Kurs:Barrierefreiheit von Internetseiten/Sehbehinderung

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Mehr als 155.000 Deutsche sind blind. Laut Deutschem Blinden und Sehbehinderten-Verband sind rund 550.000 weitere Deutsche stark sehbehindert. Trotz ihres Handicaps zählen Menschen mit Sehbehinderungen zu den aktivsten Internetnutzern, doch beim Surfen durch das weltweite Datennetz lauern unzählige Barrieren.

Definition[Bearbeiten]

Von einer Sehbehinderung spricht man, wenn die Sehkraft beeinträchtigt ist, was auf eine verminderte Sehschärfe bzw. ein reduziertes Gesichtsfeld zurückzuführen ist. Man unterscheidet zwischen korrigierbaren und nicht korrigierbaren Sehbeeinträchtigungen. Die korrigierbaren wie z.B. die Weitsichtigkeit und Kurzsichtigkeit, lassen sich weitgehend mit einer Brille oder mit Kontaktlinsen beheben. Die nichtkorrigierbaren Seheinschränkungen sind häufig angeboren bzw. das Resultat einer Erkrankung oder eines Unfalls. Vereinfacht dargestellt gilt derjenige:

  • als sehbehindert, der auf dem besseren Auge (trotz Sehhilfe) nur noch über ein Sehvermögen von maximal 1/3 (33 %) verfügt.
  • als hochgradig sehbehindert, der auf dem besseren Auge nur noch über Sehvermögen von maximal 1/20 (5 %) sieht.

Kennzeichen[Bearbeiten]

  • Sehbeschwerden, wie verschwommenes, unscharfes Sehen, Schwierigkeiten beim Sehen in die Ferne, beim Beobachten oder beim Lesen
  • Organauffälligkeiten, wie Augenzittern, Augenrollen, Schielen
  • Scheinbares Vorbeisehen an einem feststehenden Objekt
  • Keinen Blickkontakt aufnehmen können
  • Verschlafener Blick
  • Beinträchtigung von Bewegungen, wie Anstoßen, Stolpern, Danebengreifen, Fehltritte
  • Schiefe Kopfhaltung
  • Gebrauch nur eines Auges
  • Blinzeln
  • Erhöhte Blendempfindlichkeit
  • Häufiges Augenreiben, Rötung oder Tränen der Augen
  • Kopfschmerzen oder schnelle Ermüdung bei Aufgaben, die Anforderungen an das Sehen stellen
  • Auffallend schlechte Handschrift

Benachteiligung im Internet[Bearbeiten]

Die größten Barrieren sind für sehbehinderte Menschen nicht verstellbare Schriftgrößen. Besonders problematisch ist der Einsatz von Schriftgrafiken, da diese in den meisten Browsern nicht vergrößert werden können oder bei der Skalierung an Schärfe verlieren und daher kaum lesbar werden. Barrieren können auch nicht verstellbare Hintergrund- und Schriftfarben sein. Farben sollten individuell einstellbar sein, weil sehr helle, weiße Farbflächen blenden und blendempfindlichen Menschen invertierte Farben bevorzugen. Wenn die Kontrasten innerhalb von Bilder oder zwischen Text und Hintergrund schlecht sind, kann der Inhalt von sehbehinderten Menschen nicht erkannt werden. Oft wird die Farbe Rot zu Markierung wichtiger Bereiche eingesetzt. Rot-grün-blinde Nutzern sind aber nicht in der Lage, die Farben Rot und Grün zu unterscheiden. Inhalte können für sehbehinderte Nutzer verschwinden, wenn in Frames das Scrollen unterbunden wird. Nach der Vergrößerung von Schriften passt häufig ein Teil der Navigation nicht mehr in den Frame mit festgesetzter Größe. Wenn das Scrollen nicht möglich ist, hat der Nutzer keinen Zugang zu den nicht mehr dargestellten Navigationspunkten.

Helferlein[Bearbeiten]

Sehbehinderte verwenden wie Blinde textorientierte Browser wie Lynx oder Hilfsprogramme wie Screenreader oder Screen Magnifier. Sie bekommen den Text per Sprachausgabe vorgelesen oder ertasten ihn mit einer Braillezeile. Information in Bildern oder Animationen bleibt blinden Menschen also verschlossen. Sehbehinderte sind bei einer Navigation, die aus Bildern, Java-Applets oder Flash-Objekten besteht, benachteiligt.

Lynx[Bearbeiten]

Lynx-Browser in Gnome

Lynx ist ein textbasierter Webbrowser, der um 1992 an der Universität von Kansas unter Unix entwickelt wurde, aber inzwischen für fast alle Betriebssysteme verfügbar ist. Textbrowser sind im Vergleich zu ihren grafikbasierten Konkurrenten sehr schnell und eignen sich gut, um Internetseiten auf ihre Lesbarkeit mittels Screenreader zu überprüfen.

Braillezeile[Bearbeiten]

Die Braillezeile ist ein Ausgabegerät für Computer und eine Erweiterung der Tastatur. Sie stellt die Zeichen, die sich auf dem Bildschirm befinden, in Brailleschrift dar. Auf diese Weise können Blinde und hochgradig Sehbehinderte selbstständig am Computer arbeiten. Die Funktion der Brailleschriftdarstellung basiert auf dem piezoelektrischen Effekt speziell gezogener Kristalle, die sich beim Anlegen einer elektrischen Spannung verbiegen und damit dann einen Stößel als Punkt aus einer Fläche herausragen lassen, elektronisch gesteuert, um die Zeichen in Blindenschrift aufzubauen. Die Benutzer können mit ihren Fingerkuppen die Zeichen abtasten.

Produkte[Bearbeiten]

  • ALVA 584 Satellite Pro, ALVA 570 Satellite Pro Braille-Terminal
  • BM 80, BMS IV Jumbo, BMS IV Mini
  • BRAILLEX EL 2D - 80s
  • Braille Voyager 70, Braille Window Modular 84, Braille Star 80
  • BRAILLOTERM32 40+5 / 80+5
  • Focus 80
  • HT Modular 80
  • InfoDot 80p, InfoDot 80ps
  • Modular Evolution 64, Modular Evolution 88
  • PEGASUS 82/8 CR
  • ProfiLine
  • SuperVario64, SuperVario80
  • VarioPro64, VarioPro80

Screenreader[Bearbeiten]

Ein Screenreader oder Bildschirmleseprogramm ermöglicht Blinden und Sehbehinderten eine alternative Benutzerschnittstelle anstelle des Textmodus oder anstelle einer grafischen Benutzeroberfläche. Ein Screenreader vermittelt die Informationen, die gewöhnlich auf dem Bildschirm ausgegeben werden, mithilfe nicht-visueller Ausgabegeräte. Die Bedienelemente und Texte werden dabei mittels Sprachsynthese akustisch zumeist über eine Soundkarte oder taktil über eine Braillezeile wiedergegeben. Screenreader ermöglichen das Lesen und Bedienen von Webseiten. Visuelle Inhalten, wie Grafiken, Animationen oder Videos werden mittels ihres Alternativtexts vorgelesen. Voraussetzung ist jedoch die barrierefreie Gestaltung einer Webpräsenz.

Programme[Bearbeiten]

  • Blindows
  • COBRA
  • HAL
  • JAWS
  • Supernova
  • Virgo
  • Window Eyes
  • NonVisual Desktop Access
  • System Access
  • Thunder
  • Orca (Screenreader) für GNOME
  • Fire Vox (für Firefox)
  • Webformator (für Internet Explorer)
  • Spoken Web

Screen Magnifier (Bildschirmlupe)[Bearbeiten]

Ein Screen Magnifier stellt einen Teil der Darstellung auf dem Bildschirm vergrößert dar. Das bedeutet, dass der Benutzer immer nur einen kleinen Teil des Bildschirms wahrnehmen kann. Ist er zum Beispiel auf eine 4fache Vergrößerung angewiesen, so sieht er nur 1/16 des Bildschirms zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Programme[Bearbeiten]

Magnifier 3.2 vergrößert den eigenen Quelltext
  • Galileo
  • Dolphin Lunar
  • DesktopZoom
  • Lightning
  • MAGic
  • Magical Glass
  • Magnifixer
  • Mobile Magnifier
  • ScreenTools
  • Super Magnify
  • The Magnifier
  • Virtual Magnifying Glass
  • WinMobile Lens Pro
  • Zoom+
  • ZoomText
  • Compiz Fusion Screen Magnifier Plugin

Tipps für Webmaster[Bearbeiten]

  • Keine Bilder in der strukturellen Gestaltung
  • Alternativ-Text zur Beschreibung von Bildern oder Grafiken

Schlecht:

<img src="bildname.jpg" />

Besser:

<img src="bildname.jpg" alt="Beschreibung zum Bild" />
  • Einsprachigkeit, damit der Screenreader keine Schwierigkeiten beim Vorlesen hat
  • Keine Fremdsprachliche Begriffe, die vom Screenreader eingedeutscht vorgelesen werden
  • Keine Layouttabellen. Tabellen werden von recht nach links und von oben nach unten vorgelesen, wobei man bei langen oder nicht beschrifteten Tabellen leicht den Überblick verliert

Schlecht: Beispiel

<table width="860" border="0" align="center" cellpadding="10" cellspacing="10">
  <tr>
    <td height="100" colspan="2" valign="top" bgcolor="#ffff00">Kopf</td>
  </tr>
  <tr>
    <td width="180" valign="top" bgcolor="#ffcc00">Navigation</td>
    <td height="200" valign="top" bgcolor="#ffffc6">Inhalt</td>
  </tr>
  <tr>
    <td height="50" colspan="2" valign="top" bgcolor="#ff0">Fuss</td>
  </tr>
</table>

Besser: Beispiel

<style type="text/css">
html, body, div, h1, h2, h3, h4, h5, h6, ul, ol, dl, li, dt, dd, p, blockquote, pre, form, fieldset, table, th, td { margin: 0; padding: 0; }
div#wrapper { margin: 0 auto; padding: 10px; width: 840px; }
div#header { background: #ffff00; height: 80px; margin-bottom: 10px; padding: 10px; }
div#nav { background: #ffcc00; float: left; height: 180px; margin-bottom: 10px; padding: 10px; width: 180px; }
div#content { background-color: #ffffc6; float: right; height: 180px; margin-bottom: 10px; padding: 10px; width: 610px; }
div#footer { background-color: #ff0; clear: both; height: 30px; padding: 10px; }
</style>

<div id="wrapper">
  <div id="header"><p>Kopf</p></div>
  <div id="nav"><p>Navigation</p></div>
  <div id="content"><p>Inhalt</p></div>
  <div id="footer"><p>Fuss</p></div>
</div>
  • Genaue Bezeichnung von Frames (siehe Frames)
  • Klare, siche wiederholende Navigation
  • Informieren bei Pop-Up-Fenstern
  • Sinnvoller Einsatz von Farbe, Text und Grafiken
  • Starker Kontrast für Farbenblinde (aber: Schwarz-Weiss-Kontrast blendet, optimal: gelber Text auf (dunkel-) blauen Hintergrund)

Barrierefreiheit im Gesetz[Bearbeiten]

Dies wird seit 2002 berücksichtigt durch das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetzt - BGG) vom 27.04.2002, ergänzt durch die Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung - BITV) vom 17.07.2002.

Was ist Barrierefreiheit?[Bearbeiten]

Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.

§ 4 Barrierefreiheit - Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetzt - BGG)

Was bedeutet behindert?[Bearbeiten]

Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.

§ 3 Behinderung - Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetzt - BGG)

Barrierefreie Informationstechnik[Bearbeiten]

(1) Träger öffentlicher Gewalt ... gestalten ihre Internetauftritte und -angebote sowie die von ihnen zur Verfügung gestellten grafischen Programmoberflächen, die mit Mitteln der Informationstechnik dargestellt werden, ... schrittweise technisch so, dass sie von behinderten Menschen grundsätzlich uneingeschränkt genutzt werden können. ... durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf ... (2) Die Bundesregierung wirkt darauf hin, dass auch gewerbsmäßige Anbieter von Internetseiten sowie von grafischen Programmoberflächen, die mit Mitteln der Informationstechnik dargestellt werden, durch Zielvereinbarungen nach § 5 ihre Produkte entsprechend den technischen Standards nach Absatz 1 gestalten.

§ 11 Barrierefreie Informationstechnik - Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetzt - BGG)

Umsetzungsfristen[Bearbeiten]

... Spätestens bis zum 31. Dezember 2005 müssen alle Zugangspfade zu den genannten Angeboten die Anforderungen und Bedingungen ... erfüllen. (2) Angebote, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung im Internet oder im Intranet veröffentlicht wurden, sind bis zum 31. Dezember 2003 gemäß § 3 dieser Verordnung zu gestalten, wenn diese Angebote sich speziell an behinderte Menschen im Sinne des § 3 des Behindertengleichstellungsgesetzes richten.

§ 4 Umsetzungsfristen für die Standards - Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung - BITV)

Anteil von Unternehmen mit barrierefreiem Internetauftritt[Bearbeiten]

Anteil von Unternehmen mit barrierefreiem Internetauftritt

Eine von Vitango Gesellschaft für Neue Medien mbH (Stuttgart), im Jahr 2001 durchgeführte Online-Umfrage ergab, dass die Mehrheit der Bevölkerung mit dem Begriff barrierefreies Internet nichts anzufangen weiss. 82% aller Befragten betrieben keinen barrierefreien Internetauftritt, wobei 80% sich der Problematik für Behinderte nicht bewusst waren. Als Gründe für die Nichtumsetzung von barrierefreien Seiten wurden:

  • fehlende Informationen zur Realisierung,
  • andere Zielgruppe oder
  • zu hohe Kosten

genannt. An der Befragung nahmen 245 Unternehmen, öffentlich/staatliche Einrichtungen, Hersteller von Produkten für Behinderte sowie Vereine, Stiftungen und Parteien teil.

Weblinks[Bearbeiten]

Quellen[Bearbeiten]