Benutzer Diskussion:C.Koltzenburg/Erlesnis

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Zur Hypothese "Aufseiten Literaturbewanderter im deutschsprachigen Raum besteht eine gewisse Scheu, sich über eigene Erlesnisse schriftlich zu äußern"[Bearbeiten]

„Auch mitten im heftigsten Affekt müssen wir uns von dem selbstleidenden Subjekt unterscheiden, denn es ist um die Freiheit des Geistes geschehen, sobald die Täuschung sich in völlige Wahrheit verwandelt. Wird das Mitleiden zu einer solchen Lebhaftigkeit erhöht, daß wir uns mit dem Leidenden ernstlich verwechseln, so beherrschen wir den Affekt nicht mehr, sondern er beherrscht uns. Bleibt hingegen die Sympathie in ihren ästhetischen Grenzen, so vereinigt sie zwei Hauptbedingungen des Erhabenen: sinnlichlebhafte Vorstellung des Leidens, mit dem Gefühl eigner Sicherheit verbunden […] Wer freilich auch nicht einmal dafür Sinn hat; an dem ist alle ästhetische Kraft des Großen und Erhabenen verloren.“ So long, --Edith Wahr (Diskussion) 16:31, 24. Sep. 2015 (CEST)[Beantworten]

Das kann er halten wie es ihm behagt, aber wenn ich eben just auf den hemmungslosen Affekt erpicht bin, werde ich mich hüten, ihn mir durch Erhabenheit und ästhetische Kraft verderben zu lassen.
Von wem stammt das Zitat eigentlich - Goethe, Nietzsche? Ich erinnere mich nicht mehr, ob Spengler auch die Künste in seine Zyklustheorie einbezogen hat, aber wenn, dann ist das Zitat sicher repräsentativ für ein bestimmtes Stadium. Wie war das noch gleich? Anfangs gestaltet sich der Kontakt bzw. die Auseinandersetzung mit dem Gegenstand spontan-naturwüchsig, später rational, noch später bürokratisch und schließlich dekadent, oder so ähnlich. Im ersten Stadium erfreut man sich ganz unbekümmert am Affekt, und Zeit und Geld sind bestens angelegt. Im zweiten tüftelt man die Ursachen der Wirkung aus und geht evtl. damit hausieren wie der da oben, das hat auch noch seinen Reiz. Im dritten weiß man schon alles und hebt nur noch lässig die Tafeln mit den Haltungsnoten. Im vierten Stadium schließlich werden zwar auch die finstersten und versifftesten Winkel des Tabus und des Nonsens noch umgeackert, aber Emotionen erregt selbst das nicht mehr. --Epipactis (Diskussion) 21:07, 24. Sep. 2015 (CEST)[Beantworten]
Warum meinst du, Edith Wahr, dass (allein?) Schillers Ästhetiktheorie der deutschen Klassik etwas mit weböffentlichem Schreiben über Literaturlektüre-Erkenntnisse im 21. Jahrhundert zu tun hat? Meinst du, Schillers Aussage macht die Hypothese uninteressant, falls ja, aus welchen Gründen wäre das denkbar? --C.Koltzenburg (Diskussion) 10:49, 26. Sep. 2015 (CEST)[Beantworten]
Ursachen der Wirkung austüfteln, wohl wohl, Epipactis; ohne das Reflektieren über das Erlebte kommt im Schreiben über Literatur kein Erlesnis in dem von mit eingeführten Sinne zustande. Vielleicht ist hier die Frage interessant, in welchem der von dir beschriebenen vier Stadien sich Wikipedia-Autoren* nun die Leser* ihres Artikels vorstellen? --C.Koltzenburg (Diskussion) 10:49, 26. Sep. 2015 (CEST)[Beantworten]
Nach meiner Erfahrung ist der Leser das, woran der Wikipediaautor am allerwenigsten denkt, und wenn doch, dann stellt er sich ihn wie Seinesgleichen vor. (Wobei mir der Ausdruck "Autor" zur Bezeichnung von Wikipediaschreibern auch überhaupt nicht schmeckt, aber das nur nebenbei.) Davon abgesehen habe ich die wirklichen Spenglerschen Stadien oben natürlich nur äußerst peripher, vielleicht auch überhaupt nicht getroffen, aber das ist ziemlich egal, denn irgendwelche Zyklen und Stadien sind Phänomene, die man eigentlich immer und überall auffinden kann, und die deshalb zur Grundausstattung aller Pseudowissenschaft und Prophetie gehören, weil man damit immer einen Verblüffungseffekt erzielen kann.
Viel interessanter scheint mir dein Postulat zur Reflektion: Ist sie für das Zustandekommen eines Erlesnisses denn wirklich zwingend notwendig? Kann ein Erlesnis nicht auch sozusagen spontan zustandekommen, z.B. mit einem Erlebnis zusammenfallen bzw. identisch sein? Du kennst ja mein diesbezügliches Misstrauen: Je mehr Reflektion, desto näherliegend die Tendenz zur Interpretation d.h. der Konstruktion. Vielleicht liegt darin auch eine Erklärung für die in der Überschrift genannte "Scheu": die einschlägig Bewanderten ahnen möglicherweise, dass es auf einen Spagat zwischen der als dilettantisch empfundenen Spontanität und der zwar sachverständigen aber eben deshalb eigentlich wertlosen Kopfgeburt hinausläuft. --Epipactis (Diskussion) 00:55, 27. Sep. 2015 (CEST)[Beantworten]
Deine Frage: "Kann ein Erlesnis nicht auch sozusagen spontan zustandekommen, z.B. mit einem Erlebnis zusammenfallen bzw. identisch sein?" ist sehr interessant. Dazu A. und B.:
A. Ich habe es bisher verneint, auch, weil es mir eigentlich nur um die schriftliche Darstellung von Erlesnissen ging (denn sonst können wir sie in Wikipedia-Artikeln nicht referieren). Dass ein Erlesnis höchstwahrscheinlich meistens zuerst in nicht-schriftlicher Form entsteht, war allerdings auch mir bisher klar. Bei den vier Essays in meiner Diss, die ich Interpretationen nenne, traten für mich meine "Erlesnisse" in Aktion (weswegen ich das Kapitel auch so nannte). Ich habe im Schreibprozess über meine Erlesnisse reflektiert und dann pro Werk diejenigen ausgewählt, die sich meinem Gefühl nach in einem Essay im Rahmen des Themas meiner Diss am besten argumentativ ausformulieren ließen. Soweit zu meinem bisherigen eigenen Vorgehen in Sachen Erlesnis, in Form gebracht.
B. Ob Erlebnis und Erlesnis in eins fallen können, wie wäre dies nachzuweisen? --C.Koltzenburg (Diskussion) 08:31, 27. Sep. 2015 (CEST)[Beantworten]