Kurs:Analysis I/Kapitel I: Das System der reellen und komplexen Zahlen/Komplexe Zahlen (§5)

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Definition 1[Bearbeiten]

Eine komplexe Zahl ist ein geordnetes Paar reeller Zahlen und , also . Dabei heißt der Realteil und der Imaginärteil von . Wir schreiben und . Zwei komplexe Zahlen und heißen gleich genau dann, wenn und gelten. Die Menge aller komplexen Zahlen nennen wir
.
Für zwei komplexe Zahlen erklären wir durch
(1)
eine Addition und durch
(2)
eine Multiplikation.

Bemerkungen[Bearbeiten]

Eine komplexe Zahl kann als Punkt im gesehen werden – also als Punkt in der Gaußschen Zahlenebene. Der Unterschied zwischen und besteht in den Verknüpfungsoperationen, die auf den jeweiligen Mengen erklärt sind – insbesondere in der komplexen Multiplikation. So meinen wir mit eben nicht nur die Menge aller geordneten Paare reeller Zahlen, sondern die Menge aller geordneten Paare reeller Zahlen mit ihren Verknüpfungen und gemäß (1) und (2). Analog verstehen wir unter die Menge aller geordneten Paare reeller Zahlen als Vektorraum über mit der Vektoraddition und der skalaren Multiplikation.

Hilfssatz 1[Bearbeiten]

Für alle gelten
(3) (additive Assoziativität)
(4) (additive Kommutativität)
(5) (multiplikative Assoziativität)
(6) (multiplikative Kommutativität)
(7) (Distributivität)

Hilfssatz 2[Bearbeiten]

Es gibt ein eindeutig bestimmtes Nullelement , so dass
(8)
für alle richtig ist.

Beweis[Bearbeiten]

Wir wählen

(9)

Da das Nullelement eindeutig bestimmt ist, gilt für alle die Identität

.

Mit (1) und (8) folgt dann

für jedes .

q.e.d.

Hilfssatz 3[Bearbeiten]

Zu jedem gibt es ein eindeutig bestimmtes additiv inverses (bzw. negatives) Element , so dass
(10) .

Beweis[Bearbeiten]

Sei . Dann wählen wir

(11)

und erhalten (10) mit (1) und den Eigenschaften von .

q.e.d.

Hilfssatz 4[Bearbeiten]

Es gibt ein eindeutig bestimmtes Einselement , so dass
(12)
für alle richtig ist.

Beweis[Bearbeiten]

“: Wir wählen

(13) .

Sei beliebig. Dann erhalten wir mit (2):

“: Sei nun , so dass

.

Dann ist eine Lösung des Gleichungssystems

(14) .

Für haben wir

und damit die eindeutige Lösbarkeit von (14) durch .

q.e.d.

Hilfssatz 5[Bearbeiten]

Zu jedem gibt es ein eindeutig bestimmtes multiplikativ inverses (bzw. reziprokes) Element , so dass
(15) .

Beweis[Bearbeiten]

“: Sei . Dann wählen wir

(16)

und berechnen mit (2):

.

“: Sei nun , so dass

.

Dann ist eine Lösung des Gleichungssystems

.

Wie im Beweis von Hilfssatz 4 erhalten wir für Eindeutigkeit und es folgt .

q.e.d.

Für schreiben wir auch

(17) und .

Satz 1[Bearbeiten]

Die Menge der rationalen Zahlen mit den Verknüpfungen und gemäß (1) und (2) bildet einen Körper (siehe Definition 1 in §1).

Definition 2[Bearbeiten]

Die Teilmenge
(18)
der komplexen Zahlen nennen wir die reelle Achse von .

Hilfssatz 6[Bearbeiten]

ist ein Unterkörper von , das heißt die Teilmenge der komplexen Zahlen bildet mit den Verknüpfungen und gemäß (1) und (2) einen Körper.

Beweis[Bearbeiten]

Da sich Assoziativität, Kommutativität und Distributivität automatisch übertragen, bleibt nur (a) die Abgeschlossenheit von bzgl. und sowie (b) die Existenz von Null-, Eins-, negativem und reziprokem Element in zu zeigen

(a) Seien . Dann gibt es zwei Zahlen mit und es ist

und

.

(b) Es gelten

und

sowie

und

.

Damit hat alle Eigenschaften eines Körpers.

q.e.d.

Mit der Abbildung

vermöge ,

welche bijektiv ist und

(i) für alle ,
(ii) für alle ,
(iii)

erfüllt, erhalten wir einen sogenannten Körperisomorphismus vom Körper in den Körper . Durch diesen können wir die reellen Zahlen mit der reellen Achse von identifizieren und somit in einbetten. In Zukunft identifizieren wir also mit , mit und mit .

Definition 3[Bearbeiten]

Sei eine komplexe Zahl. Dann nennen wir
(19)
die zu konjugiert komplexe Zahl und
(20)
den Betrag von .

Bemerkung[Bearbeiten]

Der Betrag einer komplexen Zahl entspricht dem Betrag des zugehörigen Vektors im .

Hilfssatz 7[Bearbeiten]

Für alle gelten die folgenden Aussagen:
(21) ,
(22) ,
(23) ,
(24) ,
(25) ,
(26) .

Definition 4[Bearbeiten]

Wir nennen
(27)
die imaginäre Einheit in .

Hilfssatz 8[Bearbeiten]

Es gilt
(28)
und für haben wir die Darstellung
(29) .

Beweis[Bearbeiten]

Wir berechnen

und

.

Satz 2 (Vollständigkeit von )[Bearbeiten]

Sei eine komplexe Cauchy-Folge, d. h. es gebe zu jedem eine natürliche Zahl , so dass für alle richtig ist. Dann existiert ein mit . Wir schreiben bzw. .


Satz 3 (Häufungsstellensatz in )[Bearbeiten]

Sei eine beschränkte Folge komplexer Zahlen, d. h. es gebe eine reelle Zahl , so dass für alle richtig ist. Dann gibt es eine Teilfolge und ein , so dass gilt.

Erklären wir im Raum

ein inneres Produkt durch die Setzung

(30) für .

In Verallgemeinerung der reellen Ungleichung von Cauchy-Schwarz aus Satz 4 in §1 wollen wir noch die Abschätzung

für alle

beweisen. Man kann so zeigen, dass für die komplexen Vektoren einen sinnvollen Abstandsbegriff bildet.

Satz 4 (Komplexe Ungleichung von Cauchy-Schwarz)[Bearbeiten]

Seien für . Dann gilt:
(31)

Beweis[Bearbeiten]

Mit den Beziehungen aus Hilfssatz 7 erhalten wir

,

woraus die behauptete Ungleichung folgt.

q.e.d.