Muskulär bedingte Rückenschmerzen

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Muskelverspannungen aufgrund von mangelnder Bewegung oder zu schnellen Wachstum sind der häufigste Grund von Rückenschmerzen. Ursache sind dabei zu schwache Muskeln, welche trainiert werden sollten.

Grundsätzlich versucht der Körper eine Grundspannung (Tonus) aufzubauen. Ist der vom Zentralnervensystem (ZNS) gewünschte Soll-Tonus größer als der maximal mögliche schmerzfreie Ruhetonus, so sind schmerzhafte Muskelverspannungen die Folge.

Trainiert wird ein Muskel bei einer möglichst hohen Differenz zwischen Ruhe- und Spitzenspannung. Die Spitzenspannung sollte idealerweise pro Übung für eine Muskelgruppe über mehr als fünf Minuten an jedem zweiten Tag mit maximal möglicher Stärke erfolgen, während die niedrigere Ruhespannung den Rest des Tages erfolgen sollte.

Fehlt die Differenz zwischen Ruhe- und Spitzenspannung, so wächst der Muskel nicht. Dies kann auch bei schmerzhaften Muskelverspannungen der Fall sein. Bei einer bettlägerigen Person ist das Verschwinden von verspannungsbedingten Rückenschmerzen praktisch ausgeschlossen. Vielmehr ist bei bettlägerigen Personen sogar eine Verstärkung der Rückenschmerzen oder gar ein erstmaliges Auftreten der Rückenschmerzen zu befürchten. Anders sieht das bei Personen aus, welche Alltagstätigkeiten verrichten wie Hausputz, Spülmaschiene einräumen, Unterlagen einordnen, Auto säubern, zur Arbeit radeln. Bei ihnen ist eine gewisse Spitzenspannung über der Ruhespannung vorhanden, sodass bei leichten Verspannungen eine Besserung zu erwarten ist.

Bei schmerzhaften Verspannungen und fehlender Spitzenspannung bildet sich der Muskel aber sogar zurück. Durch Fango-Packungen, Massage oder Ausdauertraining, welches alles drei die Durchblutung verbessert, kann dieser Muskelabbau aber gehemmt werden. Die Muskeln werden dadurch aber nicht trainiert.

Verspannte Muskeln werden automatisch von benachbarten Muskeln unterstützt. Können diese Aushelfer aber ebenfalls nicht die Soll-Spannung aufrechterhalten, so verspannen sie ebenfalls. Im Falle einer schmerzhaften Verspannung können sie sich dann sogar zurückbilden, falls dem nicht mit entsprechenden Spitzenspannungen entgegengewirkt wird. Daher kann eine Verspannung an einer Stelle am Rücken sich auf den ganzen Rücken ausweiten.

Durch plötzliche Krafteinwirkungen erhöht sich der Soll-Tonus. Eine sogenannte Schutzspannung tritt auf. Diese kann je nach auslösender Krafteinwirkung bis zu mehreren Monaten dauern. Danach reduziert sich die Ruhespannung von alleine auf das normale Niveau. Bei wenig trainierten Muskeln kann damit der maximal nichtschmerzhafte mögliche Tonus überschritten werden, sodass schmerzhafte Muskelverspannungen die Folge sind.

Bei Rückenschmerzen aufgrund von Verspannungen sind grundsätzlich Rücken-, Schulter-, Brust-, Gesäß- und Bauchmuskulatur gleichmäßig zu trainieren. Durch ein gleichmäßiges Training aller beteiligten Muskeln werden Muskuläre Dysbalancen verhindert. Dehnungsübungen sind in den meisten Fällen nicht erforderlich. Anders sieht das bei durch verkürzten Muskeln eingeschränkter Bewegungsfreiheit und intensiven Bodybuilding aus. In diesen Fällen sind Dehnungsübungen sinnvoll.

Sogenannte Schonhaltungen, welche bei muskelbedingte Rückenschmerzen von alleine eingenommen werden, sind günstig, da bei ihnen die Ruhespannung niedriger liegt und damit die Differenz zwischen Ruhe- und Spitzenspannung steigt. Eine kurzfristige Einnahme einer anstrengerenden Haltung kann jedoch eine sinnvolle Spitzenspannung darstellen.

Bei häufigen Kräftigungsübungen ist eine ausreichende Versorung mit Wasser, Eiweiß mit allen essentiellen Aminosäuren (als Eiweißpulver in der Apotheke erhältlich) und Magnesium notwendig. Vor allem bei Vegetariern kann die Zufuhr von zusätzlichem Eiweiß mit allen essentiellen Aminosäuren sinnvoll sein.

In manchen Fällen kann auch ein zu geringer Testosteron-Spiegel Ursache von zu geringem Muskelwachstum sein.

Alternative Behandlungsmöglichkeiten wie „Feldenkrais“-Methode, Spritzen mit Salzlösungen, Homöopathie, „Atlaskorrekturen“ oder chiropraktische Maßnahmen sind ausdrücklich nicht empfohlen und manche von diesen können sogar schädliche Folgen haben. In wissenschaftlichen Studien, welche auf Erfahrungen vieler betroffener Menschen beruhen, konnte bei diesen keine Wirksamkeit festgestellt werden.

Bei akuten Rückenschmerzen kann durch zweiwöchige Verwendung von Tetrazepam, ein Muskelrelexans, der Muskelabbau gehemmt werden, indem die Ruhespannung gesenkt wird, sodass weniger schmerzhafte Verspannungen entstehen. Bei gleichbleibenden Spitzenspannungen wird dadurch das Muskelwachstum gefördert. Eine längere Verwendung ist allerdings aufgrund der Toleranzentwicklung nicht zu empfehlen. Mittels Flupirtinmaleat kann die Ruhespannung auch bei chronischen Rückenschmerzen abgesenkt werden und die Schmerzstärke je nach Verspannungsgrad unterschiedlich gut gesenkt werden. Bei niedrigeren Spitzenspannungen ist allerdings ein Muskelabbau bis zur für die neue Ruhespannung nötige Muskelkraft zu erwarten.

Bei zu geringer Muskelspannung können die Muskeln die Wirbelsäule nicht ausreichend schützen und Bandscheibenvorfälle können die Folge sein. Daher sind Muskelrelexans erst ab einer gewissen Muskelstärke sinnvoll.

Bei chronischen Rückenschmerzen ist zur Schmerzlinderung in gewissen Maße auch die Gabe eines Antidepressivums wie Amitriptylin sinnvoll.

Eine erhöhte Ruhespannung aufgrund einer Schutzspannung kann durch Methocarbamol frühzeit wieder abgesenkt werden. Liegt aber keine über der normalen Ruhespannung liegende Schutzspannung vor, hat Methocarbamol keine Wirkung auf den Tonus.

Nach Erreichen der ausreichenden Muskelstärke für eine schmerzfreie Ruhespannung sind weitere Kräftigungsübungen sinnvoll. Mit diesen können durch plötzlich Krafteinwirkung auftretende Schutzspannungen schmerzfrei gemeistert werden. Ebenfalls wird damit einem Abbau der Muskeln durch Alterungsprozesse bei fehlenden Spitzenspannungen entgegengewirkt.

Fazit: Bei muskulär bedingte Rückenschmerzen müssen möglichst zeitnah Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Dies beinhaltet in jeden Fall Kräftigungsübungen. Ansonsten sind Verschlimmerungen zu befürchten. Besserungen ohne medikamentöse und krankengymnastische Maßnahmen sind nur bei geringen Verspannungen und vorhandener körperlicher Aktivität zu erwarten.

Fakten:

  • Eine positive Wirkung von Massagen und Fango konnte in Studien bisher nur in Kombination mit Kräftigungsübungen der Muskeln nachgewiesen werden.
  • Durch Muskelrelexans konnte in Studien nicht nur eine Besserung der kurzfristigen Symptome erreicht werden, sondern in Kombination mit Kräftigungsübungen auch der Heilungsvorgang beschleunigt werden.
  • Kräftigungsübungen haben in Studien eine deutliche bessere Wirkung als Ausdauertraining bei der Behandlung von Rückenschmerzen gezeigt.
  • Gezielte Krankengymnastik ist gegenüber normaler Alltagsbewegung nur bei ausreichender Nährstoffversorgung vorteilhaft.
  • Je länger die Rückenschmerzen dauern, desto schwieriger wird die Behandlung. (Dies ist durch die obengenannten Prozesse zu erklären.)