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Kontrastive Syntax Deutsch-Englisch: Subjekte

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Überblick

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Subjekte sind die am häufigsten auftretenden Ergänzungen zu Verben. Fast jedes Verb hat ein Subjekt als Ergänzung; Ausnahmen sind wenige „unpersönliche“ Verben wie z.B. mich friert. Das Subjekt erscheint in der Regel jedoch nur im finiten Satz, nicht bei infiniten Verben.

Das Subjekt kann im Deutschen problemlos verschiedene Positionen einnehmen. Typisch für das Subjekt im Deutschen ist, dass es den Kasus Nominativ trägt. Hinzukommt, dass das finite Verb eines Satzes mit dem Subjekt in Person und Numerus übereinstimmen muss (Kongruenz). Der Subjektskasus ist von der finiten Verbform regiert. Wenn kein Nominativ zugewiesen werden kann, erscheint das Subjekt nicht. Daher fehlt das Subjekt im Infinitiv. Als letzte Eigenschaft wird das Subjekt als hierarchisch höchste Ergänzung des Verbs bezeichnet.

Für VO-Sprachen wie das Englische ist die Position des Subjekts leicht zu identifizieren. In einem Deklarativsatz besetzt das Subjekt die Position vor dem finiten Verb. Das Auftreten von Nominativsubjekten hängt an der Finitheit. Das finite Verb muss mit den Merkmalen des Subjekts übereinstimmen (Kongruenz in Person und Numerus).

Wenn man das Subjekt im Deutschen und im Englischen vergleicht, sind viele Gemeinsamkeiten im Bezug auf die Eigenschaften des Subjekts zu finden. Ein wichtiges Kriterium bei der Identifikation des Subjekts im Deutschen und im Englischen ist die Übereinstimmung des finiten Verbs mit dem Subjekt in Person und Numerus (Kongruenz). Oberflächlich betrachtet erscheinen auch die Positionen des Subjekts im Englischen und in einfachen deutschen Sätzen gleich, weil Subjekt, Verb und Objekt im Deutschen häufig in dieser Reihenfolge auftreten. Jedoch ist das Deutsche keine SVO-Sprache wie das Englische, und deutsche Sätze mit der Reihenfolge Subjekt-Verb-Objekt haben eine andere Herleitung als englische SVO-Strukturen. Aus der Arbeit von Haider (2010) ergibt sich, dass der Unterschied im Sprachtyp „OV“ (Deutsch) vs. „VO“ (Englisch) auch Auswirkungen auf Eigenschaften der Subjektposition hat.

Die Position(en) des Subjekts im Deutschen und im Englischen

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Subjektpositionen im Deutschen

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Scheinbare „SVO“-Sätze des Deutschen zeigen das Subjekt in Wirklichkeit im Vorfeld; die zugrundeliegende Subjektposition des Deutschen ist am linken Rand des Mittelfelds. Für die Betrachtung der zugrundeliegenden Subjektposition werden daher hier Nebensätze ohne Verbzweit verwendet.

Aufgrund der Wortstellungsfreiheit im Mittelfeld des deutschen Satzes kann das Subjekt an verschiedenen Stellen der Wortabfolge auftauchen. Allerdings ist die Positionierung auch nicht völlig frei. Die unterschiedliche Position zeigt vielmehr den Informationswert des Subjekts im Vergleich zu den übrigen Bestandteilen des Satzes an. Beispiele für freie Reihenfolge von Subjekt und Objekten im Mittelfeld:

(1)

       a. ...weil ja [Anna] [dieses Buch] gelesen hat.
       b. ...weil [Anna] ja [dieses Buch] gelesen hat.
       c. ...weil [Anna] [dieses Buch] ja gelesen hat.

(2)

       a. ...weil ja [Anna] [dieses Buch] gelesen hat.
       b. ...weil [dieses Buch] ja [Anna] gelesen hat.
       c. ...weil [dieses Buch] [Anna] ja gelesen hat. 

Phrasen mit bestimmten Informationswert (zum Beispiel Thema) können über eine bestimmte Art (Umstellungsregeln, das sogenannte "Scrambling") noch vor die eigentliche VP gesetzt werden; hierdurch gelangen sie vor das Subjekt. Diese Umstellung erkennt man daran, dass in der Interpretation Kontrasteffekte auftauchen, auch wenn sich die Intonation nicht verändert. Die Betonung soll in allen folgenden Beispielen stets auf dem Wort direkt vor dem Verb liegen, was den normalen Satzakzent des Deutschen darstellt (hier durch Großschreibung markiert). Die Idee des folgenden Tests ist also, dass diese Akzentstelle vor dem Verb nicht mehr als die neutrale Satzbetonung gedeutet werden kann, wenn nicht mehr die neutrale Wortfolge vorliegt:

       a. ...wenn Kritiker GEDICHTE interpretieren.
          (Nominativ < Akkusativ: neutrale Satzbetonung)
       b. ...wenn Gedichte KRITIKER interpretieren.
          (Akkusativ < Nominativ: kontrastive Betonung, „Kritiker im Gegensatz zu anderen Leuten")

In Satz b muss „Kritiker“ kontrastiv gedeutet werden, wogegen in Satz a kein solcher Effekt auftritt, hier handelt es sich um eine neutrale Aussage, die in jeden Kontext passt. Es wird gefolgert, dass die erste Variante die Grund-Wortstellung zeigt. Wie erwartet, ist der Nominativ hierarchisch höher als der Akkusativ.

Ein weiteres Beispiel mit dem Verb "gefallen" hat Nominativ- und Dativ-Ergänzungen:

       a. ...weil Linguisten FORmeln gefallen.           
          (Dativ< Nominativ : neutral)
       b. ...weil Formeln LINGUISTEN gefallen.
          (Nominativ < Dativ: kontrastiv, „ Linguisten im Gegensatz zu anderen Leuten“)

Nach diesem Kriterium ergibt sich, dass die Nominativ-Ergänzung einiger Verben im Deutschen hierarchisch tiefer steht als der begleitende Dativ oder Akkusativ, weil dies die neutrale Abfolge ist, und die sonst normale Reihenfolge „Nominativ vor Dativ/Akkusativ“ bei diesen Verben zu Kontrasteffekten führt. Laut Haider (2006) markiert die Betonung die Betonungsstelle des Gesamtsatzes, nicht die eines zu kontrastierenden Satzteils. Neutrale Satzbetonung fällt auf den am tiefsten eingebetteten Satzteil vor dem Verb in Endposition.

Das Verb gefallen liefert also ein Beispiel für ein Subjekt, das nicht hierarchisch höchste Ergänzung des Verbs ist.

Oberflächlich gibt es im Deutschen keine Garantie, wo man das Subjekt findet, weil gescrambelt werden kann. Zusätzlich zeigt der vorhergehende Betonungstest auch, dass verschiedene Verben verschiedene Grundreihenfolgen vorgeben. "Nom vor Akk" ist als Grundreihenfolge am häufigsten, aber nicht ausnahmslos. Im Deutschen hat das Subjekt daher keinen festen Platz - auch wenn man Umstellung durch Scrambling herausrechnet. Der Nominativ kann auch sehr tief in der VP stehen.

           VP
          /   \
         DP2    VP
    dem Subjekt /  \
              DP1    VP
                       /   \
                     DP     V'
                   nom      /  \
              das Objekt  DP     V'
                         dat    / \
                         t2    DP   V 0
                              akk    streitig
                              t1      macht

Subjektpositionen im Englischen

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Aufgrund der OV-Rektionsrichtung regiert das Verb im Deutschen das Subjekt, deswegen steht das Subjekt zusammen mit dem Verb und Objekt innerhalb derselben Phrase, nämlich der VP. Im Gegensatz dazu hat das Subjekt im Englischen eine feste Position im Satz. Das Verb regiert nicht das Subjekt und das Subjekt bleibt meistens nicht in der VP. Besonders ist vielmehr, dass im Englischen eine zusätzliche Phrase oberhalb der VP, die IP, vorhanden ist; dorthin (in den Spezifikator von IP) bewegt sich das Subjekt aus der VP heraus. Dazu ist I zuständig für den syntaktischen Ausdruck der Finitheit.

         IP
        /   \			
     XP       I'
     |       /   \
  Subjekt   I	   VP		
            |	   / \		
      Finitheit   V   ZP	
                  |    |
                Verb Objekt

Unterschiede zwischen deutschen und englischen Subjekten

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Das Subjekt im Englischen steht in IP, also dem Spezifikator eines funktionalen Kopfs (einer grammatischen Kategorie), im Deutschen jedoch in VP (einer lexikalischen Kategorie). Dieser Unterschied zeigt sich laut Haider (2010) unter anderem an zwei Effekten: Expletivpronomen und Extrahierbarkeit.

Extraktion aus einem Subjekt

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Im Deutschen gibt es viele Möglichkeiten bei der Extraktion aus einer Subjektposition, während es im Englischen offenbar ungrammatisch ist.

Der Grund nach der Annahme von Haider ist, dass „aus SpecV ‚lang‘ extrahiert werden darf, aus SpecI dagegen nicht.“ Weitere Erklärung wäre, dass im Deutschen I genauso wie V nach links regiert, während SpecI im Englischen nicht kanonisch regiert wird, nämlich I nach links, jedoch V nach rechts regiert. Merkwürdig ist, dass die Extraktion aus dem Subjekt, der eine als Genetivattribut funktionierte DP besitzt, nicht möglich ist. Die meisten Extraktionen sind aus PPs.

Expletive Subjekte

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Ein Expletiv ist ein Pronomen, das semantisch leer ist und ausschließlich aus syntaktischen Gründen verwendet wird.

Die Setzung eines Subjekts ist in einer VO-Struktur zwingend erforderlich. Wenn ein Subjekt nicht vorhanden ist, nimmt ein Expletiv die Position des Subjekts ein. Das Prinzip, die Subjektposition in jedem Fall zu schaffen, bezeichnet man als das EPP (Extended Projection Principle). Im Gegensatz dazu ist das Expletiv als Subjekt in einer OV-Sprache wie dem Deutschen nicht obligatorisch. Dies wird von Haider dadurch erklärt, dass im Deutschen, da es eine OV-Syntax hat, keine IP existiert, also entfällt der Zwang, den Spezifikator von IP zu füllen.

Dass das Auftreten von Subjekt-Expletiva mit der VO-Syntax des Englischen zusammenhängt, zeigt die skandinavische Sprache Norwegisch. Norwegisch ist ebenfalls VO, allerdings zugleich eine Verbzweit-Sprache. Anders als das Englische, aber genauso wie das Deutsche, erlaubt das Norwegische ein unpersönliches Passiv, anders als im Deutschen tritt aber ein Subjekt-Expletiv auf:

       a. Ofte vart det telefonert
          Oft wurde es telefoniert
                  CP
	         /  \
	       Ofte  C'
	            /  \
                  C0    IP
	         +V vart   /  \
		         DP    I'
		        det   /  \
                           I0[+fin] VP
			   t1  telefonert

In diesem Satz wird ein intransitives Verb in der Passiv-Struktur verwendet und die Subjekt-Position ist mit einem Expletivpronomen "det" lexikalisiert. Dieses Pronomen wird nicht vom Verb als solchem verlangt, sondern von der unpersönlichen Konstruktion, in die es gesetzt wurde. Es zeigt die Existenz eines Spezifikators von IP. Genau ein solches expletives Subjekt kann im Deutschen nicht gesetzt werden, weil es für das Subjekt gar keine IP gibt.

       b. Oft wurde (*es) telefoniert

Eine "funktionale Kategorie" (I) als Position des Subjekts verhält sich somit anders als VP-interne Subjekte.

Es gibt im Deutschen auch Subjekts-Pronomina, die „expletiv“ genannt werden, aber sie sind von anderer Art. Im folgenden Beispiel kann das Pronomen „es“ nicht weggelassen werden:

       c. Hat *(es) gestern geregnet? 

Dies ist aber kein Expletiv, das aus grammatischen Gründen gesetzt wird, um SpecIP zu füllen; es ist in der VP-internen Subjektsposition und fungiert eher als ein quasi-Argument. Der Hauptunterschied zum obigen Fall ist, das dieses „es" von diesem einzelnen Verb fest verlangt wird. Im Deutschen fehlen also genau nur die grammatischen Expletiva, die es im Englischen und Norwegischen gibt.


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