Benutzer Diskussion:Methodios/Akademie

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Spätantike[Bearbeiten]

Im 3. Jahrhundert gründete Longinos (griechisch Kassios Longinos, lateinisch Cassius Longinus; * um 212; † 272 in Emesa) in Athen wiederum eine kurzlebige platonische Schule. Aber erst im 5. Jahrhundert kam es zu einer nachhaltigen Wiederbelebung der Tradition platonischer Studien in einem institutionellen Rahmen. Einem reichen Neuplatoniker, Plutarch von Athen (griechisch Πλούταρχος Plútarchos; * um 350; † um 432), gelang um 410 die Eröffnung des Unterrichtsbetriebs in einem Haus, das er dafür errichten ließ. Diese Schule berief sich nachdrücklich auf die Tradition der Akademie Platons. Mit Proklos (griechisch Πρόκλος Próklos mit dem Beinamen ὁ διάδοχος ho diádochos „der Nachfolger“, auch Proklos der Lykier genannt, lateinisch Proclus; * wahrscheinlich 7. oder 8. Februar 412 in Konstantinopel; † 17. April 485 in Athen), dem berühmtesten dieser Neuplatoniker, erreichte diese Spätblüte ihren Höhepunkt. Doch hatte schon längst das Christentum die Macht im römischen Staat erlangt und war seit dem späten 4. Jahrhundert Staatsreligion, und so war der Untergang dieser spätantiken platonischen Schule nur eine Frage der Zeit. Obwohl die Athener Neuplatoniker das Christentum eindeutig ablehnten und ihre Schule ein Zentrum des geistigen Widerstandes gegen die herrschende Religion war, blieben sie erstaunlich lange unbehelligt. Erst 529 untersagte Kaiser Justinian I. den Lehrbetrieb; etwas später wiederholte und verschärfte er das Verbot.[1] Strittig ist in der Forschung, ob es – wie der Chronist Johannes Malalas behauptet – einen besonderen kaiserlichen Erlass gab, der ein Ende des Philosophieunterrichts in Athen anordnete, oder ob es nur um die Umsetzung eines allgemeinen Lehrverbots für Personen, die sich der Taufe widersetzten, auch in Athen ging.[2] Faktisch führten die staatlichen Maßnahmen jedenfalls zur Schließung der Schule.

Vielleicht schon 531, spätestens 532 zogen sieben der letzten Athener Neuplatoniker – darunter Damaskios (altgriechisch Δαμάσκιος; * um 462 in Damaskus; † nach 538), der letzte Scholarch, und sein Schüler Simplikios – an den Hof des Perserkönigs Chosrau I. (von 531 bis zu seinem Tod 579 persischer Großkönig), wo sie mit Toleranz rechnen konnten.[3] Doch schon vor Ende 532 kehrten sie ins Oströmische Reich zurück, nachdem Chosrau im Friedensvertrag mit Justinian eine Garantie für ihre Sicherheit ausgehandelt hatte.[4]

Die neuplatonische Schule des 5. und 6. Jahrhunderts wird in der Forschungsliteratur oft Akademie genannt, da sie ihren Sitz in Athen hatte und ihrem eigenen Selbstverständnis nach die Schule Platons war und sich eifrig um die Kommentierung seiner Werke bemühte, auch aus Treue zu seiner Lehre inhaltliche Kompromisse mit dem Christentum ablehnte. Die Berechtigung dieser Bezeichnung ist jedoch fraglich, da sie in den Quellen nicht bezeugt ist. Das ehemalige Gelände der Akademie befand sich im Besitz der Schule, diente aber nicht mehr als Unterrichtsstätte, sondern wurde verpachtet.[5]

Simplikios[Bearbeiten]

Simplikios (altgriechisch Σιμπλίκιος, lateinisch Simplicius; * um 480/490; † wohl nach 550) war ein spätantiker griechischer Philosoph der neuplatonischen Richtung.


Simplikios stammte aus Kilikien, einer Region an der Südküste Kleinasiens;[6] ansonsten ist über seine Herkunft nichts bekannt. Seine philosophische Ausbildung erhielt er zunächst in Alexandria, wo der einflussreiche Neuplatoniker Ammonios Hermeiou sein Lehrer war. Wie Ammonios lebte Simplikios in der Tradition der alten griechischen Religion. Er gehörte also zu einer schrumpfenden Minderheit; im Oströmischen Reich herrschte schon seit langem die christliche Staatsreligion. Unter den Schülern des Ammonios waren eifrige Vertreter des paganen („heidnischen“) Glaubens, aber auch Christen. Ammonios ging religiösen Auseinandersetzungen aus dem Weg und bemühte sich in seiner Schule um ein relativ entspanntes Verhältnis zwischen den Religionen.[7]

Später begab sich Simplikios nach Athen, wo sich die paganen Neuplatoniker traditionell schärfer von ihrer christlichen Umgebung abgrenzten als in Alexandria. Sein dortiger Lehrer war Damaskios, ein entschiedener Gegner des Christentums, der ebenfalls in Alexandria bei Ammonios studiert hatte und spätestens 515 der letzte Leiter (Scholarch) der neuplatonischen Philosophenschule in Athen wurde. Diese Schule, die Plutarch von Athen (griechisch Πλούταρχος Plútarchos; * um 350; † um 432) um 410 gegründet hatte, nahm für sich in Anspruch, die Tradition der Platonischen Akademie (wohl 387 v. Chr. bis 88/86 v. Chr. und Nachfolgerin bis spätestens 44 v. Chr.) fortzusetzen. Sie blieb bis zuletzt ein Hort der paganen Religion, die für die dortigen Philosophen untrennbar mit dem Platonismus verbunden war. Nachdem die Aktivitäten der Neuplatoniker in Athen lange von den christlichen Kaisern geduldet worden waren, spitzte sich unter Kaiser Justinian der religiöse Gegensatz zu. Im Jahr 529 untersagte der Kaiser den paganen Lehrbetrieb, etwas später wiederholte und verschärfte er das Verbot.[8] Die staatlichen Maßnahmen führten zur Schließung der Schule. Simplikios, Damaskios und fünf weitere Philosophen entschlossen sich zur Emigration. Vielleicht schon 531, spätestens 532[9] wanderten sie in das persische Sasanidenreich aus. Dort bot ihnen der seit September 531 regierende Großkönig Chosrau I. Zuflucht an seinem Hof in Ktesiphon, wo sie mit Toleranz rechnen konnten.[10]

Chosrau nahm gegenüber den Neuplatonikern und der alten griechischen Religion eine wohlwollende Haltung ein; er förderte alle Bestrebungen, die der religiösen Einheit des Oströmischen Reichs entgegenwirkten und dieses damit schwächten.[11] Dennoch waren die Philosophen bald von den Verhältnissen am persischen Hof enttäuscht. Als im Herbst 532 die Oströmer mit den Persern einen „Ewigen Frieden“ schlossen, bestand der Großkönig in einer der Klauseln des Friedensvertrags darauf, dass die Philosophen unbehelligt ins Oströmische Reich zurückkehren und dort an ihren religiösen Überzeugungen festhalten durften. Noch im selben Jahr verließen die Neuplatoniker das Perserreich.[12]

Vielleicht ließ sich Simplikios nun in Carrhae nieder, einer im Grenzgebiet zum Perserreich gelegenen Stadt, und gründete dort eine neue platonische Schule. Diese erstmals 1984 von dem Gnosisforscher Michel Tardieu auf einem Kongress vorgetragene Hypothese hat seither beträchtlichen Anklang gefunden, ist aber auch auf Widerspruch gestoßen. Sie stützt sich auf Indizien wie den Umstand, dass Carrhae ein günstiges Umfeld bot, weil in der Bevölkerung der Stadt pagane Traditionen noch stark verwurzelt waren. Zugunsten der Hypothese wird vor allem geltend gemacht, dass dort noch im Jahr 943 eine griechische Philosophenschule bestand, wie einem Bericht des zeitgenössischen Gelehrten Abu ’l-Ḥasan ʿAlī ibn al-Ḥusain al-Masʿūdī zu entnehmen ist.[13]

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Johannes Malalas, Chronik 18.47; zur Textüberlieferung siehe Edward Watts: Justinian, Malalas, and the End of Athenian Philosophical Teaching in A.D. 529. In: The Journal of Roman Studies 94, 2004, S. 168–182, hier: 171f.; zur Datierung und zum Hintergrund James Allan Stewart Evans: The Age of Justinian, London 1996, S. 67–71.
  2. Siehe hierzu Edward Watts: Justinian, Malalas, and the End of Athenian Philosophical Teaching in A.D. 529. In: The Journal of Roman Studies 94, 2004, S. 168–182, hier: 172f.; Rainer Thiel: Simplikios und das Ende der neuplatonischen Schule in Athen, Stuttgart 1999, S. 16f.; Udo Hartmann: Geist im Exil. Römische Philosophen am Hof der Sasaniden. In: Monika Schuol u. a. (Hrsg.): Grenzüberschreitungen. Formen des Kontakts zwischen Orient und Okzident im Altertum, Stuttgart 2002, S. 123–160, hier: S. 135 und Anm. 38.
  3. Agathias 2,30,3–4.
  4. Zur Datierung und zu den Einzelheiten siehe Udo Hartmann: Geist im Exil. Römische Philosophen am Hof der Sasaniden. In: Monika Schuol u. a. (Hrsg.): Grenzüberschreitungen. Formen des Kontakts zwischen Orient und Okzident im Altertum, Stuttgart 2002, S. 123–160, hier: 135ff.; Edward Watts: Where to Live the Philosophical Life in the Sixth Century? Damascius, Simplicius, and the Return from Persia. In: Greek, Roman, and Byzantine Studies 45, 2005, S. 285–315 (online); Ilsetraut Hadot: Dans quel lieu le néoplatonicien Simplicius a-t-il fondé son école de mathématiques, et où a pu avoir lieu son entretien avec un manichéen? In: The International Journal of the Platonic Tradition 1, 2007, S. 42–107, hier: 44–49.
  5. Heinrich Dörrie: Der Platonismus in der Antike, Band 1, Stuttgart 1987, S. 550f.
  6. Agathias, Historien 2,30,3.
  7. Siehe dazu Richard Sorabji: Divine names and sordid deals in Ammonius’ Alexandria. In: Andrew Smith (Hrsg.): The Philosopher and Society in Late Antiquity. Swansea 2005, S. 203–213.
  8. Johannes Malalas, Chronik 18,47; zur Textüberlieferung siehe Edward Watts: Justinian, Malalas, and the End of Athenian Philosophical Teaching in A.D. 529. In: The Journal of Roman Studies 94, 2004, S. 168–182, hier: 171 f.; zur Datierung und zum Hintergrund James Allan Stewart Evans: The Age of Justinian. London 1996, S. 67–71.
  9. Zur Datierung siehe Udo Hartmann: Geist im Exil. Römische Philosophen am Hof der Sasaniden. In: Monika Schuol u. a. (Hrsg.): Grenzüberschreitungen. Formen des Kontakts zwischen Orient und Okzident im Altertum, Stuttgart 2002, S. 123–160, hier: 135–138 und Ilsetraut Hadot: Dans quel lieu le néoplatonicien Simplicius a-t-il fondé son école de mathématiques, et où a pu avoir lieu son entretien avec un manichéen? In: The International Journal of the Platonic Tradition 1, 2007, S. 42–107, hier: 44–49.)
  10. Agathias, Historien 2,30,3–4.
  11. Ilsetraut Hadot: The life and work of Simplicius in Greek and Arabic sources. In: Richard Sorabji (Hrsg.): Aristotle Transformed. The Ancient Commentators and Their Influence, 2., überarbeitete Auflage, London 2016, S. 295–326, hier: 306.
  12. Agathias, Historien 2,30,5–2,31,9. Siehe zum Hintergrund Rainer Thiel: Simplikios und das Ende der neuplatonischen Schule in Athen. Stuttgart 1999, S. 18–24; Udo Hartmann: Geist im Exil. Römische Philosophen am Hof der Sasaniden. In: Monika Schuol u. a. (Hrsg.): Grenzüberschreitungen. Formen des Kontakts zwischen Orient und Okzident im Altertum. Stuttgart 2002, S. 123–160, hier: 149–154.
  13. Einen Überblick über die ältere Forschungsdiskussion bietet Philippe Hoffmann: Damascius. In: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques, Bd. 2, Paris 1994, S. 541–593, hier: 562 f. Siehe auch Paul Foulkes: Where was Simplicius? In: The Journal of Hellenic Studies 112, 1992, S. 143 und Udo Hartmann: Geist im Exil. Römische Philosophen am Hof der Sasaniden. In: Monika Schuol u. a. (Hrsg.): Grenzüberschreitungen. Formen des Kontakts zwischen Orient und Okzident im Altertum. Stuttgart 2002, S. 123–160, hier: 138 f. Befürwortet wird Tardieus Hypothese u. a. von Ilsetraut Hadot: Dans quel lieu le néoplatonicien Simplicius a-t-il fondé son école de mathématiques, et où a pu avoir lieu son entretien avec un manichéen? In: The International Journal of the Platonic Tradition 1, 2007, S. 42–107, Polymnia Athanassiadi: Persecution and response in late paganism: the evidence of Damascius. In: The Journal of Hellenic Studies 113, 1993, S. 1–29, hier: 24–29, Rainer Thiel: Simplikios und das Ende der neuplatonischen Schule in Athen. Stuttgart 1999, S. 42–55, Richard Sorabji: Introduction. In: Robert J. Hankinson (Übersetzer): Simplicius: On Aristotle, On the Heavens 1.1–4. London 2002, S. 4 f. und – nach früheren Zweifeln – Han Baltussen: Simplicius of Cilicia. In: Lloyd P. Gerson (Hrsg.): The Cambridge History of Philosophy in Late Antiquity, Bd. 2, Cambridge 2010, S. 711–732, hier: 712 (vgl. Han Baltussen: Philosophy and Exegesis in Simplicius. London 2008, S. 48–51). Zu den ablehnenden Stellungnahmen zählen: Robin Lane Fox: Harran, the Sabians and the late Platonist ‚movers‘. In: Andrew Smith (Hrsg.): The Philosopher and Society in Late Antiquity. Swansea 2005, S. 231–244, Pantelis Golitsis: Les Commentaires de Simplicius et de Jean Philopon à la Physique d’Aristote. Berlin 2008, S. 20 f. und Concetta Luna: Rezension von Rainer Thiel: Simplikios und das Ende der neuplatonischen Schule in Athen. In: Mnemosyne 54, 2001, S. 482–504; Edward Watts: Where to Live the Philosophical Life in the Sixth Century? Damascius, Simplicius, and the Return from Persia. In: Greek, Roman, and Byzantine Studies 45, 2005, S. 285–315.