Projekt:AnOrMaL/Versicherung
Interview mit einem Versicherungsmathematiker (Lebensversicherung)
[Bearbeiten]Spezielles zum Bereich Rentenversicherung und sonstige allgemeine Informationen
- Wie viele Mathematiker sind in einer solchen Versicherung angestellt?
Das sind schätzungsweise etwa 5% im gesamten Unternehmen. Manche Abteilungen, wie die Tarifentwicklung oder das Aktuariat (ein Aktuar ist ein speziell dafür ausgebildeter Versicherungsmathematiker) bestehen ausschließlich aus Mathematikern.
- Wir würden auch gerne wissen, wie Lebensversicherungen funktionieren. Wie kalkuliert man beispielsweise die Beiträge?
Am besten illustieren wir dies am Beispiel einer reinen Rentenversicherung. Bei einer Rentenversicherung wird eine bestimmter Zeitpunkt, der Rentenübergang, vereinbart. Bis zum Rentenübergang muss man Beiträge zahlen, ab dem Rentenübergang erhält man jährlich oder monatlich (oder halb- oder vierteljährlich) Rentenzahlungen. Stirbt man vor dem Rentenübergang bekommt man nichts. Stirbt man nach dem Rentenübergang, so hat man zwischen dem Rentenübergang und dem eigenen Tod die Rentenzahlungen erhalten. Die Erben bekommen aber nichts mehr.
Man kann sagen, dass die Rentenversicherung eine Art Wette auf die eigene Lebensdauer ist. Man schneidet gut ab, wenn man lange lebt; man schneidet schlecht ab, wenn man früh stirbt.
Die Beiträge müssen so kalkuliert werden, dass kein Verlust für die Versicherung entsteht. Um herauszufinden, wie viel das ist, muss man als Grundlage die Sterbetafeln verwenden. Man hat sozusagen eine Statistik, die darüber Auskunft gibt, wie alt die Leute eines Jahrgangs durchschnittlich werden. Das ist wichtig, da ja nur die noch Lebenden Beiträge einzahlen.
Alle Versicherungsnehmer vor dem Rentenübergang zahlen in einen großen Topf ein, alle Versicherungsnehmer nach dem Rentenübergang erhalten aus diesem großen Topf ihre Renten (Diesen Topf könnte man Guthaben des Versicherungskollektiv nennen.). Wer früh stirbt, hat nur in den Topf eingezahlt und Renten finanziert, wer lange lebt, erhält im Endeffekt mehr als er eingezahlt hat. Das bedeutet, dass die früh Sterbenden die lang Lebenden finanzieren.
Solange dieser Topf nicht leer wird oder überläuft, hat die Versicherung richtig kalkuliert.
Um die Prämien zu errechnen wird folgende Kalkulation aufgemacht: Man multipliziert die Wahrscheinlichkeit, dass ein Versicherungsnehmer einen bestimmten Zeitpunkt t erreicht, mit dem Betrag, den er bekommt, wenn er Zeitpunkt t erlebt. Um nun zu errechnen, wie viel ich heute anlegen muss, damit ich den Versicherten zum Zeitpunk t auszahlen zu können, muss ich diesen Betrag auch noch abzinsen. Nun werden diese Beträge, welche für jeden Zeitpunkt t errechnet wurden summiert. Diese Zahl ist der sogenannte "Leistungsbarwert". Das ist die Summe Geld, welche die Versicherung heute anlegen muss, um den Versicherten eventuell ausbezahlen zu können.
Man denke daran, dass sich all diese Zeitpunkte, welche in diese Berechnung eingehen, nur nach dem Rentenübergang befinden!
Diese Summe muss nun durch Beiträge finanziert werden. Da aber die Möglichkeit besteht, dass der Versicherte nicht alle Beiträge bezahlt, sondern vorher stirbt, muss auch die Einnahme der Beiträge mit Wahrscheinlichkeiten multipliziert werden. Also wird wie bei den Leistungen der Beitrag, den er zum Zeitpunkt t zahlt, mit der Wahrscheinlichkeit multipliziert, dass er den Zeitpunk t überhaupt erlebt. Dann wird dieses wieder abgezinst, denn es interessiert, wie viel ich heute anlegen müsste, um zum Zeitpunk t den Beitrag zur Verfügung zu haben. Diese Zahlen werden wieder über alle Zeitpunkte t aufsummiert. Diese Zahl ist der sogenannte "Beitragsbarwert". Man denke daran, dass sich all diese Zeitpunkte vor dem Rentenübergang befinden. Je früher die Zahlung des Beitrags, je mehr Zinsen kann der einzelne Beitrag abwerfen. Jetzt muss der Beitrag so bestimmt werden, dass "Beitragsbarwert" und "Leistungsbarwert" übereinstimmen.
- Wie verdient die Versicherung jetzt etwas daran, wenn die Beiträge so kalkuliert sind, dass gerade die Sterbefälle ausbezahlt werden können?
Der Versicherte zahlt Bruttoprämien ein. Die Nettoprämien sind wie erwähnt, die Absicherung, dass man die Sterbefälle auszahlen kann. Bruttoprämien werden aus den Nettoprämien errechnet, in dem man verschiedene Kosten auf die Nettoprämien aufschlägt. Verdienen kann die Versicherung durch die Bruttoprämien. Dieser Teil der Beiträge ist aus verschiedensten Posten zusammengesetzt: Inkassokosten machen z. B. zwischen 3 und 7% der Beiträge aus.
- Wo sind Ähnlichkeiten mit sonstigen Versicherungen?
Wenn man beispielsweise Gegenstände versichern möchte, so nimmt man sich den Anschaffungswert des entsprechenden Gegenstands und das Risiko von Reperaturen, Haltbarkeiten, Art der Aufbewahrung oder ähnliches zugrunde.
Oder bei Berufsunfähigkeitsversicherungen, das Risiko der jeweiligen Berufsgruppe, aufgrund von z. B. Verletzungen oder psychischen Problemen frühzeitig aus dem Beruf auszuscheiden.
Ergebnisvideo: "Rentenversicherung"