Approximation/Einführung/Textabschnitt
Ein grundlegender Gedanke der Mathematik ist der der Approximation, der in unterschiedlichen Kontexten auftritt und sowohl für die Mathematik als Hilfswissenschaft für die empirischen Wissenschaften als auch für den Aufbau der Mathematik selbst, insbesondere der Analysis, entscheidend ist.
Das erste Beispiel dazu ist das Messen, beispielsweise der Länge einer Strecke oder der Dauer eines Zeitabschnittes. Abhängig vom Kontext und der Zielsetzung gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, was eine genaue Messung ist, und die gewünschte Genauigkeit hat eine Auswirkung auf das zu wählende Messinstrument.
Das Ergebnis einer Messung wird, bezogen auf eine physikalische Einheit, durch einen Dezimalbruch angegeben, also eine abbrechende „Kommazahl“, und die Anzahl der Nachkommaziffern gibt Aufschluss über die behauptete Genauigkeit. Zur Angabe von Messergebnissen braucht man also weder irrationale Zahlen noch rationale Zahlen, deren periodische Ziffernentwicklung nicht abbricht.
Betrachten wir die Meteorologie. Aus Messungen an verschiedenen Messstationen wird versucht, das Wetter der folgenden Tage mit mathematischen Modellen (und Computersimulation) zu berechnen. Hier wird man, um bessere Prognosen machen zu können, im Allgemeinen mehr Messstationen brauchen (wobei man irgendwann aufgrund von anderen Fehlerquellen mit zusätzlichen Messstationen die Prognosen nicht mehr optimieren kann).
Kommen wir zu innermathematischen Approximationen. Eine Strecke kann man zumindest ideell in gleichlange Teile unterteilen und man kann sich für die Länge der Teilstücke interessieren, oder man kann sich für die Länge der Diagonalen in einem Einheitsquadrat interessieren. Die Länge dieser Strecken könnte man prinzipiell auch messen, doch bietet die Mathematik bessere Beschreibungen dieser Längen an, indem sie beliebige rationale Zahlen und irrationale Zahlen (wie hier ) zur Verfügung stellt. Die Bestimmung einer guten Approximation erfolgt dann innermathematisch. Betrachten wir den Bruch . Eine Approximation dieser Zahl mit einer Genauigkeit von neun Nachkommastellen ist durch
gegeben. Die beiden Dezimalbrüche links und rechts sind also Approximationen (Abschätzungen) des wahren Bruches mit einem Fehler, der kleiner als ist. Dies ist eine typische Taschenrechnergenauigkeit, je nach Zielsetzung möchte man eine deutliche größere Genauigkeit (einen kleineren Fehler) haben. Die Rechnung in diesem Beispiel beruht auf dem Divisionsalgorithmus, den man beliebig weit durchführen kann, um beliebige Fehlergenauigkeiten zu erreichen (dass man wegen der auftretenden Periodizität irgendwann nur noch die weiteren Ziffern ablesen und nicht mehr rechnen muss, ist ein zusätzlicher Aspekt). Die Angabe einer Dezimalbruchapproximation einer gegebenen Zahl nennt man auch eine Rundung.
Sowohl in der empirischen als auch in der innermathematischen Situation gilt das folgende Approximationsprinzip.
Approximationsprinzip: Es gibt keine allgemeingültige Güte für eine Approximation. Ein gutes Approximationsverfahren ist keine einzelne Approximation, sondern eine Methode, mit der man zu jeder gewünschten Güte (Fehler, Toleranz, Genauigkeit, Abweichung) bei entsprechendem Aufwand eine Approximation finden kann, die diese vorgegebene Güte erreicht.
Mit diesem Prinzip im Hinterkopf werden viele Begriffe wie konvergente Folge und Stetigkeit, deren präzise Formulierungen ziemlich kompliziert aussehen, verständlich.
Approximationen treten auch in dem Sinne auf, dass man empirische Funktionen, von denen ein endliches Datensampling bekannt ist, durch mathematisch möglichst einfache Funktionen beschreiben möchte. Ein Beispiel dazu ist der Interpolationssatz. Später werden wir die Taylorformel kennenlernen, die eine Funktion in einer kleinen Umgebung eines einzelnen Punktes besonders gut durch ein Polynom approximiert. Auch hier gilt wieder das Approximationsprinzip in der Form, dass man, um die Funktion zunehmend besser zu approximieren, den Grad der Polynome zunehmend höher wählen muss. In der Integrationstheorie wird ein Funktionsgraph durch obere und untere Treppenfunktionen eingeschachtelt und damit der Flächeninhalt unterhalb des Graphen approximiert, mit feineren Treppenfunktionen (kürzeren Stufen) erhält man zunehmend bessere Approximationen.
Wie gut eine Approximation ist, zeigt sich oft erst dann, wenn man mit den Approximationen rechnen soll. Man möchte beispielsweise wissen, welche Abschätzung man für den Flächeninhalt eines Rechtecks hat, wenn man Abschätzungen für seine Seitenlängen hat. Und zwar fragt man sich, welchen Fehler man für die Seitenlängen erlauben darf, damit der Fehler des Flächeninhalts noch innerhalb einer gewünschten Toleranz bleibt.