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Inklusion (Pädagogik)/Praxis der Umsetzung

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Aufgabe für Lernende

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  • Vergleichen Sie Idealvorstellung und die Praxis der Umsetzung von inklusivem Unterricht!
  • Wie hängen die Faktor für das Gelingen von Inklusion mit der Praxis der Umsetzung und der Schulrealität zusammen?


Praxis der Beschulung

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Das deutsche Bildungssystem ist im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass Schüler nach Klasse 4 oder Klasse 6 verschiedenen Schulen zugewiesen werden. Schüler werden in der Grundschule von den unterrichtenden Lehrkräften beurteilt. Dort, wo der Elternwille keine Rolle spielt, werden sie heute noch verschiedenen weiterführenden Schulen der Sekundarstufe I zugewiesen. Früher erfolgte diese Zuweisung (außer in Ostdeutschland) auf eine Hauptschule (früher auch Volksschule genannt), eine Realschule (früher auch Mittelschule genannt) und ein Gymnasium. In vielen Ländern Deutschlands gibt es allerdings die Hauptschule als eigenständige Schulform nicht (mehr). Dort, wo der Elternwille maßgeblich bei der Auswahl der Schulform ist, besteht zwar die Möglichkeit, das eigene Kind an einer anderen als der von Lehrern empfohlenen Schule anzumelden, das Risiko einer späteren „Herabstufung“ auf die „der Begabung des Kindes angemessene“ Schulform ist in diesen Fällen jedoch groß, zumal „falsch zugeordnete“ Schüler oft in Klassenlisten entsprechend markiert werden. Vielerorts wird der Selektionsdruck jedoch dadurch gemindert, dass Eltern ihre Kinder dort, wo es diese Schulform gibt, an einer Gesamtschule anmelden können, in der seit deren Gründung die Heterogenität der Schülerschaft den Normalfall darstellt.

Die Möglichkeit, solche Schüler, die den Anforderungen der Grundschule bzw. der Hauptschule nicht entsprechen können, in einer Sonderschule bzw. Förderschule zu beschulen, besteht in Deutschland nach wie vor, insbesondere wenn dies dem Elternwillen entspricht. Sie soll auch nach dem Willen der meisten Landespolitiker in Regierungsverantwortung nicht aufgegeben werden. Zwar legte im Oktober 2016 die von der niedersächsischen Landesregierung berufene „Fachkommission Inklusion“ der Öffentlichkeit einen Aktionsplan vor, der u. a. die Zielvorgabe enthielt: „Alle Schülerinnen und Schüler besuchen die allgemeine Regelschule und werden von Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet“.[1] Diese Regelung wurde jedoch nicht in entsprechende Planungen des niedersächsischen Sozialministeriums umgesetzt. In seinem „Aktionsplan Inklusion 2017/2018“ der seinerzeitigen rot-grünen Landesregierung hieß es einerseits: „Die inklusive Schule ist für alle Schulformen eingeführt.“, und die Förderschule Lernen soll „ausschleichend aufgehoben“ werden. Andererseits bestimmte Punkt 4.2.11 des Aktionsplans: „Entsprechend des [sic!] Elternwillens (ab 2013) Umsetzung der inklusiven Beschulung der Schülerinnen und Schüler oder Besuch einer entsprechenden Förderschule.“[2] Niedersächsischen Eltern behinderter Kinder sollte also auf Dauer die Möglichkeit gegeben werden, ihre Kinder an einer Förderschule unterrichten zu lassen. Diese Aussage steht nicht im Widerspruch zu der Aufhebung der Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen, da die Autoren des Aktionsplans der Auffassung sind, dass Schüler mit ausgeprägten Lernschwächen nicht als „behindert“ gelten sollten.

Nach der Landtagswahl in Niedersachsen 2017 bildete sich eine Große Koalition der Parteien SPD und CDU. In der Koalitionsvereinbarung wurde verabredet, dass die schulische Inklusion fortgeführt und „im Sinne des individuellen Kindeswohls“ zum Erfolg geführt werden soll. Die Versorgung der inklusiven Schulen mit Lehrerstunden soll verbessert werden. Auch Hochbegabte sollen verstärkt gefördert werden. Außer der Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen sollen keine Förderschulen abgeschafft werden. Den Förderschulen Lernen im Sekundarbereich I kann auf Antrag des Schulträgers und entsprechend dem Bedarf sowie der Nachfrage für eine Übergangszeit bis spätestens 2028 Bestandsschutz gewährt werden. Letztmals können damit im Schuljahrgang 2022/2023 Schülerinnen und Schüler im 5. Jahrgang eingeschult werden.[3]

In Baden-Württemberg wurden ab dem Schuljahr 2012/2013 41 so genannte Starterschulen als modellhafte Gemeinschaftsschulen mit inklusivem Bildungsangebot eingerichtet, 2017 gibt es bereits 304 Gemeinschaftsschulen.[4][5]

Marco Tullner, Bildungsminister von Sachsen-Anhalt, erklärte im Dezember 2017 die bisherige Praxis der Inklusion für „gescheitert“, weil sie sowohl Schüler als auch Lehrer überfordere. Deshalb müsse auch weiterhin das bestehende System von Förderschulen fortgeführt werden. Es gebe nicht genug Lehrer für einen befriedigenden inklusiven Unterricht, und angesichts der Arbeitsmarktlage sei dieser Zustand auch nicht kurzfristig zu beseitigen. Abgesehen davon vertritt Tullner die Ansicht, dass es Kinder mit Förderbedarf gebe, die in Förderschulen besser betreut werden könnten als in einer „normalen Schule“.[6][7]

Auch Uwe Becker zog 2017 eine ernüchternde Bilanz: „Die Grabenziehung: Förderschule gleich Exklusion – Regelschule gleich Inklusion ist […] völlig schief und verbietet sich mit Blick auf die Qualität der inklusiven Regelbeschulung. Die Bertelsmann Stiftung hat Anfang September 2015 eine Studie über die Qualität des inklusiven Bildungssystems in Deutschland veröffentlicht. Danach gehen von Zehntausend Kindern mit Förderbedarf etwa 67 Prozent im Bundesdurchschnitt in eine Kita, nur noch 47 Prozent besuchen eine Regelgrundschule, in die Sekundarstufe I kommen hingegen nur noch 29,9 Prozent. Der überwiegende Teil, nämlich fast 90 Prozent, gelangt auf die Hauptschule, gut zehn Prozent auf Realschulen oder Gymnasien, aber die wenigsten schaffen den Abschluss und noch weniger den Weg in eine Ausbildung (vgl. Bertelmann Stiftung, 2015). Was auffällt, ist die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche in diesem Bildungsverlauf reihenwiese die Erfahrung machen müssen, früher oder später aus dem System gekickt zu werden. Spätestens mit Blick auf die Ausbildung realisieren sie, dass das System den Zutritt zur Erwerbsarbeit verweigert. Das ist eine halbherzige Form der Inklusion, nämlich eine mit verzögerten und menschlich ungemein enttäuschenden und demoralisierenden Exklusionseffekten. Ausgrenzungstendenzen, die im dreigliedrigen Schulsystem besonders für Hauptschüler und -schülerinnen stigmatisierende Folgen haben, verschärfen sich nochmals für Jugendliche mit Behinderung.“[8]

„Als zentrale Hürde gegen ein inklusives Schulsystem erweist und erschließt sich immer mehr die förmliche Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs (SPFB), die eine Ressourcenzuteilung an die individuelle Etikettierung einer Behinderung koppelt. Sie ‚verführt‘ Lehrkräfte dazu, möglichst vielen ihrer Schülerinnen und Schüler, die irgendwie nicht in der Spur sind und Probleme bereiten, einen Förderbedarf zusprechen zu lassen.“[9]

Durch eine systemische Ressourcenzuweisung blieben Schülern inklusionswidrige Etikettierungen erspart, und der Anreiz, durch solche (Fehl?-)Etikettierungen (viele der so Etikettierten würde niemand außerhalb der Schule als „behindert“ betrachten) zusätzliche Lehrerstunden zu generieren, entfiele. Das Nordrhein-Westfälische Schulministerium bestätigt die negativen Folgen eines Festhaltens an Etikettierungen in Verbindung mit der Beibehaltung der Institution Förderschule: „Bei einem Anstieg der Gesamtzahl von Schülerinnen und Schüler[n] mit einem förmlich festgestellten Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung und einem eher geringen Absinken der Zahl von Schülerinnen und Schüler[n] an Förderschulen – teilweise sogar einem Anstieg – bedeutet dies, dass für das Gemeinsame Lernen an allgemeinen Schulen weniger Stellen zur Verfügung stehen werden.“[10]

Bei einer systemischen Ressourcenzuweisung besteht die Möglichkeit, staatliche Leistungen „nach Kassenlage“ zu deckeln, so dass Schulen mit den Summen auskommen müssen, die ihnen zugewiesen werden. Damit sind sie aber in derselben Situation, die Regelschulen seit Langem kennen, in denen Schüler ohne Beeinträchtigung keine anteiligen Lehrerstunden für sich einfordern können (etwa indem eine Lehrperson einer Klasse mit 28 Schülern jedem Schüler 1/28 ihrer Aufmerksamkeit schenken muss).


Literatur/Quellenangaben

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  1. Fachkommission Inklusion: Ziele und Maßnahmen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Niedersachsen. Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung (Hrsg.). September 2016, S. 16 (Punkt II.4.2.15) online
  2. Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung: Landesregierung präsentiert den ersten Aktionsplan Inklusion für Niedersachsen (mit einem Link zum Text des Aktionsplans). Hannover, Januar 2017
  3. Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU): Koalitionsvereinbarung zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) Landesverband Niedersachsen und der Christlich-Demokratischen Union (CDU) in Niedersachsen für die 18. Wahlperiode des Niedersächsischen Landtages 2017 bis 2022. 2017, Z.476–538
  4. Bildungsaufbruch – Sozial gerecht und leistungsstark – Fragen und Antworten zur neuen Gemeinschaftsschule. In: baden-wuerttemberg.de, Fragen und Antworten zur Gemeinschaftsschule (Unter Wie viele Gemeinschaftsschulen gibt es bereits, abgerufen am 15. Juli 2017).
  5. Weitere Informationen zur praktischen Umsetzung schulischer Inklusion im Bundesland Nordrhein-Westfalen unter www.Inklusion-aktuell.de
  6. Bildungsminister von Sachsen-Anhalt: Inklusion ist gescheitert – Förderschulen weiterführen. Epoch Times. 30. Dezember 2017
  7. Miriam Olbrisch: Warum ein Kultusminister die Inklusion für gescheitert hält. Interview mit Marco Tullner. Der Spiegel. Ausgabe 52/2017. 23. Dezember 2017
  8. Uwe Becker: Exklusionen im Inklusionszeitalter. Zur Ausgrenzungsdynamik gesellschaftlicher Innenräume. Zeitschrift für Inklusion. Ausgabe 1/2017. 14. April 2017
  9. Hans-Werner Johannsen: Inklusive Bildung optimieren – geht das?. GEW Schleswig-Holstein. 2015, S. 9f.
  10. Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen: Empfehlungen zu zentralen Fragestellungen bei der Umsetzung des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes (Memento des Originals vom 15. Juni 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.schulministerium.nrw.de[[Kategorie:Wikipedia:Defekte Weblinks/Ungeprüfte Archivlinks Skriptfehler: Ein solches Modul „Archivbot“ ist nicht vorhanden.]], 20. Februar 2017, S. 6

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