Benutzer:Xenos/Matthäus 4

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Kommentierte Rückübersetzung der romanischen Bibelübersetzung von Rudolf Filli und Jachen Ulrich Gaudenz [[1]] ins Deutsche, zugleich eine erneuerte Sicht auf die Luther- und die Zürcher Bibel durch das Rätoromanische als Vertiefungssprache:

Matthäus 4

Jesus wird versucht

(1) Sodann wurde Jesus vom Geist in die Ödnis geführt, damit er vom Teufel[1] versucht[2] würde.

(2) Nachdem er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hatte er zum Ende hin Hunger.

(3) Und der Versucher nahte sich ihm und sprach: "Falls du der Sohn Gottes bist, so sprich, dass diese Steine Brot werden !"

(4) Aber er antwortete: "Der (wahre) Mensch[3] lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das hervorgeht von Gottes Mund."

(5) Daraufhin führte ihn[4] der Teufel in die heilige Stadt und stellte ihn auf den Giebel des Tempeldaches (6) und sagte ihm: "Falls du der Sohn Gottes bist, so wirf dich von oben herab ! Denn es steht geschrieben: Er wird seinen Engeln Anordnung geben im Blick auf dich. Auf ihren Handflächen[5] werden sie dich tragen, auf dass du dich nicht mit dem Fuss an einem Stein stösst".

(7) Jesus sagte ihm: "Und wiederum ist geschrieben: Versuche[6] nicht den Herrn, deinen Gott !"

(8) Von neuem führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit

(9) und sagte ihm: "Dies alles will ich dir geben, sofern du dich hinkniest vor mir und mich anbetest".

(10) Da antwortete ihm Jesus: "Geh weg von mir, Satan ! Denn es steht geschrieben: Bete an den Herrn, deinen Gott, und diene ihm allein."

(11) Auf das hin verliess ihn der Teufel, und siehe, Engel nahten sich ihm und schickten sich an ihm zu dienen.

Kommentar

  1. Das romanische diavel nimmt das griechische diabolos auf: der Teufel ist der Durcheinanderwerfer, die destruktive Macht, die Worte verdreht und auf Verlässlichkeit gegründete Beziehungen zerstört.
  2. Das von Rudolf Filli gebrauchte Verb tentar für versuchen ist de facto ausgestorben, wird aber noch vom Substantiv tentaziun verstanden. Das alte Verb tentar könnte etymologisch mit tender = spannen in Zusammenhang gebracht werden. Dann wäre die Versuchung der Akt des Teufels, mit dem er etwas spannt, z.B. ein Seil, an dem oder auf dem der Mensch zu Fall kommt. Dann wäre auch die Nähe zum lutherdeutschen anfechten gegeben, das ja den Teufel als den Fechter sieht, der den Menschen aus dem Gleichgewicht zu bringen versucht.
  3. Das altromanische crastian für Mensch bewahrt mit seiner Nähe zu cristian den altkirchlichen Gedanken (besonders bei Irenäus von Lyon; im 20. Jahrhundert von Gustav Wingren wieder aufgenommen), dass der Christ der wiederhergestellte Mensch des Paradieses ist, also der wahre, gottgewollte Mensch, der Mensch, der den Namen Mensch verdient.
  4. Der Wechsel von manar zu condüer fällt auf. Condüer hat in Verbindung etwa mit ün'armada auch eine militärische Note. Der Teufel führt Jesus mit sich mit wie einen Soldaten, dem er befehlen könnte.
  5. Die romanische Verbindung portar sün palmas d'man bringt, übersetzt mit auf den Handflächen tragen die Leichtigkeit des Tuns der Engel zum Ausdruck.
  6. Hier nun provar statt tentar. Könnte es auch heissen: Nu tentar il Segner ... ? Die theologische Frage steht im hintergrund: Kann Gott selbst versucht werden i.S. von angefochten ?