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Die Bauten der Motorenfabrik Oberursel im Stadtbild[Bearbeiten]

Zu den eindrucksvolleren der historischen Gebäude der Stadt Oberursel zählt zweifelsohne das Verwaltungsgebäude der Motorenfabrik Oberursel an der Hohemarkstraße. Einhergehend mit der erfolgreichen wirtschaftliche Entwicklung der Motorenfabrik Oberursel wurden auch die Fabrikanlagen stetig erweitert. So ist bereits 1911 mit dem Bau der ersten Werkhalle abseits des Stammwerkes (entstanden aus der früheren Wiemersmühle) begonnen worden.

1913 begann der Bau von Flugzeugmotoren. Der dazu kriegsbedingt bald anwachsende Bedarf hat einen weiteren Ausbau der Fabrikanlagen erforderlich gemacht, wozu auch das eindrucksvolle Verwaltungsgebäude zählt. Diese in den Jahren von 1911 bis 1918 in mehreren Bauabschnitten entstandene Gebäude prägen seidem das Bild der Motorenfabrik Oberursel.

Gemeinsam mit einer neuen Montierungshalle unterhalb der bisherigen Fabrik ist 1911 eine neue Werkseinfahrt mit einer verzweigten Gütergleisanlage errichtet worden. Die 1912 in Betrieb genommene Werkhalle war schon während der Bauphase deutlich vergrößert worden, und schon 1913 ist daran die Flugmotorenhalle mit den vorgesetzten Betriebsbüros angefügt und in Betrieb genommen worden. Diese Werkhallen sowie der obere Teil des jetzigen Verwaltungsgebäudes entstanden von 1911 bis 1913 nach den Plänen des Karlsruher Architekten Julius Zinser im neoklassizistischen Baustil.

Die ab Mitte 1915 dann entstandenen Erweiterungsbauten zu dieser Werkhalle sowie der Hauptteil des neuen Verwaltungsgebäudes hat hingegen der Offenbacher Architekt Philipp Hufnagel geplant. Auch die 1915 begonnene Umgestaltung und Erweiterung der rechts der Werkseinfahrt gelegenen, im neoklassizistischen Baustil gehaltenen Lagerhallen geht auf Philipp Hufnagel zurück. Die Bauausführung all dieser zwischen 1911 und 1918 errichteten Bauten übertrug man der in Oberursel ansässigen Firma "Baugeschäft" TAUNUS" J.J. Meister". Der Architekt Hufnagel hat auf Wunsch der Bauherrschaft ein Verwaltungsgebäude mit anspruchsvoller Architektur entworfen. Die Architektursprache ist der Repräsentation verpflichtet, die Fassaden sind im prunkvollen Neobarock mit Elementen des Jugendstils am Portal gestaltet, weshalb wohl der Volksmund das Gebäude auch als "Schauspielhaus Oberursel" bezeichnet hat.

Auch im Inneren ist das Verwaltungsgebäude im zentralen Bereich um die Eingangshalle aufwändig und repräsentativ gestaltet worden. Das Marmortreppenhaus mit großer Mosaik-Fensterwand, die vier holzgetäfelten Direktorenbüros und der holzgetäfelte und mit geschnitzten Zierelementen ausgestattete Sitzungssaal im ersten Stock bezeugen das noch heute. Der seinerzeit eingebaute Paternoster-Personenaufzug hat die Zeiten nicht überstanden. Die im Untergeschoss angeordneten Speisesäle und die Küche der Betriebskantine gibt es hier noch immer, sie sind im Laufe der Zeit natürlich mehrfach umgestaltet und modernisiert worden. Auch die ursprüngliche Trennung sowie unterschiedliche Möblierung der Speiseräume für Direktoren, für Beamte und Beamtinnen (=Angestellte) und für Arbeiter gibt es schon lange nicht mehr.

Das entlang der Hohemarkstraße liegende, über dem Sockelgeschoss zweigeschossig stehende Verwaltungsgebäude mit seinem Schiefer-Mansardwalmdach mit Fenstergauben und dem Belvedere hat eine Bruttogeschossfläche von etwa 5.300 Quadratmetern. Das stilistisch dem Verwaltungsgebäude angepasste Straßenbahnwartehäuschen , ein kleiner Massivbau mit Mansarddach, ist als Einheit mit dem Verwaltungsgebäude errichtet worden. Nach dem zweigleisigen Ausbau der U-Bahn Strecke Ende der 1980Jahre wurde die Haltestelle "Motorenfabrik" aufgegeben und durch die Haltestelle "Lahnstrasse" ersetzt. Das Wartehäuschen hat damit seine ursprüngliche Funktion verloren. Hinter den prachtvollen Fassaden entlang der Hohemarkstraße verbergen sich allerdings einfache und zweckorientierte Industriebauten. Die Gebäude wurden in der damals recht neuen Bautechnik mit Beton, Stahl und Glas und mit einer Kunststeinfassade errichtet, die eine Mauerwerksstruktur aus Natursteinquadern imitiert, im Sockelgeschoss einen grauen Granit, und in den darüber liegenden Geschossen einen Tuffstein mit beige- bis ockerfarbenem Grundton.

Trotz ihrer wechselvollen Geschichte - mit mehrfachen Besitzerdwechseln, dem zweiten Weltkrieg, der Reparationsdemontage der Besetzung und Nutzung durch die US-Army, und trotz immer wieder aufgrund technischer Entwicklungen und sich ändernder Nutzungsanforderungen erforderlichen Umbauten im Innenbereich, hat sich der äußere Anblick der historischen Gebäude der Motorenfabrik während ihrer seither rund ein hundertjährigen Geschichte nur wenig verändert. Sie prägen hier das Stadtbild von Oberursel.

Es ist daher kaum verwunderlich, dass diese von der ehemaligen Motorenfabrik Oberursel AG geschaffenen Baute bereits 1980 unter Denkmalschutz gestellt worden sind. Die Denkmaleigenschaft wird im amtlichen Denkmalbuch wie folgt beschrieben: "Qualitätsvolles, in der Baugestaltung repräsentatives Verwaltungsgebäude, dessen anspruchsvolle Architekturformen sich in der Einfriedung, dem Straßenbahn Wartehäuschen und der Fassaden Gestaltung der Fabrikationshallen auswirken:"

So wird das heute gesehen und eingeordnet, das war nicht immer so. 1928, also 10 Jahre nach Fertigstellung des Verwaltungsgebäudes hat die Fachwelt das anders beurteilt. In einem Rückblick auf das Wirken des Architekten Philipp Hufnagel heißt es: "Zur Abrundung des Gesamtbildes sind ungeachtet der weitergegangenen Entwicklung auch einige (...) Bauten gezeigt, die, wenn sie uns auch heute geschmacklich fern stehen, doch hohe technische Anforderungen an den Architekten stellen. Dem Nichtfachmann wird es leichter gemacht den Weg zu erkennen, der heraus aus dem als Stilfrage betrachteten Architekturhaus durch den Industriebau zum modernen sachlichen Zweckbau führt."

Die Zeit des neobarocken Baustils war vorüber und wurde von der "Architektur der Neuen Sachlichkeit", dem sogenannten Rationalismus abgelöst. In der langen Geschichte des Oberurseler Werkes wurde viel Gebaut, das Verwaltungsgebäude ist bis heute das einzige Gebäude, das auch unter repräsentativen Gesichtspunkten gestaltet, errichtet und ausgestattet wurde. Alle anderen im Laufe der Zeit auf dem Werksgelände errichteten Gebäude waren reine Zweckbauten ohne erkennbaren einheitlichen Baustil.