Benutzer:H.-P.Haack/Weltbemerkungen Thomas Manns.

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Ein Aphorismus ist der letzte Ring einer langen Gedankenkette.
(Marie von Ebner-Eschenbach 1880)

Thomas Mann[Bearbeiten]

  • Das Glück ist etwas ganz und gar Relatives und Persönliches; es ist „in euch“ oder es ist nicht in euch, aber daß es von außen kommen könne, wird bezweifelt. Ja, es wird bezweifelt, daß soziale Umstände das Glück zu fördern oder hintanzuhalten vermögen, daß der soziale Fortschritt das Glück auf Erden vergrößert hat. (Betrachtungen eines Unpolitischen (1918), S. 316)
  • Der Tod ist die Quelle aller Frömmigkeit und alles erhaltenden Sinnes. (Unordnung und frühes Leid (1925).)
  • Denn Liebe zum Meer, das ist nichts anderes als Liebe zum Tode. (Von deutscher Republik (1922).)
  • Das Volk ist absolut geistlos. Es hat nichts als die Gewalt, verbunden mit Unwissenheit, Dummheit und Ungerechtigkeit. (a. a. O. S. 366)
  • […], daß es nirgends mehr Neigung zur Trägheit gibt, als im niederen Volk, daß das Ideal absoluter Untätigkeit das Ideal der „arbeitenden Klasse“ ist. (a. a. O. S. 367)
  • Gleichheit ist ein fingierter und künstlicher Zustand, den man aufrecht erhält, indem man die wirkliche und natürliche Kräfteverteilung möglichst verleugnet und oberflächlich außer Kraft setzt. Gleichheit und Freiheit – aber das ist wohl allzu oft gesagt worden – schließen einander selbstverständlich aus. (a. a. O. S. 441).
Wirkliche und natürliche Kräfteverteilung meint Befähigung (d. h. Leistungswillen und konstitutionelle Intelligenz), oberflächlich außer Kraft setzt bedeutet die Gleichheit vor der Wahlurne. Der zweite Satz wird verständlich, wenn man für Freiheit Chancengleichheit setzt.
Ein passionierter Thomas Mann-Leser läuft Gefahr, in Folge der treffenden und entschiedenen Sprache Thomas Manns zum Demokratie-Skeptiker zu werden, besonders dann, wenn er an Kreativität dem gehässigen Mittelmaß um eine Nasenlänge voraus ist.
Nach 1922, in der Weimarer Republik, hat Thomas Mann in den Folgeauflagen von «Betrachtungen eines Unpolitischen» Kürzungen vorgenommen und sich halb und halb zu Republik bekannt → «Von deutscher Republik». In diesem Essay ist mehr von Deutschtum die Rede, als von Republik.
  • Gleichheit ist weder eine Tatsache noch eine Wünschbarkeit. (a. a. O. S.452)
  • Wer sich nicht wichtig nimmt, ist bald verkommen. (Joseph, der Ernährer (1943). Siebentes Hauptstück, Unterkapitel Ich will hin und ihn sehen.)
  • Man kann sich nicht kleiner machen, als man ist. (Leiden und Größe Richard Wagners, 1933.)
  • Jedes stärkere Leben erweckt sich Feinde. (28. Januar 1949 an Jonas Lesser, Wiener Schriftsteller (1895 - 1969))
  • Schicksal ist nur die Auswirkung des Charakters. (Leiden und Größe Richard Wagners, 1933). Orig.: Denn Schicksal ist ja nur Auswirkung des Charakters. Der Gedanke geht auf Herklit zurück: "Der Charakter des Menschen ist sein Schicksal.")
  • Wir erbittern uns am meisten über Beschuldigungen, die zwar falsch sind, aber nicht gänzlich. Die Geschichten Jaakobs (1933). Erstes Hauptstück, Unterkapitel Der Angeber.
  • Der intellektuelle Name für "Liebe" lautet "I n t e r e s s e". (Betrachtungen eines Unpolitischen (1918), S. 38)
  • Die Politik macht roh, pöbelhaft und stupid. Neid, Frechheit und Begehrlichkeit ist alles, was sie lehrt. (a. a. O. S. 244)
  • Ich will nicht die Parlaments- und Parteiwirtschaft, welche die Verpestung des gesamten nationalen Lebens mit Politik bewirkt. (a. a. O. S. 246)
  • Als ob Demokratie zum Imperialismus oder Kapitalismus irgendwie in Widerspruch stünde. (a. a. O. S. 349)
  • Das politische Denken ist nicht auf reine Erkenntnis der Wahrheit aus: es ist ein Zweck-Denken, vom Interesse gelenkt. (Dieser Krieg 1940)
  • Die Kunst steht mit der Tugend auf keinem guten Fuß. (a. a. O. S. 395)
  • Kunst bedeutet die Vertilgung des Stoffes durch die Form. (a. a. O. S. 291)
  • Jemand, der Kunst zu machen gewohnt ist, wird das Geistige, das Intellektuelle niemals ganz ernst nehmen, da seine Sache vielmehr von jeher war, es als Material und Spielzeug zu behandeln. (a. a. O. S. 396)
  • Ein Künstlertum, ohne jeden Einschlag von Scharlatanerie, ohne jede Neigung zu feminine Lüge, hat es vielleicht nie gegeben. (a. a. O. S. 175)
  • Den Künstler mit dem „Intellektuellen“ gleichzusetzen, ist demokratischer Humbug. (a. a. O. S. 396)
  • Kunst geht über das bloß Intellektuelle hinaus. Ihre geistige Freiheit beruht auf lebendiger Vieldeutigkeit und tiefer Unverbindlichkeit. a. a. O. S. 210, in der Form leicht verändert wiedergegeben.)
  • Die Kunst wird unmöglich, der Künstler wird unmöglich, wenn sie durchschaut sind. Betrachtungen eines Unpolitischen (1918), S.146)
  • Ironie aber ist immer Ironie nach beiden Seiten hin. (a. a. O., Kapitel Ironie und Radikalismus.)
  • Ein gutes Buch wird zusammen mit seinem Titel geboren. (Lotte in Weimar (1939). Achtes Kapitel. Orig.: Ein gutes Buch werde gleich zusammen mit seinem Titel geboren.)
  • Der Roman ist genauer, vollständiger, wissender, gewissenhafter, tiefer, als das Drama, in allem, was die Erkenntnis des Menschen an Leib und Charakter betrifft. (Versuch über das Theater (1908).)
  • Das Theater hat die Literatur nicht nötig, es könnte offenbar ohne sie bestehen. (a. a. O.)
  • Der Rang eines Theaters bestimmt sich danach, wie gut oder schlecht dort Komödie gespielt wird, - nicht danach, in welchem Maße es die Literatur begünstigt. (a. a. O.)
  • Was ist das Theater? Ein Brettergerüst. Du kannst darauf auf den Händen gehen oder ein unsterbliches Gedicht rezitieren. (a. a. O.)

Figuren Thomas Manns[Bearbeiten]

Die Trennung zwischen auktorialen Äußerungen Thomas Manns und den Sentenzen der Handlungsträger ist in der Unverbindlichkeit von Kunstfiguren begründet. Doch insgeheim enthalten deren Weltbemerkungen auch die Sichtweise Thomas Manns.

Buddenbrooks (1901)[Bearbeiten]

  • Aber das rechte Vertrauen der Welt gewinnt man erst, wenn man Hausherr und Familienvater ist. (Thomas Buddenbrook)
  • Eigentlich und bei Lichte besehen ist doch jeder Geschäftsmann ein Gauner. (Christian Buddenbrook)
  • Wenn das Haus fertig ist, so kommt der Tod. (Thomas Buddenbrook, ein türkisches Sprichwort zitierend.)
  • Aber Situation ohne Schamgefühl auszunutzen, das ist Lebenstüchtigkeit! (Thomas Buddenbrook)

Lotte in Weimar (1939)[Bearbeiten]

  • Ironie ist das Körnchen Salz, durch welches das Aufgetischte überhaupt erst genießbar wird. (Lotte in Weimar. Roman. 1939. Angeblich ein Goethewort, das Doktor Riemer in dritten Kapitel zitiert.)
  • [Lob des Dilettantismus:] Liebhaberei ist nobel, und wer vornehm ein Liebhaber. Dagegen gemein ist alles, was Gilde und Fach und Berufstand. Dilettantism! Über euch Philister! Ahndete euchs wohl je, daß Dilettantism ganz nah verwandt dem Dämonischen und dem Genie, weil er ungebunden ist und geschaffen, ein Ding zu sehen mit frischem Aug, das Objekt in seiner Reinheit, wies ist, nicht aber wie Herkommen will, dass mans sehe, und nicht wie der Troß es sieht, der von den Dingen, den psychischen und moralischen, immer nur ein Bild hat aus zweiter Hand. (Lotte in Weimar. Roman. 1939. Das siebente Kapitel. Aus dem inneren Monolog Goethes.)
  • Aber ein Vorrat, der zu Ende geht, und bei dem man auf den Boden sieht, das hat was Schreckhaftes, dazu darf man es gar nicht kommen lassen. (Goethe, a. a. O.)

Doktor Faustus (1947)[Bearbeiten]

  • Was von Gott kommt, das ist geordnet. (Kapitel VII, Adrian Leverkühn.)
  • Abtrünnigkeit ist ein Akt des Glaubens, und alles ist und geschieht in Gott, besonders auch der Abfall von ihm. (Kapitel XV, Adrian Leverkühn.)
  • Organisation ist alles. Ohne sie gibt es überhaupt nichts, am wenigsten Kunst. (Kapitel XXII, Adrian Leverkühn.)
  • Kunst ist Geist, und der Geist braucht sich ganz und gar nicht auf die Gesellschaft, die Gemeinschaft verpflichtet fühlen, - er darf es nicht, meiner Meinung nach, um seiner Freiheit, seines Adels willen. (Kapitel XXXI, Serenus Zeitblom.)
  • In der Kunst jedenfalls verschränken sich das Subjektive und Objektive bis hin zur Ununterscheidbarkeit. (Kapitel XXII, Adrian Leverkühn.)
Das begründet Suggestivität und Wirkung von Kunst. Große Kunst (literarische Sprachkraft) vermag Werte-Hierarchien zu verändern, sowohl zum Guten wie zum Bösen.
  • Der Künstler ist der Bruder des Verbrechers und des Verrückten. (Kapitel XXV, der Teufel.)
  • Als religiöser Mensch muß man sich fragen, ob die Welt wirklich das alleinige Werk eines gütigen Gottes ist oder nicht vielmehr eine Gemeinschaftsarbeit, ich sage nicht, mit wem. (Kapitel XIV , Schlafstroh-Gespräche.)
  • Kirche und Religion zu trennen, heißt darauf verzichten, das Religiöse vom Wahnsinn zu trennen. (Kapitel XIV , Schlafstroh)
  • Die Russen, sagte Deutschlin sentenziös, haben Tiefe, aber keine Form. Die im Westen Form, aber keine Tiefe. Beides zusammen haben nur wir Deutsche. (Kapitel XIV , Schlafstroh)
  • Das ist es ja gerade, daß heute sogar schon mit den Trieben Propaganda für allerlei Bindungsangebote gemacht wird, indem man nämlich auch sie noch mit einbezieht und den alten Idealismus mit Triebpsychologie aufputzt, damit der bestechende Eindruck einer größeren Wirklichkeitsdichte entsteht. Deswegen kann das Angebot doch noch Schwindel sein. (Kapitel XIV , Schlafstroh. Interpretation: Die Psychoanalyse betreffend)
  • Tatsache nun aber ist, daß wirklich Volk immer Volk bleibt. (Kapitel VI, der Gymnasialprofessor Serenus Zeitblom. In Kapitel XXX äußert Zeitblom: Es hat unsereiner ja seine Zweifel, ob jedermanns Gedanken die richtigen sind.)


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