Die essayistischen Einschaltungen in Goethes «Dichtung und Wahrheit». 3.Teil.

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Dritter Teil. Elftes bis fünfzehntes Buch.


Es ist dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen.


Lebensklugheit

Der Mensch mag seine höhere Bestimmung auf Erden oder im Himmel, in der Gegenwart oder in der Zukunft suchen, so bleibt er deshalb doch innerlich einem ewigen Schwanken, von außen einer immer störenden Einwirkung ausgesetzt, bis er ein für allemal den Entschluß faßt, zu erklären, das Rechte sei das, was ihm gemäß ist.

Ziele

Unser Wollen ist ein Vorausverkünden dessen, was wir zu leisten imstande sind.

Eingeständnis

Als wenn jemand sich jemand ohne Selbstgefühl und Selbstgefälligkeit mitteilen könnte!

Die Kunst übertrifft die Wirklichkeit

Die höchste Aufgabe einer jeden Kunst ist, durch den Schein die Täuschung einer höheren Wirklichkeit zu geben. Ein falsches Bestreben aber ist, den Schein zu lange zu verwirklichen, bis endlich nur ein gemeines Wirkliche übrigbleibt.

Goethe bringt als Beispiel Rousseaus Drama Pygmalion: Wir sehen einen Künstler, der das Vollkommenste geleistet hat, und doch nicht Befriedigung darin findet, seine Idee außer sich, kunstgemäß dargestellt und ihr ein höheres Leben verliehen zuhaben; nein, sie soll auch in das irdische Leben zu ihm herabgezogen werden. Er will das Höchste, was Geist und That hervorgebracht, durch den gemeinen Akt der Sinnlichkeit zerstören.

Politische Freiheit

Das Wort Freiheit klingt so schön, daß man es nicht entbehren könnte, und wenn es einen Irrtum bezeichnen sollte.

Über künstlerische Freiheit an anderer Stelle:
Wer Großes will, muß sich zusammenraffen,
In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,
Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben. («Was wir bringen», 1802)


Zeitlosigkeit und Psychologie des Mythos

In der antiken Mythologie erkennt Goethe die abgespiegelte Wahrheit einer uralten Gegenwart und findet Menschenkunde im höheren Sinne im Mythos.

Die Kunst moralisiert nicht

Denn ein gutes Kunstwerk kann und wird zwar moralische Folgen haben, aber moralische Zwecke vom Künstler zu fordern, heißt ihm sein Handwerk verderben.

Zur Verbannung des Hanswurst von der Bühne durch Gottsched

Zum Bedauern Goethes hatte man versucht, das Theater dadurch nützlicher und sittsamer werden, als durch einen gewissen Halbgeschmack die lustige Person von der Bühne vertrieben ward, obwohl geistreiche Köpfe Möser und Lessing für sie einsprachen.

Behagen und Gewohntes

Alles Behagen am Leben ist auf die regelmäßige Wiederkehr der äußeren Dinge gegründet.

Poesie als weltliches Evangelium

Die wahre Poesie kündigt sich dadurch an, dass sie als ein weltliches Evangelium durch innere Heiterkeit, durch äußeres Behagen uns von den irdischen Lasten zu befreien weiß, die auf uns drücken.

Gottes Zurückhaltung

Am Ende laufe doch alles darauf hinaus, daß der Mensch auf sich zurückgewiesen wird, und es scheint, es habe sogar die Gottheit sich so zu dem Menschen gestellt, daß sie dessen Ehrfurcht, Zutrauen und Liebe nicht immer, am wenigsten nicht gerade im dringenden Augenblick erwidern kann.

Der Hintergrund von Polytheismus und Monotheismus

Die Titanen sind die Folie des Polytheismus, so wie man als Folie des Monotheismus den Teufel betrachten kann.

Zur Kunsttauglichkeit des Mythos

Es ist genugsam bekannt, daß die griechischen Götter und Helden nicht auf moralischen, sondern auf verklärten physischen Eigenschaften ruhen, weshalb sie auch vom Künstler so herrliche Gestalten anbieten.

Wissenschaftliche Medizin und praktizierte Heilkunst

Die medizinische Wissenschaft neige zu Polyhistorie und Pedanterie, die Praxis dagegen lasse sich ohne Empirie und Charlatanerie [1] nicht denken.

  1. Charisma des Arztes

Theatrum mundi

Eingestehen müsse man sich, daß das Absurde eigentlich die Welt erfülle.

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