Kurs:Buch und Schrift im Mittelalter/Das dunkle Mittelalter - Farben in den Handschriften des Mittelalters
4. Das "dunkle" Mittelalter? - Farben in den Handschriften des Mittelalters
[Bearbeiten]Heutzutage sind wir umgeben von bunten Medien: Zeitungen werden in Farbe gedruckt und wir beschreiben unsere Notizen mit bunten Tinten und Textmarker. Haben das die Menschen im Mittelalter auch gemacht? Wer jetzt voreilig "Nein" ruft, liegt falsch. Denn das Mittelalter war auch in dieser Hinsicht bunter, als wir es uns heute vorstellen würden. Zwar wurden die meisten handschriftlichen Dokumente in schwarz oder dunkelbraun geschrieben, man nutzte jedoch schon bunte Tinten, um Wichtiges hervorzuheben oder anschaulicher zu gestalten. Auf diese Tintenfarben soll im Folgenden eingegangen werden.
Schwarze Tinte
[Bearbeiten]Am häufigsten wurde im Mittelalter mit schwarzer Tinte geschrieben. Hierfür nutzte man die sogenannte Eisengallustinte. Diese wurde aus zerstoßenen Galläpfeln hergestellt. Galläpfel entstehen an jungen Eichen, nachdem diese von der Gallwespe befruchtet wurden.[1]
Zu der Herstellung von Tinten im Mittelalter, auch der Eisengallustinte, gibt es zahlreiche schriftiche Belege. Ein sehr gutes Beispiel findet sich hierzu im Heidelberger Codex Pal. Germ. 489 "Von den Farben":
Schwartze dinten
Nimm den vierten tail aines mass wasser, oder wein, und 1 lot galla romana, wol gestossen, und legs in das wasser, und setz es zum fewr das es siede, ain halb stundt, darnach thue ain lot gummi arabicum wol gestossen darein, und ruers undereinander. Lass ain claine weil sieden, darnach leg 1 lot vitriol wol gestossen darein, und ruer es wol undereinander, und nims war das es nit uberlauff.
(Nimm ein Viertel Maß Wasser oder Wein, und ein Lot Gallo Romana, gut zerstoßen, und gib es in das Wasser, und setze es auf das Feuer, damit es kocht, eine halbe Stunde, danach gib ein Lot Gummi Arabicum, gut zerstoßen, hinein, und rühre alles zusammen. Lass es eine kleine Weile kochen, danach gib ein Lot Vitriol gut zerstoßen hinein, und rühre es gut zusammen, aber pass auf, dass es nicht überläuft.)[2]
Rote Tinte
[Bearbeiten]Rote Tinte wurde in den Texten des Mittelalters genutzt, um wichtige Stellen hervorzuheben oder Satzanfänge zu markieren.Diese roten Elemente in der Handschrift werden in der Forschung Rubrizierung genannt (von lat. rubricare „rotfärben, mit Rubriken versehen“).
Auch für die Herstellung von roter Tinte gibt es Rezepte, hier aus dem Codex germanicus:
Item wenn du schöne rote Rubrik mischen willst, so nimm den hiervor genannten Zinnober, gut gerieben, und leg den auf einen Reibstein und gieß etwas von dem vorgenannten Wasser dazu. Verreib das auf dem Stein miteinander, sodass es nass wird und so dick wie ein Teig. Gieß drei Tropfen Eidotter darunter und reibe es auf dem Stein untereinander. Gieß von dem vorgenannten Wasser darunter, bis es die richtige Dicke hat. Willst du, dass die Rubrik glänzt, dann lege so viel Gummi in die Rubrik wie eine Erbse [groß ist] und lass das gut darin zergehen. Wenn du schreibst, dann rühre denn Zinnober mit einem Hölzchen durch. Denn die Farben, die gern zum Grund sinken, die muss man rühren, wenn man die Feder darein tunkt.[3]

Andere bunte Tinten
[Bearbeiten]Die Farbpalette der mittelalterlichen Schriftherstellung hören jedoch nicht bei Braun und Rot auf. Vor allem bei Buchmalereien begegnen uns weitere Farben wie Blau und Grün relativ häufig.
Eine Auflistung der Farben und ihrer Bestandteile nach Vera Trost[4]:
Farbe | Bestandteile |
---|---|
Natürliche anorganische Farbmittel | |
Auripigmentgelb | Gelbes Arsensulfid |
Realgarorange | Orangerotes Arsensulfid |
Malachitgrün | Malachit |
Roter und gelber Ocker | Rotocker |
Lazur | Lapislazuli |
Azurit | Kupferlasurstein |
Chemische anorganische Farbmittel | |
Zinnober | Zinnober oder Quecksilber und Schwefel |
Bleiweiß | Blei, Essig |
Grünspan | Eichenholz, auf dem Kupfer oxidiert |
Natürlich organische Farbmittel | |
Karmin | wird aus dem Weibchen der Karmesschildlaus gewonnen |
Purpur | wird aus verschiedenen Schneckenarten gewonnen |
Galle | Galle vom Kalb oder der Schildkröte zusammen mit Safran, Schwefel oder Kreide |
Safran | wird aus den Blütennarben des Safran mit Wasser gemischt |
Folium | Krebskraut mit diversen anderen Stoffen vermengt |
Indigoblau | wird aus der Indigopflanze oder dem Waid gewonnen |
Bindemittel | Eiweiß, Kirsch- oder Pflanzengummi, Fischleim, Pergamentleim |
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Nachweise
[Bearbeiten]- ↑ Vgl. Werner Williams-Krapp: Tinten, Federn, Schreibpult, in: Mathias Kluge, Handschriften des Mittelalters, S. 44.
- ↑ Zitiert nach: Cristina Moles Kaupp: Tinte: Eisengallustinte - Farbe, Erstveröffentlichung 2002, online über: https://www.planet-wissen.de/technik/farbe/tinte/pwiealterezepturfuerdieeisengallustinte100.html.
- ↑ Zitiert nach: Marco Heiles: Die Farb- und Tintenrezepte des Cod. germ. 1 der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg und ihre Vorlagen, in: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte 1, veröffentlicht 2021, online über: https://mittelalter.hypotheses.org/11576.
- ↑ Vgl. Vera Trost: Skriptorium, S. 34-47.