Kurs:Seminar zur Nachhaltigkeit in der Europäischen Agrarpolitik/Instrumente der GAP: 2 Säulen System

Aus Wikiversity
KOM Logo (3000 x 764)
KOM Logo (3000 x 764)

Instrumente der Gemeinsamen Agrarpolitik: Das 2-Säulen-System[Bearbeiten]

Das Instrumentarium der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) hat sich seit ihrem Inkrafttreten am 3. Juli 1962 wesentlich verändert. Ausfuhrerstattungen werden seit 2011 nicht mehr gezahlt und auch die Preisstützung wurde massiv zurückgefahren. Heute dient das Instrument der Preisstützung nur noch als Notfallsicherung und wird nur noch in begründeten Ausnahmefällen und für einen begrenzten Zeitraum gezahlt. Ein begründeter Ausnahmefall liegt vor, wenn die Marktpreise für ein landwirtschaftliches Erzeugnis so sehr abfallen, dass die europäischen Landwirte massenhaft um ihre Existenz bangen müssen.

Die GAP im Zeitraum zwischen 2013-2020 ist ein „Zwei-Säulen-System“ von „Direktzahlungen“ und der „Förderung der ländlichen Entwicklung“.

Die erste Säule: Direktzahlungen[Bearbeiten]

Direktzahlungen sind finanzielle Prämien für aktive Landwirte. Das bedeutet, dass sie direkte finanzielle Beihilfen für die Produktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen bekommen. Grundsätzlich unterscheidet man zwei Arten von Direktzahlungen: gekoppelte und entkoppelte.

Gekoppelte Direktzahlungen[Bearbeiten]

Diese Zahlungen sind gekoppelt an das Erzeugnis, das produziert bzw. angebaut wird. Das bedeutet konkret: Landwirte erhalten je nach der Menge eines bestimmten landwirtschaftlichen Erzeugnisses eine bestimmte finanzielle Zuwendung.

Gekoppelte Direktzahlungen wurden von 1992 – 2013 geleistet. Sie wurden weitestgehend wieder eingestellt, da sie einen schwerwiegenden Nachteil haben. Sie lassen nämlich dem individuellen Landwirt faktisch keinen Spielraum in der Wahl Anbauprodukts. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Landwirte werden vor allem diejenigen Pflanzen abbauen, für die es besonders hohe finanzielle Zuwendungen gibt bzw. für die es überhaupt finanzielle Zuwendungen gibt. So bestimmt der Staat bzw. die EU im Wesentlichen was auf unseren Feldern wächst, und nicht die Nachfrage des Konsumenten – und das kann nicht gutgehen.

Ebenso fördern die gekoppelten Direktzahlungen die Ungleichheit zwischen den Regionen in Europa. Aus klimatischen Gründen eignen sich nämlich bestimmte Regionen besser für den Anbau besonders stark geförderter Erzeugnisse. Diese Regionen erhalten dann besonders viele Zuwendungen von der GAP und dies führt wenig überraschend zu jeder Menge Streit zwischen den Ländern und den Regionen in der EU.

Entkoppelte Direktzahlungen[Bearbeiten]

Das Hauptinstrument der „Ersten Säule“ sind daher „Entkoppelte Direktzahlungen.“ Diese richten sich nicht mehr nach den Pflanzen oder sonstigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die angebaut werden, sondern ausschließlich nach der Anbaufläche eines Landwirtes. Deshalb spricht man auch hier von „Flächenprämien“: Je mehr Hektar ein Landwirt bebaut, desto mehr Geld bekommt er aus den GAP-Fonds. Die Entkopplung lässt ihm dabei die Freiheit selbst zu entscheiden was er anbauen will.

Die Summen, die ausgezahlt werden, sind in jedem Land unterschiedlich. In Deutschland beträgt die Flächenprämie durchschnittlich 300€/ha Land. Das ist allerdings kein fester Wert, sondern ergibt sich daraus wie viele Landwirte Direktzahlungen beantragen und wie viel Geld einem Land insgesamt zusteht.

Konkret bedeutet das folgendes: Deutschland hat im aktuellen Finanzrahmen der GAP Anspruch auf etwas mehr als 5 Milliarden Euro pro Jahr für die Leistung von Direktzahlungen. Die Deutsche Bundesregierung nimmt dieses Geld und teilt es nach einem bestimmten Schlüssel unter den Bundesländern auf. Diese reichen das Geld dann an die Landwirte weiter. Somit steht den Ländern ein bestimmter Geldbetrag für Direktzahlungen zur Verfügung. Dieser Betrag wird zu gleichen Teilen unter den Antragstellern – also unter den Landwirten – aufgeteilt. Je mehr Landwirte Direktzahlungen beantragen bzw. je mehr landwirtschaftliche Fläche von den Landwirten angemeldet wird, desto weniger Geld pro Hektar kann ausgezahlt werden. Somit werden auch innerhalb Deutschlands je nach Region unterschiedliche Prämien gezahlt.

Zentrale Bedingungen für Direktzahlungen: Greening[Bearbeiten]

Die heutige GAP soll grüner werden und hat den Umweltschutz zum offiziellen Ziel erklärt. Die wesentlichste Maßnahme hierfür ist, dass die Auszahlung eines bestimmten Teils der Prämie an Auflagen zum Umweltschutz gebunden ist. Hierfür sind drei wesentliche Maßnahmen zu nennen:

  1. Landwirte müssen bestimmte Flächen ihres ursprünglichen Ackerlandes in ihren natürlichen Zustand zurückversetzen bzw. im natürlichen Zustand belassen. Dies soll Tieren und Wildpflanzen einen Rückzugsraum bieten.
  2. Landwirte sollen gleichzeitig mehrere Pflanzen abbauen, um große Monokulturen zu verhindern.
  3. Landwirte sollen auf ihren Flächen eine Fruchtfolge beachten. Das bedeutet, dass sie regelmäßig die angebauten Pflanzen wechseln sollen. Dies soll verhindern, dass der Boden ausgelaugt wird.

Halten sich Landwirte nicht an diese Vorgaben, müssen sie mit Abschlägen bei den Prämien rechnen.

Die zweite Säule der GAP: Förderung des ländlichen Raumes[Bearbeiten]

Die zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft hat schwerwiegende Auswirkungen auf ländlich geprägte Regionen in Europa. Dadurch, dass viele kleine Höfe zugunsten von wenigen großen Betrieben weichen, haben sich die gesellschaftlichen Strukturen auf dem Land stark verändert. Vor allem sind viele Menschen weggezogen und haben oft stark entvölkerte Regionen zurückgelassen. Mit dieser Landflucht geht jede Menge Kultur verloren - viele Traditionen und gesellschaftliche Vielfalt.

Um diesem Problem zu begegnen, hat die GAP die „Zweite Säule“ der GAP stark ausgebaut, welche den Problemen des gesellschaftlichen Wandels auf dem Land entgegenwirken soll. Sie hat dazu den sogenannten „ELER-Fonds“ (Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums) aufgesetzt und stark ausgeweitet. „Der ELER soll zur Entwicklung eines Agrarsektors beitragen, der räumlich und ökologisch ausgewogen, klimafreundlich und klimaresistent, wettbewerbsfähig und innovativ ist.“

Kritik an der GAP[Bearbeiten]

Obwohl die neuesten Reformen der GAP viele der alten Probleme und Schwierigkeiten angeht, bleiben einige auch bestehen. Ganz grundsätzlich wird von vielen kritisiert, dass die GAP nach wie vor sehr viel Geld verschlingt obwohl der Agrarsektor nur recht wenig zur gesamten Wertschöpfung in der EU beiträgt. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das folgendes: die Agrarförderung macht 38% des EU-Budgets aus. Der Anteil der Landwirtschaft an der europäischen Wirtschaftsleistung beträgt aber nur etwas mehr als 1%.

Kritiker der GAP fragen demnach, ob Ausgaben und Relevanz des Wirtschaftssektors in einem gesunden Verhältnis stehen. Befürworter der GAP argumentieren, dass wir damit unsere elementarsten Grundbedürfnisse sichern und sich die Investition somit lohnt. Sie sagen, dass wir es nicht riskieren dürfen in, eine Abhängigkeit von Außen zu geraten und die Basis unseres Wohlstandes zu gefährden. Beide Argumente sind nachvollziehbar und eine Entscheidung für eines ist schwierig.

Trotzdem gibt es andere Kritikpunkte, wo die Argumentationslage schon eindeutiger ist. Die zwei wesentlichsten sind:

  1. Unterstützung der Großindustrie

Das wohl schwerwiegendste Problem ist, dass die GAP weiterhin vor allem die großen landwirtschaftlichen Betriebe fördert und damit diejenigen, die eine Unterstützung am wenigsten für das Überleben benötigen. Dies liegt vor allem daran, dass die Prämien der Direktzahlungen sich nach der Anbaufläche richten. Je mehr Fläche ein Landwirt bewirtschaftet, desto mehr Geld bekommt er auch. Für die Landwirte ist das ein eindeutiger Anreiz ihre Höfe zu vergrößern und möglichst im industriellen Maßstab zu produzieren. Das hat bekanntlich starke negative Auswirkungen auf die Umwelt, den Tierschutz und die allgemeine Qualität der Nahrungsmittel – bedingt durch den starken Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln oder Medikamenten bei der Tierhaltung.

Ganz abgesehen von den Aspekten der Nachhaltigkeit muss man in diesem Punkt die Logik der Förderung hinterfragen, denn: große und industriell produzierende europäische Landwirte haben in der Regel keine Schwierigkeiten gewinnbringend zu wirtschaften und können meist auch mit den Weltmarktpreisen mithalten. Kleine landwirtschaftliche Betriebe jedoch haben damit nach wie vor ihre Schwierigkeiten. Es bleibt also die berechtigte Frage, warum kleine Betriebe nicht grundsätzlich stärker gefördert werden als große.

  1. Ausfuhrerstattungen durch die Hintertür

Obwohl Ausfuhrerstattungen offiziell abgeschafft wurden und europäische Landwirte keine aktive Förderung für ihre Exporte erhalten, ist unsere GAP gegenüber den Entwicklungsländern extrem unfair. Das liegt daran, dass sobald in Europa produzierte Erzeugnisse außerhalb Europas verkauft werden, haben Subventionen – egal welcher Form – denselben Effekt wie Ausfuhrerstattungen! Unsere Landwirte können ihre Erzeugnisse oft nur deshalb so günstig auf dem Weltmarkt verkaufen, weil sie auf die großzügigen staatlichen Zuwendungen zurückgreifen können. Ohne diese finanzielle Unterstützung könnten sie nicht diese niedrigen Preise anbieten. Die staatlichen Zuschüsse sind insgesamt sogar so hoch, dass unsere Landwirte im Ausland oft „Dumping“ betreiben und ihre Erzeugnisse unterhalb der tatsächlichen Produktionskosten anbieten. Unsere GAP - genauso wie die Agrarförderung in anderen Staaten wie beispielsweise in den USA - ruiniert nach wie vor den Agrarsektor in Entwicklungsländern.

Weblinks[Bearbeiten]

Arbeitsaufträge[Bearbeiten]

  • Die GAP hat im Laufe der Jahrzehnte viele Reformen durchlaufen. Beschreiben Sie das aktuelle „2-Säulen-System“. Gehen Sie dabei auf die Instrumente der „Direktzahlungen“ und der „ländlichen Entwicklung“ ein. Mit welchen Zuwendungen können europäische Landwirte rechnen und welche Auflagen müssen sie erfüllen?
  • Die GAP hat seit ihrem Bestehen viel erreicht. Welchen Nutzen hat sie für uns heute und welche Elemente lassen sich nach wie vor kritisieren?