Politische Kulturen in den 70er Jahren in Deutschland

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Politische Kulturen in der BRD – neue soziale Bewegungen als Beispiel: die Antikernkraftbewegung der BRD[Bearbeiten]

Die Antikernkraftbewegung der BRD war die zahlenmäßig größte Protestbewegung dieser Zeit und das wichtigste Thema der Innenpolitik - vor allem in der zweiten Hälfte der 70er Jahre.

Der Beginn[Bearbeiten]

1972 wurde der BBU, der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz, gegründet. Im September 1972 formiert sich ein Widerstand der Kaiserstühler Winzer gegen den geplanten Standort eines Atomwerks bei Breisach.

Beschlüsse der Regierung[Bearbeiten]

Ein Jahr darauf, 1973, beschließt die Bundesregierung ein neues Energieprogramm: das vierte Atomprogramm sieht eine Steigerung des Kernenergieanteils um das 30-fache vor.

Die Proteste[Bearbeiten]

1974 protestieren Tausende gegen den „schnellen Brüter“, ein Atomkraftwerk bei Kalkar. Es wiederholen sich die Szenen gegen geplante und im Bau befindliche Atomkraftwerke bundesweit. Im Februar 1975 wird der Bauplatzes in Whyl von Demonstranten besetzt. Im Juli 1976 geschieht in einem italienischen Chemiewerk nahe Seveso eine Kesselexplosion,. Diese stellt eine Katastrophe mit schlimmen Folgen für die Bevölkerung und Umwelt der Umgebung dar.

Eskalation der Konflikte[Bearbeiten]

In den Jahren 1976 und 1977 eskalieren im Umfeld des geplanten AKWs Brokdorf die Konflikte. Es treten gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den AKW-Gegnern und der Polizei. Dies war der Beginn eines „siebenjährigen Krieges“ um den Standort Brokdorf. Im März 1979 gab der schwere Störfall im Kernkraftwerk „Three Mile Island“ in den USA erneut Stoff für weitere Auseinandersetzungen. 1979 demonstrieren bei einer Kundgebung in Hannover über 100.000 Menschen gegen das Atomkraftwerk in Brokdorf.



Politische Kulturen in der DDR – neue soziale Bewegungen[Bearbeiten]

Die Kultur- und Kunstszene in der DDR schlug verschiedene Wege ein und entwickelte sich in unterschiedliche Richtungen weiter.

Der Machtwechsel - kulturelle Öffnung[Bearbeiten]

Ab 1971 gab es unter der neuen Führung Erich Honeckers eine gewisse kulturelle Öffnung. Hierbei waren nun durchaus auserwählte Auftritte kritischer Künstler im öffentlichen Raum möglich geworden. Kritische Gedanken konnten durchaus in das System der DDR integriert werden. In einzelnen Teilen entwickelte sich eine neue Weltorientierung, die oftmals auch zu einer Identifizierung mit dem System der DDR führte.

Der Umschwung[Bearbeiten]

Ab Mitte der 70er Jahre verstärkte sich jedoch die Kontrolle durch das politische System. Kritische Künstler wurden nun vermehrt verhaftet und ausgewiesen. Es fanden ein erneuter Wandel und eine Polarisierung der Kultur statt. Bald trat infolgedessen eine Desillusionierung und Ernüchterung in der breiten Bevölkerungsschicht auf.

Ersatzöffentlichkeiten[Bearbeiten]

Zunehmend zogen sich diese künstlerischen Gruppen in eine Ersatzöffentlichkeit des Privaten oder auch in den halböffentlichen kirchlichen Raum zurück. Die jugendlichen Gruppen fanden Unterstützung durch die seit 1969 bestehende öffentliche Jugendarbeit. Die [Kirche bot einen Artikulations- und Verwirklichungsraum für Jugendliche, die mit den staatlichen kulturellen Angeboten unzufrieden waren. Es wurden unzensierte Informationen ausgetauscht und juristischer Beratungen fanden in den Räumlichkeiten der Kirche statt. Diese leistete zudem Friedensarbeit, unter anderem durch die Gründung von Arbeitskreisen durch und mit Wehrdiensttotalverweigerern die gemeinsame Friedensseminare gestalteten. Ab 1978 fanden öffentlich Proteste gegen den Wehrdienst statt.

Linksintellektuelle Kreise[Bearbeiten]

Die linksintellektuellen Kreise entwickelten eine eigene Öffentlichkeit für sich: es existierten stark polarisierte Debattierkreise die sich mit großem Interesse an alternativen Gesellschaftskonzepten versuchten. Diese Kreise waren konspirativ angelegt, es gründeten sich Unterbibliotheken und eigene Symbolfiguren bildeten sich heraus. Durch ihre Arbeit in Ihrer Ersatzöffentlichkeit hatten diese Gruppierungen jedoch keinen Einfluss auf das politische System.



Folgen[Bearbeiten]

In der BRD[Bearbeiten]

Im Jahre 1980 wird die „Republik freies Wendland“ auf dem Bohrplatz im Wendland ausgerufen und konnte 33 Tage bestehen, bis die Aktion durch einen massiven Polizeieinsatz beendet wird.

In der DDR[Bearbeiten]

Der Unmut in der Bevölkerung regte sich zusehends ab Mitte der 70er Jahre, ein formierter Widerstand existierte jedoch nicht. Der Protest blieb durch die lockere Netzwerkstruktur sehr diffus und individualisiert.


Literatur[Bearbeiten]

Bauerkämper, A. (2005): Die Sozialgeschichte der DDR (Oldenbourg Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 76), München.

Benz, Wolfgang (Hg.): Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Bd. 3, Frankfurt am Main, Fischer-Taschenbuch-Verlag 1989.

Bürgerinitiative Umweltschutz: Brokdor: der Bauplatz muß wieder zur Wiese werden. Hamburg, Verl. Association, 1977.

Faulstich, Werner (2004): Die Kultur der siebziger Jahre, München.

Geyer, Martin H.: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945 . Bd. 6: Bundesrepublik Deutschland 1974-1982. Neue Herausforderungen wachsende Unsicherheiten. Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Baden-Baden, Nomos-Verlag 2008.

Mez, Lutz: Der Atomkonflikt : Atomindustrie, Atompolitik und Anti-Atom-Bewegung im internationalen Vergleich. Berlin, Olle & Wolter 1979.

Siegfried, D.; Schildt, A. (2009): Deutsche Kulturgeschichte. Die Bundesrepublik - 1945 bis zur Gegenwart, München.