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Benutzer:Methodios/Glossar/Atomausstieg

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Ein Jahr Atomausstieg: Fehlen Deutschland die Kernkraftwerke?

Geschichte von Güßgen, Florian

Wirtschaftswoche vom 14. April 2024

in Jahr ohne Kernkraft. Wie ist’s gelaufen? Gut, sagt der Energieexperte Bruno Burger – und untermauert das mit Daten. Beim Kohleausstieg fordert er Pragmatismus.

Ziemlich genau ein Jahr ist es her, da war Schluss mit der Kernenergie in Deutschland, da sind die letzten drei Kernkraftwerke – Neckarwestheim 2 von EnBW, Isar 2 von E.On, und Emsland von RWE vom Netz gegangen. Die „Tagesthemen“ sendeten zum Schluss von vor Ort, so als handele es sich um eine Liveschalte von einem Staatsbegräbnis. Befürworter und Gegner des Ausstiegs stritten sich. In der Regierungskoalition fordert die FDP seither, die Kraftwerke weiter zu betreiben, vergeblich allerdings – und auch nur bis zu einer allenthalben erträglichen Eskalationsstufe. Denn die Regierung wegen der Atomkraft platzen zu lassen, das wollte auch FDP-Chef Christian Lindner nicht. Die Ära der Atomkraft in Deutschland ist – passé.


Und? Wie steht es nach einem Jahr so ganz ohne aus? Das Vergleichsportal Verivox hat in einer Umfrage ermittelt, dass die 51,6 Prozent der befragten Deutschen den Ausstieg für einen Fehler halten, 28,4 Prozent stehen hinter dieser Entscheidung. Aber ist diese Nuklearnostalgie gerechtfertigt? Welche Befürchtungen sind eingetreten? Welche nicht? Und was lässt sich daraus schlussfolgern?

Einer, der sich die Daten aus der Energiewelt stets sehr genau ansieht, ist Bruno Burger, Professor und Senior Scientist am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg im Breisgau. Er ist verantwortlich für die Seite Energy-Charts.info, die in interaktiven Grafiken zur Stromproduktion und zu Börsenstrompreisen die Energieversorgung der Deutschen misst und detailliert darstellt. Burger hat auch Daten aus der Stromerzeugung im Jahr vor dem Atomausstieg, also vom 16. April 2022 bis zum 15. April 2023, mit Daten aus dem Jahr nach dem Atomausstieg, vom 16. April 2023 bis zum 15. April 2024 verglichen, wobei er die letzten Tage des gerade abgelaufenen Jahres hochgerechnet hat.


Und Burger kommt auf dieser Datenbasis zu einer sehr eindeutigen Einschätzung: „Insgesamt“, sagt er, „finde ich den Kernkraftausstieg sehr gelungen.“ Was heißt das im Detail?

Sind die Strompreise durch den Atomausstieg gestiegen?

Nein, sind sie nicht. Die Großhandelspreise sind seit dem Kernenergieausstieg gefallen. Burger vergleicht monatliche Börsenstrompreise und kommt dabei für den April 2023 auf einen Wert von 99,01 Euro für die Megawattstunde und für den April 2024 auf einen Preis von 55,01 Euro für die Megawattstunde. Der Preis hat sich fast halbiert und ist auf den Wert vom April 2021 gefallen.

Die Verbraucherpreise liegen mit allen Abgaben und Steuern höher. Aber auch sie sind geringer geworden. Hier zitiert Burger das Vergleichsportal Verivox. Demnach liegen die Kosten bei einem Neukundenvertrag und einem durchschnittlichen Stromverbrauch Anfang April 2024 bei 26,05 Cent für die Kilowattstunde, vor einem Jahr kostete die Kilowattstunde demnach noch 33,83 Cent.

Nun kann man argumentieren: Auf den Strompreis wirken so viele Faktoren ein: Der Gaspreis etwa ist über das so genannte Merit-Order-System entscheidend. Der Preis wäre auch ohne Atomausstieg gefallen – vielleicht sogar etwas tiefer. Hier argumentiert Burger, dass die Preise über das Merit-Order-System für den gesamten europäischen Strommarkt gesetzt worden sind. Die 4,2 Gigawatt Kapazität, die hier durch den Wegfall der drei letzten Atomkraftwerke aus dem System genommen worden seien, falle bei der Preisbildung so gut wie nicht ins Gewicht. „Vielleicht wäre der Strompreis mit den drei Atomkraftwerken noch minimal tiefer gesunken“, sagt Burger. „Aber tatsächlich fällt die Menge bei der Preisbildung kaum ins Gewicht. Die deutsche Strombörse ist mit allen europäischen Strombörsen gekoppelt. Das gesamte Handelsvolumen umfasst mehrere Hundert Gigawatt Leistung. Wenn hier 4,2 Gigawatt von den letzten drei deutschen Kernkraftwerken fehlen, macht das in dem Merit-Order-System so gut wie nichts aus.“


Wer hat den Wegfall des Atomstroms ersetzt? Die Kohle?

Nein. Fossile Energie war es nicht. Durch den Wegfall des Atomstroms sind im vergangenen Jahr 29,5 Terawattstunden (TWh) Strom weggefallen. Dieses Minus ist durch ein Plus bei den Erneuerbaren Energien – vor allem bei Wind- und Sonnenkraft, in Höhe von 32 Terawattstunden kompensiert worden, sodass die Erneuerbaren 269 statt im Vorjahr 237 Terawattstunden erzeugt haben. „Die erneuerbaren Energien haben die Stromerzeugung der letzten drei Kernkraftwerke energetisch ersetzt“, sagt Burger.

Gleichzeitig aber, und das ist bemerkenswert, ist auch die Stromerzeugung mit fossilen Energien zurückgegangen, nämlich von 210 auf 153 Terawattstunden, um 57 Terawattstunden. Die Menge Strom, die im ersten Jahr ohne Kernkraft mit Kohle erzeugt worden ist, bewegte sich auf einem Niveau, das letztmals in der direkten Nachkriegszeit erreicht worden ist. Die Behauptung, der Strom sei noch nie so schmutzig gewesen in Deutschland, ist demnach Unsinn. Auch von einem „Kohlewinter“, wie er befürchtet worden war, kann keine Rede sein.

Aber eine Lücke gab’s doch. Wer hat die gefüllt?

Ja, die Lücke gibt’s. Die ist dadurch entstanden, dass in Deutschland im vergangenen Jahr insgesamt weniger Strom verbraucht worden ist, die „Last“ geringer waren. Die einen haben gespart, den anderen, vor allem Betrieben, war der Strom schlicht zu teuer. Sie haben ihre Produktion gedrosselt oder sogar ganz runtergefahren, vor allem in der energieintensiven Industrie.

Ob die gesunkene Last ein Anzeichnen für eine Deindustrialisierung in Deutschland ist, darüber wird gestritten. Laut Burger ist die Last um 10 Terawattstunden von 468 Terawattstunden auf 458 Terawattstunden gefallen. Wenn nun 10 Terawattstunden weniger gebraucht worden sind, die Erneuerbaren 2,5 Terawattstunden mehr produziert haben als Atomstrom aus dem System verschwunden ist, und die Kohlekraftwerke, weil sehr teuer, 57 Terawattstunden weniger produziert haben, dann fehlen etwa 44,5 Terawattstunden. Und die sind, das deckt sich mit den Daten, importiert worden. Insgesamt sind im vergangenen Jahr 43 Terawattstunden mehr importiert worden als im Vorjahr (22 TWh im Vergleich zu einem Export von 21 TWh 2022/23).

Aber da haben wir’s doch: Wir sind „Strombettler“!

Sind wir nicht. Deutschland hätte den Strom vor allem im vergangenen Sommer schon auch selbst produzieren können. Aber dann hätten die teuren Kohlekraftwerke einspringen müssen. So ist der Strom im europäischen Handel dort eingekauft worden, wo er günstiger war: In den skandinavischen Ländern oder in Frankreich. Mit anderen Worten: Bettler sind die Deutschen keine. Aber Heuchler: Sie steigen zwar selbst aus der Atomkraft aus, aber kaufen den Atomstrom dann doch aus Frankreich, wenn er dort günstig zu haben ist. Die hohen Strompreise im Jahr 2022 hätten vor allem zwei Gründe gehabt, sagt Bruno Burger. Hohe Gaspreise und den zeitweisen Wegfall eines großen Teils der französischen Kernkraftwerke. „Im Sommer 2023, nach dem Atomausstieg, gab es eine Flut von Strom in Europa, einen Überschuss. Die französischen Kernkraftwerke liefen wieder. Das Schmelzwasser in den Alpen hat erneuerbare Wasserkraft in der Schweiz und in Österreich erzeugt, es gab Windstrom aus Dänemark, Wasserkraft aus Norwegen und Schweden. Das alles hat dazu geführt, dass der Strompreis sehr niedrig war. Damit konnte unsere fossilen Kraftwerke nicht konkurrieren. Deshalb haben wir importiert.“

Aber der Wegfall der Kernkraftwerke hat zu höheren Redispatchkosten geführt.

Ist nicht richtig, aber der Aspekt offenbart trotzdem ein Problem. Die Bundesnetzagentur hat gerade ihren Bericht über die Redispatchkosten im vergangenen Jahr veröffentlicht. Der so genannte Redispatch ist eine Ausgleichsmaßnahme der vier Übertragungsnetzbetreiber, die eine Überlastung des Stromnetzes verhindern soll. Konkret: Wenn der Wind im Norden sehr stark bläst, produzieren die Windräder sehr viel Strom. Weil der aber nicht Richtung Süden geschafft werden kann, weil die dafür nötigen Stromautobahnen – etwa der Suedlink – noch auf Jahre hinaus fehlen, müssen die Erzeuger im Norden ihren Strom abregeln, dafür bekommen sie einen Ausgleich. Gleichzeitig müssen Erzeuger im Süden – das sind dann vor allem fossile Kraftwerke – einspringen. Dafür bekommen die auch Geld. Zwar sind die absoluten Kosten der Redispatchmaßnahmen im Vergleich zum Vorjahr drastisch gesunken, von rund 4,2 Milliarden Euro 2022 auf knapp 3,1 Milliarden Euro 2023.

Das liegt daran, dass die Strompreise im Großhandel nicht mehr so hoch sind. Dafür ist die Zahl der Redispatchmaßnahmen, die nötig waren, sehr deutlich gestiegen, von 27049 Eingriffen auf 34297 Eingriffe. Mit anderen Worten: Das Gefälle zwischen Nord und Süd ist anfälliger geworden. Zumindest die beiden süddeutschen Kernkraftwerke Neckarwestheim 2 und Isar 2 hätten hier für etwas mehr Ausgleich sorgen können. Das sieht auch Burger so, sagt aber, das allein hätte nicht gerechtfertigt, um den Weiterbetrieb – und die damit verbundenen Kosten - zu tragen. „Mit Blick auf den Redispatch in Süddeutschland wäre es natürlich gut gewesen, noch einmal jeweils 1,4 Gigawatt Leistung im System zu haben. Aber dafür gibt es auch andere Lösungen, die günstiger als Kernkraftwerke sind“, sagt er.

Und was, wenn die Kohlekraftwerke auch noch aus dem System sollen? Bricht dann nicht die Stromversorgung zusammen?

Es erscheint widersinnig, zuerst aus der weitgehend klimaneutralen Energieerzeugung – der Kernkraft – auszusteigen und dann erst aus der schmutzigen Kohleerzeugung. Was wird denn geschehen, wenn in Frankreich irgendwann wieder die Atomkraftwerke reihenweise ausfallen, in Deutschland Dunkelflaute herrscht, es noch nicht genug flexible Leistung über neue Gaskraftwerke oder wasserstofffähige Gaskraftwerke gibt – und dann auch keine Kohlekraftwerke? Burger sieht das als ernsthaftes Problem, aber hat dafür eine pragmatische Lösung. „Ich bin kein Freund davon, zwanghaft Termine für das Abschalten der Kohle festzulegen“, sagt er. „Ich bin ein Freund davon, erneuerbaren Energien einzuschalten. Jede Kilowattstunde an Erneuerbaren verdrängt eine Kilowattstunde Kohlestrom. Und wenn die Kohlekraftwerke nicht mehr gebraucht werden, dann werden sie einfach abgeschaltet. Ich würde empfehlen, auf Sicht zu fahren anstatt einfach zu sagen: Wir schalten die Kohle 2030 aus, obwohl wir nicht genau wissen, ob wir sie noch brauchen oder nicht.“ Der These, dass es besser gewesen wäre, zuerst auf der Kohle und dann erst aus der Kernenergie auszusteigen, widerspricht er. „Das ist falsch. Denn das geht nicht“, sagt Burger. „Kernkraftwerke sind nicht regelbar. Das ist ein Wunschdenken. Technisch funktioniert das nicht. Das Dreamteam Atomkraft plus Erneuerbare gibt es nicht. Das ist eine Mär.“

Eine Weiterbetrieb der Atomkraftwerke wäre demnach keine sinnvolle Alternative gewesen. Denn in einer Welt, in der die Erneuerbaren einen Großteil der Energieerzeugung übernehmen, kommen die so genannten flexiblen Kapazität selten zum Einsatz – und müssen dann schnell hochgefahren werden können. Das sei möglich mit Kohle und Gaskraftwerken, aber nicht mit Atomkraftwerken.

Aber was, wenn der Strom über die Erneuerbaren doch nicht dauerhaft günstig wird?

In der vergangenen Woche hat die Wirtschaftsweise und Professorin Veronika Grimm eine Studie vorgestellt, die das Narrativ vom immer günstiger werdenden Strom aus erneuerbaren Quellen scheinbar als Mär entlarvt. Ja, argumentieren die Forscher um Grimm, die Gestehungskosten für Strom aus Wind- und Sonnenkraft würden bis 2040 stetig sinken. Aber dann sei das Problem der Dunkelflauten nicht gelöst, die Kosten für Batteriespeicher oder Wasserstoff würden den Preis lange hochhalten. Burger widerspricht, was die Kosten für Batteriespeicher betrifft. Hier seien gewaltige Sprünge bereits verzeichnet worden, die Preise hier fielen. Für schwieriger hält er die Versorgung mit Wasserstoff. Hier sei tatsächlich noch nicht klar, wo der in den benötigen Mengen erzeugt werden könne – und was der dann koste. „Eines ist zu hundert Prozent sicher“, sagt er. „Die Erneuerbaren werden immer noch günstiger. Dasselbe gilt für Speicher, Batterien. Nur beim Wasserstoff bin ich skeptisch. Gut möglich, dass der Wasserstoff kein so großes Kostenreduktionspotenzial hat, wie wir es bei Solar, Wind und Batterien sehen.“

Burger hat dennoch insgesamt eine sehr positive Sicht auf das das vergangene Jahr. Er findet die Abkehr von der Kernkraft ermutigend. „Es wäre gut, wenn wir auch benennen, wenn mal etwas klappt in Deutschland, wenn man Erfolge würdigt. Der Atomausstieg ist so ein Erfolg“, sagt Burger.




Aus: Ausgabe vom 16.04.2024, Seite 3 / Schwerpunkt

https://www.jungewelt.de/artikel/473319.kernkraftenergie-ein-jahr-ohne-akw.html

KERNKRAFTENERGIE

Ein Jahr ohne AKW

Vor einem Jahr gingen die letzten deutschen Meiler vom Netz. Sonne, Wind und Co. liefern Hälfte des Strombedarfs

Von Wolfgang Pomrehn

Dampft nicht mehr, wurde eingemottet: Das AKW Emsland im niedersächsischen Lingen

Es ist ein Jahr her, dass die drei letzten deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet wurden. Nach 34 beziehungsweise 35 Jahren gingen am 15. April 2023 die Meiler Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg, Ohu 2 in Bayern und Emsland in Niedersachsen vom Netz. Nicht immer war ihr Betrieb störungsfrei gewesen. Im Juli 2004 wurde zum Beispiel am AKW Neckarwestheim radioaktiv verseuchtes Wasser in den Neckar geleitet. Die Betreiberfirma brauchte drei Wochen, um die Aufsichtsbehörde über den Vorfall zu informieren. Später, ab 2017, wurden immer wieder bei den Revisionen Risse an den Rohren des Dampferzeugers festgestellt. Die Dicke der Rohrwände war teilweise um 91 Prozent reduziert, wie die Berliner Taz seinerzeit unter Berufung auf das Stuttgarter Umweltministerium schrieb. Ein Teil der Rohre wurde außer Betrieb genommen, der Reaktor jeweils wieder angefahren, aber von Jahr zu Jahr traten neue Risse auf. Zeitweise wurden 191 gezählt. Letztlich ging das Russisch Roulette, das Betreiber und Aufsichtsbehörde betrieben, aber gut aus. Es kam nicht zum Rohrbruch, der die Kühlung des Reaktors akut gefährdet und damit zu einem größeren Störfall geführt hätte.

Die Episode ist nur einer von zahlreichen Zwischenfällen – Trafobränden, Schnellabschaltungen, radioaktiven Emissionen und anderem –, die sich in der 61jährigen Geschichte westdeutscher Atomkraftwerke ereignete. Die ostdeutschen AKW bei Greifswald und in Rheinsberg waren bereits 1989 und 1990 abgeschaltet worden. Doch bemerkenswerterweise spielen all diese Unfälle wie etwa auch der gleichzeitige Ausfall der AKW Krümmel und Brunsbüttel bei Hamburg Ende Juni 2007, der in der Hansestadt zeitweise alle U-Bahnen stillstehen ließ, in der öffentlichen Debatte kaum eine Rolle. Statt dessen wird immer wieder einmal von interessierter Seite lanciert, die Versorgung mit Strom sei nun, nach der Abschaltung der letzten AKW, nicht mehr sicher und Deutschland auf französischen Atomstrom angewiesen.

Die Fakten sehen indes deutlich anders aus. Praktisch zeitgleich zur Abschaltung der letzten AKW ging auch die Stromerzeugung der Braun- und Steinkohlekraftwerke zurück. Der Grund dafür dürften vor allem höhere Preise für CO2-Emissionen sein, aber auch der wachsende Anteil von Sonne, Wind und Co. Diese liefern inzwischen mehr als die Hälfte des deutschen Strombedarfs, auch wenn man die zahlreichen Selbstversorger in der Industrie mitrechnet, die meistens Gaskraftwerke haben.


Allen Unkenrufen zum Trotz führte aber weder die Stillegung der letzten AKW noch die zeitgleiche Drosselung der Kohlekraftwerke zu Versorgungsengpässen oder gar zu Stromausfällen. Selbst im Winter nicht. Die dunkle Jahreszeit ist wegen der geringen Ausbeute der Solaranlagen problematisch, insbesondere, wenn auch noch windarme Wetterlagen hinzukommen. Doch auch im Winter 2023/24, Deutschlands erstem seit 1961/62, in dem kein einziges AKW lief, gab es keine Blackouts. Und das, obwohl die Kohlekraftwerke so wenig Strom wie seit langem nicht erzeugten.

Sicherlich hat das auch damit zu tun, dass der Stromverbrauch krisenbedingt etwas zurückgegangen ist. Aber vor allem hat Deutschland aufgehört, Nettostromexporteur zu sein. Statt dessen wurden 2023 nach den Zahlen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) unterm Strich 9,2 Milliarden Kilowattstunden eingeführt, was rund zwei Prozent des Bedarfs waren. Diese relativ geringe Menge hätte ohne weiteres auch in den hiesigen Kohle- oder Gaskraftwerken produziert werden können, doch das rechnete sich offenbar für die Betreiber nicht.

Bis vor kurzem sah es noch ganz anders aus. Zwischen 2003 und 2022 wurde stets mehr Strom aus- als eingeführt. Zeitweise betrug der Nettoexport acht bis zehn Prozent der bundesweiten Stromproduktion. Oder in anderen Worten: Rechnerisch wurden auf dem Höhepunkt der Stromexporte (2015–2018) 56 bis 73 Prozent des deutschen Atomstroms exportiert. Diese Zeiten sind nun vorbei. Stromein- und -ausfuhren sind ausgeglichener, und die AKW sind für die Versorgung vollkommen entbehrlich.