Benutzer:Cethegus/Gestern war heute: Hundert Jahre Gegenwart

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Wikipediaartikel: w:Gestern war heute: Hundert Jahre Gegenwart

Behandlung des Romans von Klaus Dautel bei der ZUM

Über den Roman[Bearbeiten]

Gestern war heute: Hundert Jahre Gegenwart ist ein Roman mit autobiographischen Zügen von Ingeborg Drewitz, veröffentlich 1978. Er beschreibt die Geschichte einer Berliner Arbeiterfamilie von 1878 bis 1978 vor allem aus Sicht der Frauen und schildert den Wandel des Frauenbildes.

Inhalt[Bearbeiten]

Personen[Bearbeiten]

Urgroßmutter, Paul (ihr Sohn), Großmutter Alice (Lieschen, Tochter der Urahne) Großvater Gustav (Buchhalter), Mutter Susanne (Klavier) Vater (arbeitslos, Ingenieur), Gabriele (Gymnasium, Studium der Geschichte), Ulrike, ihre Schwester

Inhaltsangabe (kapitelweise)[Bearbeiten]

vgl. auch ZUM.de (Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet e. V.) Klaus Dautels deutlich ausführlichere Inhaltsangabe

1. Geburt: 1923: Gabrieles Geburt. Sicht der Urgroßmutter und des Vaters

2. Ich - was ist das?: 1926: Der Kiefernzweig als Baum. Streit der Eltern

3. Friede auf Erden: 1929: Weihnachten. Großvaters Bruder Bruno, der Nazi, zu Besuch, Vater bringt seine Mutter mit (auch sie ist Nazi), sie ist betrunken, stört die Feier, vom Großvater hinausgeworfen. (Aus der Sicht des Vaters und Gabrieles.) Bericht über Pauls Rußlanderfahrungen (wohl Bruder von Gustav).

4. Aber wir müssen uns wehren: 1933: Vater schimpft über Politik, tritt dann in Partei ein, um Arbeit zu bekommen. Stilles Einverständnis von Susanne und Gabriele, daß das falsch ist.

5. Wenn alles aufhört BIN ICH GANZ ALLEIN: 1936: Olympiade, der Großvater Gustav stirbt mit 64 Jahren, Beerdigung aus der Sicht Gabrieles, Verlust der kindlichen Geborgenheit. Arbeitstagebuch zum Roman (1): Selbstmord von Vaters Mutter, Susanne hilft Juden.

6. Sie weiß nicht, was das ist: Leben. Sie lebt: 1938: Treffen bei der Lehrerin, junger Mann geht mit ihr zurück, Liebe. Die Leute vom Baumschulenweg

7. Die Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen: Siegesfeier für den Sieg über Frankreich. Gabriele mit ihrem Freund in Grünau zum Baden. Vater wird wegen Nicht-Flaggens kurzfristig verhaftet und aus der Partei geworfen

8. Bild von den Pfauen: 1942: Gabriele fällt das Bild von werbenden Pfauen ein, das von Nachrichten über Krieg und Judenvernichtung zerstört wird. Sie arbeitet in der Fabrik, bekommt Nachricht, daß ihr Freund vermisst ist.

9. Ohren haben, die hören, Augen haben, die sehen: 1943: Vater schimpft im Luftschutzkeller auf Nazis, Angst, daß er denunziert wird.

10. Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?: 1945: militärischer Zusammenbruch, Professor sagt Gabriele, daß er ihre nazikritische Arbeit nicht bewerten darf. Kapitulation Berlins, Plünderung von Kunsthonigfabrik und Ölmühle, Sirup mit Händen vom Pflaster gegessen, Fleisch von toten Pferden in Zeitungen gewickelt. Am 8.5. Kriegsende stirbt die Urgroßmutter, Beerdigung; Vater wird bei Aufsuchen seiner alten Transformatorenfabrik kurzfristig verhaftet. Arbeitstagebuch (2): Nachkriegsnot. Gabriele sieht sich ganz fremd, weiß nicht, wer sie ist.

11. Lebensfest: 1946/47: Mit Gleichaltrigen Pläne für eine Zeitschrift, Lehramtskandidatin Ruth wird verhaftet, weil ihr Vater Fabrikbesitzer war. 12. Auf der Wetterkarte ein schöner Sommer: 1948: Gabrieles Heirat mit Jörg, Chemiker. Wohnen bei Jörgs Vater. Währungsreform gefährdet Zeitschrift. Johannes, der für Ideale, Jörg, der für Notwendigkeit von Geschäften spricht. Gabriele haßt ihn für seine Skepsis und dafür, daß er Recht behält. Währungsreform, Teilung Berlins und Blockade, Gabriele ist schwanger.

13. Soviel Lächeln auf blassem Fotopapier: 1949/51: Geburt Renates aus Gabrieles Sicht. Freude an Mutterrolle. Elternglück, Familenfoto der Großfamilie, das Uneinigkeit nicht zeigt. - Zweite Schwangerschaft. Gabriele kann Mutterrolle nicht mehr akzeptieren, will auch Ich sein. Ihr Zeitungskollege Johannes wird verhaftet, wieder in Freiheit will er gleich Brecht aufführen. Gabriele erfährt über ihn von Brecht, liest Mutter Courage. Vater findet Arbeit in Ostberlin. Gabrieles Selbstmordgedanken. Wenn Jörg von "wir" spricht, meint er Fabrik und Arbeitskollegen. Tod der Mutter. Ulrikes "Flucht" in den Westen. Unfall bei Magdeburg Arbeitstagebuch (3): Belastungen, Besuch bei Vater, der herunterkommt, Gottfried Benn Dichterlesung, Jörgs Erfolge als Betriebsrat. - Aufstand in Ostberlin 17.6.53, Ruth bekommt 25 J. Zuchthaus, Flüchtlinge aus der DDR, Gabriele wirft Schlaftabletten fort.

14. Auf dem Schüttelrost: 1954/57: Briefe Gabrieles, die mit den Kindern Jörg verlassen hat, um weiter Geschichte zu studieren. Ruth ist nach Stalins Tod freigelassen worden. Erst bei Gisela (die sie vom Zeitschriftprojekt her kennt), dann in Hannover. Gabrieles Bericht von Besuch bei Johannes (Regieassistent in DDR) und Ruth. Bericht von Examen, Fest und Vergewaltigung durch Teilnehmer an diesem Fest, Anstellung bei Hessischem Rundfunk, Jörgs Besuch in Frankfurt zur Weihnachtszeit, Bericht von der Arbeit und Fest ohne echten Kontakt. Cornelias Tod durch Unfall im Innenhof von Treppenhaus.

15. Defizite: 1957-61: Gabriele zieht mit Renate zu Jörg nach Berlin. Das neue Kind Claudia. Bei Ruth, jetzt Elektroingenieurin, u. Johannes. Als freie Mitarbeiterin für HR in Berlin. Ruth sagt am letzten Tag vor dem Mauerbau (13.8.61): "... wir müssen da für die Freiheit einstehen, wo sie gefährdet ist" (S.278)

16. Weil Mann und Frau fremd sind: 1961-67: Erinnerung an Augenblick auf der Schaukel, Kindergeburtstag, Renate lernt Geige. - Angebot Ludwigs für Weltreise. Tod des Vaters (S.296), Pauls Brief aus Rußland 1904 (Renate erbittet den Brief für sich.) Arbeitstagebuch(4): Studentenunruhen, Tod Benno Ohnesorgs 2.6.67

17. Wir haben geglaubt, es käme auf uns an: 1968: Renate: "Daß du lebst, als wärst du dir nicht so wichtig, das verstehe ich nicht. Davor habe ich Angst." Als Dutschke am Gründonnerstag erschossen wird, kommt Renate nicht nach Hause. Gabriele u. Claudia suchen sie bis zum nächsten Morgen, erfolglos. Renate wiederholt das letzte Schuljahr. Jörgs Vater, der "Vogel-Opa" stirbt. - 21.8. Panzer der Ostblockstaaten beenden den Prager Frühling.

18. Ausmessen, was bleibt: 1969: Vernissage von Gisela, der erfolgreichen Künstlerin. Gabriele ist neidisch und verachtet sie. Renate besteht Abitur. Fahrt von Gabriele und Jörg mit Zeitschriftenfreunden (Gisela, Ruth, Johannes) und Kindern nach Prag.

19. Sich rechtfertigen - vor wem? Sich anklagen - vor wem?: 1969-71: Renate verläßt die Familie mit unbekanntem Aufenthaltsort. Ludwig, der erfolgreiche Kollege am Hessischen Rundfunk, der Gabriele hatte überreden wollen, ihn auf einer Weltreise zu begleiten, hat nach der Reise Selbstmord begangen. G. trifft Renate wieder. Claudia ist darüber begeistert. Sie fragt ihre Eltern kritisch nach der Nazi-Zeit. G. besucht Renate in Wohngemeinschaft. Claudia lernt Cello. G. erlebt Renate auf einer polit. Versammlung.

Arbeitstagebuch (5): Ulrikes Besuch nach ihrer Scheidung nach der Ägyptenreise des Ehepaars. Besuch bei Ruth, die von ihrer Haftzeit erzählt, und bei Johannes. G. "notiert das langsame Auslöschen des Ich-Bewußtseins" (S.359). Jörgs Zusammenbruch, 6 Wochen am Tropf.

20. Als sähe sie in einen Spiegel: 1976/77: Bei Gefängnisbesuch als Gefangenenbetreuerin trifft G. Renate, die dort ihren Freund besucht hat. Aus Gespräch und Gedanken: "Der Satz taugt nicht: Sich selbst verwirklichen. (...) Wie wenige haben je ihr Leben zu eigen gehabt? Und auf wessen Kosten? [...] Wir arbeiten für die Emanzipation aller. Ein schöner Satz, der uns Europäer zur Herrschaft über die Welt ermuntert hat. Du weißt, was daraus geworden ist. Das widerlegt den Satz aber doch nicht!

Vielleicht haben wir nur den Gegensatz vergessen! Den Tod, der die Emanzipation aller wieder aufhebt." (S.369) (Renate:) "Sag, was sollen wir tun? Können wir denn immer nur predigen oder Bücher schreiben oder Sendungen machen oder Examensarbeiten? - Ich glaube das nicht: [...] Und da sagst du, wir dürfen den Tod nicht vergessen! Es wird doch so viel gestorben, hingerichtet, verhungert, verunglückt, und als wenn das nicht reichte, warten Atombomben, Sprengsätze, Giftgase, biologische Kampfstoffe. Ich hasse deinen Satz vom Tod. Er darf nicht wichtig sein!" (S.371) (Gabriele:) "Sie sagt nicht: Ohne den Tod mitzudenken, wird Emanzipation aller zur Rücksichtslosigkeit aller." (S.371)

Claudias Hochzeit, ihr Kind. - Renate, die zur Fußballweltmeisterschaft in Argentinien Flugblätter gegen die Folter verteilt "unbeachtet, angerempelt von denen, die in die Kaufhäuser drängen. Sie nickt ihnen zu." (S.375)

Unterrichtshilfen[Bearbeiten]

Reflexion zum Unterrichtseinsatz[Bearbeiten]

Der Roman zeigt den weiblichen Blick auf die Frauenrolle seit 1900 und auf Ehe, Selbstverwirklichung und Doppelbelastung seit den 50er Jahren. Darüber hinaus bietet er ein atmosphärisch dichtes Bild auf Alltag und Schlüsselerfahrungen recht unterschiedlicher Geschichtsepochen und bietet insofern ein besonders wichtiges Bildungserlebnis für junge Leser.

Allerdings ist er relativ lang und überfordert schon dadurch eine Reihe von Lesern, außerdem erfordern Erzähltechnik und das hauptsächlich weibliche Personal einiges Durchhaltevermögen.

Im Grundkurs spricht daher manches dafür, ihn nur ausschnittweise als Pflichtlektüre zu behandeln und sich auf die Anregung, alles zu lesen, zu beschränken.

Leserurteile mit Kurzanleitung zur Reflexion[Bearbeiten]

Meinung Hallo ihr Drewitz-Gequälten!

Ist euch schon mal aufgefallen, daß Inge in ihrem Buch die Rolle der Frau als unveränderbar darstellt? Irgendwie hinterläßt der Inhalt als persönlich interpretierte, allgemeine Aussage folgendes: Der Titel "Gestern war Heute" drückt in seinem Sinn doch aus, daß sich nichts ändert. Durch die Verwendung der Vergangenheitsform von "sein" (sorry, ich bin nur Grundkurs) wird doch betont, daß das Vergangene vor dem Geschehendem da war, oder vielleicht besser: da ist. Auch im Inhalt ahmen die Töchter die Fehler ihrer Mütter nach. Sie heiraten früh, bekommen Kinder und verbauen sich so eine selbstverwirklichende Karriere. Gabrieles Schwester verhält sich anders, ist letztendlich jedoch auch unglücklich mit ihrer gescheiterten, kinderlosen Ehe. Gabriele scheitert an ihrem Versuch, Beruf und Mutterrolle unter einen eigenen Hut zu bringen. Sie wird von Inge als sexgieriges Wesen dargestellt und kann ohne ihren Mann nicht leben. Das aber verhindert ihre Selbstverwirklichung und macht sie unglücklich mit ihrem Leben. Da nun in diesem Roman eine Frauengeschichte erzählt wird und da alle Versuche der Änderung scheitern, stellt sich folgende Frage: Sind nun alle Frauen, ob sie nun am Herd stehen und sich um die Kinder kümmern oder ob sie IHR Leben leben, dazu verurteilt, unglücklich zu sein? Das kann man sich gar nicht vorstellen. Daher ist mein Urteil vernichtend: Drewitz, so geht es nicht. Was hast du uns angetan?

Fragen:

Was ist der Unterschied zwischen "Heute ist Gestern" und "Gestern war Heute"? Welche Unterschiede zwischen den Frauen der verschiedenen Generationen werden deutlich? (8.12.2005)


Meinung: Zu bemängeln hätte ich Folgendes: In der "Subjektivität" der Erzählart findet auch ein offensichtlicher Konflikt mit der sog. Männerwelt seinen Niederschlag, den ich der Autorin persönlich zuschreibe. Psychische Androgynie wird nicht erwähnt, nicht einmal angedeutet. Gabrieles Welt wird unter diesem Aspekt auf "ICH WERDE/BIN" (die Frauen sind???) und DIE MÄNNER SIND reduziert. In einem Arbeitstagebuch (ich hab´ gerade leider nicht das Buch zur Hand, um zu sagen welches) wird der Austausch mit w:Gottfried Benn erwähnt, zu dessen Art sich auszudrücken ich markante Unterschiede entdeckt zu haben glaube: im Gegensatz zu Benns "Rönne"-Zyklus wird bei Drewitz die Ichfindung thematisiert (bei Benn: Ichverlust, ähnlich Kafka). Drewitz' Betrachtungsweise fällt sehr nüchtern und analytisch aus, während Benn zunehmend "impressionistischer" wird, sei es im Umgang mit Worten, sei es mit dem Dargestellten allgemein.

Fragen:

Lässt sich die Beobachtung an Benn/Kafka und andererseits Drewitz verallgemeinern? Versuchen Frauen Ichfindung und beklagen Männer Ichverlust? Was für einen Unterschied bedeutet Ichsuche im Gegensatz zur Klage über Ichverlust? (8.12.2005)