Kurs:Analysis III/Kapitel V: Potenzialtheorie und Kugelfunktionen

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§1 Die Poissonsche Differentialgleichung[Bearbeiten]

Definition 1[Bearbeiten]

Mit
mit
bezeichnen wir die Gammafunktion.

Definition 2[Bearbeiten]

Sei eine offene Menge, so nennen wir die Funktion harmonisch in , falls sie der Laplaceschen Differentialgleichung
(1) für alle
genügt.

Definition 3[Bearbeiten]

Ein Gebiet , das den Voraussetzungen des Gaußschen Satzes aus Kapitel I, §5 genügt, nennen wir ein Normalgebiet im .

Definition 4[Bearbeiten]

Sei ein Normalgebiet. Wir erklären die Funktion
(2) mit
bzw.
(3) mit .
Hierbei ist für jedes feste die Funktion mit harmonisch in sowie aus der Klasse und es ist . Dann nennen wir eine Grundlösung der Laplacegleichung in .

Definition 5[Bearbeiten]

Eine Funktion auf der offenen Menge nennen wir reell analytisch in , wenn es für jeden Punkt eine für hinreichend kleines konvergente Potenzreihe
für mit
mit den reellen Koeffizienten für so gibt, dass
erfüllt ist.

Satz 1 (Analytizitätstheorem für die Poissongleichung)[Bearbeiten]

In der offenen Menge sei die reell analytische Funktion gegeben. Ferner sei eine Lösung der Poissonschen Differentialgleichung
Dann ist reell analytisch in .

Beweis[Bearbeiten]

Sei und , so stellen wir die Lösung durch die Grundlösung dar als

mit . Nun stellt das erste Integral auf der rechten Seite eine um den Punkt reell analytische Funktion dar. Es wurde gezeigt, dass auch das zweite Integral eine um den Punkt reell analytische Funktion liefert.

q.e.d.

§2 Die Poissonsche Integralformel mit ihren Folgerungen[Bearbeiten]

Definition 1[Bearbeiten]

In einem Normalgebiet sei eine Grundlösung gegeben. Diese nennen wir Greensche Funktion für das Gebiet , falls für alle die Randbedingung
(1) für alle
erfüllt ist.

Satz 1 (Poissonsche Integralformel)[Bearbeiten]

In der Kugel vom Radius im löse die Funktion die Poissonsche Differentialgleichung
mit der rechten Seite . Dann gilt für alle die Poissonsche Integraldarstellung
(2)
Dabei ist die Greensche Funktion

Beweis[Bearbeiten]

1. Wir setzen zunächst voraus. Dann gilt die Identität

Wir beschränken uns zunächst auf den Fall . Dann haben wir als Greensche Funktion

mit und .

Ist nun fest und beliebig, so berechnen wir

Diese Formel bleibt auch für richtig, wobei dann erfüllt ist. Wir beachten noch

bzw.

Es folgt schließlich

für alle und .

Wir erhalten somit die Poissonsche Integraldarstellung

2. Ist nun , so gilt nach Teil 1 des Beweises für alle die Identität

wobei die Greensche Funktion für bezeichnet. Für erhalten wir dann

für alle .

q.e.d.

Satz 2 (Harnacksche Ungleichung)[Bearbeiten]

Die Funktion sei in der Kugel mit harmonisch und es gelte für alle . Dann folgt
(3) für alle .

Beweis[Bearbeiten]

Wir nehmen zunächst an und können dann durch Grenzübergang die Ungleichung auch für Funktionen beweisen . Satz 1 entnehmen wir

Für beliebige mit und ist die folgende Ungleichung erfüllt:

Multiplizieren wir diese Ungleichung mit und integrieren anschließend über , so folgt

Die Mittelwerteigenschaft harmonischer Funktionen ausnutzend erhalten wir nun

bzw.

Hieraus ergibt sich

q.e.d.

Satz 3 (Liouvillescher Satz für harmonische Funktionen)[Bearbeiten]

Sei eine harmonische Funktion, welche für alle mit einer Konstante erfüllt. Dann folgt .

Beweis[Bearbeiten]

Wir betrachten die harmonische Funktion und stellen für alle fest. Die Harnacksche Ungleichung liefert somit

Für erhalten wir für alle und damit .

q.e.d.

Definition 2[Bearbeiten]

Sei ein Gebiet und eine stetige Funktion. Wir nennen schwach harmonisch (superharmonisch, subharmonisch), falls
für alle und mit einem gewissen richtig ist.

Satz 4 (Maximums- und Minimumsprinzip)[Bearbeiten]

Eine im Gebiet superharmonische (subharmonische) Funktion nehme in einem Punkt ihr globales Minimum (Maximum) an, d. h. es gilt
für alle .
Dann folgt
in .

Beweis[Bearbeiten]

Da durch subharmonische Funktionen in superharmonische übergehen, ist die Aussage nur für superharmonische Funktionen zu zeigen. Nun nehme die superharmonische Funktion ihr globales Minimum in einem Punkt an. Wir betrachten dann die nicht leere Menge

welche in abgeschlossen ist. Wir zeigen nun, dass auch offen ist. Ist nämlich ein beliebiger Punkt, so haben wir

für alle .

Somit folgt für alle mit . Folglich ist offen. Da nun ein Gebiet ist, sieht man durch Fortsetzung leicht für alle ein, d. h. es gilt .

q.e.d.

§3 Das Dirichletproblem für die Laplacegleichung im [Bearbeiten]

Satz 1 (Eindeutigkeitssatz)[Bearbeiten]

Seien zwei Lösungen des Dirichletproblems bei gegebenem und . Dann folgt
in .

Beweis[Bearbeiten]

Die Funktion gehört zur Klasse , ist insbesondere schwach harmonisch in und hat die Randwerte

für alle .

Es folgt in bzw.

q.e.d.

Satz 2 (Regularitätssatz)[Bearbeiten]

In einem Gebiet sei die schwach harmonische Funktion gegeben. Dann ist reell analytisch in und genügt der Laplacegleichung für alle .

Beweis[Bearbeiten]

Sei beliebig gewählt, so betrachten wir zu geeignetem die Kugel . In dieser Kugel lösen wir das Dirichletproblem

(1)

Es gilt nun in . Somit gilt und für alle . Nach §1, Satz 1 ist ferner reell analytisch in .

Definition 1[Bearbeiten]

Sei ein beschränktes Gebiet und eine stetige Funktion. Dann erklären wir die harmonisch abgeänderte Funktion
für alle und .

Definition 2[Bearbeiten]

Sei ein beschränktes Gebiet. Einen Randpunkt nennen wir regulär, wenn es eine superharmonische Funktion mit
und
für alle gibt. Ist jeder Randpunkt von regulär, so sprechen wir von einem Dirichletgebiet.

Satz 3 (Existenzsatz)[Bearbeiten]

Sei ein beschränktes Gebiet mit . Dann ist das Dirichletproblem
(2)
für alle stetigen Randfunktionen genau dann lösbar, wenn im Sinne von Definition 2 ein Dirichletgebiet ist.

Beweis[Bearbeiten]

“ Das Dirichletproblem sei für alle stetigen lösbar. Ist nun beliebig, so wählen wir und lösen zu diesen Randwerten das Dirichletproblem (2). Für die harmonische Funktion folgt nach dem Minimumprinzip

für alle .

Somit ist ein regulärer Randpunkt.

“ Sei ein Dirichletgebiet und ein beliebiger, regulärer Randpunkt. Dann gibt es eine zugehörige superharmonische Funktion gemäß Definition 2. Da stetig ist, existiert zu vorgegebenem ein mit für alle mit . Wir erklären nun

1. Die obere Barrierefunktion

sei gegeben. Offenbar ist superharmonisch in . Ferner gilt für eine beliebige Folge mit für

Also ist erfüllt.

2. Nun betrachten wir die untere Barrierefunktion

Sei beliebig gewählt. Für eine Folge mit für berechnen wir

Weiter ist superharmonisch in und es gilt in bzw.

für alle .

3. Für die harmonische Funktion

zeigen wir nun, dass stetig die Randwerte annimmt. Wegen 1. und 2. ist

für alle

erfüllt, d. h. es gilt

Beachten wir noch , so erhalten wir

für alle mit . Somit folgt

Also löst das Dirichletproblem (2) für die Randwerte .

q.e.d.

Satz 4 (Poincarébedingung)[Bearbeiten]

Ein Randpunkt ist regulär, wenn es eine Kugel mit und gibt, so dass erfüllt ist. Insbesondere sind dann beschränkte Gebiete mit regulärem -Rand Dirichletgebiete.

Beweis[Bearbeiten]

Indem man für die in harmonische Funktion

und für die harmonische Funktion

betrachtet, folgt unmittelbar die Behauptung.

q.e.d.

§4 Die Theorie der Kugelfunktionen: Fourierreihen[Bearbeiten]

Satz 1 (Fourierreihen)[Bearbeiten]

Das System der Funktionen
bildet ein vollständiges Orthonormalsystem, kurz v. o. n. S., im Prä-Hilbertraum ausgestattet mit dem in
(1)
angegebenen inneren Produkt.

Beweis[Bearbeiten]

1. Man rechnet leicht nach, dass das angegebene Funktionensystem orthonormiert ist, d. h. für alle und für alle mit . Es bleibt zu zeigen, dass dieses Orthonormalsystem von Funktionen vollständig im Prä-Hilbertraum ist. Es ist zu zeigen, dass für jedes ihre zugehörige Fourierreihe diese Funktion bezüglich der Hilbertraumnorm approximiert.

2. Sei also

beliebig gegeben. Wir setzen dann harmonisch in die Kreisscheibe

fort mittels

(2)

wobei wir gesetzt haben. Wir entwickeln nun den Poissonschen Kern wie folgt:

Die Reihe konvergiert hierbei lokal gleichmäßig für und . Nun gilt

und wir erhalten mit

Wir setzen schließlich

(3)

und

(4)

Damit erhalten wir in

(5)

die Fourierentwicklung einer in harmonischen Funktion.

3. Da stetig in ist, gibt es zu vorgegebenem ein , so dass

(6) für alle

richtig ist. Weiter können wir ein so wählen, dass

(7) für alle

erfüllt ist. Zu vorgegebenem finden wir also reelle Koeffizienten und , so dass für das trigonometrische Polynom

die Ungleichung

(8) für alle

richtig ist. Wir erhalten damit

(9)

Wegen der Minimaleigenschaft der Fourierkoeffizienten approximiert die zum angegebenen Funktionensystem zugehörige Fourierreihe die vorgegebene Funktion bezüglich der Hilbertraumnorm. Nun ist dieses Funktionensystem ein vollständiges Orthonormalsystem in .

q.e.d.

§5 Die Theorie der Kugelfunktionen in Variablen[Bearbeiten]

Definition 1[Bearbeiten]

Sei eine harmonische Funktion auf der Menge , welche homogen vom Grade ist, d. h.
für alle .
Dann heißt
eine -dimensionale Kugelfunktion oder auch sphärisch harmonische Funktion vom Grade ; hierbei bezeichnet
die -dimensionale Einheitssphäre im .