Um den Banach’schen Fixpunktsatz zu formulieren frischen wir zuerst einigen Grundlagen aus der Funktionalanalysis auf.
Ein Banachraum ist ein linearer normierter Vektorraum (mit der Vektornorm ), der vollständig ist[1].
Definition 2.2 (Vektorraum)
Die Dreiecksungleichung lässt sich einfach (mit mathematischer Induktion bezüglich der Anzahl der Summanden) auf endliche Summe verallgemeinern,
Ein einfaches Beispiel eines Banachraumes ist der Vektorraum ausgestattet mit einer der folgenden Vektornormen.
- Euklidnorm
- Betragsnorm
- Maximumnorm
Folgendes Lemma liefert eine Analogie zur verallgemeinerten Dreiecksungleichung der Norm.
Lemma 2.1
Sei und eine beliebige Norm auf . Dann gilt
Beweis.
Sei eine Zerlegung des Intervalls . Dann konvergiert die endliche Summe gegen für . Da die Norm eine stetige Abbildung ist erhalten wir
für ausreichend großes , und schließlich
ähnlich, aus der Konvergenz der endlichen Summe gegen das Integral erhalten wir
und folgend
Nun folgt aus (2.5) mit Hilfe der verallgemeinerten Dreiecksungleichung und (2.6) dass
und schließlich mit die Aussage des Lemmas. ◻
Ein weiteres Beispiel eines Banachraumes ist der Raum der stetigen Funktionen . Die Norm auf definieren wir als Maximumnorm: wobei eine beliebige Vektornorm in ist, siehe oben.
Nun betrachten wir eine Abbildung , ein Banachraum, und folgende Fixpunktgleichung: Finde ein mit
Eine Lösung dieser Gleichung kann man mit folgendem iterativen Ansatz finden. Sei gegeben,
Die Konvergenz dieser Iteration und folgend die Lösbarkeit der Fixpunktgleichung garantiert folgender Satz.
Satz 2.1 (Banach’scher Fixpunktsatz)
Sei ein Banachraum und eine abgeschlossene Menge in . Sei ferner eine Abbildung mit
- , d.h. ist in sich selbst abbildend,
- ist kontrahierend, d.h. es existiert eine Konstante mit
.
Dann besitzt genau einen Fixpunkt in , die iterative Folge (2.7) konvergeirt gegen die Lösung von und es gelten folgende Abschätzungen:
Beweis.
Der Beweis des Banach’schen Fixpunktsatzes ist zum Beispiel in M. Ružička: Nichlineare Funktionalanalysis, Satz 1.5, zu finden. ◻
Nun wird die Konvergenz der Piccard-Lindelöf Iteration (2.2) mithilfe des Banach’schen Fixpunktsatzes gezeigt und damit die Existenz einer einzigen Lösung der Volterra’schen Integralgleichung (2.1) bewiesen. Im Folgenden wird klar, dass die Voraussetzungen des Banach’schen Fixpunktsatzes nur in einer gewissen Umgebung vom Anfangswert erfüllt sind und damit wird ”nur” die lokale Existenz und Eindeutigkeit der Lösung gezeigt. Für ein definieren wir
siehe Abbildung 2.1. Nun formulieren wir den Existenzsatz für die Anfangswertaufgabe (1.6).
Satz 2.2 (Lokale Existenz und Eindeutigkeit einer Lösung der Anfangswertaufgabe)
Vorausgesetz und es gilt zusätzlich
- ist gleichmäßig Lipschitz stetig in bezüglich , d.h. es existiert eine Konstante sodass gilt
- für gelte zusätzlich wobei .
Dann existiert eine eindeutige Lösung der Anfangswertaufgabe und die Iteration (2.2) konvergiert auf gleichmäßig gegen sofern , .
Beweis.
Wir bezeichnen und betrachten stetig. Im Raum der stetigen Funktionen auf definieren wir die Norm als eine gewichtete Norm
Der Raum aller stetigen Funktionen auf , ausgestattet mit obiger gewichteter Maximumnorm, ist ein Banachraum .
Ferner definieren wir für die abgeschlossene Kugel
(Für definieren wir ).
Als erstes beweisen wir dass die Abbildung definiert in (2.3) die Kugel in sich selbst abbildet, also Wir wählen ein und untersuchen ob für alle . Mit (2.3) und (2.4) erhalten wir
Gilt für , so ist . Ist , ist ebenso erfüllt. Insgesamt folgt für alle , dass
Als nächstes zeigen wir, dass eine kontrahierende Abbildung bezüglich der Maximumnorm ist. Mithilfe von (2.3) und der Lipschitz-Stetigkeit von bezüglich erhalten wir
Nun wenden wir die Definition der Norm an und erhalten von oben
wobei
Mit geeigneter Wahl der Gewichtsfunktion wird und damit die Abbildung kontrahierend. Die einfachste Wahl von führt zu In diesem Fall ist die Abbildung für kontrahierend. Dies würde aber eine weitere Bedingung auf (außer ii)) bedeuten. Eine günstigere Wahl der Gewichtsfunktion ist . In diesem Fall ist
und schließlich für alle . Damit ist die Abbildung kontrahierend. Aus dem Banach’schen Fixpunktsatz folgt die Existenz und Eindeutigkeit der Lösung der Fixpunktgleichung , bzw. der Volterra’schen Integralgleichung (2.1), wie auch die Konvergenz der Iteration (2.2). ◻
Bemerkungen
- Den obigen Beweis kann man ähnlich auch für das Intervall durchführen, Somit erhalten wir mithilfe des Banach’schen Fixpunktsatz insgesamt die lokale Existenz und Eindeutigkeit auf mit , .
- Ist (also ist global Lipschitz stetig), so kann man auf die Bedingung (notwendig für die ”Abbildung in sich selbst” - Eigenschaft) verzichten. Man erhält dann die globale Existenz und Eindeutigkeit der Lösung der Anfangswertaufgabe (1.6) auf , für jedes .
- Ist lediglich nur stetig, erhält man mit dem Fixpunktsatz von Schauder [2] die Existenz einer Lösung, allerdings keine Eindeutigkeit, und keine Aussage über die Konvergenz der Iteration (2.2). Dieses Existenzergebnixs ist bekannt als der Satz von Peano.
- Der Beweis von Satz 2.2 lässt sich auf Systeme (1.7), , leicht verallgemeinern, indem man die Beträge durch eine Norm in ersetzt.
- Theoretisch kann man die Piccard-Lindelöf Iteration (2.2) zur Berechnung einer Annäherung der Lösung anwenden, indem man nach einigen Iterationen abbricht, siehe Beispiele 1.2, 1.3 (Kapitel 1). Die Integrale auf der rechten Seite kann man numerisch mittels Quadraturformeln ersetzen, dieser Ansatz heißt ”Finite Piccard Iteration”. Ansonsten sind diese Integrale exakt auszurechnen, was durchführbar aber weniger praktisch ist. Ziel dieser Vorlesung ist die Konstruktion solcher numerischer Verfahren, die an hinreichend vielen Stellen zwischen und , die Näherungen ohne allzu großen Aufwand liefern.
Beispiel 2.1
Betrachte das lineare System von gewöhnlichen Differentialgleichungen
wobei eine gegebene stetige matrixwertige und eine gegebene vektorwertige Funktion ist.
Wir überprüfen jetzt die Lipschitz-Stetigkeit der rechten Seite bezüglich der -Norm.
Die letzte Ungleichung basiert auf einer Eigenschaft der Matrixnorm , der Verträglichkeit der Matrixnorm mit einer Vektornorm :
wobei die Matrixnorm durch eine Vektornorm als definiert (induziert) ist.
Nämlich, für mit , ist
Damit folgt die Verträglichkeit der Matrixnorm mit der Vektornorm .
Da die Norm auch eine stetige Abbildung ist, nimmt sie ihr Maximum auf an. Dann ist die Lipschitz-Konstante für die rechte Seite des linearen Systems und damit besitz dieses System nach Satz 2.2 eine eindeutige Lösung.
Beispiel 2.2
Löse
Mit Trennug der Variablen erhält man die Lösung
Weitere nichtriviale Lösungen sind beispielsweise für beliebiges :
Beachte, dass die Funktion der rechten Seite in der Umgebung von nicht Lipschitz stetig ist.
- ↑ Ein vollständiger normierter Raum ist einer, in dem jede Cauchy-Folge von Elementen aus gegen ein Element aus konvergiert (in der Norm ).
- ↑ Den Fixpunktsatz von Schauder kann man zum Beispiel in M. Ružička,
Nichtlineare Funktionalanalysis,(https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-662-62191-2 )Satz 2.46 finden. In den Voraussetzungen verzichtet man hier auf die kontrahierende Eigenschaft der Abbildung (die aus der Lipschitz - Stetigkeit von folgt).