Kurs:Dresden/Orte/Rabenstein

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RICHTPLATZ WIEDERENTDECKT


Hier vollzogen unsere Vorfahren GRAUSAME TODESURTEILE

Von: VON JÜRGEN HELFRICHT 21.09.2015 BILD

Dresden – Der „Rabenstein“ war vom Mittelalter bis 1831 der verfluchteste Ort Dresdens. Dort wurden Hexen verbrannt, Geldfälscher zu Tode gekocht, gehängt, geköpft, gerädert, lebendig begraben. Vor dem Wilsdruffer Tor (Postplatz) nahe der Hundsgasse gelegen, verlor sich bislang seine Spur.

Nun hat Historiker Klaus Hoffmann-Reicker (77) anhand alter Karten herausgefunden, wo genau er stand!

Hoffmann-Reicker: „Den Rabenstein fand ich exakt dort, wo sich heute der Volkssolidaritätsklub Alfred-Althus-Straße befindet. Ich hoffe, man ist dort angstfrei. Bekanntlich spuken die Seelen der Hingerichteten.“

Es müssen Hunderte sein! 1407 fand hier die Hexe Setteller den Feuertod, die mit dem Teufel zwei Kinder zeugte. 1434 kochte man zwei Frauen, die mit in Böhmen geschlagenen falschen Groschen erwischt wurden.


Hoffmann-Reicker: „Die öffentlichen Hinrichtungen fanden ursprünglich freitags, später dienstags, statt.“

Geköpft wurde 1821 auch Kanonier Kaltofen. Er hatte den Maler Franz Gerhard von Kügelgen (1772 – 1820) beim Waldschlößchen aus Habgier ermordet.


https://www.bild.de/regional/dresden/dresden/richtplatz-wiederentdeckt-42651874.bild.html


vgl. w:de:Rabensteinplatz (Leipzig)


11.05.2018 Sächsische Zeitung

Stradtrundfahrt des Grauens


Eine düstere Tour nimmt ihre Gäste mit ins mittelalterliche Dresden. Vorsicht, nichts für schwache Nerven!

Von Henry Berndt

Ach, der Bus sieht doch ganz gemütlich aus. Plüschig-weiche Sitze aus rotem Samt und vergleichsweise viel Beinfreiheit – was will man mehr? Wären da nur nicht diese Galgen, die am Gepäcknetz baumeln und das grimmig guckende Skelett am Haltegriff.


Diese Busrundfahrt ist nichts für schwache Nerven. „Vom Hängen und Würgen“ ist der Ausflug in die dunkelsten Stunden der Dresdner Stadtgeschichte überschrieben. Die ersten Gäste suchen gerade nach geeigneten Plätzen. „Hinten sollte man sich nicht in Sicherheit wähnen“, warnt Ritter Jonas Daniel, in der Moderne besser bekannt als Mario Sempf – der Mann, der in Dresden immer dort auftaucht, wo von Daumenschrauben oder Schandgeigen die Rede ist. Mehrere Bücher mit schaurigen Begebenheiten hat der 49-Jährige schon geschrieben. Nun also die Bustour. Mit an Bord ist praktischerweise seine Verlegerin Katharina Salomo, die für die nächsten zwei Stunden zur Magd Rosine Rehm wird, die im 18. Jahrhundert als Kindsmörderin enthauptet wurde.

Gemeinsam wollen sie den Gästen „die schlimmsten und grausamsten Orte der Stadt“ zeigen, und damit ist nicht der modern bebaute Postplatz gemeint. Es geht um Fragen wie: Wo hielt man die gemeinsten Mörder gefangen? Wo schrien die Hexen um ihr Leben? Wo gingen die Schleiermädchen ihrer Arbeit nach? „Alles, was sie hören werden, ist tatsächlich passiert. Wir müssen nichts schlimmer machen, als es war“, sagt Ritter Daniel.

„Ihr befindet euch auf gefährlicher Mission“, unterstreicht er noch einmal. „Wenn es zu grausig wird, können Sie sich bei Ihrem Nachbarn festkrallen oder notfalls festbeißen.“ Immerhin, in der Nähe des Leibwächters der einst in Dresden herrschenden Dohnaer Burggrafen könne man sich halbwegs sicher fühlen, heißt es. Es ist die zweite Gruseltour-Saison für das Team und von Verlusten im vergangenen Jahr ist zumindest öffentlich nichts bekannt geworden. Durchgezählt wird vor der Abreise allerdings auch nicht.

Eingemauert im Geheimzimmer

Start ist vor der Frauenkirche, wo einst der Pulverturm stand. „Kutscher, starte mal die Pferde“, ruft Ritter Daniel und die Pferde tuckern los. Entlang der schon vielversprechend klingenden Schießgasse geht es zunächst in Richtung Pirnaischer Platz. Wo heute die Straßenbahn fährt, waren früher die Festungsmauern. Über das Pirnaische Tor ging es hinein in die Stadt, die damals so klein war, dass man sie hätte in einer Stunde zu Fuß umrunden können.

Auf dem Altmarkt, wo sich gerade die Kinder auf dem Riesenrad amüsieren, wurden einst Mörder gerädert und danach von dort bis zum Albertplatz geschleift. Dann lieber Riesenrad, denkt man sich noch, bevor es weiter am Residenzschloss vorbeigeht, wo Prinzessin Anna von Sachsen im 16. Jahrhundert in einem Geheimzimmer lebendig eingemauert wurde. Zuvor soll sie ihrem Mann, Wilhelm von Oranien, fremdgegangen sein.

Von Ritter Jonas Daniel in einem zum Thema passenden Duktus vorgetragen, machen Geschichten wie diese die Altstadt zu seinem realen Gruselkabinett. Und weiter draußen wird es nicht heiterer. Die Wilsdruffer Vorstadt im Westen soll einst das „hässlichste Viertel“ gewesen sein. Allerdings wohnte hier der reichste Mann – der allseits beliebte Scharfrichter, der nicht nur Köpfe abhackte, sondern auch für Folterungen und andere Strafen zuständig war. Zeitweise sollen bis zu 40 Stockknechte für ihn gearbeitet haben – wie bei einem mittelständigen Unternehmen.

Der auffälligste Arbeitsplatz des Scharfrichters war der Rabenstein, auf dem einst gut sichtbar das Galgengerüst stand. Nur wenige Meter weiter unter dem heutigen Sternplatz liegen Generationen von Scharfrichtern begraben, erfährt man. Später lebte der Scharfrichter übrigens in Löbtau. Die Hinrichtungen wurden dann auf den Platz zwischen Freiberger und Tharandter Straße verlagert, der heute mit friedlichem Rasen bewachsen ist. Gerade, als man sich die grausigen Szenen im Mittelalter in Gedanken ausmalt, trällert das Handy des Busfahrers plötzlich: „Ein Stern, der deinen Namen trägt“. Wie kann er einem so einen Schrecken einjagen?


Jetzt wird gerädert!

Geradezu harmlos wirken dagegen die folgenden Anekdoten über einst auch in Dresden übliche Strafen. Der eine wurde zusammen mit Hund, Katze, Hahn und Schlange in einen Sack gesteckt und ersäuft, der andere durch die Stadt getrieben, während ihm mit glühenen Zangen Fleischstücke aus dem Körper gerissen wurden. Muss das sein?

Über die Marienbrücke geht die Fahrt hinüber in die Neustadt, die Bautzner Landstraße entlang, über die Waldschlößchenbrücke und dann am Elbufer zurück in Richtung Altstadt. Als man glaubt, das Schlimmste überstanden zu haben, hält der Bus an. Alles aussteigen, jetzt wird gerädert! Zum Glück wird nur eine bemitleidenswerte Puppe auf das Rad geflochten. Dazu gibt es Wein aus dem Becher. Bevor es weitergeht, demonstriert Ritter Daniel noch die Kraft der Daumenschrauben am Beispiel einer ungekochten Nudel.

Nach so viel Grausamkeiten ist dann doch ein leises Aufatmen zu vernehmen, als sich wenige Minuten später die Bustür an der Frauenkirche öffnet und die Reise ins Dunkel ihr Ende findet.

Wer Gefallen an diesem Geschichtsunterricht der skurrilen Art gefunden hat und mindestens 14 Jahre alt ist, der hat an jedem letzten Freitag im Monat um 17 Uhr die Chance, sich selbst für 29,90 Euro pro Person mit auf die Reise ins Dresdner Mittelalter zu begeben. Aber Vorsicht, immer in der Nähe des Leibwächters bleiben!

www.mittelalter-dresden.de [2023: WL auf https://salomo-publishing.sumupstore.com/ ]


https://www.saechsische.de/stradtrundfahrt-des-grauens-3934452.html


Im Dünkel der Vorstadt

Neben der Geschäftigkeit eines Ortes innerhalb der Stadtmauern sind auch die verschiedensten Gewerke der Vorstädte gleichwohl von Bedeutung. Die Rechtsprechung an diesem Ort bildet hierbei lediglich einen Teil des Städtewesens insgesamt.

Der Wilsdruffer Vorstadt sei an dieser Stelle besonders gedacht, da sie das älteste kirchliche Leben Dresdens (Poppitz), die städtische Viehweide (heute um Schützenplatz), frühes Handwerk und den Rabenstein in enger Symbiose miteinander vereint.

Das Wilsdruffer Tor

Die Weißeritz ist hierbei Lebensgrundlage schlechthin, zumal sie neben Gerbern und Müllern u.a. die Schinderei mit Wasser versorgte. Alleine Mühlen sind in den Urkunden seit Anfang des 14. Jh. an dieser Stelle mehrere verzeichnet, so die Kernmühle (1391), die Krötenmühle (1437), 1440 die Damm-, 1455 die Stege-, 1478 die Winkel-, 1497 die Kupfer-, die Schleif- und die Spillemühle, 1504 die Hader-, 1518 die Papier-, die Polier-, 1523 die Draht- und 1538 die Hofemühle.

Beachtenswert ist die Verlegung des vormals innerstädtischen Kuttelhofes (Schlachthof; Kuttelgasse, jetzt Galeriestraße) 1447 an die Ecke der Zwingerstraße und Gerbergasse. Weitere interessante Bauten und Gebäude in dieser Gegend sind zudem das Jägerhaus (1468), der Hoffischgarten, die Gasthöfe "Drei Lilien" und "Grauer Wolf", das Schießhaus (1549 lediglich eine provisorische Schießstätte), der Falkenhof (1606) an der Rosengasse und das 1568 mit Unterstützung Kurfürst Augusts gegründete Lazarett am heutigen Wettiner Platz.

Der heutige Freiberger Platz, vormals aufgrund eines mit der Zeit trocken gelegten Tümpels als Entenpfütze bekannt, war zu jener Zeit ringsum mit kleineren Häuschen, Gärten und Äckern bebaut gewesen.

Wichtigstes Bauwerk dieses Platzes stellte die Bartholomäuskirche dar, zu welcher Gemeinde auch der Scharfrichter seit ca. 1530 gehörte. Die Kirche / Kapelle wurde seit Anfang des 15. Jh. mehrfach umgebaut und erweitert, bevor sie jedoch zu klein wurde und mehr und mehr in der durch Kurfürstin Anna (1578) angeregten und neugegründeten Annengemeinde (Annenkirche) aufging.

Gleichfalls zwei Hospitäler, das Bartholomäushospital sowie das Jacobshospital sind seit frühester Zeit fester Bestandteil des täglichen Miteinanders in der Wilsdruffer Vorstadt. Ersteres, erwähnt 1337 als sichen uf der Vyweide bzw. in den Jahren danach als Hospital bie unser stat Dresden uf der Wyweide gelegin, und erst Mitte des 15. Jh. nach der nahegelegenen Kapelle St. Bartholomäe benannt war zeitweise u.a. für aussätzige Frauen bestimmt und nach Beschuss, Erneuerungen und Verfall 1838 zum Abbruch freigegeben. Das neue Spitals S. Jacoff zu Dresden, ursprünglich nur eine Nachtherberge für arme Reisende, welche die dem hl. Jacob geweihte Kapelle des Hospitals, einen bekannten Wallfahrtsort, besuchten, wird zuerst 1455 urkundlich erwähnt und befand sich an der heutigen Annenstraße. Da die Gebäude des Hospitals baufällig geworden waren, ließ Herzog Georg sie 1535 abbrechen und in größerem Umfange an derselben Stelle neu errichten. Es diente so über Jahrzehnte der Unterbringung armer oder altersschwacher Menschen, war zeitweise gar Armenhaus bzw. in den letzten Jahren des Bestehens gar Zwangsarbeitsanstalt, bis es 1859 endgültig abgetragen wurde.

Heute befindet sich an der Stelle der ehemaligen Bartholomäuskirche ein Kindergarten, den Freiberger Platz "schmückt" ein Parkplatz und den Platz des Jacobshospitals zieren eine Post und ein Konsum.

Die Wilsdruffer Vorstadt

Wo aber war nun der Scharfrichter zu Hause, wo der über Jahrhunderte hier bestehende Rabenstein?

Vormals abseits der Stadtbefestigung sind auf Luftbildaufnahmen auch die letzten Spuren der wohl ältesten bekannten Richtstätte Dresdens mittlerweile verwischt. Nur noch auf älteren Stadtplänen finden sich Hinweise durch die Bezeichnung "Am Rabenstein". Diese ehemals mannshohe aufgemauerte Erhöhung, welche auf einer Seite mit einer Treppe versehen war, befand sich zusammen mit einem Galgen zwischen Freiberger Platz und Wettiner Platz Ecke Ermischstraße, vormals Stiftsgasse, ein Teil der Freiberger Straße deshalb vormals auch Schindergasse genannt.

Quellen deuten darauf hin, dass nicht erst seit der 1308 geltenden Wein- und Schankordnung eine Richtstätte in Dresden bestanden hat. Erst 100 Jahre später und zu einem Zeitpunkt, als ein noch älterer Galgen wiederum reparaturbedürftig wurde, erfahren wir von der Existenz eines solchen: 1402: dem czuchtiger ... 1 sex. gr. 6 gr. et 8 gr. von eyme, den er hing bzw. 1409: Ausgaben pro edificio: Item von dem galgen 3 sex. 48 gr.

Der Standort der ältesten schinderey ist nur indirekt belegbar. Erst 1494/95 findet sie Eingang in die Annalen an der Elbe, d.h. nach dem großen Stadtbrand vom 15. bzw. 16. Juni 1491, wobei ein Großteil der Stadt den Flammen zum Opfer gefallen war. Auffallend hierbei ist, dass zu jener Zeit der Henker noch innerhalb der Stadtmauern im Loche wohnte. Die schyndereye (1480) hingegen ist zu jener Zeit bei dem Schlosse zusammen mit dem schuczehauße (1481) und der saltzschewn (1505) zu finden.

1522 spricht man nur noch von der alde hengerey (3 1/2 ß Jacob Hornig vor eynen raum zu tzween hoffesteten, da dy alde hengerey gestanden.) Auch 1528 ist das alde des uffdeckers haus bey der saltzscheune an der Elbe durch Quellen belegbar, wie 1529: 4 gr. dem bruckemeister von der schinderey vor der stadt an der Elben gezahlt wurden.

Eine Verlegung der Schinderei wird erst mit dem Aus- und Neubauwillen der Stadt durch Herzog Georg dem Bärtigen (1500-39) seit 1519 nachvollziehbar.

Beginnend beim Wilsdruffer Tor wurde die Befestigung Neu-Dresdens durch Aufwerfung von Wällen und Schaffung von Wassergräben vorangetrieben, wobei ebenso wie das Schützenhaus auch die Schinderei erstmalig nach weiter außerhalb (Nähe Grüne Gasse bzw. der "Viehweide") verlegt wurde. Die Dresdener Geschichtsblätter von 1921 beschreiben die Lage der Hengerey nördlich des Kupferhammers, einerseits die Rosengasse, andererseits die Freiberger Straße an Müllers scheun vorüber nach dem Freiberger Platze.

Wann genau der Scharfrichter seinen Wohnsitz vom Loche nach außerhalb der Stadtmauern verlegt hat bzw. verlegen musste, ist aus den wenigen zur Verfügung stehenden Quellen nicht mehr ersichtlich. Bei der Hengerey gewohnt haben kann er jedoch nur relativ kurze Zeit, denn:

Am 2. April 1614 Nachmittags 4 Uhr brach in der Küche des Falkenhofes Feuer aus, wodurch dessen sämmtliche Gebäude eingeäschert wurden. Da an dem Tage gerade ein starker Wind wehte und die vielen Stroh- und Schindeldächer leicht entzündbar waren, verbreitete sich das Feuer mit großer Schnelligkeit und sprungweise, so daß oft näher liegende Gebäude verschont blieben, während die entfernter gelegenen in Flammen aufgingen. Es waren im Ganzen 66 Häuser und 32 Scheunen vernichtet worden, und zwar in der Josephinengasse 4 Häuser, in der kleinen Plauenschen Gasse 12, in der großen Plauenschen Gasse 17, an der Dippoldiswalder Straße 9, hinter dem alten See, etwa zwischen Reitbahnstraße und Bürgerwiese, 13 und in Poppitz selbst 11, darunter das des Scharfrichters Christoph Polz. Es wurde dem Scharfrichter nicht gestattet, sein Wohnhaus in Poppitz wieder aufzubauen, sondern angeordnet, daß er die Baustelle verkaufen und die Scharfrichtereigebäude vor der Stadt (an der Stelle, wo jetzt die Siemens'sche Glasfabrik steht), wo er auch seine Knechte untergebracht hatte und die Abdeckerei betrieb, beziehen sollte. Da die Scharfrichtereigebäude sich nicht in gutem Zustande befanden, wurde befohlen, sie wieder vorzurichten. Der Scharfrichter bat zwar um Erlaubniß, an einer anderen Stelle, etwas weiter von der Stadt entfernt, ein Haus für sich erbauen zu dürfen, aber der Amtsschösser und der Rath wurden mit Erfolg dagegen vorstellig. Von da an scheinen die Scharfrichter die Kavillerei bewohnt zu haben; es war nur eine Ausnahme gewesen, daß der Vorgänger des Scharfrichters Polz in der Stadt hatte wohnen dürfen.

Die nachfolgenden Jahrzehnte finden wir die Meisterey (auch Grüne Schinderey genannt) weit vor der Stadt in der Nähe des Ebertplatzes. Bestehend aus Wohnhaus, Wasch- und Backhaus, einem Schweinestall und anderen Gebäuden, wie dem Schmelzhaus, der Fettkammer, dem Lederboden und dem Fraßschuppen wird der eigentliche Broterwerb des Scharfrichters und seiner Knechte klar: es beinhaltet die Abdeckerei. In den kommenden Jahren erfahren wir mehrfach von Beschwerden wegen heßlichem Gestank bzw. gar von Konkurrenz seitens fachfremder Gewerke. Um Kosten zu sparen, übernahmen verschiedene dem Caviller zugeteilten Dörfer selbst die Verwertung toten Viehs. Erst politische Geschehnisse rund um die Schlacht bei Dresden am 26./27. August 1813 und die nachfolgende Belagerung durch die Franzosen bringen nicht nur die Abdeckerei ins Rampenlicht der Geschichte. So erfahren wir: In dem Raume zwischen den Preußen und dem Plauenschen Grunde gingen Österreicher vor, die das Dorf Plauen und alle Gehöfte bis an die Freiberger Straße nahmen, ebenso jenseits des Grundes Löbtau. Um den Franzosen keine weitere Angriffsfläche zu bieten, brannte man die Abdeckerei am 01.11.1813 nieder - wurde aber wieder aufgebaut und war noch bis 1856 in Betrieb.

Doch auch ein weiterer Richtplatz soll an dieser Stelle Erwähnung finden, welcher besonders für ein Vergehen in Gebrauch war: Kindsmord. Auf der Augustusbrücke angebracht, diente oberhalb des größten Bogens ein hölzerner Balken zur Hinrichtung von Kindsmörderinnen, welche der Sack zuerkannt und meist zusammen mit einem Hund, einer Katze, einer Schlange und einem Hahn in diesen eingenäht - in die Elbe geworfen wurden. Einen ebenso grausigen Tod erlitten vor dem Wilsdruffer Tor wegen Ketzerei und Zauberei verurteilte Frauen und Männer, welche verbrannt und noch vor Ort verscharrt wurden.

Ein Verzeichnis der Richtstätten innerhalb der heutigen Stadtgrenze ist dagegen noch lückhaft. Bekannt sind Hinrichtungen an der Blasewitzer Str. (Tatzberg; ein hölzerner Galgen - errichtet 27.11.1737 - auf einer drei Ellen hohen Bühne), am Langebrücker Weg, ein Richtplatz in Leuben, an der Radeberger Str. (1732-1737) sowie der "Galgenberg" in Dresden-Nickern.

Die Planung eines Richtplatzes in Dresden-Plauen (Ecke Schopenhauer-/Coschützer Str.) scheiterte 1738 am Widerstand der Gemeinde und so wurde dieser auf Löbtauer Flur verlegt. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um den am 21. Juli 1741 errichteten Galgen an der Freiberger Straße, jenseits der Weißeritz.

Die noch grausamere Hinrichtungsart des Pfählens ist in Sachsen, d.h. in den Grenzen der Markgrafschaft Meißen, nicht praktiziert worden. Allerdings finden sich in den ehemals böhmischen Besitztümern auf heutigem sächsischen Gebiet zahlreiche Belege hierfür.


https://www.scharfrichter-sachsen.de/dresden/%C3%B6rtlichkeiten/vorstadt/


Der Text ist aber nicht nur belebt, sondern auch umfangreich. Hexenprozesse in Dreseden, das Bahrrecht, der Kniegalgen und Menschen mit unehrlichen Berufen geistern durch die wahren Geschichten. Entfernt sich der Textbogen zu weit von Dresden, so liefert das Buch immerhin Andeutungen, darunter die von der “berühmten Henkersfamilie Sanson”, deren eines Mitglied “vor lauter Aufregung stolperte und von der hohen Holztribüne hinab in die gierige Menschenmenge stürzte.” So war es wirklich, doch ich will, da es sich in Kurzform vielleicht doch allzu unglaublich anhört, das Ganze ein wenig unterfüttern. Der im Buch nur angerissene, gestürzte Henker war Gabriel Sanson. Bei seinem Sturz vom Schafott im Jahr 1792, mitten während einer laufenden Hinrichtung, war er keine 25 Jahre alt geworden. Folge: Sein Bruder Henri, der den in der Familie tatsächlich weiter gereichten Job nun vom gemeinsamen Vater übernahm, richtete im Jahr danach, im Oktober 1793, Marie Antoinette. Das war die wegen ihrer Verschwendungssucht vielgehasste Königin von Frankreich und Navarra, mithin die Ehefrau König Ludwigs XVI.


Angesichts solch weiter Bögen und Schwünge ist es verständlich, dass Mario Sempf regional bleibt und in Ruhe die angebliche Hexe Heidine Widemann aus Glashütte zu ihrer Verbrennung am Rabenstein nahe des Wilsdruffer Tores begleitet. Dort vernimmt er “markerschütterndes Geschrei”, und wittert den “Gestank von verbranntem Holz und verkohltem Fleisch”. Es geht ans Eingemachte, und das ist erkennbar wörtlich zu nehmen.


Lassen Sie sich daher von Mario Sempf statt in Archive und Bibliotheken hinaus zu Köpfungen, Nagelungen und einigen verdammt zähen Hinrichtungen mit dem Schwert führen, bei denen auch schon mal die Ehefrau des Henkers glaubt, einspringen zu müssen (und es mit tragikkomischen, jedenfalls unerwartet tödlichen Folgen auch tut), weil ihr schluffiger Gatte auf einmal weiche Knie bekommt.

Zum Glück geht es übrigens nicht immer tödlich aus. Hin und wieder gab es beispielsweise Begnadigungs-Akte nach “dreimaligem zum Tode Erschrecken”… Und wer das Buch aufmerksam liest, wird sogar den Stein finden, auf dem zwischen Seershausen und Ohof bis heute “mittem im Wald” geschrieben steht: “Hinrichtungsstätte des ehemaligen Amtes Mensen, letzte Hinrichtung am 27. Februar 1829.”

https://home.benecke.com/publications/vom-hngen-und-wrgen-dresdens-schaurige-geheimnissepicture


Dresden. An sich ist ja China beim Einsatz von Gesichtserkennung weltweit führend, aber München holt auf. Beim Oktoberfest im vergangenen Jahr wurden erstmals „Super-Recogniser“ eingesetzt, also Polizisten, denen in der Regel ein Blick auf die Nasenspitze genügt, um Bescheid zu wissen. Deshalb kann es einem passieren, dass man schon am Eingang der Wiesn verhaftet wird, weil die „Super-Recogniser“ erkennen, dass man Stunden später randalieren wird oder beabsichtigt, sturzbetrunken mit dem Auto nach Haus zu fahren.

Ob Dresdens Stadtväter früher gern diese Technik gehabt hätten? Sie mussten foltern lassen, um herauszufinden, was Sache ist, ob ein Beklagter schuldig ist oder nicht, denn geständig waren Täter nur in den seltensten Fällen. Überhaupt genügten für die Überführung eines Straftäters nicht allein Verdächtigungen. Wurde er nicht auf frischer Tat oder im Fall eines Ehebruchs in flagranti ertappt, mussten Zeugen und Beweismittel den grundlegenden Verdacht erhärten, wie Mandy Ettelt im Vorwort der von ihr erarbeiteten Edition des zweiten Bandes des Dresdner Kriminalregisters vermittelt.

Gestand ein Verdächtiger nicht, half es mitunter, den Einsatz von Folter nur anzudrohen, ein Mann namens Mattis Muller hat „bekanth und ausgesagt, … als man ihm nach langenn Fragen mit der Turtur gedrewet hat“. Folter war, wie Ettelt anmerkt, einst legitimes Rechtsmittel – und, auch wenn es den Anschein hatte, kein willkürliches Handeln des Folterknechts. Es wurde nicht per se gefoltert, im Streitfall von Donat Benisch, kam das Gericht überein, dass es „nicht gnugksam Ursach gehabtt“, um ihn „peinlich zu fragen“.

Der zweite Band des Kriminalregisters wurde 1556 angelegt, er überschneidet sich um sechs Jahre mit seinem Vorgängerband, der den Zeitraum zwischen 1517 und 1562 abdeckte. Im Allgemeinen gingen in Band II Delikte ein, die vor das Stadtgericht Dresden gestellt und nach dem Strafrecht der Hochgerichtsbarkeit mit Ehren-, Leibes- und/oder Lebensstrafen geahndet wurden sowie einige wenige zivile Strafsachen, die der niederen Gerichtsbarkeit unterlagen. Alles in allem geht es um 181 Straftaten, wobei man sich darüber klar sein muss, dass Dresdens Justiz in der Regel erstmal machtlos war, wenn es einem flüchtiger Täter gelungen war, in fremdes Hoheitsgebiet zu entkommen. Ausnahme von der Regel war etwa der Fall des Matthis Cleme, der in Mühlberg in Haft geraten war und an das Dresdner Stadtgericht ausgeliefert wurde. Cleme war der Fälschung eines Bettelbriefes beschuldigt worden, kam aber aus dem Gefängnis letztlich frei und schwor Urfrieden.

Die Edition der beiden Dresdner Kriminalregister vermittelt tiefe Einblicke in den Alltag und das Denken einfacher Menschen des 16. Jahrhunderts, in Rechtsauffassungen und soziale Hierarchien, in Rechtspraktiken und Herrschaftsbereiche. Beide Bücher enthalten gemeinsam etwa 700 Strafangelegenheiten, die vor dem Gericht der Stadt verhandelt wurden. Zum einen geht es um aus heutiger Sicht geringfügige Taten wie Fluchen, Lärmen, Glücksspiel, Trunkenheit und Ehebruch und sonstige Unzucht, ob mit oder ohne unerlaubte Schwangerschaft (was dafür spricht, dass die Ämter sich damals nicht nur mit „Premiumkriminalität“ zu befassen gedachten), zum anderen um eben schwere Verbrechen wie Diebstahl, Betrug, Hehlerei, Verleumdung, Körperverletzung, Mord und Totschlag. Ob umtriebige Diebe oder Ehemänner, die ihren lieben Weibern an den Kragen wollten – zu ihnen ist im Kriminalregister so manche düstere Geschichte aus dem Leben in der Frühen Neuzeit überliefert.

Die Wettiner verpfändeten die niedere Gerichtsbarkeit Schon in der Frühzeit der Stadt Dresden im 13. Jahrhundert machten sich Ansprüche führender Bewohner auf Beteiligung an der städtischen Gerichtsbarkeit bemerkbar. Diese lag grundsätzlich bei den wettinischen Stadtherren, die erst im Jahr 1412 der Dresdner Bürgerschaft die niedere Gerichtsbarkeit für eine bestimmte Zeit verpfändeten. Gleichwohl tauchen in den Quellen bereits in den 1280er Jahren bürgerliche „iurati“ (Schöffen) auf, die in allen sie unmittelbar betreffenden Angelegenheiten gehört werden sollten. Anders als heute waren Rechtsprechung und Verwaltung nicht präzise getrennt, sondern lagen im Gegenteil im Machtbereich des Stadtherrn und der bürgerlichen Eliten, denen der Stadtherr Mitsprache zugestand.

Erinnert wird in dem Werk auch an die Ratsordnung von 1517, die nicht nur viele Festlegungen nochmals bestätigte, sondern auch, dass dem Rat stets zwei Richter, sieben Schöffen und drei Bürgermeister angehören sollten, die auf Lebenszeit zu wählen waren. Band 2 des Kriminalregisters, der Straffälle aus 23 Jahren dokumentiert, belegt die Anwesenheit verschiedener Amtspersonen, die neben ihren Ratstätigkeiten auch einen reibungslosen Ablauf eines Gerichtsprozesses garantieren sollten. Der zweite Registerband belegt 16 amtierende Richter, deutlich wird, dass entgegen der Regelung der Ratsverordnung ein Richteramt nicht immer lebenslang ausgeübt wurde.

Wie auch festgehalten wird, wurde der Ort für Leibes- und Lebensstrafen allgemein „Vehmstadtt“ genannt. Die heutige Forschung geht davon aus, dass der Rabenstein vor der Stadt in der Nähe der Freiberger Straße als Richtplatz, auf dem der Galgen stand, fungierte. Auf diesem Platz befand sich mutmaßlich auch der steinerne Galgen, den der Postbote Caspar Ehrlich als Buße für einen Diebstahl bauen lassen musste und der im Kriminalregister beschrieben wird. Auch der Marktplatz galt als Richtstätte. Wie vereinzelt aus den Einträgen hervor geht, wurden hier Enthauptungen durchgeführt. Ehrenstrafen wurden an zwei anderen Orten vollzogen – zum einen an einem Pranger auf dem Markt am Rathaus, zum anderen an einem ähnlichen Strafinstrument, das als Halseisen bezeichnet wurde und an der Kreuzkirche zum Einsatz kam – und zwar bei Strafen wie Gotteslästerung und Fluchen.

Auf Fürsprache hin konnte ein Urteil abgemildert werden Gab es jemanden, der für Verurteilte ein gutes Wort einlegte, der Fürsprache hielt, wurden viele Strafen abgemildert. Mehr als 70 solcher Fälle werden aufgezählt, in denen das Gericht Gnade vor Recht ergehen ließ. Wie deutlich wird, ereilte nur wenige Delinquenten das vom Gericht verhängte Urteil. So zählt der zweite Kriminalregisterband nur sieben Hinrichtungen und zwölf Körperstrafen bei über 64 überführten Dieben, welche mit dem für ihre Tat allgemeingültigen Strafmaß Hinrichtung durch den Strang rechen mussten. Maßgeblich waren Fürbitten von Verwandten, Bekannten oder gar des Kurfürsten. So kam beispielsweise Hans Schreiber, der wegen Missachtung des kurfürstlichen Verbots der nächtlichen Elbüberfahrt (!) und Beschimpfung des Richters angeklagt war, durch seine „liebe … Mutter und anderer frommer Leuthe verbiethe mitt gelinderer Straff, als (er) wol verdienett und gezuchtigett“ davon. Die Diebin Martha Roch kam durch Fürsprache ihres Vaters zwar aus dem Gefängnis frei, allerdings wurde festgelegt, dass er seine Tochter mit eigener Hand in der Fronfeste züchtigen soll. Das war laut Ettelt „Strafe und Gnade“ zugleich. Da es zu keinem Kontakt mit einem (als unehrenhaft geltenden) Scharfrichter kam, blieb die Ehre des Mädchens auf diese Weise erhalten.

Thomas Kübler, Jörg Oberste, Mandy Ettelt (Hrsg.): Kriminalregister der Stadt Dresden. Band 2: 1556-1580. Leipziger Universitätsverlag, 320 Seiten, 55 Euro

Von Christian Ruf


Stadtgeschichte

Dresdner Kriminalregister: Folter? Nur bei „gnugksam Ursach“

Ein Kriminalregister-Band der Stadt Dresden ist eine Fundgrube zur Stadtgeschichtsforschung.

15.04.2019 DNN

https://www.dnn.de/lokales/dresden/dresdner-kriminalregister-folter-nur-bei-gnugksam-ursach-QZJEPER5GRXF7KMAOAXZBKKVQM.html