BA-Arbeit: Modellierung der Dynamik von radioaktiven Expositionskarten zur Risikominimierung

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Anmerkung: Dieses Dokument dient lediglich dazu, einen Überblick über die Ergebnisse der Bachelorarbeit zum Thema Modellierung der Dynamik von radioaktiven Expositionskarten zur Risikominimierung zu erhalten. Viele Aspekte sind sehr verkürzt dargestellt und auch auf ausführliche Literaturangaben und Begründungen wurde verzichtet. Diese sind vollständig in der eigentlichen Bachelorarbeit von Noah Buchmann unter der Betreuung von Prof. Dr. Engelbert Niehaus und Svenja Müller an der RPTU in Landau dargestellt.

Zusammenfassung[Bearbeiten]

Im Rahmen dieser Bachelorarbeit wurde eine Modellierung zur Erstellung dynamischer Expositionskarten von radioaktiver Belastungen bei nuklearen Katastrophenfällen entwickelt. Die erstellten Expositionskarten können von Entscheidungsträgern eingesetzt werden, um risikomindernde Maßnahmen wie die Vergabe von Iodtabletten oder die Ausweisung von Evakuationsgebieten und Fluchtrouten möglichst frühzeitig planen und umsetzen zu können.

Im zweiten Kapitel wird die Relevanz einer solchen Modellierung begründet. Zudem wird der Modellierungsanspruch genauer festgelegt.

Das 3.Kapitel stellt die theoretischen Grundlagen dar. In diesem werden relevante Naturgrößen, mathematische Grundlagen und Modellierungsansätze anderer Autoren und Institutionen vorgestellt, sodass die eigene Modellierung sinnvoll umgesetzt werden kann.

Im 4.Kapitel wird die eigene Modellierung dann erklärt, bevor die Resultate am Beispiel der Nuklearkatastrophe von Fukushima im 5. Kapitel dargelegt werden.

In der Diskussion (Kapitel 6) werden die Resultate kritisch bewertet. Außerdem erfolgt ein Ausblick, wie die Modellierung optimiert werden kann.

Abschließend erfolgt noch ein Fazit.

Einleitung[Bearbeiten]

Relevanz[Bearbeiten]

Zur Bekämpfung des Klimawandels und der Einhaltung des Pariser Abkommens zur Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf nicht mehr als 1,5 °C ist es notwendig, die Emission von Kohlenstoffdioxid deutlich zu verringern. Hierzu können Atomkraftwerke beitragen, da sie sich durch einen geringen -Ausstoß auszeichnen. Daher wird weltweit diskutiert, inwieweit die Nutzung von Kernenergie zur Energieversorgung zukunftsfähig ist. In diesem Zusammenhang wurde zu Beginn des Jahres 2022 Atomkraft in der EU sogar als nachhaltig eingestuft. Für die Nutzung von Atomkraft spricht eine geringe Mortalität pro TWh Energie - trotz den Unglücken in Fukushima und Tschernobyl.

Gleichwohl sind Kernkraftwerke durch ihren jahrtausendelang radioaktiv strahlenden Atommüll und der Gefahr schwerwiegender nuklearer Unfälle gefährlich. Ein solches atomares Risiko geht darüber hinaus auch von dem weltweiten Atomwaffenarsenal einiger Staaten aus. Der Ukrainekrieg führte im Jahr 2022 zu einer deutlichen Bewusstwerdung dieses Risikos in Europa. Für den Fall einer nuklearen Katastrophe legte das Bundesamt für Strahlenschutz in Deutschland Planungsgebiete für den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken fest um die Bevölkerung zu schützen. Die Empfehlungen des Bundesamt für Strahlenschutz richten sich lediglich nach dem radialen Abstand zum Katastrophenort [1].

Fragestellung[Bearbeiten]

Ziel dieser Arbeit ist eine im nuklearen Katastrophenfall schnelle und zuverlässige Bereitstellung von Informationen zur Ablagerung radioaktiver Stoffe, sodass auf Grundlage dieser Informationen die Risiken durch radioaktive Strahlung in der Bevölkerung vermindert werden können.

Dazu soll mit Hilfe einer mathematischen Modellierung ein Algorithmus zur Erstellung von Expositionskarten erarbeitet werden. Dabei steht das Ziel im Vordergrund, schnell verfügbare Informationen zu liefern, die daraufhin ergänzt werden können.

Andere Modellierungen zur Erstellung von Expositionskarten können dann im Nachgang und mit mehr Messdaten durchgeführt werden. Es hat sich nämlich gezeigt, dass Ensemble-Simulationen, die aus mehreren Einzelsimulationen zusammengesetzt werden und daher viel Berechnungszeit benötigen, zuverlässigere Ergebnisse als Einzelsimulationen zu liefern [2].

Der in dieser Arbeit entwickelte Algorithmus soll daher möglichst computerressourcensparend und einfach zugänglich sein, sodass größere Bevölkerungsteile Zugriff auf die Informationen haben. Die ressourcensparende Modellierung trägt dazu bei, dass die Expositionskarte unmittelbar nach dem potentiellen Unglück als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung steht. Die Modellierung muss jedoch auch möglichst zuverlässige und damit nutzbare Informationen liefern.

Auf Grundlage des Algorithmus lässt sich die Bevölkerung vor Strahlung warnen, Evakuationswege und -gebiete festlegen und Hilfestellungen, wie etwa die Vergabe von Iodtabletten, koordinieren.

Um Evakuationswege bzw. Fluchtrouten auf Basis der Expositionskarte anfertigen zu können, ist es wichtig, dass die Dynamik der radioaktiven Belastung sichtbar wird. Deshalb wird ab der ersten Emission radioaktiven Materials im Abstand von 3h jeweils eine Expositionskarte erstellt. Die einzelnen Expositionskarten sollen dann zu einer Animation zusammengefügt werden, anhand derer man die zeitliche Entwicklung der Verseuchung ablesen kann.

Darüber hinaus sollte der Algorithmus die Möglichkeit bieten, die Karten für die einzelnen Zeitabschnitte und insbesondere die Karte zum Endzustand näher analysieren zu können.

All diese Anforderungen sollen in der BA-Arbeit: Modellierung der Dynamik von radioaktiven Expositionskarten zur Risikominimierung umgesetzt werden.

Grundlagen[Bearbeiten]

Grundlegend für das Verständnis der Modellierung sind Kenntnisse bezüglich:

Methodisches Vorgehen[Bearbeiten]

In diesem Kapitel wird das methodische Vorgehen bei der Erstellung der Expositionskarten dargestellt. Dabei lassen sich zwei Modellierungsteile unterscheiden: Die Trajektoriemodellierung der Mittelpunkte von radioaktiv belasteten Luftvolumina, die vom Krfatwerk ausgehen, in RStudio sowie die Darstellung der Belastungsverteilung mit Expositionsfunktionen und Expositionskarten in wxMaxima. Zunächst wird jedoch die Grundfunktion beschrieben mit der die Bodenbelastung einer radioaktiv belasteten Wolke nach Auftreffen am Boden modelliert wird.

Belastungsfunktion[Bearbeiten]

Vorherige Funktion[Bearbeiten]

In einer vorhergehenden Modellierung (siehe Kurs:Mathematische Modellbildung/Themen/Radioaktivität und Risikoliteralität) wurde eine gebrochenrationale Funktion der Form genutzt, da diese folgende Eigenschaften besitzt:

  • Einzige Extremstelle als Maximum
  • Symmetrisch bzgl. dieses Maximums
  • Stets positiv
  • Stetig
  • Lediglich von zwei Parametern abhängig, sodass sie durch zwei verschiedene Messwerte eindeutig bestimmbar ist
  • Über Parameter a ist Höhe des Maximums (maximale Gefahr) veränderlich
  • Über Parameter b ist Steigung (Breite des Gefahrenbereichs) veränderlich

Die Funktion erfüllt jedoch nicht die Konvektions-Diffusions-Gleichung.

Neue Funktion[Bearbeiten]

Daher wurde im Rahmen der Bachelorarbeit folgende Grundfunktion genutzt, um die Belastung am Boden nach einem nuklearen Katastrophenfall vorauszusagen:


In Polarkoordianten ergibt sich:


Dabei bezeichnet den Zeitpunkt der Entstehung der radioaktiven Nuklide im Kraftwerk. Diese Funktion zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus:

  • Nichtnegativität: Die radioaktive Belastung darf nie negativ sein.
  • Stetigkeit: Es soll keine Unstetigkeitsstellen geben, da die Belastung als kontinuierlich angenommen werden kann.
  • Differenzierbarkeit: Die Funktion soll an jeder Stelle eindeutig linear approximierbar sein. Auch das Änderungsverhalten der Funktion sollte kontinuierlich und ohne Sprungstellen sein. Daher ist auch die Annahme der Differenzierbarkeit sinnvoll.
  • Relativ einfache Integrierbarkeit: Um sicherzustellen, dass die Gesamtbelastung einer Wolke (bei Vernachlässigung des radioaktiven Zerfalls) konstant bleibt, sollte die Funktion gut integrierbar sein.
  • Erfüllung der Konvektions-Diffusions-Gleichung: Da es es sich um einen Stofftransport mit Diffusion und Konvektion handelt, muss diese Differentialgleichung erfüllt sein.
  • Ein Maximum: Die Funktion sollte nur einen solchen Extrempunkt im Mittelpunkt des Luftvolumens aufweisen.
  • Symmetrie: Aufgrund der Isometrie des Raumes sollte die radioaktive Belastung vom Mittelpunkt des Luftvolumen gleichmäßig auf alle Seiten hin abnehmen.
  • Grenzwert 0 im Unendlichen: In sehr weiter Entfernung vom Auftreffpunkt der Wolke sollte kein radioaktives Material durch die Wolke verteilt worden sein.

Addition zu einer Gesamtfunktion der Bodenbelastung[Bearbeiten]

In jedem Zeitschritt und in jeder Freisetzungshöhe bzw. für jede Teilchenart wird ein Luftvolumen und damit eine solche Funktion betrachtet. Ab einer gewissen Ausdehnung infolge der Diffusion wird zudem jedes Luftvolumen auf neun verschiedene Luftvolumina aufgeteilt.

Die Einzelfunktionen werden schließlich durch Addition superponiert, sodass am Ende eine Funktion die Gesamtbelastung beschreibt.

Trajektorienmodellierung[Bearbeiten]

Die Modellierung der Trajektorie wurde in RStudio umgesetzt. Das verwendete Programm ist in GitHub unter dem Repository „Modellierung-der-Dynamik-von-radioaktiven-Expositionskarten-zur-Risikominimierung" auffindbar.

Darstellung[Bearbeiten]

Die Gesamtbelastungsfunktion entsteht durch Addition der Belastungsfunktionen für einzelne radioaktiv belastete Luftvolumina. Dieser Teil der Modellierung wurde in wxMaxima umgesetzt und ist ebenfalls in GitHub unter dem Repository „Modellierung-der-Dynamik-von-radioaktiven-Expositionskarten-zur-Risikominimierung“ auffindbar.

Im wxMaxima-Programm kann das Zustandekommen der gesamtbelastung am Boden auch dynamsich verflogt werden. Dazu wird in jedem Zeitschritt der Modellierung (3h-Abschnitte) die bereits abgelagerten Nuklide (genauer: deren Aktivität) in einem Plot dargestellt.

Die Einzelbilder von Funktionen, die auf diese Weise zustande kommen, können dann mittels Videobearbeitungssoftware zu einer Animation zusammengefügt werden.

So entsteht eine dynamische Expositionskarte zur Berechnung von Ablagerungsorten bei einem nuklearen Unfall in einem Kernreaktor.

Modellierungsergebnisse[Bearbeiten]

Cäsium-137 Modellierung Fukushima[Bearbeiten]

Das entwickelte Verfahren wurde genutzt, um unter der Nutzung von ECMWF-Winddaten das Ablagerungsverhalten von Cäsium-137 während der ersten Woche der Nuklearkatastrophe im Bereich von Japan vorherzusagen. Die Modellierungsergebnisse sind in den untenstehenden Abbildungen dargestellt.

Cäsium Belastung zum Zeitpunkt 1
Cäsium Belastung zum Zeitpunkt 2
Cäsium Belastung zum Zeitpunkt 3
Cäsium Belastung zum Zeitpunkt 4
Cäsium Belastung zum Zeitpunkt 5
Cäsium Belastung zum Zeitpunkt 6
Cäsium Belastung zum Zeitpunkt 7
Cäsium Belastung zum Zeitpunkt 8
Cäsium Belastung zum Zeitpunkt 9
Cäsium Belastung zum Zeitpunkt 10
Cäsium Belastung zum Zeitpunkt 11
Cäsium Belastung zum Zeitpunkt 12
Cäsium Belastung zum Zeitpunkt 13
Cäsium Belastung zum Zeitpunkt 14
Cäsium Belastung zum Zeitpunkt 15

Iod-131 Modellierung Fukushima[Bearbeiten]

Das entwickelte Verfahren wurde darüber hinaus genutzt, um unter der Nutzung von ECMWF-Winddaten auch das Ablagerungsverhalten von Iod-131 während der ersten Woche der Nuklearkatastrophe im Bereich von Japan vorherzusagen. Die Modellierungsergebnisse sind in den untenstehenden Abbildungen dargestellt.

Iod Belastung zum Zeitpunkt 1
Iod Belastung zum Zeitpunkt 2
Iod Belastung zum Zeitpunkt 3
Iod Belastung zum Zeitpunkt 4
Iod Belastung zum Zeitpunkt 5
Iod Belastung zum Zeitpunkt 6
Iod Belastung zum Zeitpunkt 7
Iod Belastung zum Zeitpunkt 8
Iod Belastung zum Zeitpunkt 9
Iod Belastung zum Zeitpunkt 10
Iod Belastung zum Zeitpunkt 11
Iod Belastung zum Zeitpunkt 12
Iod Belastung zum Zeitpunkt 13
Iod Belastung zum Zeitpunkt 14
Iod Belastung zum Zeitpunkt 15

Diskussion[Bearbeiten]

Anspruch[Bearbeiten]

Die Modellierung sollte durch ressourcensparendes Programmieren und ein geringe Zahl an zu erhebenden Messwerten zur Katastrophe unmittelbar nach einem nuklearen Katastrophenfall zu einem möglichst zuverlässigen Ergebnis führen.

Bewertung der Zuverlässigkeit der Vorhersage[Bearbeiten]

Gegenüberstellung simulierte Daten (links) und Messdaten (rechts) nach Fukushima

Bei Vergleich zwischen den Realdaten [3] und den simulierten Werten der Cs-137 Bodenablagerung fällt folgendes auf:

In Nordjapan konnte die Cs-137 Belastung korrekt vorhergesagt werden: Zum einen wurde die erhöhte Belastung im Norden vorhergesagt (hellgrüne Ellipse). Zum anderen wurde die geringe Belastung im Süden der nördlichen Insel Hokkaido qualitativ korrekt berechnet (dunkelgrüner Kreis). In Südjapan konnte weitesgehend richtig vorhergesagt werden, dass keine signifikante radioaktive Belastung zu erwarten ist (blaue Ellipse).

Im Bereich um das Kraftwerk wurde sowohl mit der Modellierung als auch mit Beobachtungsdaten die größte Belastung vorhergesagt (pinke Ellipse). Hierbei ist jedoch zu erwähnen, dass in der Realität besonders eine Himmelsrichtung um das Kraftwerk sehr stark belastet ist [4]. Die Modellierung hingegen berechnet einen größtenteils radialsymmetrischen Verlauf der radioaktiven Belastung. Dieses Ergebnis ist zu großen Teilen auf den eulerischen Charakter der Modellierung zurückzuführen. In Hinblick auf Risikomaßnahmen ist eine ungenaue Vorhersage in Kraftwerksnähe jedoch akzeptierbar, da hier umfangreiche Maßnahmen zur Risikosenkung sicherlich sinnvoll sind (z.B Evakuationen, Fluchtrouten, Bereitstellung von Iodtabletten).

Schlechte Ergebnisse lieferte die Modellierung an der Ostküste Russlands (rote Ellipse). Hier deutet die Modellierung auf eine durchaus signifikante radioaktive Belastung hin. Eine Bestätigung dieser Ablagerung konnte jedoch nicht anhand von wissenschaftlicher Literatur erfolgen. Da es sich um ein größtenteils sehr ländliches Gebiet handelt, ist nicht auszuschließen, dass keine Messungen in diesem Gebiet erfolgten.

Gründe für eine falsche Vorhersage sind auch im Modellierungsansatz zu vermuten:

  • Fehler bei der Anwendung der barometrischen HF aufgrund von nicht kontanter Temperatur
  • Fehler durch die Auflösung der ECMWF-Wetterdaten. Es konnte nicht auf höher auflösende Wetterdaten zurückgegriffen werden, da diese käuflich erworben werden müssten. Da die Modellierung sensitiv auf meteorologische Daten und Veränderungen im Emissionsterm reagiert, kann dies zu relevanten Fehlern führen.
  • 12 Prozent der Gesamtbelastung wurden in der Expositionskarte aufgrund von Ressourcensparenden Abbruchbedingungen von for-Schleifen nicht berücksichtigt. Dieser Fehler erklärt jedoch nicht die zusätzliche Belastung an der Ostküste Russlands.

Es lässt sich allgemein jedoch festhalten, dass eine Risikoabschätzung und Einleitung von Schutzmaßnahmen auf Basis der hier gezeigten Karte möglich ist. Dies trifft vor allem dann zu, wenn die Ergebnisse durch weitere Ensemble-Simulationen nach Abschluss deren Berechnung bzw. bei Vorliegen der nötigen Datengrundlage weiter evaluiert werden, sodass die Schutzmaßnahmen im zeitlichen Verlauf angepasst werden können.

Nutzen zur Risikoabschätzung[Bearbeiten]

Die innerhalb von wxMaxima mit Gnuplot darstellbaren Expositionskarten gehören sicherlich zur Basis der Risikoeinschätzung nach radioaktiven Katastrophen. Die Expositionskarten, die in dieser Modellierung erstellt wurden haben verschiedene Vorteile:

  • Zur Darstellung können verschiedene Formen genutzt werden. So lassen sich innerhalb kürzester Zeit Belastungsfunktionen auch logarithmisch oder mit anderer Farbcodierung darstellen. Zudem können auch einzelne Gebiete beliebig groß dargestellt werden und Belastungsangaben für konkrete Orte sind durch Funktionsabfragen nahezu instantan möglich.
  • Die Darstellung einer Expositionskarte im interaktiven Gnuplot Fenster erlaubt eine dreidimensionale Betrachtung aus verschiedenen Perpektiven. Somit ist die Einschätzung der Exposition visuell unterstützt.
  • Die Darstellung als Animation erlaubt es, die Dynamik der Belastungsfunktion sichtbar zu machen. Auf Grundlage dieser können beispielsweise Fluchtrouten durch Gebiete geplant werden, die erst später radioaktiv belastet werden.

Eine quantitative Risikoabschätzung ist auf Basis der Expositionskarten nicht möglich. Die Ursache hierfür liegt in der verschiedenen biologischen Wirkung verschiedener Nuklidzerfälle. Die Äquivalentdosis stellt die risikobezogene physikalische Größe dar. Diese ist jedoch deutlich schwieriger zu messen und eine Umrechnungsmöglichkeit zwischen Aktivität und Äquivalentdosis müsste zusätzlich modelliert werden . Dies würde den Umfang dieser Bachelorarbeit jedoch übersteigen.

Für eine weitreichendere Risikoabschätzung müsste zudem besonders der Zeitbereich unmittelbar vor der Bodenablagerung hervorgehoben werden. In diesem befinden sich nämlich sehr viele strahlende Nuklide in der Atemluft, da die Nuklide aus höheren Atmosphärenschichten zu Boden gelangen. In Folge des Einatmens wäre dann die Strahlenbelastung besonders hoch.

Die Risikoeinschätzung würde zudem durch eine Angabe der Belastung in statt vereinfacht werden, da diese Angabe leichter abschätzbar ist („Zerfälle pro Quadratmeter Boden in einer Sekunde“). Bei der Verwendung müsste die Verzerrung durch die nicht gleichgroßen Abstände zwischen den Längengraden wieder beachtet werden, da sonst die Werte weiter verfälscht würden.

Die Angabe quantitativer Werte ist unmittelbar nach einem Nuklearen Unfall jedoch ohnehin vermutlich nicht sinnvoll, da unklar ist, wie viel radioaktives Material in die Atmosphäre gelangt.

Einsetzbarkeit[Bearbeiten]

Die Modellierung lässt sich vollständig mit Hilfe von OpenSource-Programmen umsetzten, die jeweils für Windows, MacOs sowie Linux entwickelt wurden. Somit sind keine besonderen Voraussetzungen zur Umsetzung solcher Modellierungen von Nöten. Bei der Nutzung eines handelsüblichen Windows-Computers mit 3,6Ghz und 16GB RAM (1067MHz) waren die R Modellierungen für Cs-137 und I-131 nach jeweils weniger als einer Minute beendet. Die dynamische Darstellung in wxMaxima hingegen dauerte 1h 28min (Cs-137) bzw. 1h (I-131). Hier ist ein Vergleich mit anderen Modellierungsprogrammen schwierig, da diese nicht ohne Weiteres öffentlich zugänglich sind und in der Literatur zumeist keine Angabe zum Rechenaufwand gemacht wurde. Grell (2005)[5] spricht von einer 36h-Simulation bei der Nutzung von 36 Linux Prozessoren. Daher ist anzunehmen, dass eine Ensemble-Simulation aus verschiedenen Modellen signifikant länger dauert, als die hier gezeigte Modellierung.

Somit ist die hier gezeigte Modellierung schnell einsetzbar und es bestätigt sich der Anspruch, die Modellierung als Vorsimulation bei Ensemble-Simulationen zu verwenden, um erste Schritte zur Risikominimierung einzuleiten.

Zur Umsetzung sind grundlegende Fähigkeiten in RStudio und wxMaxima nötig, da Anfangsparameter je nach Nuklidart und Betrachtungs(zeit)raum im Programm selbst eingestellt werden müssen.

Negativ anzumerken ist zudem die Abhängigkeit von ECMWF-Daten. Zur Vorhersage von Belastungen sind meteorologische Daten aus der Wettervorhersage nötig. Diese sind jedoch nicht kostenlos für die Öffentlichkeit verfügbar. Daher müssten diese im Vorfeld beim ECMWF oder bei einem Wetterdienst der Mitgliedsstaaten (z.B. Deutscher Wetterdienst) angefragt werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit der Modellierung die meisten Anforderungen aus der Einleitung umgesetzt werden konnten.

Ausblick[Bearbeiten]

Im Sinne eines Ausblicks kann die Modellierung wie folgt optimiert werden:

  • Eine Modellierung zur Abschätzung von Aktivität in Äquivalentdosis sollte hinzugefügt werden
  • Das erhöhte Risiko unmittelbar vor Bodenablagerung durch Einatmen oder das Absetzten von radioaktiven Nukliden am Körper sollte berücksichtigt werden
  • Das Anpassen von Parametern in der Modellierung sollte (z.B. durch Abfragen) vereinfacht werden
  • Die Angabe der Belastungen sollte in erfolgen. Dabei sollte auch die elliptische Verzerrung beachtet werden
  • Erweiterung der Modellierung, um auch auf nukleare Waffenexplosionen angewendet werden zu können

Fazit[Bearbeiten]

In der Bachelorarbeit wurde eine Modellierungsverfahren entwickelt mit dem radioaktive Belastungen unmittelbar nach einem nuklearen Katastrophenfall abgeschätzt werden können. Dabei ist es gelungen, ein schnell einsetzbares Verfahren zu entwickeln, mit dem auf Grundlage von meteorologischen Daten radioaktive Belastungen qualitativ größtenteils richtig vorhergesagt werden konnten. Das Verfahren zeichnet sich vor allem durch geringe Rechenzeit und die Verwendung von openSource Programmen aus. Darüber hinaus ist das Endresultat der Modellierung nicht eine einzige Expositionskarte, sondern eine dynamische Expositionskarte, die den Verlauf der Ablagerung radioaktiver Stoffe zeigt. Alle Belastungsinformationen werden bei der Modellierung in einer Funktion in wxMaxima gespeichert. Diese Funktion oder einzelne Teilmengen des Definitionsbereichs (Ortskoordinaten in einem festlegbaren Bereich) kann dann wiederum anhand der Möglichkeiten in wxMaxima ausgewertet oder geplottet werden.

Aufgrund der genannten Eigenschaften kann gefolgert werden, dass die im Rahmen dieser Bachelorarbeit entwickelte Modellierung und insbesondere die dynamischen Expositionskarten zur Risikominimierung bei nuklearen Katastrophen dienen können.

Literatur[Bearbeiten]

  1. Bundesamt für Strahlenschutz (2020). Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahr 2019: Unterrichtung durch die Bundesregierung.
  2. Sato, Y., Takigawa, M., Sekiyama, T. T., Kajino, M., Terada, H., Nagai, H., Kondo, H., Uchida, J., Goto, D., Quélo, D., Mathieu, A., Quérel, A., Fang, S., Morino, Y., von Schoenberg, P., Grahn, H., Brännström, N., Hirao, S., Tsuruta, H., Yamazawa, H., und Nakajima, T. (2018). Model Intercomparison of Atmospheric 137 Cs From the Fukushima Daiichi Nuclear Power Plant Accident: Simulations Based on Identical Input Data. Journal of Geophysical Research: Atmospheres, 123(20):11,748– 11,765.
  3. Yasunari, T. J., Stohl, A., Hayano, R. S., Burkhart, J. F., Eckhardt, S., und Yasunari, T. (2011). Cesium-137 deposition and contamination of Japanese soils due to the Fukushima nuclear accident. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 108(49):19530–19534. (S.19532)
  4. Ishii, Y., Hayashi, S., und Takamura, N. (2017). Radiocesium Transfer in Forest Insect Communities after the Fukushima Dai-ichi Nuclear Power Plant Accident. PloS one, 12(1):e0171133. (S.3)
  5. Grell, G. A., Peckham, S. E., Schmitz, R., McKeen, S. A., Frost, G., Skamarock, W. C., und Eder, B. (2005). Fully coupled “online” chemistry within the WRF model. Atmospheric Environment, 39(37):6957–6975.