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Projekt:Lesekreis "Die unbedingte Universität" von Derrida/Protokolle/Sitzung2

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Mondialisation

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Anknüpfend an die verschiedenen Debatten rund um Wahrheit, die im universitären Raum geführt werden, gingen wir in der zweiten Sitzung des Lesekreises zunächst zu einer Betrachtung der mondialisation über. Dem zu Grunde liegenden französischen "monde", zu deutsch "Welt", wird dabei der Vorzug vor den ähnlichen Begriffen Globus, Kosmos und Universum gegeben (Derrida, Jacques (2001): Die unbedingte Universität. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 11. Im Folgenden als einfach Seitenzahl in runden Klammern im Fließtext belegt). Diese Begriffe sind weitgehend physikalisch definiert:

  • Globus (lat. globus: „Kugel“) verweist im Kern lediglich auf die geometrische Form der Erde. Das Programm der Globalisierung besitzt somit streng genommen keine Inhalte, sondern beschreibt nur die Ausbreitung von irgendetwas auf die gesamte Form.
  • Kosmos (von gr. kósmos: „(Welt-)Ordnung“, Gegenbegriff zum chaos: „Unordnung, Verwirrung“) hängt sehr eng mit einer zielgerichteten Ordnung und einer einheitlichen Herrschaft zusammen. Programmatisch als Kosmopolitismus ist der Begriff ohne eine Weltregierung und auch Weltpolizei nicht denkbar, was den Begriff leicht unsympathisch werden lassen kann.
  • Universum (von lat.: universus „gesamt“, von unus und versus „in eins gekehrt“) bezeichnet die Gesamtheit aller existierenden Dinge, und schließt damit auch bisher unentdeckte Welten ein. Programmatisch wäre der Universalismus mit dem Begriff verbunden, also der Anspruch, die gesamte Welt auf ein einzelnes Prinzip zu bringen. Dieser Anspruch wird gerade von Derrida und dem poststrukturalistischen „Umfeld“ oftmals kritisiert.

„Welt“ hingegen ist einerseits kleiner als das Universum, da noch nicht entdeckte Dinge nicht dazu zu zählen sind. In diesem Sinne war die Welt in Europa vor 1000 Jahren noch weit kleiner, da Amerika nicht dazugehörte; die Welt „wächst“ also mit neuen Erkenntnissen und technischen Erfindungen. Damit gewinnt aber auch eine (inter-)subjektive Perspektive Einfluss auf den Begriff, die sich mit Denk- und Wahrnehmungsweisen, mit Interpretation und Sinn auseinandersetzt. „Mondialisation“ taucht im Buch gleichgestellt mit „Weltweit-Werden“ auf (11), was den prozesshaften Charakter betont. Das Ziel dieses Prozesses ist dabei noch nicht festgelegt, sondern ist prinzipiell flexibel (wenn auch vielleicht nur unter erheblichem Aufwand).

Der Begriff des Menschen

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Getragen wird dieser Prozess von bestimmten Vorstellungen vom Menschen, wie sie sich etwa in Menschenrechten und Verbrechen gegen die Menschlichkeit manifestieren. Ein solcher Begriff vom Menschen ist für Derrida zwar einerseits unverzichtbar, andererseits aber stets problematisch, da die Vorstellungen darüber, „was der Mensch ist“, sehr weit auseinandergehen und sich (bislang) nicht zu einem entgültigen Ergebnis führen lassen. Dieser Zustand macht eine Diskussion notwendig: Der Begriff des Menschen „läßt sich als solcher, er läßt sich bedingungs- und vorbehaltlos, ohne Einschränkungen und Voraussetzungen, einzig im Raum neuer Humanities diskutieren und neu bestimmen.“ (11) Der Raum für diese Diskussion liegt für Derrida damit in der unbedingten Universität, die sich also gerade nicht nach anderen gesellschaftlichen Zwecken (Arbeitskräfte produzieren o. ä.) ausrichten darf. Er will die wissenschaftlichen Ergebnisse jedoch nicht im Elfenbeinturm einmauern, sondern vielmehr die Universität zur Gesellschaft hin öffnen und die Diskussionen und Wissensbestände für alle zugänglich machen.

Öffentliches Wissen und Zugänge

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Im Zusammenhang mit dem öffentlichen Zugang zu Wissen wurden zahlreiche Beispiele besprochen. Vor allem das Internet bietet die Möglichkeit, Zugangsbeschränkungen abzubauen: Reisen zu verschiedenen Bibliotheken, um an bestimmte Bücher zu kommen, erübrigen sich eventuell in Zukunft, schon jetzt sind die Suche nach Buchtiteln in vielen Bibliotheken und Fernleihsysteme weit besser zugänglich, als in Zeiten vor dem Computer. Freie Software und verschiedene Versuche, freie Lizenzen zu benutzen und weiterzuverbreiten, weisen in die gleiche Richtung. Das betrifft jedoch nicht alle Bereiche des Wissens: Durch Patentierung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse wird ein öffentlicher Gebrauch derselben verhindert und die Zugänge zu bestimmtem Wissen sind nach wie vor sehr stark eingeschränkt.

Das Verhältnis von Kritik und Dekonstruktion

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Dekonstruktion beinhaltet für Derrida Kritik, geht aber noch über diese hinaus. Unter Kritik ist zunächst nur die genaue Untersuchung eines Themas/Gegenstandes und seiner Bedingungen zu verstehen, die nicht unbedingt negativ sein muss. Die Dekonstruktion erfordert aber auch, die „Geschichte des Kritikbegriffs selbst“ (12) zu berücksichtigen und somit selbstreflexiv die Bedingungen und eventuelle Schwachstellen der eigenen Methoden offenzulegen. So ist etwa zu berücksichtigen, dass eine unumstößliche Letztbegründung moralischer Urteile nicht möglich ist. Auch die Dekonstruktion ist keineswegs nur auf die Auslöschung ihres Gegenstandes aus, sondern die wichtige Rolle der Affirmation wird betont (13). Dazu könnte sich noch eine weitere Diskussion anbieten.

Feedback/Weitermachen

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In der Feedbackrunde wurde die sehr enge Textarbeit als hilfreich betrachtet, da es fast überall Punkte gab, die sich beim einfachen Lesen nicht so klar herausstellten. Beim nächsten Mal, Montag, den 10.08.09, machen wir weiter mit dem letzten Absatz auf Seite 12.