Zum Inhalt springen

Reelle Zahlen/Rationale Zahlen/Zifferndarstellung/Einführung/Textabschnitt

Aus Wikiversity

Die Zifferndarstellung (oder Ziffernentwicklung) einer natürlichen Zahl haben wir bereits besprochen, für eine negative ganze Zahl nimmt man einfach die zugehörige positive Zahl und schreibt ein Minuszeichen davor. Die zu einer Ziffernfolge gehörende Zahl gewinnt man, indem man aus der Ziffernfolge eine Vorschrift herausliest, was zu addieren, was zu multiplizieren, und was zu potenzieren ist (wobei Potenzieren eine bestimmte Form der Multiplikation ist). Beispielsweise ist die Ziffernfolge

zu verstehen als

Man muss also lediglich die Ziffern und die Zahl sowie Addition und Multiplikation kennen, um die Ziffernfolge richtig zu interpretieren. Die Zifferndarstellung beruht also auf einer Kodierung von Rechenvorschriften. Die Operationen Addition und Multiplikation sollte man dabei als fundamentaler für die Zahlen ansehen als das Ziffernsystem, das lediglich eine geschickte Benennung darstellt.

Für reelle Zahlen gibt es ebenfalls eine solche Ziffernentwicklung, wobei diese allerdings im Allgemeinen mit unendlich vielen Ziffern beschrieben werden. Die Bedeutung dieser Ziffernentwicklung ergibt sich im Kontext von Folgen und Reihen in Zusammenhang mit der sogenannten Vollständigkeit der reellen Zahlen. Es ist nicht möglich, eine Zifferndarstellung als reelle Zahl allein mittels Addition und Multiplikation zu interpretieren.

Wir betrachten zunächst eine abbrechende Ziffernentwicklung, wobei wir uns erstmal auf das Dezimalsystem beschränken. Es sei die Zahl

gegeben. Sie ist zu interpretieren als die Zahl

Hier schreiben wir statt . Diese Zahl kann man auch direkt als Bruch

auffassen, es liegt also insbesondere eine rationale Zahl vor, und zwar eine mit einer Zehnerpotenz im Nenner. Um also eine abbrechende Ziffernfolge richtig als Zahl zu interpretieren, muss man addieren, multiplizieren und auch durch Zehnerpotenzen teilen können.

Welche Bedeutung hat nun eine unendliche Ziffernentwicklung, wie

Zunächst mal gar keine, da ja gar nicht klar ist, was mit den Punkten zum Schluss gemeint ist, wie die Zifferndarstellung weiter geht. Eine solche Schreibweise ergibt allenfalls dann Sinn, wenn in den angeführten Ziffern ein Muster erkennbar ist, dessen Fortführung ins Unendliche dann die vollständige Ziffernfolge festlegt, wie bei

oder bei

Man kann ein Bildungsgesetz für die unendlich vielen Ziffern auf jede beliebige Weise angeben, solange nur jede Ziffer einen eindeutigen Wert bekommt.

Es sei jetzt eine irgendwie festgelegte unendliche Ziffernfolge gegeben. Welche Zahl verbirgt sich dahinter? Bei den abbrechenden Zahlen haben wir schon verwendet, dass die -te Nachkommastelle sich auf bezieht. Nach dem oben angeführten Gesetz, wie eine Ziffernfolge als Zahl zu interpretieren ist, sollte eine Ziffernfolge

als

zu interpretieren sein. Dies ist eine „unendliche Summe“, und sowas ist nicht definiert. Ausdrücke wie

oder

lassen erkennen, dass man auch keine sinnvolle Interpretation für beliebige unendliche Summen erwarten darf. Allerdings ist es möglich, und zwar unter sehr restriktiven Voraussetzungen, gewisse unendliche Summen in sinnvoller Weise als reelle Zahlen zu interpretieren. Dies benötigt einige Vorbereitungen, doch dadurch werden letztlich auch die unendlichen Dezimalentwicklungen gerechtfertigt.

Mit der Interpretation der -ten Nachkommastelle als (bzw. ), die ja mit wachsendem kleiner werden, hängt zusammen, dass zu einer unendlichen Ziffernfolge die abgeschnittene Ziffernfolge bis zur -ten Nachkommastelle eine rationale Approximation der Zahl liefert, und dass mit wachsendem die Approximationen immer besser werden. Für die Ziffernfolge

sind also

zunehmend bessere Approximationen (wenn eine dazukommt, kann man sich darüber streiten). All diese sind rationale Zahlen, die zunehmend genauere Information über die durch die unendliche Ziffernfolge anvisierte Zahl beinhalten. Wir können also Ziffernfolgen als eine Folge von rationalen Approximationen auffassen. Eine fundamentale Beobachtung ist nun, dass Ziffernfolgen im Allgemeinen nicht die schnellste oder die beste Approximation einer Zahl geben, sondern dass häufig anders gelagerte Folgen besser sind. Deshalb werden die Approximationseigenschaften der reellen Zahlen über die fundamentalen Begriffe Folge und Konvergenz erfasst.