Unter einer Normalform verstehen wir in der linearen Algebra in der Regel eine möglichst einfache (und weitestgehend eindeutige) Form der Matrixdarstellung eines Objektes. Was konkret unter ’einer einfachen Form’ zu verstehen ist, gehört meist zur Fragestellung dazu. Oft gibt man sich eine Form vor und fragt, welche Objekte oder ob alle Objekte in dieser Form dargestellt werden können.
Beispiel: Normalform einer linearen Abbildung.
Zu
,
und
, gibt es Basen
von
und
von
, so dass
,
.
Dieses Beispiel gilt natürlich auch für den Fall
. Solche linearen Abbildungen
werden Endomorphismen oder Operatoren genannt. Diese sollen näher untersucht werden. Allerdings ist es hier nicht sinnvoll, zwei verschiedene Basen gleichzeitig in einem Vektorraum zu betrachten. Deshalb formulieren wir das Normalformproblem für Operatoren (eines endlich erzeugten Vektorraumes):
- Auf welche Form kann die Matrixdarstellung
eines Operators
bei geeigneter Basiswahl gebracht werden?
In der Sprache der Matrizen bedeutet dies: Zu einer quadratischen Matrix
suchen wir eine reguläre Matrix
, so dass
eine einfache Gestalt hat. Diese Relation zwischen den Matrizen trägt einen Namen:
- Zwei quadratische Matrizen
heißen konjugiert, falls
und
.
Die Konjugiertheit ist eine Äquivalenzrelation auf der Menge der quadratischen Matrizen. Insbesondere zerfällt
in eine disjunkte Vereinigung von Äquivalenzklassen (hier Konjugationsklassen
genannt), deren Elemente jeweils die verschiedenen Matrixdarstellungen eines Operators sind. Das Finden einer Normalform bedeutet hier, aus jeder Konjugationsklasse einen eindeutig bestimmten Vertreter (zumindest eindeutig bis auf endlich viele z.B. Umordnungen) einer bestimmten Gestalt zu finden. Es gibt verschiedene Antworten auf das Normalformproblem für Operatoren. Im Unterschied zu dem obigen Beispiel wird die Antwort auch vom Körper
anhängen bzw. werden einige Normalformen nur für bestimmte Operatoren existieren. Zunächst werden wir nur die einfachen Fälle behandeln: Diagonalform und Dreiecksform (Schur-Normalform). Im nächsten Semester werden wir eine vollständige Antwort in
den Varianten der Jordan-Normalform kennenlernen.
Stets sei
ein Operator (lineare Abbildung) und
ein
-dimensionaler
-Vektorraum. Alle Begriffe und Aussagen des folgenden Abschnittes können ebenso gut für quadratische Matrizen
formuliert werden, indem wir
als Operator
auf
auffassen.
heißt Eigenwert eines Operators
, falls ein Vektor
aus
existiert, so dass
. Ein solcher Vektor
heißt Eigenvektor von
zum Eigenwert
. Die Menge aller Eigenvektoren zu
(einschließlich der Nullvektors) bildet den Eigenraum
.
Offensichtlich ist jeder Eigenraum ein Vektorunterraum, da
bzw. (für eine Matrix
)
. Nach Definition ist
Eigenwert gdw.
.
Beispiele: Für
betrachten wir folgende Spezialfälle.
- a) Diagonalmatrix
: Einziger Eigenwerte ist
.
- b) Diagonalmatrix
,
: Zwei Eigenwerte
,
mit Eigenvektoren
bzw.
.
- c) Dreiecksmatrix
,
: Einziger Eigenwert ist
.
- d) Dreiecksmatrix
,
,
: Eigenwerte sind
und
; zugehörige Eigenvektoren sind
und
.
- e) Symmetrische Matrix
,
: Es gibt stets zwei verschiedene Eigenwerte
.
- f) Schiefsymmetrische Matrix
,
: Es gibt zwei verschiedene (reelle) Eigenwerte
gdw.
.
- g) Drehmatrix
,
: Es gibt keine (reellen) Eigenwerte und damit keine Eigenvektoren. Dies ist ebenso aus geometrischen Gründen einsichtig.
Diese Beispiele ergeben offenbar keine vollständige Fallunterscheidung.
- Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten sind linear unabhängig.
- (1) Ein Operator besitzt höchstens
Eigenwerte.
- (2) Hat ein Operator
verschiedene Eigenwerte, so gibt es eine Basis aus Eigenvektoren.
Für eine Matrix lassen sich die zugehörigen Eigenwerte durch das Verschwinden von Determinanten charakterisieren:
- Für
gilt:
ist Eigenwert von
.
Dies kann mittels der Matrixdarstellung auf Operatoren erweitert werden.
- Das charakteristische Polynom eines Operators
bezüglich einer Basis
von
ist die Determinante:
.
Bemerkungen:
ist unabhängig von der Wahl einer Basis
in
.
ist ein Polynom vom Grad
mit Koeffizienten aus
.
- Der höchste Term von
ist
, der absolute Term ist
.
Beispiele:
.
:
.
:
.
Generell ist der Koeffizient
von
im charakteristischen Polynom
von der Form
multipliziert mit der Summe aller Hauptminoren von
der Ordnung
. Ein Hauptminor ist eine Unterdeterminante der Matrix, die durch Streichen von Zeilen und Spalten mit gleichem Index entsteht, hier also von jeweils
Zeilen und Spalten.
- Ein Skalar
ist Eigenwert von
gdw.
ist Nullstelle des charakteristischen Polynoms
.
Einschub: Aussagen zu Nullstellen von Polynomen
[Bearbeiten]
- Mit
bezeichnen wir die Menge aller Polynome in der Variablen
mit Koeffizienten im Körper
.
Polynome können addiert und multipliziert werden. Addition und Multiplikation (mit Konstanten) induzieren auf
die Struktur eines K-Vektorraumes. Die konstanten Polynome (von Grad 0) identifizieren wir mit dem Körper
. Der Grad eines Polynoms ist die höchste Potenz von
:
. In
gilt die Teilbarkeitslehre (wie in
; wird später allgemein behandelt), insbesondere gibt es eine Division mit Rest:
- Zu je zwei Polymonen
, gibt es stets eindeutig bestimmte Polynome
mit
, wobei
oder
.
- (1)
ist Nullstelle von
gdw.
teilt
, d.h.
für ein
.
- (2) Ein Polynom vom Grad
besitzt höchstens
Nullstellen.
- (3)
heißt Vielfachheit der Nullstelle
von
.
An dieser Stelle formulieren wir:
Satz 5.10i (Fundamentalsatz der Algebra)
[Bearbeiten]
- Jedes nichtkonstante Polynom
hat eine Nullstelle in
, somit ist
algebraisch abgeschlossen.
Daraus kann gefolgert werden, dass jeder Körper in einem algebraisch abgeschlossenen Körper liegt.
- (1) Jedes Polynom positiven Grades
besitzt eine eindeutige Faktorisierung in lineare Polynome:
;
;
.
- (2) Jedes Polynom positiven Grades
besitzt eine eindeutige Faktorisierung in lineare oder quadratische Polynome:
;
;
;
.
Beim Auffinden rationaler Nullstellen von rationalen Polynomen hilft die folgende Überlegung, die auf einen Test endlich vieler Zahlen hinausläuft.
- Sei
ein Polynom mit ganzzahligen Koeffizienten. Ist
eine rationale Nullstelle von
, dann ist
ein Teiler von
und
ein Teiler von
.
Warum ist der Fall von ganzzahligen Polyomen keine Beschränkung der beschriebenen Situation?
- Ein Operator
heißt diagonalisierbar, wenn es eine Basis in
gibt, so dass die zugehörige Matrix
Diagonalgestalt besitzt.
Nicht jeder Operator ist diagonalisierbar. Nach der folgenden Charakterisierung kann es zwei Ursachen dafür geben.
- Die folgenden Bedingungen sind äquivalent:
- (1)
ist diagonalisierbar,
- (2)
hat eine Basis aus Eigenvektoren von
,
- (3)
faktorisiert
in lineare Polynome und die Vielfachheiten der Nullstellen sind die Dimensionen der zugehörigen Eigenräume.
- Die Dimension eines Eigenraumes
ist beschränkt durch die algebraische Vielfachheit der Nullstelle
im charakteristischen Polynom
.
Beschränken wir uns auf den Fall, dass alle Nullstellen von
aus
sind, d.h.
zerfällt in
in ein Produkt von Linearfaktoren. Dies ist beispielsweise über dem Körper
immer erfüllt. Dann ist ein Operator genau dann nicht diagonalisierbar, wenn die Dimension eines Eigenraumes kleiner als die Vielfachheit des zugehörigen Eigenwertes im charakteristischen Polynom ist. Ein solcher Operator lässt sich stets noch mit einer Dreiecksmatrix darstellen.
- Zerfällt das charakteristische Polynom
� vollständig in ein Produkt von Linearfaktoren, dann gibt es eine Basis
von
, so dass
eine obere Dreiecksmatrix ist mit den Eigenwerten auf der Hauptdiagonale.
Bemerkungen:
- Während bei einer diagonalisierbaren Matrix die Diagonalform bis auf die Reihenfolgen der Diagonalelemente (d.h. der Eigenwerte) eindeutig bestimmt ist (und damit unsere Erwartung an eine Normalform erfüllt wird), sind bei der Dreiecksform der Schur-Normalform nur die Hauptdiagonalelemente (ebenfalls die Eigenwerte) eindeutig bestimmt.
- Hinweis: Reelle symmetrische Matrizen sind stets diagonalisierbar. (Beweis im Teil 2, Stichwort: Hauptachsentransformation)
- Hinweis: Die Dreiecksmatrix der Schur-Normalform kann weiter vereinfacht werden, dass höchstens unmittelbar über der Hauptdiagonalen statt ’Null’ ’Eins’ stehen kann (Beweis im Teil 2, Stichwort: Jordan-Normalform).
- Die Normalformen von Operatoren sind u.a. wichtig für die Lösung linearer Differentialgleichungssysteme!
- Hinweis: (Simultane Diagonalisierbarkeit vertauschbarer Operatoren) Sind zwei diagonalisierbare Operatoren
und
vertauschbar, also
, dann existiert eine Basis aus gemeinsamen Eigenvektoren.
Hier ein Beispiel für die Gestalt der Jordan-Normalform (eine 010 steht höchstens nur ’zwischen’ gleichen Eigenwerten!):