Projekt:Mosaik/Vorurteile

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„Du nix verstehen“ – Vorurteile auf dem Prüfstand[Bearbeiten]

Vorurteil – ethnisches Vorurteil[Bearbeiten]

Definition nach Meyers Lexikon online von Vorurteil: „Vorurteil, kritiklos, ohne persönliche Urteilsbildung oder Erfahrung übernommene Meinung, die einer sachlichen Argumentation nicht standhalten kann. Vorurteile dienen der psychischen Entlastung des Urteilenden in Angstsituationen mangels Orientierung und dem Abbau von Unsicherheit in sozialen Handlungsfeldern. Gruppenvorurteile, mit denen eigenes Unvermögen dadurch kompensiert wird, dass dieses u. a. auf fremde Völker oder nationale Minderheiten und/oder deren Wertsysteme übertragen wird, werden oft durch Manipulation vermittelt oder bestärkt.“
Da wir hier uns jedoch um Integration und Migration beschäftigen ist diese Definition noch nicht exakt genug, da wir uns im Bereich verschiedener Ethnien bewegen. Somit behandeln wir auch nicht Vorurteile über Geschlechter, sondern über verschiedene Ethnien oder Länder.
Wissenschaftliche Definition von ethnischen Vorurteilen nach Heckmann, 1992 (s119):
„Ethnische Vorurteile sind negative, abwertende und feindselige Aussagen und Urteile über ethnische Gruppen; die Aussagen und Urteile sind stereotyp und wirklichkeitsunangemessen; stereotyp bzw. stereotypisierend heißt: auf fehlerhaften Verallgemeinerungen beruhend, simplifiziert und starr.“


Die Funktionen von Vorurteilen[Bearbeiten]

Nach Cornelia Schmalz-Jacobsen aus Informationen zur politischen Bildung, Nr. 271/2001 kristallisieren sich vier Funktionen heraus.
„Vorurteile dienen der Orientierung in unübersichtlichen Situationen und Verhältnissen“ (Schmalz-Jacobsen, 2001) und „erlauben damit Verhaltenssicherheit, stellen Eindeutigkeit her und reduzieren Unsicherheit“ (Schmalz-Jacobsen, 2001). Das Individuum mit Vorurteilen kann somit anfänglich besser mit der Situation umgehen, da es gleich eine (Vor-) Urteil zur Verfügung hat und sofort weiß, wie es sich verhalten will. Daraus folgt, dass der Betreffende selbstbewusster und sicherer wirkt bei anderen Personen, die in selbiger Situation sind.
Als zweite Funktion „dienen [Vorurteile] der Gruppenbildung durch Ein- und Ausgrenzungen“ (Schmalz-Jacobsen, 2001). Die Eigengruppe bekommt eine positive Betrachtungsweise, wohingegen die Fremdgruppe mit einer negativen Betrachtungsweise bedacht wird. Dies lässt sich heutzutage darin sehen, dass die Benutzer des Betriebssystems von Apple ihre Fremdgruppe der Windows-User eher abfällig betrachten und das von ihnen benutzte Betriebssystem über das andere stellen. Dies passiert jedoch auch von der Seite der Windows-User.
„Die Legitimation und Rechtfertigung von Herrschaftsausübung“ also dritte Aufgabe der Vorurteile soll dabei helfen die „Sicherung des Machtgefälles zwischen Majoritäten und Minoritäten“ (Schmalz-Jacobsen, 2001) aufrechtzuerhalten. Somit kann die regierende Minderheit ihr Ausüben von Staatsgewalt mit Vorurteilen gegenüber dem zahlenreich überlegenen Volk begründen. Als Anschauungsbeispiel bieten sich die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika an, die durch das inzwischen offensichtliche Verbreiten des Vorurteils: „Der Irak hat chemische, biologische und atomare Waffen“ ihre Staatsgewalt benützt hat um in den Irak einzumarschieren. Dabei hat die Regierung (Minorität) ihr Machtverhältnis gegenüber dem Volk (Majorität) dadurch aufrechterhalten, dass sie eine zweite Amtsperiode erhalten haben. Im Dritten Reich haben die Nationalsozialisten die Juden als Sündenböcke benutzt und einen Mythos über den „bösen“ Juden geschaffen und somit durch Vorurteile ihr „Herrschaftsverhältnis[..]“ (Schmalz-Jacobsen, 2001) gefestigt.


Steckbrief 1[Bearbeiten]

Name: Metehan
Alter: 24 Jahre
Herkunftsland: Türkei
Wohnort: Ingolstadt
In Deutschland: seit Geburt

Laufbahn:

  • Besuch einer türkischen Klasse in Ingolstadt
  • Reguläre Hauptschule
  • 4-stufige Realschule
  • Fachoberschule
  • 4 Semester an der FH in Ingolstadt studiert
  • Ausbildung bei Siemens als Fachberater für Integrierte Systeme



1. Sind sie schon mal mit Vorurteilen konfrontiert worden?
-Ja, z.B. bin ich unhöflich behandelt worden als die Leute gemerkt haben das mein deutsch gebrochen war, beispielsweise auf dem Amt.
-Ich komme auch oft in keine Diskothek hinein, sie fragen mich nicht mal nach dem Ausweis sondern schicken mich, wenn sie mich sehen, gleich wieder weg.
-Manche Leute legen am Telefon auch wieder auf wenn sie hören dass ich einen türkischen Namen habe. z.B. beim Autokauf
-Ich finde auch, wenn jemand einen Ausländer mit einem "dicken" Auto sieht, dann dichtet er sich gleich was zusammen wie dass das Auto geklaut ist oder man das Auto nur durch Betrug bekommen hat, jedoch geben die türkischen Personen ihr Geld eben nur für andere Dinge aus als eben die Deutschen. z.B. bei den Türken das Auto und die Anziehsachen wichtiger als das Haus oder die Wohnung bei den Deutschen. Andere Kultur andere Werte.


2. Wie, denken Sie, entstehen diese Vorurteile?
-Ich denke, sie entstehen durch Unwissenheit und dadurch, dass keiner über den anderen nachdenkt und sich selten jemand mühe gibt die andere Kultur kennen zulernen.
-Leute die in ihrem Alltag wenig mit Ausländern zu tun haben, kennen unsere Kultur und unsere Art nicht und dadurch entstehen auch Vorurteile.


3. Wie gehen Sie mit diesen Vorurteilen um?
Ich versuche sie zu ignorieren oder den Leuten das Gegenteil zu beweisen, indem ich besonders höflich bin.
4. Welche Gefühle haben Sie, wenn Sie mit Vorurteilen konfrontiert werden?

Manchmal würde ich mich gerne rächen und empfinde Hass. Aber vor allem bin ich enttäuscht und verletzt, da die Leute über einen urteilen obwohl sie einen nicht kennen.


Steckbrief 2[Bearbeiten]

Name: Valentina S..
Alter: 46 Jahre
Herkunftsland: Russland
Wohnort: Ingolstadt
In Deutschland: seit 1990


Laufbahn:
In Russland:

  • Realschulabschluss
  • 4 Jahre Studium an der Musikhochschule als Chorleiterin
  • 8 Jahre Musiklehrerin

In Deutschland

  • seit 2001 Arbeit in der Lebenshilfe


1. Sind sie schon mal mit Vorurteilen konfrontiert worden?

- Das erste Dorf in das wir zogen war nur mit Deutschen bewohnt, dem Bürgermeister passte es nicht das wir in dieses Haus einzogen und sagt zu mir, „Ich wollte das dieses Dorf rein Deutsch bleibt, ich möchte euch Russen hier nicht haben.“
Er hat danach mich und meine Familie gemieden und uns auch nicht gegrüßt. - In diesem Dorf war es auch so, das meine Kinder nicht mit den anderen Kindern bei ihnen zu Hause spielen durften. Das legte sich aber mit der Zeit.
- Letztes Jahr wollte meine Familie und ich unseren Pool im Garten aufstellen. Wir fragten die Bewohner unseres Hauses, ob es sie stören würde. Doch so war es zum Glück nicht, also füllten wir den Pool voll mit Wasser. Am nächsten Tag stand unsere Vermieterin vor der Tür und forderte mich auf den Pool abzubauen oder sie würden ihn aufschlitzen. Nach meiner Frage nach dem Grund antwortete sie mir das unser Nachbar sich bei ihr mit den Worten: „Wir Russen sollen den Dreck von drüben nicht hier in Deutschland verbreiten.“ Als ich den Pool abbaute sagte es der Nachbar mir noch mal persönlich.
Im beruflichen Bereich:
- Vor ca. einem Jahr wurde ich in den Betriebsrat gewählt. Das passte manchen Kollegen nicht und ich bekam Sätze zu hören wie, „Sie kann nicht mal richtig Deutsch und wird in den Betriebsrat gewählt.“ „Sie kommt nicht von hier kennt also unser Rechtssystem nicht, und ich die hier geboren wurde wird nicht gewählt.“
- An einer Weihnachtsfeier bot mein Chef jeder Dame ein Glas Sekt oder Wein an. Als ich an der Reihe war bot er mir lautstark ein Glas Schnaps an. Mir war das einwenig unangenehm auch wenn es nur als Spaß gemeint war.

2. Wie, denken Sie, entstehen diese Vorurteile?

- Die Situation mit der Weihnachtsfeier, dieses Vorurteil wie „Alle Russen trinken so viel, oder nur Schnaps“, kommt denke ich daher da die meisten leider genau dieses Bild erfüllen. Jedoch ärgert es mich, dass dieses Vorurteil so Verallgemeinert wird.
- Durch ein stück Unwissenheit auch, sie hören es hinterfragen es nicht und nehmen es so an. Es ist nur schade, dass es sich bei so vielen festsetzt.


3. Wie gehen Sie mit diesen Vorurteilen um? - Früher habe ich oft geweint, weil ich nicht verstanden habe wie man einen solchen Hass uns gegenüber verspüren kann.
- Ich habe mich auch oft geärgert weil ich mich durch mein gebrochenes Deutsch nie getraut habe diesen Leuten etwas zurück zu sagen.
-Mittlerweile habe ich mich an solche Situationen gewöhnt, ich ignorierte diese Leute oder sage etwas zurück, doch leider bringt es bei den meisten nichts. Sie lassen von ihrer Meinung/Einstellung gegenüber Ausländern nicht ab.



Steckbrief 3[Bearbeiten]

Name: Faslollah S.
Alter: 42 Jahre
Herkunftsland: Iran, Teheran
Wohnort: Ingolstadt
In Deutschland: seit 1988

Laufbahn:
Im Iran

  • 12 Jahre Schulbesuch  Abschluss wie Abitur
  • „Ausbildung“ als Kupferstecher

In Deutschland

  • 2 Jahre gearbeitet bei Zeitarbeitsfirmen + Nebenjobs
  • Ausbildung Steinmetz/Bildhauer
  • Gearbeitet im Steinbruch und als Schrifthauer
  • Meisterschule + Technikerschule
  • Aktuell: selbständiger Steinbauchtechniker


1. Sind sie schon mal mit Vorurteilen konfrontiert worden?
- Ich hab fünf Personen in NRW nach dem Weg zur Sparkasse gefragt, von diesen haben mir 4 gar nicht geholfen, nachdem sie mein damals noch brüchiges Deutsch hörten. Nur Einer hat mir geholfen, der selbst Ausländer war.
- Ich hatte in der damaligen DDR gearbeitet und danach sind wir abends weggegangen. Wir sind in eine Kneipe gegangen und dorten waren viele Leute mit Irokesenfrisur, schwarzen Lederjacken und Springerstiefeln. Ich hab die einfach freundlich angelächelt. Erst danach habe ich erfahren, dass wir in einer Kneipe mit Rechtsradikalen waren.

2. Wie, denken Sie, entstehen diese Vorurteile?

Es hängt auch einfach damit zusammen, dass die Menschen nicht so viel Kontakt mit ausländischen Personen haben. Das liegt auch an der Politik. Unter der Regierung von Kohl wurden Ghettos gebaut. Da gab es dann das Russen- und Türkenviertel oder Viertel mit anderen Nationalitäten. Unter der rot-grünen Regierung gab es eine neue Integrationspolitik und es wurde mehr gemischt. Somit lernen sich die Leute besser kennen und können nicht so leicht Vorurteile aufbauen. 3. Wie gehen Sie mit diesen Vorurteilen um?

Als Folge des Kneipenbesuchs in der ehemaligen DDR, habe ich mir eine Schreckschusspistole gekauft.



Literaturverzeichnis[Bearbeiten]

Heckmann, 1992 Heckmann, Friedrich: Ethnische Minderheiten, Volk und Nation Soziologie inter-ethnischer Beziehungen, Stuttgart 1992

Meyers Lexikon online Meyers Lexikon online; Definiton unter: http://lexikon.meyers.de/meyers/Vorurteil [Stand: 12.07.07]

Schmalz-Jacobsen, 2001 Schmalz-Jacobsen,Cornelia: Vorurteil; in Informationen zur politischen Bildung, 271, 2001, 4