Kurs:CSCL/Knowledge Forum und Knowledge Building/Knowledge Building-WP

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Die Theorie des Knowledge Building beschreibt eine Form des konstruktivistischen Lernens: Der Lernende wird aktiver Teil einer "Lerngemeinschaft", die ein kollektives Wissen generiert, das jedem einzelnen Mitglied frei zugänglich ist und von diesem modifiziert werden kann. Nicht das lernende Individuum steht hier im Fokus, sondern dessen Beitrag zur Konstruktion von "Public Knowledge".[1]

Die Theorie entstand aus den Arbeiten von Marlene Scardamalia und Carl Bereiter (2006)[1], von welchen dieses Konzept vor allem im schulpädagogischen Rahmen angewandt wird.

Annahmen[Bearbeiten]

Die Autoren verstehen Wissensfortschritt als zentrales Merkmal einer modernen Gesellschaft und dass tiefergehendes Verständnis von zu erwerbenden Inhalten nur dann möglich ist, wenn Kinder bereits in der Schule in eine Kultur der Wissensgesellschaft einbezogen werden. Dazu gehört nicht nur, ihnen die Kompetenzen zu vermitteln, welche für eine gemeinsame Konstruktion von Wissen nötig sind, sondern auch die Botschaft, dass sie aktiver Teil einer wissenskreierenden Gesellschaft sind, welche an gemeinsamen Problemen arbeitet und neues Wissen entwickelt. Nicht nur deklaratives Wissen über(knowledge about) eine Sache gehört dazu, sondern ein schlussfolgerndes tieferes intuitives und implizites Verständnis (knowledge of)von den Dingen wird hierfür nach Scardamalia und Bereiter angestrebt. Ideen sollen nicht nur vorläufig generiert, sondern laufend verbessert werden, um den Prozess der Wissenskonstruktion voranzutreiben. Und dies soll im Sinne des Knowledge Builings kollektiv in einer kooperativen Arbeitsgemeinschaft (wie z.B. Schule, Uni...) erfolgen. Im Fokus steht Verstehen und nicht nur stumpfes Abarbeiten von Fragestellungen und Abspeichern von Fakten.

Scardamalia und Bereiter (2002)[4] benennen zwölf prinzipielle Grundannahmen des Knowledge Buildings:

1)Real Ideas and Authentic Problems: Als Lerngemeinschaft im Klassenzimmer unterliegen dem Verständnis von schulischen Fragestellungen, die Probleme in der realen Welt der Schüler.

2)Improvable Ideas: Die Ideen der Schüler werden als verbesserliche "Gegenstände" angesehen

3)Idea diversity: Die Unterschiedlichkeit der Ideen im Klassenzimmer ist notwendig.

4)Rise above:Durch die anhaltende Verbesserung von Ideen bewegen sich die Schüler auf einem höheren Wissensniveau und immer fortgeschrittenere Wissenskonzepte

5)Epistemic agency: Die Schüler finden ihren eigenen Weg Fortschritte zu machen.

6)Community Knowledge, collective responsibility: Der Beitrag der Schüler zum kollektiven Wissen ist das Ziel des Knowledge Buildings

7)Democratizing knowledge: Jedes Individuum ist eingeladen den Fortschritt zu untersützen

8)Symmetric knowledge advancement Das Ziel des Knowledge Buildings ist es, dass Individuen und Organisationen aktiv den gegenseitigen Wissenszuwachs fördern.

9)Pervasive Knowledge building: Die Schüler tragen zur kollektiven Wissensbildung bei

10)Constructive uses of authoritative sources: Alle teilnehmenden Individuen, auch der Lehrer, hinterfragen sich vor dem Hintergrund eines natürlichen Verständnisprozesses

11)Knowledge building discourse: Ale Schüler beteiligen sich am Diskurs und teilen wissen miteinander um das kollektive Wissen zu verbesser.

12)Concurrent, embedded, and transformative assessment: Die Schüler nehmen eine globale Sicht ihres Verstehens an und entscheiden dann wie und wo sie ihre Einschätzungen ansetzen. Sie entscheiden und prüfen ihre Ansichten auf vielerlei Arten innerhalb der Lerngemeinschaft

Anwendungen[Bearbeiten]

Wichtige Komponenten des Knowledge Buildings sind zum einen epistemische Artefakte (Theorien, Modelle, etc.)und zum anderen der gemeinschaftliche Diskurs. Sie stellen Hilfskonstruktionen dar, die den Wissensfortschritt wesentlich vorantreiben können. Der konstruktive Diskurs unterscheidet sich gegenüber den in Schulklassen gängigen – und nicht selten ziellosen - Debatten und Argumentationen dadurch, dass er sich der Weiterentwicklung des Wissensbereichs verpflichtet. Ein gemeinsames Verständnis der Thematik soll anstrebt und es soll weiter versucht werden, die Menge der von allen Seiten akzeptierten Fakten in einem Bereich auszubauen.

Eine Knowledge Building Technologie soll es vereinfachen Information zu "gebrauchen", anstatt sie im herkömmlichen Sinne nur zu lernen.Scardamalia und Bereiter (1999) [5] charakterisieren die Pädagogik des Knowledge builings anhand einiger Kontraste zur konventionellen Schul- und Lernpraxis:

1) Problem Focus versus topic Focus

Die Knowledge Builing Pädagogik widmet sich mehr dem problem - und lösungsorientierten Lernen. Virtuell können Probleme als Notiz gestellt werden, welche auch in den folgenden Kommentaren angezeigt wird, so dass die Problemstellung immer im Fokus behalten wird und auch verwandte Fragestellungen leichter zugänglich sind.

2)Production of Knowledge objects versus media objects

Im Gegensatz zu einem vorgefertigten Wissensgegenstand bieten Knowledge Foren Notizen oder Kompostionen von Notizen und Kommentaren, welche von verschiedenen Individuen der Lerngemeinschaft ergänzt und hinterfragt werden können. Diese textlichen und grafischen Notizen können in Views,d.h. High-level Visualisierungen der Arbeit an einem bestimmten Problem, zusammengefasst werden.

3)Contribution versus Display

Im Gegensatz zur traditionellen Abfrage von Wissen oder schriftlichen Arbeiten in der Klasse betont die Knowledge- Building Pädagogik auf individuelle Beiträge zum Fortschritt eines allgemeinen Wissensdiskurses.

4)Theorie Improvement versus Finding Answers

Wenn Kinder wissen, dass sie Antworten auf Fragen finden müssen, neigen sie dazu in Schulbüchern vorgegebene Antworten zu "lernen". Nach der Knowledge Building Theorie sollten Schülern dazu angehalten werden das Problem zu benennen, eine Vermutung zu äußern (im Knowlede Forum wären das Scaffolds, wie z.B. "My Thoery") und diese zu überprüfen. Wenn die Vermutungen bestätigt werden können erlebt der Schüler zusätzlich noch einen Erfolg.

5) Sustained versus Single Pass Knowledge

Im Gegensatz zu freien Diskussionen im Klassenzimmer kann die Kommunikation im Knowledge Forum gespeichert werden und ist so für spätere Fragestellungen oder zur Auffrischung leicht abrufbar, kann neu diskutiert und revidiert werden. Die Schüler greifen so tatsächlich häufiger auf die alten Informationen zurück und fügen neue Ideen hinzu.

6)Public versus Person- to- Person Communication

Im Gegensatz zur herkömmlichen Konversationsstruktur - Face - to - Face - ist die schriftliche Kommunikation im Knowledge Forum an niemanden explizit gerichtet. Diese Tatsache ist Fokus der Wissensbildung im Sinne von "To whom it may concern...". 7) Opportunity for reflection versus One- Second wait time

Lehrer warten üblicherweise eine Sekunde auf die Antwort eines schülers, bevor sie jemand anderen aufrufen oder die Frage selbst beantworten. In einem synchronen Medium können sich die Schüler Zeit lassen ihre Antwort zu formulieren und sind nicht durch soziale oder emotionale Barrieren gehemmt.


→ Zusammengefasst übernehmen die Schüler nach einer Knowledge Builing Pädagogik selbst die Verantwortung für die Lösung von Wissensfragen. Der Lehrer soll den Schülern ledigich helfen in diese Verantwortung hineinzuwachsen.

Praktische Implikationen[Bearbeiten]

Die Autoren entwickelten 1983 das Computerprogramm CSILE (Computer Supported Intentional Learning Environments).Dies sollte die konservativen Informationsstrukturen im Klassensystem, indem der Lehrer Sprachrohr aller Information darstellt durchbrechen und eine neue Form kooperativen Arbeitens ermöglichen. Fragen, Kritik, Annahmen und dergleichen konnten durch CSILE auf einer allen zugänglichen Plattform kommuniziert werden. Statt den Informationsfluss über einen Moderator (den Lehrer) zu lenken, konnten die Schüler nun per Email über ein Thema diskustieren. Durch diesen Austausch entstand ein Hypertext der das kollektive Wissen repräsentierte. Scardamalia gaben in diesem Computersystem als Hilfestellungen - so genannte Scaffolds oder epistemische Marker - wie "Meine Theorie ist..", "Ich möchte verstehen...","Neue Information" etc. Dadurch konnten die Metadiskurse vorangetrieben und dem Austausch eine klarere Linie gegeben werden. Die hier aufkommenden Fragen "Wie?" und "Warum?" bilden die Basis eines funktionierenden Knowledge Builing Pfads nach Scardamalia und Bereiter. Das Nachfolgerprogramm von CSILE - Knowledge Forum - folgt noch konkreter an den Regeln des Knowledge Builings. Es bietet eine Arbeitsplattform für verschiedene "Communities" (Klassenzimmer, Service, Gesundheitsorganisationen, Wirschaft...)um mit den oben genannten soziokognitiven Praktiken zu arbeiten, welche grundlegend für Wissens- und Innovationbildende Gemeinschaften sind. Dieses Knowledge Forum unterliegt ständiger Revision durch die Weiterentwicklung von Theorien, Erfahrungen und neu auftauchende Probleme und Fragestellungen. Es handelt sich hier um eine sich ausdehnende Wissensumgebung, die die Wissensbildung auf allen Bildungsniveaus unterstützt, aber auch in außerbildungstechnischen Bereichen eingesetzt werden kann. Neben Threads zum gegenseitigen Austausch, dient das Knowlegde Forum auch als Datenbank. Durch Views und Notes, können kurze Erklärungen, Diagramme und Karten hinzugefüht werden, welche der geschriebenen Informationen visuelle Struktur verleihen. Im SChulkontext soll natürlich nicht nur das Knowledge Forum genutzt werden. Die User lesen Bücher und Magazine, führen Kleingruppendiskussionen oder behandeln das Thema in der Klasse, Experimente werden durchgeführt - es soll jedes Mittel für einen tieferen Lernprozess genutzt werden. Im Knowledge Forum sollte allerdings die Hauptarbeit stattfinden - der Zustand des Wissens wird "materialisiert", nimmt Form an und entwickelt sich in der Gemeinschaft weiter. Hier erscheint das Resultat aller Offline- Aktivitäten durch das gemeinsame Bemühen um Wissensbildung. Knowledge Building in diesem Format möchte eine "kollektive Zone der proximalen Entwicklung" erreichen. Die Aufgabe der Forschung ist es, dieses Potential zu identifizieren und Wege zu finden es zu realisieren (2) (3).


Weiter berichten die Autoren von erfolgreichen Anwendungen der Prämissen und Anwendungen des knowledge building im Schulkontext (Abstracts unter http://ikit.org/summerinstitutes.html).

Literatur[Bearbeiten]

  1. Scardamalia, M., & Bereiter, C. (2006). Knowledge building: Theory, pedagogy, and technology. In K. Sawyer (Hrsg.), The Cambridge handbook of the learning sciences (S. 97-115). New York: Cambridge University Press.

2. Scardamalia, M. & Bereiter, C. (1991). Higher Levels of Agency for Children in Knowledge Building: A Challenge for the Design of New Knowledge Media. The Journal of the Learning Sciences, 1(1), 37-68.

3. Scardamalia, M. & Bereiter, C. (1994). Computer Support for Knowledge-Building Communities. The Journal of the Learning Sciences, 3(3), 265-283.

4.Scardamalia, M. (2002). [http://ikit.org/fulltext/2002CollectiveCog.pdf "Collective Cognitive Responsibility for the Advancement of Knowledge". In: B. Smith (ed.), Liberal Education in a Knowledge Society. Chicago: Open Court, pp. 67–98

5. Scardamalia, M. & Bereiter, C. (1999). Schools as knowledge-building organizations. In D. Keating (Ed.), Developmental health and the wealth of nations: Social, biological, and educational dynamics (pp. 274-289). New York: Guilford Press. [[Kategorie:Lernen]] [[en: Knowledge_building]]