß des Rückens genommen, ohne daß sie es mir nicht vom ganzen Körper genommen hätten; aber darüber muß man sich nicht verwundern, denn, wie mein Herr dort selber sagt, an dem Schmerze, den das Haupt leidet, müssen auch die Glieder teilnehmen.« »Ihr seid ein Schelm, Sancho«, antwortete Don Quixote, »es fehlt Euch wahrhaftig nicht am Gedächtnis, wenn Ihr nur eine Sache behalten wollt.« »Wenn ich auch die Püffe vergessen wollte, die ich bekommen habe«, sagte Sancho, »so würden das doch die Striemen nicht zugeben, die mir noch ganz frisch auf den Rippen stehen.«

»Schweigt, Sancho«, sagte Don Quixote, »und unterbrecht den Herrn Baccalaureus nicht, den ich inständigst bitte, mir ferner zu sagen, was noch weiter von mir in der bewußten Historie erzählt wird.«

»Und was von mir«, sagte Sancho, »denn man sagt ja, daß ich einer von den vorzüglichsten Karakkern darin bin.« »Charakteren und nicht Karakkern, Freund Sancho«, sagte Simson.

»Haben wir noch einen, der die Viehkabeln zurechtschneiden will?« sagte Sancho; »geraten wir erst dahinein, so kommen wir das ganze Leben hindurch nicht zu Ende.«

»Der Himmel möge es mir nicht wohlgehen lassen«, antwortete der Baccalaureus, »wenn Ihr nicht der zweite Charakter in der Historie seid und wenn es nicht manchen gibt, der Euch lieber reden hört als den Ausbündigsten im ganzen Buch; obwohl es auch andere gibt, welche sagen, daß Ihr noch darin[27]allzu leichtgläubig wäret, zu glauben, daß das mit der Statthalterschaft jener Insel wahr sein könne, die Euch vom Herrn Don Quixote versprochen ist, der sich hier gegenwärtig befindet.«

»Noch ist nicht aller Tage Abend«, sagte Don Quixote, »und wenn Sancho mehr wird in die Jahre gekommen sein, so wird er mit der Erfahrung, die das Alter gibt, auch mehr qualifiziert und geschickt sein, Statthalter zu werden, als er sich jetzt dazu eignet.« »Meiner Seel, gnädiger Herr«, sagte Sancho, »die Insel, die ich nicht mit den Jahren, welche ich jetzt habe, regieren kann, werd ich auch nicht mit Methusalems Jahren regieren können. Das Unglück ist nur, daß diese Insel sich, weiß Gott wo, versteckt hält; aber daran liegt's nicht, daß ich nicht Kopfs genug habe, sie zu statthaltern.«

»Empfiehl Gott deine Sache, Sancho«, sagte Don Quixote; »denn alles wird glücklich gehen und vielleicht glücklicher, als du es denkst: denn kein Blatt am Baume regt sich ohne Gottes Willen.«

»Das ist sehr wahr«, antwortete Simson, »wenn Gott es will, wird es Sancho nicht an tausend Inseln zu regieren fehlen, geschweige an einer.« »Ich habe doch schon Statthalter gesehen«, sagte Sancho, »die nach meiner Einsicht nicht verdienten, mir die Schuhriemen aufzulösen, und die man dennoch Exzellenzen nannte und die von Silber speisten.«

»Diese sind keine Statthalter von Inseln«, versetzte Simson, »sondern von anderen unbedeutenden Statthalterschaften; diejenigen, die Inseln regieren, müssen wenigstens den Syntax innehaben.«

»Was den Sinn betrifft«, sagte Sancho, »der wird schon kommen, wie auch mein Herr sagt, aber um den Tax gräme ich mich nicht und kümmere mich nicht, denn ich verstehe nichts davon. Wir wollen aber diese Statthalterei der Güte Gottes überlassen, der mich schon da anstellen wird, wo er mich am besten brauchen kann; ich sage nur, Herr Baccalaureus Simson Carrasco, daß das mir ein ganz erstaunliches Vergnügen macht, daß der Autor der Historie so von mir gesprochen hat, daß die Dinge, welche von mir vorkommen, nicht verdrießlich fallen; denn so wahr ich ein braver Stallmeister bin, hätte er Dinge von mir vorgebracht, die sich nicht für einen alten Christen, wie ich bin, schicken, ei, so sollten die Blinden sehen, was daraus entstehen würde!«

»Das hieße ja Wunderwerke verrichten«, antwortete Simson.

»Wunderwerke oder nicht Wunderwerke«, sagte Sancho, »ein jeder sehe zu, wie er spricht und wie er die Karakkers beschreibt, und schmeiße nicht husch musch das erste hin, was er sich nur inmarginiert.«

»Einer von den Flecken, den man an dieser Historie tadelt«, sagte der Baccalaureus, »ist, daß der Autor eine Novelle hineingebracht hat, unter dem Titel: ›Die unziemliche Neugier‹, nicht deswegen, weil sie schlecht oder übel geschrieben ist, sondern weil sie da nicht hingehört und nicht den mindesten Zusammenhang mit der Geschichte des Herrn Don Quixote hat.«

»Ich will wetten«, versetzte Sancho, »daß der dumme Kerl Kohl und Rüben durcheinandergemengt hat.«

»Jetzt behaupte ich«, sprach Don Quixote, »daß der Autor meiner Historie kein Weiser, sondern ein unwissender Schwätzer gewesen, der auf gut Glück und ohne Plan sich zum Schreiben niedersetzte, werde daraus, was da wolle, wie es Orbaneja, der Maler von Ubeda, machte, der, als man ihn fragte, was er male, zur Antwort gab: ›Was daraus wird.‹ Dieser malte einmal einen Hahn, der so unscheinbar herauskam, daß er mit gotischen Buchstaben darunter schreiben mußte: ›Dieses ist ein Hahn.‹ So wird es auch mit meiner Historie beschaffen sein, die gewiß eines Kommentars bedarf, um verstanden zu werden.« »Durchaus nicht«, antwortete Simson, »denn sie ist so klar, daß sich keine einzige Schwierigkeit darin befindet. Die Kinder tragen sich damit, junge Leute lesen sie, die Männer verstehen sie, und die Alten preisen sie; kurz, sie wird so gehandhabt, gelesen und studiert von allen Arten von Leuten, daß sie kaum[28] einen dürren Klepper gewahr werden, so rufen sie: ›Da geht Rozinante!‹; und diejenigen, die sich dieser Lektüre am meisten ergeben haben, sind die Pagen. Es gibt kein Vorzimmer eines angesehenen Mannes mehr, wo sich nicht ein Don Quixote befände; einer nimmt ihn, wenn ihn der andere kaum hingelegt hat; hier bittet einer, dort zankt einer darum; kurz, diese Historie ist die allerunterhaltendste und unschädlichste Zeitverkürzung, die noch je erschienen ist, denn in dem ganzen Buche findet man nicht auch nur von weiten einen unanständigen Ausdruck noch einen Gedanken, der gegen die Religion wäre.« »Auf andere Weise schreiben«, sagte Don Quixote, »hieße auch nicht Wahrheit, sondern Lügen schreiben, und die Historiker, die sich der Lügen befleißigen, sollten, so wie die falschen Münzer, verbrannt werden. Ich begreife aber nicht, was den Autor bewog, sich der Novellen und fremden Erzählungen zu befleißigen, da er von mir so viel zu schreiben hatte! Es mag aber vielleicht auf ihn das Sprichwort passen: Wo man keinen Hafer findet, füttert man mit Häcksel; denn wahrlich, wenn er nur meine Gedanken, Seufzer und Tränen ausgedrückt hätte, meine guten Wünsche und Vorsätze, so hätte er daraus einen ebenso großen, ja größern Band machen können, als die gesamten Werke des Tostado nur immer ausmachen mögen. Soviel ich davon begreife, Herr Baccalaureus, gehört ein großer Verstand und ein reifes Urteil dazu, um Historien zu verfassen; Lustigkeiten zu sagen und Scherze niederzuschreiben, dazu gehört ein großes Genie. Die verständigste Figur der Komödie ist die des Tölpels; denn er muß es nicht selber sein, der uns zu verstehen gibt, er sei dumm. Die Historie ist eine fast heilige Sache, denn sie soll wahrhaftig sein, und wo die Wahrheit ist, ist Gott in Absicht der Wahrheit; aber trotz allem diesem gibt es jetzt Leute, die Bücher verfassen und von sich werfen, nicht anders, als ob sie Semmeln backten.«

»Doch gibt es kein so schlechtes Buch«, sagte der Baccalaureus, »worin nicht irgend etwas Gutes stände.«

»Das leidet keinen Zweifel«, versetzte Don Quixote; »es trifft sich aber oft, daß diejenigen, welche durch ihr Verdienst und durch ihre Schriften sich einen großen Ruhm erworben haben, ihn sogleich entweder ganz verlieren oder ihn doch sehr vermindert sehen, wenn sie ihre Werke der Presse übergeben.« »Die Ursache davon ist«, sagte Simson, »daß man die gedruckten Werke mit mehr Muße übersieht, wo denn die Fehler leichter zum Vorschein kommen, und man desto genauer kritisiert, je größer der Ruhm dessen ist, der das Buch verfaßt hat. Die durch ihr Genie berühmten Männer, die großen Poeten, die berühmten Geschichtschreiber werden immer oder doch meistenteils von denen beneidet, die sich ein Vergnügen und eine besondere Unterhaltung daraus machen, über die Schriften anderer zu urteilen, ohne selbst irgend etwas an das Licht zu stellen.«

»Dieses ist nicht zu verwundern«, sagte Don Quixote; »denn es gibt viele Theologen, die auf der Kanzel nichts taugen würden, die aber doch sehr gründlich die Fehler und Mängel derer, welche predigen, erkennen.«

»Alles dieses ist sehr wahr, Herr Don Quixote«, sagte Carrasco; »ich wünschte aber, daß dergleichen Urteilssprecher etwas mitleidiger und weniger ekel wären und nicht ihre Aufmerksamkeit zu sehr auf die kleinen Stäubchen eines glänzenden Werkes richteten, das sie bekritteln, denn si ›aliquando bonus dormitat Homerus‹, müssen sie auch erwägen, wie lange er wachte, um seinem Werke den Glanz und so wenig Schatten als möglich zuzuteilen. Es kann auch wohl der Fall sein, daß das, was ihnen mißfällt, ein Naturmal ist, das oft die Schönheit des Gesichtes erhöht, auf welchem es sich zeigt. Ich behaupte daher, daß derjenige das größte Wagestück unternimmt, der ein Buch von sich drucken läßt; denn unter allen Unmöglichkeiten ist die die unmöglichste, es so zu verfassen, daß es allen recht sei, die es lesen, und alle zufriedenstelle.«

»Dasjenige, welches von mir handelt«, sagte Don Quixote, »wird wohl nur wenige zufriedengestellt haben.«

»Gerade umgekehrt: denn da ›stultorum infinitus est numerus‹, so sind auch diejenigen unzählig, welche an dieser Historie Vergnügen finden. Einige darunter rücken dem Autor einen Mangel des Gedächtnisses vor, denn er hat zu erzählen vergessen, wer der Räuber war, der dem Sancho seinen Grauen stahl; denn dieses wird doch nicht deutlich, sondern man findet nur geschrieben, daß er ihm gestohlen wurde, und bald darauf finden wir ihn auf seinem eigenen Esel wieder beritten, ohne daß dieser zum Vorschein gekommen. Auch sagen sie, daß er das zu melden vergessen hat, was Sancho mit jenen hundert Goldstücken anfing, die er in dem Felleisen in dem Schwarzen Gebirge fand, denn sie werden niemals wieder erwähnt; und doch gibt es viele, die sehr gern wissen möchten, was er mit ihnen anfing oder wozu er sie brauchte, und dies ist einer von den wesentlichen Punkten, die dem Werke abgehen.«

Sancho antwortete: »Ich, Herr Simson, bin jetzt nicht gestellt, mich hier zu berechnen und zu verrechnen; mein Magen ist in der allergrößten Ohnmacht, und wenn ich nicht gleich etliche tüchtige Schlucke guten Wein zu mir nehme, so werde ich so dürr, daß man mich durch eine Nadel fädeln kann. Der Wein ist in meinem Hause, meine Alte erwartet mich; wenn ich gegessen habe, will ich wiederkommen und Euch und der ganzen Welt auf alle Eure Fragen antworten, sowohl über den Verlust des Esels wie über die Ausgabe der hundert Goldstücke.« Und ohne eine Antwort zu erwarten oder noch etwas hinzuzufügen, ging er nach seinem Hause. Don Quixote bat den Baccalaureus höflich, mit ihm vorliebzunehmen. Der Baccalaureus nahm die Einladung an und blieb. Zu den gewöhnlichen Gerichten wurden noch ein Paar Tauben hinzugefügt. Bei Tische sprach man von Rittersachen, und Carrasco gab dieser Laune nach. Der Schmaus war geendigt, sie schliefen die Sieste, Sancho kam zurück, und das vorige Gespräch wurde erneuert.

Cervantes: Don Quijote 2. Teil 6. Buch 3. Kapitel

Don Quijote entschließt sich zu einem neuen Aufbruch[Bearbeiten]

»Gibt es in diesem Buche sonst noch etwas zu verbessern, Herr Baccalaureus?« fragte Don Quixote. »Hin und wieder«, antwortete jener, »aber nichts von der Wichtigkeit der angeführten Fehler.« »Und vielleicht«, sagte Don Quixote, »verspricht der Autor einen zweiten Teil?« »Allerdings«, antwortete Simson; »er sagt aber, daß er ihn noch nicht gefunden habe, auch nicht wisse, wo er stecke, und darum sind wir ungewiß, ob er herauskommen wird oder nicht. Teils deswegen, teils auch, weil viele sagen, daß die zweiten Teile niemals etwas taugen, andere auch meinen, es sei nun genug von Don Quixotes Händeln geschrieben; auch zweifelt man, ob ein zweiter Teil kommen werde, obgleich andere, die mehr jovialisch als saturninisch sind, sagen: ›Nur mehr Quixoterien her; Don Quixote handle, und Sancho schwatze, es sei, was es sei, und wir wollen damit zufrieden sein.‹« »Und womit hält es der Autor?« »Damit«, antwortete Simson, »daß in demselben Augenblicke, in welchem er die Historie gefunden hat, die er mit großem Eifer sucht, er sie dem Drucke übergeben wird, mehr durch den Gewinn, den er daraus ziehen wird, als durch irgendeinen Ruhm bewogen.« Worauf Sancho ausrief: »Der Verfasser geht also nach Geld und Gewinst? Dann wär es ein Wunder, wenn es was Gutes würde; denn da wird es wohl nur heißen: ›Spute dich! Spute dich!‹, wie bei den Schneidern den heiligen Abend vor Ostern; was aber in solcher Eile gemacht wird, kann nie so vollkommen fertiggemacht werden, wie es sich gehört. Der Herr Mohr, oder was er sonst sein mag, sehe doch ja zu, was er tut; denn ich und mein Herr, wir wollen ihm so viele Zutat zu Abenteuern und mancherlei Begebenheiten in die Hände arbeiten, daß er nicht nur den zweiten Teil, sondern wohl den hundertstenschreiben kann. Der gute Mann muß gewiß denken, daß wir auf dem Strohe hier eingeschlafen sind; aber nein, wir lassen uns schon die Eisen schärfen, und bald wird man sehen, wie wir den Tanz nicht verlernt haben. Wenigstens kann ich das wohl sagen, daß, wenn mein Herr meinem Rate folgte, wir schon wieder im freien Felde wären, um Ungebühr aufzuheben und Ungeradheiten geradezumachen, so wie es bei den braven irrenden Rittern Gebrauch und Sitte ist.« Kaum hatte Sancho diese Worte zu Ende gesprochen, als sie das Wiehern des Rozinante vernahmen, welches Wiehern Don Quixote als eine glückliche Vorbedeutung annahm und sich entschloß, in drei oder vier Tagen einen neuen Auszug zu unternehmen. Er teilte dem Baccalaureus seinen Vorsatz mit und fragte ihn um Rat, nach welcher Gegend er seinen Zug richten solle, der ihm antwortete, daß er sich nach seiner Meinung in das Königreich Aragon begeben müsse, und zwar nach der Stadt Saragossa, wo man in kurzer Zeit beim Feste des heiligen Georg feierliche Turniere anstellen würde, in welchen er den Preis vor allen aragonischen Rittern davontragen könne, welches soviel heißt, als ihn über alle Ritter in der Welt erringen. Er lobte seinen Entschluß als den schönsten und ehrenvollsten, dabei riet er ihm aber, für sich selbst im Bestehen der Gefahren mehr Sorge zu tragen; denn sein Leben gehöre nicht ihm, sondern allen denen, die sein bedürften, damit er ihnen in ihrem Unglücke Beistand und Hülfe leisten könne.

»Das ist ja mein ewiger Verdruß, Herr Simson«, rief jetzt Sancho aus; »denn mein Herr greift hundert bewaffnete Kerle mir nichts, dir nichts an, wie sich ein vernaschter Junge an eine Tute Rosinen macht. Aber Sakkerment! Herr Baccalaureus, nicht wahr? es hat seine Zeit, anzugreifen, und es hat seine Zeit, sich zurückzuziehen! Da kann es nicht immer heißen: ›Eingehauen! und frisch drauf los!‹, besonders da ich mir habe sagen lassen – und wenn ich mich recht besinne, gar von meinem Herrn selber –, daß zwischen den beiden Äußersten der Feigheit und der Tollkühnheit die Tapferkeit in der Mitte stehe. Wenn dem nun so ist, so verlange ich nicht, daß er davonläuft, ohne zu wissen warum, daß er aber auch nicht angreift, wenn die Überzahl die Vernunft nötig macht. Vor allen Dingen sage ich meinem Herrn jetzt zur Nachricht, daß, wenn er mich mit sich nehmen will, es nur unter der Bedingung geschieht, daß er alles Scharmützeln allein über sich nimmt und daß ich zu nichts anderm verpflichtet bin, als für seine Person zu sorgen, ihn sauber zu halten und zu verpflegen, denn darin will ich ihn auf den Händen tragen; wenn er aber meint, daß ich die Hand an den Degen legen sollte, und wenn es auch gegen ganz pöbelhafte Spitzbuben in Jacke und Holzschuhen sein sollte, so hat er sich in seiner Meinung gänzlich verrechnet. Ich, Herr Simson, gehe nicht darauf aus, den Namen eines tapfern Mannes zu gewinnen, sondern ich will nur der beste und treuste Stallmeister heißen, der jemals einem irrenden Ritter diente; und wenn mein Herr Don Quixote, von meinen vielen und wackern Diensten dazu bewogen, mir eine von den vielen Inseln geben will, die man, wie er sagt, hierherum antreffen muß, so wird er mir damit eine große Gnade erzeigen; gibt er sie mir aber nicht, je nun, zur Welt kam ich, und der Mensch soll nicht von der Leberaaltät eines andern, sondern Gottes leben, und vielleicht schmeckt mir überdies das unstatthalterische Brot besser, als wenn ich ein Statthalter bin. Kann ich denn auch wissen, ob mir nicht bei der Statthalterei der Teufel ein Bein so derb unterschlägt, daß ich umfalle und mir die Zähne ausbreche? Sancho bin ich geboren, und Sancho will ich auch sterben; wenn aber doch so sachtchen sachtchen, ohne große Qual und große Gefahr der Himmel so eine Insel oder ein andres Ding der Art auf mich herabschneien sollte, so bin ich kein solcher Narr, daß ich es von mir stieße; denn man sagt ja auch: Wenn man dir schenkt die Kuh, so lauf mit dem Stricke zu, und klopft an deine Tür das Glück, so weis es nicht zurück.« »Freund Sancho«, sagte Carrasco, »Ihr habt da wie ein Magister gesprochen; aber bei alledem vertraut nur auf Gott und auf den Herrn Don Quixote, der Euch wohl ebensogern ein Königreich als eine Insel gibt.« »Mag es mehr sein, mag es weniger sein«, antwortete Sancho, »doch muß ich dem Herrn Carrasco sagen, daß mein Herr das Königreich nicht vor die Hunde werfen würde; denn ich habe mir selber an den Puls gefühlt und befinde mich gesund genug, Königreiche zu regieren und Inseln zu statthaltern; was ich auch meinem Herrn schon mehr als einmal gesagt habe.« »Bedenkt, Sancho«, sagte Simson, »daß die Ämter die Gesinnungen ändern und daß es möglich ist, wenn Ihr Statthalter werdet, daß Ihr die Mutter nicht wiederkennt, die Euch geboren hat.« »Das mag mit Leuten so gehen«, antwortete Sancho, »die hinter dem Zaune wachsen, aber nicht mit solchen, die über ihre Seele vier Finger dicken Speck von alten Christen sitzen haben, wie ich; ei ja, macht Euch nur an mich und seht, ob der Undank gegen jemanden in meinem Naturell steckt.« »Gott möge es fügen«, sagte Don Quixote, »und es wird sich offenbaren, sowie die Statthalterschaft kommt, die ich schon, wie es mir scheint, mit den Augen abreichen kann.« Er bat hierauf den Baccalaureus, im Fall er ein Poet sei, so gefällig zu sein, ihm einige Verse zu dichten, die den Abschied enthielten, den er von seiner Dame Dulcinea von Toboso zu nehmen gedächte, und daß er es beobachten möchte, daß jeder Vers mit einem Buchstaben ihres Namens anfinge, so daß, wenn diese heruntergelesen würden, Dulcinea von Toboso herauskomme. Der Baccalaureus antwortete, daß, ob er gleich keiner von den berühmten Poeten sei, die jetzt in Spanien lebten, deren nur drei und ein halber sein sollten, er dennoch diese Verse dichten wolle, ob sich gleich eine große Schwierigkeit in der Komposition zeige: denn der Name enthalte siebenzehn Buchstaben, wenn er also vier Kastellanen zu vier Versen mache, so bleibe ein Buchstabe übrig, mache er fünfversige Strophen, die man Dezimen oder Redondillas nenne, so fehlten drei Buchstaben; er wolle aber doch, so gut es sich tun lasse, einen Buchstaben zu verschlucken suchen, so daß in den vier Kastellanen der Name der Dulcinea von Toboso enthalten sei. »So muß es auf jeden Fall sein«, sagte Don Quixote; »denn wenn der Name nicht klar und deutlich ausgedrückt steht, so glaubt es durchaus keine Frau, daß die Verse auf sie gemacht sind.« So blieb es beschlossen, und auch daß die Abreise in acht Tagen vor sich gehen solle.

Cervantes: Don Quijote 2.Teil 6.Buch 4.Kapitel

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Sancho Pansa hält Gericht[Bearbeiten]

Sancho kam also mit seinem ganzen Gefolge in einen Ort, der ungefähr tausend Einwohner faßte und der einer der vornehmsten war, welche der Herzog besaß. Man machte ihn glauben, daß er die Insel Barataria hieße, vielleicht weil der Ort selbst den Namen Barataria führte. Als er sich den Toren der Stadt näherte, denn sie war mit einer Mauer umgeben, kam ihm der Magistrat entgegen, um ihn zu empfangen; man läutete die Glocken, alle Einwohner bezeigten eine außerordentliche Fröhlichkeit und führten ihn in großem Pomp zur Hauptkirche, um Gott Dank zu sagen; worauf sie ihm mit einigen lächerlichen Zeremonien die Schlüssel der Stadt übergaben und ihn zum beständigen Statthalter der Insel Barataria annahmen. Die Tracht, der Bart, die Dicke und Kleinheit des neuen Statthalters setzte alle Leute in Verwunderung, die um das Ding nicht wußten, und selbst diejenigen, welche den Zusammenhang kannten, welches nicht wenige waren. Endlich, nachdem man ihn aus der Kirche getragen, führten sie ihn zum Richterstuhl und setzten ihn hinein, worauf der Haushofmeister des Herzogs zu ihm sagte: »Es ist ein alter Gebrauch auf dieser Insel, Herr Statthalter, daß derjenige, der von dieser großen Insel Besitz nehmen will, verpflichtet ist, auf eine Frage zu antworten, die man ihm vorlegt und die etwas verwickelt und schwierig sein muß; aus der Antwort können die Einwohner den Geist ihres neuen Statthalters erraten und haben Gelegenheit, sich seiner Ankunft zu erfreuen oder sich zu betrüben.«

Indes der Haushofmeister dies dem Sancho sagte, betrachtete dieser eine Anzahl von großen Buchstaben, die seinem Stuhle gegenüber auf der Wand geschrieben standen, und da er nicht lesen konnte, fragte er, was die Malerei zu bedeuten habe, die sich dort auf der Mauer befinde. Jener antwortete: »Gnädiger Herr, dort steht der Tag geschrieben und angemerkt, an welchem Euer Gnaden Besitz von dieser Insel genommen hat, und die Inschrift sagt:

Am heutigen Tage, in dem und dem Monate und in dem und dem Jahre nahm der Herr Don Sancho Pansa Besitz von dieser Insel, deren er sich viele Jahre erfreuen möge.«

»Und wen nennen sie Don Sancho Pansa?« fragte Sancho.

»Euer Gnaden«, antwortete der Haushofmeister, »denn auf diese Insel ist noch kein anderer Pansa gekommen als derjenige, der auf diesem Stuhle sitzt.« »So merkt Euch das, Freund«, sagte Sancho, »daß ich kein Don habe, es auch noch keiner aus meiner Familie gehabt hat; Sancho Pansa heiße ich schlechtweg, und Sancho hieß mein Vater und Sancho mein Großvater, und alle waren Pansas, ohne sich mit Dons oder Dohnen einzulassen, und ich glaube fast, daß es auf dieser Insel mehr Dons als Steine gibt; aber schon gut, Gott versteht mich, und es kann sich wohl fügen, daß, wenn diese Statthalterschaft nur vier Tage dauert, ich diese Dons ausjäte, die ihrer Menge wegen so verdrüßlich sein müssen wie die Fliegen. Der Herr Haushofmeister mag jetzt nur seine Frage vorbringen, denn ich will sie beantworten, so gut ich kann, die Leute mögen sich nun darüber betrüben oder nicht betrüben.«

In demselben Augenblick traten zwei Menschen vor Gericht, der eine wie ein Bauer gekleidet und der andere wie ein Schneider, denn er hatte eine Schere in der Hand, und der Schneider sagte: »Herr Statthalter, ich und dieser Bauersmann treten vor Euer Gnaden, aus der Ursache, daß dieser gute Mann gestern in meinen Laden kam, denn ich bin mit der gütigen Erlaubnis aller Anwesenden, Gott sei Lob und Dank, ein Schneidermeister; er gab mir ein Stück Tuch in die Hände und fragte mich: ›Mein Herr, ist dieses Tuch wohl hinreichend, mir eine Mütze daraus zu machen?‹ Ich befühlte das Tuch und antwortete ja; er mußte wohl denken, wie ich denke und mit Recht denke, daß ich ihm ohne Zweifel ein Stück von dem Tuche stehlen wolle, welcher Gedanke von seiner Bosheit und aus der schlechten Meinung herrührt, die man von den Schneidern hat; er versetzte mir daher, ich möchte doch zusehen, ob es nicht für zwei genug wäre; ich erriet seine Gedanken und sagte ja, und er, auf seine verfluchte Einbildung versessen, fügte noch mehr Mützen hinzu, und ich fügte meine Jas hinzu, bis wir endlich bei fünf Mützen stehenblieben, und da er nun jetzt gekommen ist, um sie abzuholen, und ich sie ihm ausliefere, will er mir das Macherlohn nicht bezahlen, sondern fordert, daß ich ihm sein Tuch wiedergeben oder es bezahlen soll.«

»Ist dem allen so, Freund?« fragte Sancho.

»Ja, gnädiger Herr«, antwortete der Mann; »aber laßt Euch doch einmal die fünf Mützen von ihm zeigen, die er mir gemacht hat.« »Sehr gern«, antwortete der Schneider, und zugleich nahm er die Hand unter dem Mantel hervor und zeigte fünf Mützchen, die er auf seinen fünf Fingerspitzen sitzen hatte, und sagte: »Hier sind die fünf Mützen, die dieser Mensch von mir gefordert hat, und bei Gott und meinem Gewissen! mir ist von dem Tuche nichts übriggeblieben, und ich bin erbötig, die Arbeit von den Gewerkmeistern besichtigen zu lassen.«

Alle, die zugegen waren, lachten über die Menge der Mützen sowie über diesen neuen Prozeß. Sancho bedachte sich ein Weilchen und sagte dann: »Es scheint mir, daß bei diesem Prozesse keine weitläuftige Untersuchung nötig sei, sondern man kann ihn sogleich nach dem gesunden Menschenverstande zu Ende bringen, und daher spreche ich dieses Urteil, daß der Schneider sein Macherlohn verliert und der Bauer sein Tuch, die Mützen aber sollen den Gefangenen im Kerker abgeliefert werden, und damit gut.«

Wenn das vorige Urteil über den Geldbeutel der Hirten bei allen Gegenwärtigen Bewunderung erregte, so erregte dieses ihr Gelächter; es geschah aber doch, was der Statthalter befohlen hatte. Worauf sich zwei alte Männer vor ihn stellten, der eine hatte ein Rohr statt eines Stockes, und der ohne Stock sagte: »Gnädiger Herr, diesem ehrlichen Manne habe ich vor einiger Zeit zehn Dukaten in Gold geliehen, weil ich glaubte, ein gutes und christliches Werk damit zu tun, unter der Bedingung, daß er sie mir wiedergeben sollte, wenn ich sie fordern würde; es ist eine lange Zeit vergangen, ohne daß ich sie gefordert hätte, um ihn nicht in eine größere Verlegenheit zu setzen, wenn er sie mir wiedergeben müßte, als die gewesen war, als ich sie ihm lieh; da es mir aber endlich schien, daß er gar nicht ans Wiederbezahlen denke, habe ich sie einmal und dann mehrmals von ihm gefordert; und nicht allein gibt er sie mir nicht wieder, sondern er leugnet mir auch noch ab und sagt, daß ich ihm niemals diese zehn Dukaten geliehen hätte, und wenn ich sie ihm geliehen hätte, habe er sie mir schon zurückgegeben; ich habe nun keine Zeugen, daß er sie geliehen oder wiedergegeben, denn er hat sie mir noch nicht wiedergegeben; ich wollte nun Euer Gnaden bitten, ihm einen Schwur abzunehmen, und wenn er schwört, daß er sie zurückgegeben hat, so will ich sie ihm hier und jenseits geschenkt haben.«

»Was sagt Ihr dazu, alter Mann mit dem Stocke?« fragte Sancho.

Worauf der Alte sagte: »Ich, gnädiger Herr, bekenne, daß er sie mir geliehen hat; laßt nur Euren Stab nieder, da er doch auf den Schwur besteht, denn ich will schwören, daß ich sie ihm wiedergegeben und ihn ehrlich und wahrhaftig bezahlt habe.«

Der Statthalter ließ den Stab nieder, und indessen gab der Alte mit dem Stocke den Stock dem andern Alten, daß er ihn halten möchte, indes er schwöre, als wenn er ihm hinderlich falle, und sogleich legte er die Hand auf das Kreuz des Stabes und sagte, es sei wahr, daß jener ihm die zehn Dukaten geliehen habe, die von ihm gefordert würden, daß er sie ihm aber aus seiner Hand in die seinige gegeben habe und daß er sie nur aus Unbedacht zuweilen noch einmal von ihm fordere.

Als dies der große Statthalter sah, fragte er den Gläubiger, was er hierauf seinem Gegner zu antworten habe; worauf dieser sagte, daß sein Schuldner ohne allen Zweifel die Wahrheit sprechen müsse, denn er halte ihn für einen ehrlichen Mann und guten Christen, daß er es wohl nur vergessen habe, wie und wann sie bezahlt worden, und daß er ihn in Zukunft nicht mehr mahnen wolle. Sein Schuldner nahm hierauf seinen Stock wieder, verneigte sich und verließ den Gerichtssaal. Als dies Sancho sah, daß er mir nichts, dir nichts fortging, und auch die Geduld des Klägers bemerkte, ließ er den Kopf auf die Brust niederfallen, legte den Zeigefinger der rechten Hand an Nase und Augenbraunen und blieb so ein Weilchen sitzen, worauf er den Kopf wieder erhob und sagte, daß man den Alten mit dem Stocke rufen solle,der schon weggegangen war. Sie brachten ihn, und sowie ihn Sancho sah, sagte er zu ihm: »Gebt mir doch, lieber Mann, diesen Stock, denn ich will ihn brauchen.«

»Sehr gern«, antwortete der Alte, »hier ist er, gnädiger Herr«, und gab ihm denselben in die Hand; Sancho nahm ihn, gab ihn dem andern Alten und sagte: »Nun geht in Gottes Namen, denn Ihr seid bezahlt.«

»Ich, gnädiger Herr?« antwortete der Alte, »wie wäre denn dieses Rohr wohl zehn Dukaten wert?«

»Ja«, sagte der Statthalter, »ist es aber nicht, so bin ich der größte Klotz auf Erden, und nun soll man sehen, ob ich nicht Kopfs genug habe, um ein ganzes Königreich zu regieren«; worauf er befahl, daß man vor aller Augen das Rohr in Stücke brechen solle. Es geschah, und in der Höhlung desselben fand man die zehn goldnen Taler. Alle waren erstaunt und hielten ihren Statthalter für einen neuen Salomo. Man fragte ihn, woraus er denn geschlossen habe, daß sich in dem Rohre die zehn Dukaten befänden; und er antwortete, daß, als er gesehen habe, wie der Alte, welcher schwur, seinem Gegner während des Eides den Stock gab und hierauf schwur, daß er ihn wirklich und wahrhaftig bezahlt habe, und wie er nach dem Eide sich den Stock habe wiedergeben lassen, sei es ihm eingefallen, daß sich in diesem die verlangte Bezahlung befinden müsse; woraus man abnehmen könne, daß diejenigen, die regieren, wenn sie auch dumm sind, oft von Gott in ihren Urteilen gelenkt werden; daß er aber außerdem einen ähnlichen Fall von dem Pfarrer in seinem Dorfe habe erzählen hören und daß er ein so gutes Gedächtnis besitze, daß, um etwas nicht zu vergessen, woran er sich erinnern wolle, es wohl kein solches Gedächtnis auf der ganzen Insel gäbe. Der eine Alte ging nun beschämt, der andere bezahlt fort, und die Umstehenden blieben voll Verwunderung zurück; der aber, der die Reden, Taten und Begebenheiten des Sancho aufschreiben mußte, konnte nicht mit sich einig werden, ob er ihn für einen Dummkopf oder für einen Verständigen halten und darstellen sollte.

Cervantes: Don Quijote 2.Teil 9.Buch 12.Kapitel

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Don Quijote und Sancho Pansa kehren heim[Bearbeiten]

[...] sie zogen weiter, und am Eingange des Dorfes fanden sie auf einer kleinen Wiese den Pfarrer lesend und den Baccalaureus Simson Carrasco. Sancho Pansa hatte über den Grauen und den Bündel Waffen als Decke den wollenen Rock gebreitet, der mit Feuerflammen bemalt war und den sie ihm im Schlosse des Herzogs angezogen hatten, als Altisidora erweckt wurde. Die spitze Mütze hatte er dem Grauen auf den Kopf gesetzt, wodurch er ihn so abenteuerlich verwandelt und herausgeputzt hatte, daß man niemals einen ähnlichen Esel in der Welt gesehen hat. Sie wurden sogleich von dem Pfarrer und dem Baccalaureus erkannt, die ihnen mit offenen Armen entgegengingen. Don Quixote stieg ab und drückte sie an seine Brust, und die Jungen, welche Augen wie Luchse haben, hatten schon aus der Ferne die spitze Mütze des Esels wahrgenommen und liefen herbei, ihn zu sehen, indem einer zu dem andern sagte: »Kommt, Jungen, und seht den Esel des Sancho Pansa, der wie ein Engel aufgeputzt ist, das Vieh des Don Quixote ist aber noch dürrer, als es sonst war.«

Von den Jungen umringt und von dem Pfarrer und dem Baccalaureus begleitet, kamen sie im Dorfe an und begaben sich nach dem Hause des Don Quixote; vor der Tür desselben fanden sie die Haushälterin und seine Nichte, die schon die Nachricht von seiner Ankunft vernommen hatten. Es fehlte auch nicht, daß sie nicht schon Therese Pansa, die Frau des Sancho, gehört hätte, welche mit niederhängenden Haaren und halb nackt gelaufen kam, ihre Tochter Sanchica an der Hand, um ihren Mann zu sehen, und da sie ihn nicht so herrlich fand, wie sie glaubte, daß ein Statthalter aussehen müsse, sagte sie zu ihm: »So kommst du daher, Mann, zu Fuß und abgerissen, und siehst mehr wie ein Stadtknecht aus als wie ein Statthalter.«

»Schweig, Therese«, antwortete Sancho, »denn man findet an manchen Orten Schwarte, wo es drum keinen Speck gibt, wir wollen nach Hause gehen, und da sollst du Wunderdinge hören. Ich bringe Geld mit, das ist die Hauptsache, durch meinen Fleiß und ohne jemandes Schaden erworben.«

»Wenn du nur Geld mitbringst, liebster Mann«, sagte Therese, »mag es auch so oder so erworben sein, denn wenn du es nur erworben hast, so wirst du immer keine neue Mode in der Welt erfunden haben.«

Sanchica umarmte ihren Vater und fragte ihn, ob er ihr etwas mitbringe, denn sie habe auf ihn gewartet wie auf den Mairegen, wobei sie ihn um den Leib faßte und die Frau seine Hand nahm, die Tochter noch den Grauen führte und sie sich so nach Hause begaben, indem sie Don Quixote in dem seinigen ließen, in der Gewalt seiner Nichte und Haushälterin und in der Gesellschaft des Pfarrers und des Baccalaureus.

Don Quixote, ohne Zeit oder Gelegenheit abzuwarten, begab sich sogleich mit dem Baccalaureus und dem Pfarrer in ein besonderes Zimmer, wo er ihnen kürzlich seine Überwindung erzählte, und wie er in die Verpflichtung verfallen sei, sein Dorf während eines Jahres nicht zu verlassen, welches er auch buchstäblich erfüllen wolle, ohne nur ein Atom zu verletzen, wie es einem irrenden Ritter zieme, der durch das Gesetz der irrenden Ritterschaft zur äußersten Pünktlichkeit verpflichtet sei, daß er aber den Vorsatz gefaßt, sich während dieses Jahres zu einem Schäfer zu machen und in der Einsamkeit der Gefilde zu leben, wo er seinen verliebten Gedanken ganz ungehindert freien Lauf lassen könne, in der Ausübung der schäferlichen und tugendhaften Übungen; er bitte sie auch, wenn sie nicht sehr beschäftigt wären oder doch von wichtigern Dingen daran verhindert würden, seine Gefährten zu werden, denn er wolle Schafe kaufen, hinreichendes Vieh, um den Namen Schäfer führen zu können; wobei sie wissen müßten, daß das Vornehmste in dieser Sache schon geschehen sei, denn er hätte ihre Namen schon so schön ausgesonnen, daß man sie nicht besser wünschen könne. [...]

Das Schicksal wollte, daß seine Nichte und die Haushälterin das Gespräch der drei mit angehört hatten, wie daher jene fort waren, gingen sie beide zu Don Quixote, und die Nichte sagte zu ihm: »Was ist denn das wieder, Herr Oheim? Nun, da wir dachten, Ihr wärt in Euer Haus zurückgekommen, um ruhig und anständig zu leben, nun wollt Ihr Euch in neue Labyrinthe verwickeln und gar werden

Schäferlein, du, der du kommst,

Schäferchen, du, der du gehst?

O aber, wahrhaftig, dazu ist das Rohr zu alt, nun noch Pfeifen daraus zu schneiden.«

Die Haushälterin fügte hinzu: »Könnt Ihr es denn wohl auf dem Felde in der Hitze des Sommers, bei der Kälte des Winters und bei dem Heulen der Wölfe aushalten? Nein wahrhaftig, denn das ist ein Stand für starke und abgehärtete Menschen, die dazu fast von der Brust und von den Windeln aufgezogen werden: und soll ja ein Unglück sein, so ist der irrende Ritter noch besser als der Schäfer. Bedenkt Euch, gnädiger Herr, und nehmt meinen Rat an, denn ich gebe ihn nicht, da ich Brot und Wein übermäßig zu mir genommen habe, sondern ich bin ganz nüchtern, auch schon in meinem Alter über die funfzig hinaus; bleibt in Euerm Hause, verwaltet Euer Vermögen, geht oft zur Beichte, teilt den Armen mit, und ich will es auf mein Gewissen nehmen, wenn Ihr unrecht darin tut.« »Schweigt, meine Kinder«, antwortete Don Quixote, »denn ich weiß am besten, was mir obliegt; bringt mich zu Bette, denn es ist mir, als sei ich nicht ganz wohl, und seid überzeugt, daß, ich mag irrender Ritter oder ein Schäfer in der Irre sein, ich es nicht unterlassen werde, immer denjenigen beizustehen, welche meiner bedürfen, wie Ihr es durch die Tat sehen sollt.« Und die guten Kinder – denn dies waren sie wirklich –, Haushälterin und Nichte, brachten ihn zu Bett, wo sie ihm zu essen gaben und ihn so gut als möglich verpflegten.


Da alle menschlichen Dinge nicht ewig dauern, sondern sich stets vom ersten Anbeginn herunterneigen, bis sie ihr letztes Ende erreichen, vorzüglich das Leben des Menschen, und da Don Quixote vom Himmel kein Vorrecht hatte, das seinige im Laufe festzuhalten, so erreichte es auch sein Ende und seine Vollendung, als er es am wenigsten vermutete; denn sei es nun von der Melancholie, sich überwunden zu sehen, oder daß es der Himmel also verordnete, er bekam ein Fieber, welches ihn sechs Tage im Bette hielt, in welchem er oft von dem Pfarrer, dem Baccalaureus und dem Barbier, seinen Freunden, besucht wurde und Sancho Pansa, sein braver Stallmeister, nicht von seinem Bette kam. [...]

Kaum hatte sie Don Quixote gesehen, als er ihnen entgegenrief: »Freut Euch mit mir, Ihr lieben Herren, denn ich bin nicht mehr Don Quixote von la Mancha, sondern Alonso Quixano, welchem sein Betragen den Zunamen des Guten erwarb. Ich bin jetzt ein Feind des ›Amadis von Gallia‹ und der ganzen unzähligen Schar seiner Nachkommenschaft; jetzt sind mir alle die verwerflichen Geschichten von der irrenden Ritterschaft verhaßt; ich erkenne meine Torheit und die Gefahr, in welche mich ihre Lesung gebracht hat, und verabscheue sie jetzt, da mir Gottes Barmherzigkeit meine Sinne wiedergeschenkt hat.«

Als die drei dies hörten, glaubten sie, er sei ohne Zweifel wieder von einer neuen Torheit befallen. Simson sagte zu ihm: »Jetzt, Herr Don Quixote, da wir die Nachricht haben, daß die Señora Dulcinea wirklich entzaubert ist, kommt Ihr auf so etwas, und jetzt, da wir im Begriff stehen, Schäfer zu werden und ein Leben wie die Prinzen zu führen, wollt Ihr Euch gar zu einem Einsiedler machen? Schweigt doch um Gottes willen, besinnt Euch und laßt dergleichen Grillen fahren.«

»Diejenigen, die ich bis jetzt gehabt habe«, versetzte Don Quixote, »und die zu meinem Nachteile mir Wahrheiten schienen, wird der Tod durch Hülfe des Himmels zu meinem Besten kehren. Ich fühle, meine Herren, daß ich bald sterben muß, darum unterlaßt diese Scherze und bringt mir einen Beichtiger, vor dem ich beichten möge, und einen Notarius, damit ich mein Testament mache, denn in der Lage, in welcher ich mich befinde, muß der Mensch keinen Scherz mit seiner Seele treiben; ich bitte Euch also, daß, indem der Herr Pfarrer meine Beichte anhört, ein anderer nach einem Notarius gehe.«

Einer sah den andern an, über die Reden des Don Quixote verwundert, und ob sie gleich noch zweifelten, fingen sie doch an, ihm zu glauben, und eins von den Zeichen, aus welchem sie schlossen, daß er sterben würde, war, daß er sich so plötzlich aus einem Toren in einen Verständigen verwandelt hatte; denn er fügte zu den vorigen Worten noch so gut gesagte, so christliche und vernünftige hinzu, daß er ihnen dadurch alle Zweifel benahm und sie ihn für verständig erklären mußten. Der Pfarrer ließ die übrigen hinausgehen und blieb mit ihm allein, um seine Beichte zu hören. Der Baccalaureus ging nach dem Notarius und kam bald darauf mit diesem und mit Sancho Pansa zurück, welcher Sancho – der schon vom Baccalaureus den Zustand seines Herrn erfahren hatte –, da er die Haushälterin und die Nichte weinend fand, auch anfing, laut zu schluchzen und Tränen zu vergießen. Die Beichte war geendigt, und der Pfarrer kam heraus und sagte: »Er stirbt in Wahrheit, und in Wahrheit ist Alonso Quixano der Gute vernünftig; jetzt können wir alle hineingehen, damit er sein Testament mache.«

Diese Nachricht gab den geschwängerten Augen der Haushälterin, der Nichte und des Sancho Pansa, seines braven Stallmeisters, einen so gewaltigen Stoß, daß die Tränen aus den Augen sprangen und tausend tiefe Seufzer aus der Brust, denn in der Tat, wie schon einmal angemerkt ist, als Don Quixote Alonso Quixano der Gute schlechtweg hieß und auch als er Don Quixote von la Mancha war, war er immer von sanfter Gemütsart und von liebenswürdigem Umgange, weshalb er nicht nur in seinem Hause, sondern auch von allen seinen Bekannten geliebt wurde. [...]

Endlich erschien die letzte Stunde des Don Quixote, nachdem er alle Sakramente empfangen und mit vielen und nachdrücklichen Reden die Ritterbücher verwünscht hatte. Der Notarius war zugegen und sagte, er habe noch in keinem einzigen Ritterbuche gelesen, daß irgendein irrender Ritter auf seinem Bette so ruhig und christlich gestorben wäre wie Don Quixote, welcher unter den Klagen und Tränen aller, die sich zugegen befanden, seinen Geist aufgab; das heißt, welcher starb.

Als dies der Pfarrer sah, forderte er vom Notarius ein Zeugnis, daß Alonso Quixano der Gute, gewöhnlich nur Don Quixote von la Mancha genannt, aus diesem Leben gegangen und eines natürlichen Todes gestorben sei, welches Zeugnis er deswegen begehrte, um zu verhindern, daß nicht irgendein anderer Autor als Cide Hamete Benengeli ihn wieder fälschlich erwecke und unendliche Geschichten von seinen Taten schreibe.

Dieses Ende nahm der scharfsinnige Edle von la Mancha, dessen Geburtsort Cide Hamete nicht genau hat angeben wollen, damit alle Flecken und Dörfer in la Mancha miteinander streiten können, ihn zu dem ihrigen zu machen, wie die sieben Städte Griechenlands um den Homerus stritten. Wir übergehen hier die Klagen des Sancho, der Nichte und der Haushälterin des Don Quixote sowie die neuen Epitaphien auf seinem Grabmal, unter welchen ihm Simson Carrasco dieses setzte:

Allhier liegt der tapfre Degen, Der, zum äußersten geführet Von dem Mute, so verwegen, Daß ob ihm nicht triumphieret Selbst der Tod mit seinen Schlägen.

Gegen alle Welt so herrisch, Wie ein Popanz wild und störrisch Allen, ging in den Geleisen, Daß es wohl von ihm kann heißen, Er starb klug und lebte närrisch.

Und der verständige Cide Hamete sagt nun zu seiner Feder: »Hier sei an diesem Nagel und ehernen Haken aufgehangen, du, ich weiß nicht, ob gut geschnitten, ob schlecht gespitzt, meine Feder, wo du viele Jahre leben wirst, wenn nicht übermütige und schelmische Geschichtschreiber dich herabnehmen, um dich zu entweihen. Ehe sie dir aber nahe kommen, magst du sie warnen und ihnen zurufen, so gut du kannst:

Fort da, fort da, Schelmgesindel, Keiner soll nun mit mir schalten, Dieses Unternehmen, merkt euch, Ward für mich nur aufbehalten.

Für mich allein ward Don Quixote geboren und ich für ihn; er verstand zu handeln und ich zu schreiben; wir gehören beide einander an, trotz dem erdichteten und tordesudlerischen Schreiber, der es sich unterfing oder unterfangen wird, mit einer groben und schlecht geschnittenen Straußenfeder die Taten meines tapfern Ritters zu schreiben; denn es ist keine Last für seine Schultern und kein Gegenstand für seinen frostigen Geist, dem du sagen magst, wenn du ihn vielleicht kennenlernst, daß er nun im Grabe die müden und schon verwesten Gebeine des Don Quixote ruhen lasse und ihn nicht dem Tode zum Trotz nach Altkastilien schleppen möge, indem er ihn aus dem Grabe holt, in welchem er wirklich und wahrhaftig seiner ganzen Länge nach ausgestreckt liegt, so daß es ihm unmöglich fällt, eine dritte Reise und einen neuen Auszug anzustellen: denn um die Reisen lächerlich zu machen, welche so viele irrende Ritter angestellt haben, sind die zwei hinreichend, welche er zum Vergnügen und Wohlgefallen aller Menschen begann, die etwas davon hörten, nicht nur in diesen, sondern auch in fremden Reichen; und damit wirst du die christliche Pflicht erfüllen, daß du dem einen guten Rat gibst, der dir übel will, und ich bin alsdann zufrieden und vergnügt darüber, daß ich der erste war, der die Früchte seiner Schriften ganz so genoß, wie ich es wünschte, denn mein Wunsch war kein anderer, als bei den Menschen die erdichteten und unsinnigen Geschichten der Ritterbücher in Verachtung zu bringen, die durch meinen wahrhaftigen Don Quixote schon wanken und bald ohne allen Zweifel gänzlich fallen werden.«

Cervantes: Don Quijote, 2.Teil 11.Buch 8. und 9. Kapitel

Aufgaben zur Bearbeitung[Bearbeiten]

einfache Fragen[Bearbeiten]

Welche Episoden waren dir schon bekannt?

Welche findest du besonders witzig?

Wie ist das Verhältnis von Don Quijote zu Sancho Pana und umgekehrt?

Kennst du Romane, die ähnlich aufgebaut sind wie Don Quijote?

Aufgaben[Bearbeiten]

Vergleichen Sie die Struktur dieses Romans mit der von Kriminalromanen und Entwicklungsromanen.

Charakterisieren Sie die Rolle des Erzählers.

Erläutern Sie die Verschränkung der Handlungsebenen.

Welche persönlichen Erfahrungen Miguel de Cervantes sind in den Roman eingegangen?

Wie erklären Sie sich, dass Cervantes als spanischer Nationaldichter gilt?

Wie unterscheiden sich die Absichten des Herzogs und der Herzogin von denen des Pfarrers und des Barbiers?


Wie wirkt sich das auf das Verhältnis des Lesers zu Don Quijote und Sancho Pansaaus? Wie wird der Schluss vorbereitet?

Anmerkungen[Bearbeiten]

Linkliste[Bearbeiten]