Kurs:Die Nisaner – Dresdens Ureinwohner/Liudolf
Liudolf Graf von Sachsen (844-866)
ca 805/20-12.3.866
Sohn eines Grafen Brunhart (Brun?)
Glocker Winfrid: Seite 254-257
"Die Verwandten der Ottonen und ihre Bedeutung in der Politik"
LIUDOLF
- c 805/20, + 866 III 12
Graf, "dux Orientalium Saxonum"
oo c 825/35 Oda, Tochter des fränk. "princeps" Billung und der Aeda
805/06, + 913 V 17
Schwennicke Detlev: Tafel 10
"Europäische Stammtafeln Neue Folge Band I. 1" LIUDOLF
+ 11. III 866
Begraben: Brunshausen
Graf, gründet 852 Abtei Gandersheim (zuerst in Brunshausen)
oo ODA * 805/06, + 17.V 913
Tochter des princeps Billung und der Aeda
Thiele, Andreas: Tafel 11
"Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band I, Teilband 1" LIUDOLF
- um 806, + 866
Liudolfs Familie gehörte neben den BILLUNGERN und der Familie Widukinds zu den angesehensten sächsischen Sippen und war eventuell gleichen Stammes wie das Haus QUERFURT-MANSFELD. Er war verwandt mit Herzog Brun von Engern und wurde in verschiedenen Quellen "Herzog der Ostsachsen" genannt. Daraus können wir aber mit einiger Sicherheit nur folgern, dass Liudolf im Kriege gegen die Normannen und Slawen das Aufgebot des östlichen Sachsen anführte. Daß er in Friedenszeiten an der Spitze dieses Gebietes stand, ist unwahrscheinlich, denn König Ludwig der Deutsche übte selbst noch Herrschaftsrechte in Sachsen aus. Zentren seines Besitzes waren Seesen-Gandersheim, Grone-Pöhlde/Eichsfeld, Werla-Lutter, Calbe-Magdeburg-Barby; auch im Bardengau um Lüneburg hatte er Besitz. Von der Lage seines Besitzes im sächisch-slawischen Grenzraum rührte die Vormacht als Grenzwächter in markgräflicher Position gegen die Slawen und Normannen. Er führte viele Kriege gegen sie und baute seine Hausmacht aus. Liudolfgründete auf seinem im westlichen Harzvorland, dem Leinegebiet gelegenen Besitz, mit seiner Gemahlin um 850 einen Kanonissenkonvent, der zunächst in Brunshausen untergebracht wurde, wo bereits sein Großvater und sein Vater vor 828 eine Eigenkirche dotiert hatten. Erst 881 fand der Konvent im nahen Gandersheim sein endgültiges Domizil. Liudolf trat früh in den Dienst Ludwigs des Deutschen und wurde als Graf oder Herzog in Ostfalen bezeichnet. Gegen die Dänen hatte er den Oberbefehl über das gesamte sächsische Heer inne. Sein Besitz war von Ostfalen über Engern und Westfalen (Dreingau) verstreut. Nicht weniger als fünf von den Töchtern Liudolfs nahmen den Schleier, einer seiner Söhne trat in das Kloster Lamspringe ein. Da Ludwig der Deutsche Sachsen größtenteils sich selbst überließ, da er anderweilig dringend beschäftigt war, konnte Liudolf seine Position bedeutend ausbauen.
oo ODA, Tochter des Grafen Billung I + 913
Althoff Gerd: Seite 16-19
"Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat." Der Großvater des ersten ottonischen Königs ist der älteste sicher bekannte Angehörige dieses Geschlechts. Es handelt sich um den Grafen Liudolf, der erst von späteren Autoren als Herzog der Ostsachsen (dux orientalium Saxonum) oder gar als Herzog der Sachsen (dux Saxonum) bezeichnet wurde. Der Aufstieg dieser LIUDOLFINGER zum Königtum im ostfränkischen Reich, den man als Protobeispiel einer rapiden Familienkarriere bezeichnen kann, vollzog sich im Kontext des gelungenen Integrationsprozesses der besiegten Sachsen in das karolingische Reich, eines Vorgangs, der das sächsische Selbstverständnis noch lange beeinflußte. Verheiratet war Liudolf mit Oda, die aus fränkischem Hochadel stammte. Mit dieser Heirat waren Vorgaben umgesetzt worden, die sich schon in den Reichsteilungsordnungen KARLS DES GROSSEN und LUDWIGS DES FROMMEN von 806 und 817 finden: Die Großen der Völker des Frankenreiches sollten untereinander Ehebündnisse schließen, damit so Friede und Eintracht gefördert würden. Die Eltern Odas waren der fränkische princeps Billing und seine Gemahlin Aeda. Außer ihren Namen ist von diesen fränkischen Adligen jedoch nichts bekannt. Vom Grafen Liudolf und seiner Gemahlin Oda weiß man ein wenig mehr, doch keineswegs genug, um eine auch nur einigermaßen zusammenhängende Geschichte der 'Anfänge' des ottonischen Geschlechts zu schreiben. Der Eintritt der LIUDOLFINGER, wie wir die Vorfahren der OTTONEN gewöhnlich nennen, in die Geschichte wird vor allem faßbar durch ihre Aktivitäten zur Gründung eines Frauenklosters: Gandersheim. Zu diesem Zwecke reiste der Graf Liudolf und seine Gemahlin Oda 845746 immerhin nach Rom. Dort erhielten sie in mehrfacher Hinsicht Unterstützung von Papst Sergius II., denn dieser erteilte einen Altersdispens für die minderjährige Tochter Hathemod, so daß diese die Äbtissinnenwürde in der geistlichen Gemeinschaft bekleiden konnte. Darüberhinaus schenkte der Papst den LIUDOLFINGERN Reliquien der heiligen Päpste Anastasius und Innocenz I. Romreise und Klostergründung aber sind ewichtige Indizien auch für die Einordnung der LIUDOLFINGER in die politischen und herrschaftlichen Kräfteverhältnisse Sachsens im 9. Jahrhundert. Voraussetzungen solcher Gründungen ist gewiß, daß die herrschaftliche Stellung der Gründer eine weitgehende Konsolidierung erfahren hatte. Die Forschung hat denn auch eine Reihe von Indizien zusammengetragen, die mit einiger Sicherheit darauf deuten, daß schon der Vater und Großvater des Grafen Liudolf im Raum der Gandersheimer Mark über Amt, Besitz und Herrschaftsrechte verfügten. Doch hat die 'Erinnerung' der liudolfingisch-ottonischen Familie diese Vorfahren nicht bewahrt, sondern sie läßt die Geschichte des Geschlechts mit dem 'Stammvater' Liudolf beginnen. Der 'Stammvater' Liudolf verstarb im Jahre 864 oder 866. Die Meldung seines Todes verbindet eine alemannische Quelle mit der Einordnung unter die Reichsfürsten (regni principes), eine lothringische mit der Auszeichnung als vir magnificus. Allem Anschein nach hat die Weitergabe von Ämtern, Lehen und Besitz an seinen ältesten Sohn Brun oder auch an beide Söhne, Brun und Otto, keinerlei Schwierigkeiten mit sich gebracht.
oo Oda, Tochter des Grafen Billung und der Aeda (aus fränkischem Geschlecht) 805/06-17.5.913
Kinder:
Brun ca 830/40-2.2.880
Otto der Erlauchte ca 830/40-30.11.912
Liutgard ca 840/50-30.11.885
867 oo Ludwig III. der Jüngere 835-20.1.882
Hathumod Äbtissin von Gandersheim (852-874) 840-29.11.874
Gerberga 2. Äbtissin von Gandersheim (874-897) ca 840/50-5.11.896/97
Christina 3. Äbtissin von Gandersheim (897-919) 840/50-1.4.919/20
Thankmar ins Kloster eingetreten - früh verstorben
Enda - vor 874
oo (Lothar) -2.2.880 gefallen
Literatur:
Althoff, Gerd: Adels- und Königsfamilien im Spiegel ihrer Memorialüberlieferung. Wilhelm Fink Verlag München 1984 Seite 139,159,223,242 - Althoff Gerd: Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 2000 Seite 16,19,24 - Bauer Dieter R./Histand Rudolf/Kasten Brigitte/Lorenz Sönke: Mönchtum - Kirche - Herrschaft 750-1000 Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1998 Seite 140,147 - Beumann, Helmut: Die Ottonen. Verlag W. Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln, Seite 14,22-24,50 - Brüsch, Tania: Die Brunonen, ihre Grafschaften und die sächsische Geschichte. Herrschaftsbildung und Adelsbewußtsein im 11. Jahrhundert. Matthiesen Verlag Husum 2000 Seite 26,106 - Diwald Helmut: Heinrich der Erste. Die Gründung des Deutschen Reiches. Gustav Lübbe Verlag GmbH, Bergisch Gladbach 1987 Seite 106 - Dümmler Ernst: Geschichte des Ostfränkischen Reiches. Verlag von Duncker und Humblot Berlin 1865 Band I Seite 142,348-356/Band II Seite 561 - Eickhoff, Ekkehard, Theophanu und der König, Klett-Cotta Stuttgart 1996, Seite 138,168,216 - Die Salier und das Reich, hg. Stefan Weinfurter, Jan Thorbecke Verlag 1991, Band I Seite 46,49,266/Band II Seite 469/Band III Seite 482/486 - Giesebrecht Wilhelm von: Geschichte der deutschen Kaiserzeit. Band 1- Band 6, Mundus Verlag 2000 - Glocker Winfrid: Die Verwandten der Ottonen und ihre Bedeutung in der Politik. Böhlau Verlag Köln Wien 1989 - Hlawitschka Eduard: Untersuchungen zu den Thronwechseln der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts und zur Adelsgeschichte Süddeutschlands. Zugleich klärende Forschungen um „Kuno von Öhningen“, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1987, Seite 26,31-33 - Hlawitschka, Eduard: Zur Herkunft der Liudolfinger und zu einigen Corveyer Geschichtsquelle, in Stirps Regia von Eduard Hlawitschka Seite 313-377, Verlag Peter Lang Frankfurt am Main - Holtzmann Robert: Geschichte der sächsischen Kaiserzeit. Deutscher Taschenbuch Verlag München 1971 - Hrosvit von Gandersheim - Keller, Hagen: Die Ottonen. Verlag C.H. Beck München 2001 Seite 17-21 - Körntgen, Ludger: Ottonen und Salier. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2002 Seite 3,6 - Krüger, Sabine: Studien zur Sächsischen Grafschaftsverfassung im 9. Jahrhundert, Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 1950 Veröffentlichung der Historischen Kommission für Hannover - Mühlbacher Engelbert: Deutsche Geschichte unter den Karolingern. Phaidon Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion - Offergeld Thilo: Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im frühen Mittelalter. Hahnsche Buchhandlung Hannover 2001 Seite 625 - Laudage, Johannes: Otto der Große. Eine Biographie. Verlag Friedrich Pustet Regensburg 2001 Seite 65 - Schulze Hans K.: Das Reich und die Deutschen. Hegemoniales Kaisertum. Ottonen und Salier. Siedler Verlag, Seite 129,136,138 - Schwennicke Detlev: Europäische Stammtafeln Neue Folge Band I. 1, Vittorio Klostermann GmbH Frankfurt am Main 1998 Tafel 10 - Thiele, Andreas: Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band I, Teilband 1, R. G. Fischer Verlag Frankfurt/Main 1993 Tafel 11 - Waitz, Georg: Jahrbücher des Deutschen Reiches unter König Heinrich I., Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1963 - Widukind von Corvey: Die Sachsengeschichte. Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart 1981 Seite 53 - Wies Ernst W.: Otto der Große. Kämpfer und Beter. Bechtle Verlag Esslingen 1989 Seite 40 - Zimmermann, Harald: Otto der Große, Wissenschaftliche Buchgemeinschaft Darmstadt 1976 -
Diwald Hellmut: Seite 106
"Heinrich der Erste" Graf Liudolf hatte nicht die Absicht, in dieser Beziehung den Stiftern der bereits existierenden sächsischen Klöstern nachzustehen. Er entschloß sich, selbst nach Rom zu pilgern und persönlich zu versuchen, die begehrten Reliquien zu erhalten. Auf dieser Reise wurde er von seiner Gemahlin Oda, einer Tochter des sächsischen Markgrafen Billung und der fränkischen Adligen Aeda, sowie zahlreichen Gefolge begleitet. Die Delegation war ausgerüstet mit kostbaren Geschenken und vor allem mit einem wortreichen Empfehlungsschreiben Ludwigs des Deutschen. Liudolf wurde in Rom von Papst Sergius II. überaus huldvoll aufgenommen. Der Graf trug seine Bitte vor: Er wolle auf seinen Besitzungen in Sachsen ein Kloster gründen und erbte sich dafür aus dem überquellenden Reliquienschatz Roms eine Gabe. Das neue Stift solle unter dem ausschließlichen Schutz des heiligen Petrus stehen. Liudolf erhielt von den alten römischen Bischöfen und heiligen Anastasius und Innozenz Teile ihrer durch die Jahrhunderte wundersam unversehrt erhaltenen Körper. Sergius entließ den Sachsen-Grafen und sein Gefolge mit seinem Segen und versicherte ihm, daß die Klosterneugründung unter apostolischem Schutz stehen würde. Zu welcher Zeit Graf Liudolf in Rom war, wird in den Quellen nicht verzeichnet. Doch das Datum liegt verhältnismäßig genau fest, weil das Pontfikat von Sergius II. in die Jahre 844 bis 847 fällt. Die Anlage entstand zunächst in Brunshausen, unmittelbar neben dem alten Mönchsbau, der Cella s. Bonifacii, die vor dem Jahr 785 von Fulda aus errichtet worden war. Das neue Kloster wurde von Liudolf im Jahr 852 als Jungfrauenstift eingeweiht, und die Reliquien aus Rom wurden feierlich überführt. Liudolf entschloß sich kurze Zeit später, das Kloster zu verlegen, und zwar in die Nachbarschaft seiner Stammburg, die sich am Übergang der Straße über die Gande befand, die den westfälischen Hellweg, die alte Königsstraße, nach Osten verlängerte. Hier, im niedersächsischen Bergland zwischen Harz und Leine entstand schließlich der neue Klosterbau, das spätere Reichsstift Gandersheim und Hauskloster der OTTONEN. Die enge Verbindung zu seinem Gründer zeigt sich nicht zuletzt auch dadurch, daß drei seiner Töchter Äbtissinnen des Klosters wurden. Auf Hathumod folgte Gerberga, die eigens eine schon bestehende Verlobung löste, um den Schleier zu nehmen. Dritte Äbtissin wurde die jüngste Tochter Christina. Ebenso entschloß sich der jüngste Sohn des Herzogs, Ekbert-Agius, ins Kloster zu gehen, und zwar nach Corvey. Ekbert-Agius schrieb später eine Biographie seiner Schwester Hathumod, die Vita Hathumodae. Von seiner Hand stammen höchstwahrscheinlich auch die ansehnlichen Prunkurkunden für Gandersheim, mit denen sich sein Schwager, König Ludwig III. der Jüngere, bei Brun und Otto, den beiden ältesten Söhnen Liudolfs, für die Unterstützung durch sächsische Truppen in der Schlacht bei Andernach im Jahr 876 gegen den W-Frankenkönig KARL DEN KAHLEN. Graf Liudolf entfaltete außerordentliche politische Aktivitäten. Entscheidend wurde sein Einsatz bei der Abwehr der Däneneinfälle aus dem Norden. Es gelang ihm, für diese unerläßliche Grenzsicherung den gesamten Adel Ostfalens unter seiner Führung zu einen, wenig später stieß auch der Adel Engerns dazu. Ebenso garantierte Liudolf die Sicherung der Ostgrenze im sächsischen Bereich. Sein Name erhielt dadurch in kurzer Zeit weit über sein eigenes Territorium hinaus einen außergewöhnlichen Klang, seine Zeitgenossen sprachen vom ihm vereinfachend als dem Dux, dem Herzog von Sachsen. Ein solcher Titel war damals noch nichts Feststehendes. Liudolf konnte so benannt werden, weil er die Markgrafschaft gegenüber den Dänen innehatte, oder weil er als Befehlshaber das gesamte Heer führte. Schließlich wurde er auch förmlich von König Ludwig dem Deutschen als Dux orientalum Saxonum bezeichnet. In der Zeit Liudolfs schlossen sich die sächsischen Stämme zu einem so starken, einheitlichen Verbund zusammen, daß fortan die Trennungen der Gaue und altsächsische Gruppierungen verblaßten und Sachsen in der ferneren Geschichte als eine Herrschaftsregion eigener Art erschien, deren Bevölkerung sich durch ihr markant geschlossenes Wesen auszeichnete. Der legendäre Ruf Widukinds übertrug sich nur mit erheblichen Einschränkungen auf seine Familie und die unmittelbaren Nachfahren. Das ergab sich aus den besonderen Bedingungen seiner Taufe. Liudolf samt seinem Geschlecht wirkte im Vergleich mit den Nachfahren Widukinds wie eine gewaltig aufragende Säule. Er gehörte zu den reichsten Fürsten Sachsens. Seine Besitzungen befanden sich nicht nur in Ostfalen, sondern auch in Engern und den westlichen Teilen des Landes, insbesondere im Lippegebiet südlich von Münster. Auch dieser Streubesitz trug dazu bei, in Liudolf denjenigen Fürsten zu sehen und zu respektieren, in dem sich wie in keinem anderen Edeling das Land und der Sachsenstamm selbst materiell zu verfestigen schien. Liudolf starb um das Jahr 866, möglicherweise auch erst eingangs der 70-er Jahre; die Quellen lassen uns dabei, wie so oft in diesen Frühzeiten, im Stich. Seine Gemahlin Oda überlebte ihn um ein halbes Jahrhundert; sie wurde nachweislich 107 Jahre alt - eine erstaunliche Frau, denn sie war auch die Mutter von 10 Kindern.
Glocker Winfrid: Seite 254-257
"Die Verwandten der Ottonen und ihre Bedeutung in der Politik" Liudolf
- c 805/20, + 866 III 12
Graf, "dux Orientalium Saxonum"
oo c 825/35 Oda, Tochter des fränk. "princeps" Billung und der Aeda
805/06, + 913 V 17
Wenn man sich in den Quellen auf die Suche nach den Ahnen König HEINRICHS I. begibt, so findet man als frühesten Vorfahren den sächsischen Graf und "dux" Liudolf, den wir in Anlehnung an die Charakterisierung "dux Orientalium Saxonum" (Agius v. Corvey, Vita Hathumodae c. 2, SS IV 167) in Zukunft zur Unterscheidung von namensgleichen Angehörigen der OTTONEN-Familie Liudolf dux nennen wollen. Nach diesem Liudolf dux führen die OTTONEN, insbesondere die frühen Ahnen OTTOS DES GROSSEN, auch den Sippennamen LIUDOLFINGER, weil Liudolf einer der Leitnamen der Familie ist (vgl. zu den Leitnamen Krüger, Grafschaftsverfassung S. 17- 20): Liudolf dux ist der sog. "Spitzenahne" und "Stammvater" der OTTONEN-Dynastie und so für die Sippe namensgebend geworden; zu der Problematik, wie Adelssippen des früheren Mittelalters zu benennen sind, vgl. Schmid, Bemerkungen passim. Außer der oben zitierten Belegstelle bei Agius von Corvey kennen wir den Liudolf dux aus der Sachsengeschichte des Widukind von Corvey I c. 16, S. 25 f.; doch ist das Wissen Widukinds über die frühen LIUDOLFINGER bereits sehr fehlerhaft, wie die (absichtliche?) Verwechslung des Gemahls der Liutgard, einer Tochter des Liudolf dux, zeigt, wo Widukind (falsch) König Ludwig das Kind an Stelle von (richtig) König Ludwig der Jüngere hat. Weiter ist Liudolf in den Primordia coenobii Gandeshemensis der Nonne Hrotsvith von Gandersheim v. 5 ff. bezeugt. König OTTO I. nennt in den beiden Urkunden für Gandersheim D O I. 89 und 180 seinen "proavus" Liudolf, dessen Gemahlin Oda und zwei ihrer Söhne, die "duces" Brun und Otto. Die weiteren Belege zum Liudolf dux und seiner Gemahlin Oda sind zusammengestellt bei Krüger, Grafschaftsverfassung S. 67. Unseres Liudolfs Geburtsjahr kennen wir nicht, doch lassen sich zwei Überlegungen anstellen, um es ungefähr zu bestimmen. Aus der Angabe bei Hrotsvith, Primordia v. 575, Liudolfs Gemahlin Oda sei im Alter von 107 Jahren verstorben, können wir unter Kenntnis Todesjahres für Oda das Geburtsjahr 805/06 errechnen. Wem dieses Ergebnis zu legendenhaft hoch erscheint, der muß darauf hingewiesen werden, dass wir das Geburtsjahr einer Tochter unseres Paares, der Äbtissin Hathumod von Gandersheim, mit 840 (vgl. II,6) kennen, und Oda somit zumindestens c 820/25 zur Welt gekommen sein muß. Nehmen wir aber das Geburtsjahr 805/06 für Oda als zutreffend an, und bedenken wir weiter, daß Ehegatten in der Regel häufig in etwa gleichaltrig sind, so dürfen wir das Geburtsjahr des Liudolf dux im ersten Jahrzehnt des 9. Jahrhunderts vermuten. Liudolf hätte dann ein Alter von etwa 60 Jahren erreicht. So rechnete Hömberg, Comitate S. 122 mit Anm. 353, vom Geburtsjahr König HEINRICHS I. (c 876) zurück zur Geburtszeit der Söhne des Liudolf dux (840-er Jahre) und ermittelte für Liudolf selbst eine ungefähre Geburtszeit c 815. Vgl. hierzu auch den Nachtrag auf Seite 395. Die Belege für das Todesjahr sind bei Dümmler Bd. 1, S. 371, Anm. 3, und bei Waitz S. 10 mit Anm. 3 zusammengestellt. Der Todestag Liudolfs ist genannt in den Nekrologen von Weißenburg und Gandersheim, vgl. Althoff, Zeugnisse S. 401 (Nr. 18 mit Anm. 7). Für die Eltern, Großeltern usw. des Liudolf dux ist keine gesicherte Quellenbasis zu erreichen. In der Sekundärliteratur wurde häufig die Vermutung geäußert, in dem zum Jahr 775 in den Annales regni Francorum, S. 42, genannten Führer der Engern namens Brun und in dem um 800 als Schenker an das Kloster Fulda auftretenden "Liutolf comes de saxonia" (Dronke, Trad. Fuld. c. 41, Nr. 14) seien Vorfahren unseres Liudolf dux zu sehen. Doch außer den Leitnamen deutlich liudolfingischer Prägung ließen sich keinerlei stützende Argumente vorbringen. Bereits den Historiographen des 10. Jahrhunderts, Widukind von Corvey und Hrotsvith von Gandersheim, dürfte nichts mehr über die Vorfahren des Liudolf dux bekannt gewesen sein. Mit Althoff, Adelsfamilien S. 142, vermuten wir den Grund für den Verlust des Wissens in der Tatsache, daß das Kloster Gandersheim in dieser Frühzeit der liudolfingischen Familie deren Gedenktradition betreute; doch setzte die Memoria offenbar erst mit dem Klostergründer, unserem Liudolf dux, ein. Wenn uns der Gandersheimer Priester Eberhard des 12. Jahrhunderts in seiner Reimchronik 1 c. 2, S. 7, einen Brun als Vater des Liudolf dux nennt, so dürfen wir hier kein lokales und damit verläßliches Wissen sehen, sondern nur eine frühe gelehrte Konstruktion; der Brun Eberhards ist der Nonne Hrotsvith von Gandersheim nämlich völlig unbekannt, obwohl sie dieser fiktiven Gestalt zeitlich näher steht und diese somit besser kennen müßte als der Priester Eberhard. Das Dunkel um die Ahnen der Sachsenkaiser hat schon das Mittelalter zu Spekulationen gereizt. Die späte Gandersheimer Tradition kennt beispielsweise den Namen der Mutter des Liudolf dux mit Susanne (vgl. Hüsing, Genealogie S. 12). Weitere Kombinationen zu den Urahnen der OTTONEN hat Waitz im Exkurs I, S. 179-189, gesammelt. Die moderne Forschung äußerte immer wieder die Vermutung, die LIUDOLFINGER des 9. Jahrhunderts ständen mit den EKBERTINERN (nach einem anderen Leitnamen auch COBBONEN genannt) in verwandtschaftlicher Beziehung. Bei diesen EKBERTINERN handelt es sich um die Nachkommenschaft eines Vertrauten KARLS DES GROSSEN namens Ekbert. Dieser pflegte eine vornehme Dame, die heilige Ida, durfte sie schließlich heiraten und erhielt von KARL DEM GROSSEN in einem Teil Sachsens eine herzogliche Stellung übertragen (vgl. zu diesen Zusammenhängen Krüger, Grafschaftsverfassung S. 77 f., Hlawitschka, Herkunft S. 147- 150, sowie den Forschungsstand referierend Jakobi, Nachkommen passim). Hömberg, einer der besten Kenner der sächsischen Grafschaftsverfassung in der Zeit des 9. Jahrhunderts, sah Comitate S. 122 ff. in diesem Ekbert, dem Vertrauten Kaiser KARLS DES GROSSEN, und seiner Gemahlin Ida die direkten Großeltern des Liudolf dux. Diese Ansicht begründete er mit dem Besitz des alten Könighofes Herzfeld, den man zuerst in den Händen Ekberts nachweisen kann, und der sich dann in Händen Herzog Ottos des Erlauchten, des Sohnes unseres Liudolf dux findet. Doch hat Hömberg übersehen, daß die skizzierte Besitzfolge bei dem Königshof Herzfeld nicht unbedingt durch Erbfolge bewerkstelligt sein muß, sondern auch auf dem Weg der Belehnung erfolgt sein könnte. Da aber der Name "Ekbert" unter dem Namensgut, das wir bei den Kindern des Liudolf dux finden, entgegen einer früheren Vermutung nicht nachgewiesen werden kann (vgl. dazu II,3), können wir eine agnatische Verwandtschaft zwischen den LIUDOLFINGERN und EKBERTINERN mit Sicherheit ausschließen. Ein verwandtschaftlicher Konnex muß aber bestanden haben, da sich der Name Liudolf unter den Ekbert-Kindern findet. Kohl, Typologie S. 124, vermutet, diese Verwandtschaft könne durch eine gemeinsame verwandtschaftliche Beziehung beider Familien zu den IMMEDINGERN, derjenigen Sippe, der die Königin Mathilde entstammte, vermittelt worden sein. Metz, Abstammung S. 272 ff., lehnt eine Verwandtschaft zwischen EKBERTINERN und LIUDOLFINGERN allerdings ab, während Hlawitschka, Herkunft S. 151- 160, eine cognatische Beziehung für wahrscheinlich hält. Es sei hier noch abschließend auf den letzten Versuch in der neueren Forschung hingewiesen, in der agnatischen Reihe bei den Ahnen der OTTONEN-Kaiser über den Liudolf dux noch weiter zurückzukommen. Der Rechtshistoriker Karl August Eckhardt hat im Zusammenhang mit seiner Wiederveröffentlichung der Corveyer Traditionen (Studia Corbeiensia, hier Bd. I, S. 140- 155 und 170-173) durch die Umstellung und damit verbundene Umdatierung zweier Traditionsnotizen nachzuweisen versucht, daß unser Liudolf dux der Sohn eines Asic/Adalric und dessen zweiter Gemahlin, einer ebenfalls in dem Traditionsregister bezeugten Ida, gewesen sei. Darüber hinaus versah Eckhardt den Liudolf dux mit einer Reihe bisher unbekannter Geschwister und ebenfalls bisher noch unbekannter Vorfahren. Der sehr komplexe Beweisgang Eckhardts ist jedoch zu verwerfen, wie Hlawitschka, Herkunft S. 108-119, gezeigt hat. Mit einiger Sicherheit können wir allerdings zu den agnatischen Vorfahren der Sachsen-Kaiser mit Goetting, Anfänge S. 18-23, festhalten, daß bereits der Vater und der Großvater Liudolfs in Brunshausen (östlich von Gandersheim) eine Klostergründung vorgenommen hat. Namen sind jedoch nicht zu ermitteln. In diesem Zusammenhang macht Goetting nun auf zwei Güterschenkungen aus Gandersheim an Fulda aufmerksam, die c 780- 802 und c 802- 817 von einem gewissem Adolf bzw. von einem Buno (!) vorgenommen wurden. Die Besitzverankerung in Gandersheim, wo Liudolf bald nach der Mitte des 9. Jahrhunderts sein berühmtes Kloster einrichtete, macht es sehr wahrscheinlich, daß wir in Adolf und Buno frühe Mitglieder der LIUDOLFINGER-Familie vor uns haben. Zur Amtsstellung Liudolfs: unser Liudolf dux ist bei Agius von Corvey, Vita Hathumodae c. 2, SS IV 167, als "dux Orientalium Saxonum" charakterisiert. Hrotsvith nennt ihn Primordia coen. Gandeshem. v. 4 f. "dux Saxonum"; die gleiche Bezeichnung verwendet das D O I. 189. Weitere Belege zur Amtsstellung hat Krüger, Grafschaftsverfassung S. 67, zusammengestellt. Die Communis opinio der neueren Forschung geht dahin, in der Zuschreibung der Stellung eines "dux" an Liudolf eine Rückprojektion aus der machtvollen Position der zur Königs- und Kaiserwürde aufgestiegenen LIUDOLFINGERdes 10. Jahrhunderts zu sehen: man könne für Liudolf aber durchaus eine markgräfliche Position annehmen; vgl. Fleckenstein, Reich S. 224, und Giese in NDB Bd. 14, S. 718. Die Eltern von Liudolfs Gemahlin Oda waren nach den Angaben bei Hrotsvith, Primordia coen. Gandeshem. v. 21-24, der fränkische "princeps" Billung und dessen Gemahlin Aeda. Billung mag aus einer fränkischen Nebenlinie der BILLUNGER stammen (deren sächsischer Zweig im 10. Jahrhundert zur sächsischen Herzogswürde aufgestiegen ist) (vgl. Krüger, Grafschaftsverfassung S. 79- 82), während der Name Aeda auf das Haus der KONRADINER hindeutet, zu deren Namensgut auch der Name "Otto" gehören könnte. Die Thesen Frieses, Adel S. 108-114, Oda sei auf Grund der Namensgebung bei ihren Kindern und Enkeln der Familie der ROBERTINER zuzurechnen, hat nicht überzeugt. Friese geht in seiner Arbeit von festen Regeln der Namensvergabe aus, die so nicht existiert haben und somit auch nicht zur Grundlage der Argumentation gemacht werden dürfen. Vgl. zum Buch von Friese die Rezension von Mathias Werner in DA 36, 1980, S. 630 ff. Die Überlegungen, die uns zur Angabe für das Geburtsjahr der Oda geführt haben, sind bereits oben S. 254 zusammen mit den Belegstellen angeführt worden. Das Sterbejahr ist bezeugt im Nekrolog von Gandersheim, das Sterbejahr ergibt sich aus der Angabe in Hrotsviths Primordia coen. Gandeshem. v. 568 ff., Oda habe noch die Geburt ihres Urenkels, des späteren König und Kaiser OTTOS DES GROSSEN, erlebt. Vgl. zum Sterbedatum auch Coetting, Gandersheim S. 375, sowie Althoff, Zeugnisse S. 402 (Nr. 31).
Liudolf († 11. oder 12. März 864 oder 866) gilt als Stammvater des Adelsgeschlechtes der Liudolfinger, das mit Heinrich I., Otto I. dem Großen, Otto II., Otto III. und Heinrich II. von 919–1024 in ununterbrochener Reihenfolge die Herrscher des Ostfrankenreiches stellten. Liudolfs Herrschaftsmittelpunkt lag im östlichen Altsachsen. Gemeinsam mit seiner Frau, der fränkischen Adligen Oda, gründete er das später in Gandersheim ansässige Frauenkloster von Brunshausen. Liudolfs Herkunft ist ungeklärt; die moderne Forschung vermutet eine Abstammung von dem Adelsgeschlecht der Ekbertiner.
Inhaltsverzeichnis
1 Herkunft
2 Familie
3 Politische Bedeutung
4 Literatur
5 Weblinks
6 Anmerkungen
Herkunft
Liudolfs Abstammung ist nicht sicher zu bestimmen.[1] In der um 877 verfassten Lebensbeschreibung der ersten Gandersheimer Äbtissin Hathumod, einer Tochter Liudolfs, behauptet der Mönch Agius, Liudolf entstamme dem angesehensten Geschlecht in Sachsen.[2] Auch Hrotsvit von Gandersheim berichtet in ihrem Mitte des 10. Jahrhunderts entstandenen Gedicht Primordia,[3] Liudolf stamme von „überaus adligen“ Eltern ab, deren Namen sie jedoch nicht erwähnen konnte oder wollte.[4]
In der um 980 entstandenen Lebensbeschreibung der fränkischen Adligen Ida von Herzfeld, der Vita s. Idae des Werdener Mönches Uffing, erhebt dieser den Vorwurf, Liudolf und sein Sohn Otto der Erlauchte hätten sich nicht um das Grab Idas gekümmert, ohne auszusprechen, dass sie dazu nur als Abkömmlinge verpflichtet gewesen wären.[5] Zudem habe Liudolf seinen im Kindesalter verstorbenen Sohn dort beigesetzt. Diese Grablege befand sich auf dem Hof Herzfeld, der zunächst Idas Mann Ekbert, dann Liudolf und schließlich Otto dem Erlauchten gehörte, bis dieser ihn gegen Besitzungen in Beek bei Duisburg eintauschte. Albert K. Hömberg gelangte deshalb zu dem Ergebnis, Liudolf sei der Enkel Idas und Ekberts.[6] Tatsächlich hatte Idas Sohn Cobbo, wie Liudolf ein enger Vertrauter Ludwig des Deutschen, aus seiner Ehe mit Eila einen Sohn namens Liudolf.[7]
In der aus dem 12. Jahrhundert stammenden Gandersheimer Reimchronik des Gandersheimer Priesters Eberhard wird dagegen ein Brun als Vater des Liudolf genannt, ebenso in späteren Reimchroniken des Hochmittelalters. Nach Auffassung Winfried Glockers handelt es sich dabei nicht um lokales und damit verlässliches Wissen des Gandersheimer Priesters, sondern um „eine frühe gelehrte Konstruktion“.[8]
Familie
Liudolf (Abbildung aus einer Stammtafel der Ottonen in der Chronica St. Pantaleonis, 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts) Liudolf war nach den Angaben Hrotsvits von Gandersheim verheiratet mit Oda, der Tochter des fränkischen, ansonsten aber unbekannten princeps Billung und der Aeda.[9] Ausgehend von einer sächsischen Herkunft des Geschlechtes der Billunger wird vermutet, Billung könne einer fränkischen Nebenlinie der Billunger entstammen. Dagegen lässt der Name Aeda auf eine Zugehörigkeit der Mutter zum fränkischen Adelsgeschlecht der Konradiner schließen.[10]
Nach den Angaben in Hrotsvits Primordia und der Lebensgeschichte der Äbtissin Hathumod hatte das Paar elf oder zwölf Kinder, von denen acht namentlich bekannt sind. Drei oder vier Söhne und eine Tochter verstarben früh.
Brun, (* um 835; † 2. Februar 880), seit 877 Graf Otto I. der Erlauchte, (* vor 866; † 30. November 912) ⚭ Hadwig (Hathui), († 903), Tochter des Heinrich ducis austriacorum (Popponen) Thankmar († 878), seit 877 Abt des Klosters Corvey Liutgard, (877 bezeugt; † 17. oder 30. November 885), begraben in Aschaffenburg ⚭ vor dem 29. November 874 Ludwig III. der Jüngere, König der Ostfranken, († 20. Januar 882) (Karolinger) Enda ⚭ NN Hathumod, (* 840; † 29. November 874), seit 852 Äbtissin von Gandersheim, begraben in Brunshausen Gerberga, († 5. September 896 oder 897), seit 874 Äbtissin von Gandersheim Christina († 1. April wohl 919 oder 920), seit 896 oder 897 Äbtissin von Gandersheim, begraben in der Stiftskirche Gandersheim eine weitere Tochter und noch zwei oder drei Söhne, die jung verstarben. Liudolf hatte umfangreichen Grundbesitz im Bardengau, im westlichen Harzvorland, dem Gebiet der Leine, auf dem er 852 gemeinsam mit Oda und Altfrid – dem Bischof von Hildesheim und vielleicht seinem Vetter – in Brunshausen ein Frauenkloster gründete, in dem Liudolf auch beerdigt wurde. 881 wurde das Kloster nach Gandersheim verlegt, als die Neubauten dort fertiggestellt waren. Dort fand Oda ihre letzte Ruhestätte. Das Kloster wurde zur Grablege der frühen Liudolfinger und damit zum zentralen Ort ihrer Memoria.
Politische Bedeutung Den zeitgenössischen Nachrichten über Liudolf und seine Angehörigen ist zu entnehmen, dass die Familie zu den einflussreichsten in Sachsen gehörte. Die Annahme einer Herzogsstellung Liudolfs rechtfertigen sie jedoch nicht.[11]
In Urkunden und Annalen wird Liudolf mehrfach als Graf (comes) und damit als fränkisch-karolingischer Amtsträger bezeichnet. Der Titel eines Herzogs (dux) findet sich zu Lebzeiten nicht. Die Eheschließung mit Oda belegt Liudolfs Ebenbürtigkeit mit dem fränkischen Hochadel, dem er möglicherweise selbst entstammte. Mit der Gründung des Nonnenklosters Gandersheim im Mittelpunkt seiner Besitzung und der Aufgabe dieses Klosters als Familiengrablege brachte Liudolf seinen regionalen Herrschaftsanspruch zum Ausdruck, den er durch die Ausstattung mit den Gebeinen Heiliger noch untermauerte. Liudolfs herausragende Stellung in Sachsen wurde vom ostfränkischen Herrscher anerkannt. Als Ludwig II. der Deutsche seinem Sohn Ludwig III. dem Jüngeren Sachsen und Thüringen als Erbteil zuwies, vermählte er ihn mit Luitgard, Liudolfs Tochter. Die Brautwahl war politisch motiviert. Ludwig II. der Deutsche wollte seine Söhne mit derjenigen Familie verbinden, die in der zugewiesenen Region aufgrund von Ansehen, Besitz und Gefolgschaft die größte politischen Bedeutung hatten. In gleicher Absicht verheiratete Ludwig II. seine Söhne Karl in Baiern und Karlmann in Schwaben mit Töchtern aus den führenden Adelsgeschlechtern. Die Xantener Annalen bezeichneten Liudolf in der Notiz über seinen Tod als vir magnifici, also als herausragenden Mann, womit Angehörige des Hochadels bezeichnet wurden.
Schon bald nach seinem Tod wurde Liudolf als dux orientalium Saxonum bezeichnet, also als „Dux“ der östlichen Sachsen. Gleichwohl lässt diese Bezeichnung nicht zwingend den Schluss auf eine Herzogsstellung Liudolfs zu. Der Gebrauch des Titels „Dux“ war in den frühmittelalterlichen Quellen vielfältig. Er wurde Herzögen, Heerführern, Anführern slawischer Stämme, Grenzkommandanten oder Provinzgouverneuren des Frankenreiches zuerkannt. Teilweise genügte die Stellung als Amtsträger oder ein Ehrenvorrang unter Adligen.[12]
In der älteren Forschung war es gleichwohl unbestritten, dass die Liudolfinger in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts die führende Stellung in Sachsen einnahmen. Liudolf als Stammvater des Geschlechtes galt bereits als „Stammesherzog“, dem seine Söhne Brun und Otto in dieser Position folgten. Dagegen meint Matthias Becher, mit der Bezeichnung als dux sei eher beabsichtigt worden, Liudolf allgemein als politisch bedeutende Person des Ostfrankenreiches zu bezeichnen.[13] Zudem lassen sich Liudolfs große Königsnähe und seine machtvolle Position in Sachsen nur mit der Heirat seiner Tochter Luitgard mit Ludwig den Jüngeren begründen, dem Sohn Ludwigs II. des Deutschen und vorgesehenem Erben des östlichen Reichsteils. Zu diesem Zeitpunkt war Liudolf jedoch bereits verstorben.[14] Tatsächlich billigen ihm zeitgenössische Quellen anlässlich seines Todes nur eine herausragende politische Stellung im Ostfrankenreich zu, ohne ihn als Herzog der Sachsen hervortreten zu lassen.[15]
Literatur Gerd Althoff: Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat. 3., durchgesehene Auflage, Kohlhammer, Stuttgart u. a., 2013, ISBN 978-3-17-022443-8. Ernst Steindorff: Liudolf (Herzog in Sachsen). In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 19, Duncker & Humblot, Leipzig 1884, S. 5 f. Weblinks Commons: Liudolf von Sachsen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien Anmerkungen
Übersicht bei Winfried Glocker: Die Verwandten der Ottonen und ihre Bedeutung in der Politik. Studien zur Familienpolitik und zur Genealogie des sächsischen Kaiserhauses. Böhlau, Köln/Wien 1989 S. 254–257. Georg Heinrich Pertz u. a. (Hrsg.): Scriptores (in Folio) 4: Annales, chronica et historiae aevi Carolini et Saxonici. Hahn, Hannover 1841, S. 166–175, hier S. 167. Georg Heinrich Pertz u. a. (Hrsg.): Scriptores (in Folio) 4: Annales, chronica et historiae aevi Carolini et Saxonici. Hahn, Hannover 1841, S. 302–335, hier S. 306 Matthias Becher: Rex, Dux und Gens. Untersuchungen zur Entstehung des sächsischen Herzogtums im 9. und 10. Jahrhundert (= Historische Studien. Bd. 444). Matthiesen, Husum 1996, ISBN 3-7868-1444-9, S. 84. Gabriele Isenberg: Heiligenleben als Geschichtsquelle. Ein schwieriger Zugang: der Fall Ida von Herzfeld. in: Westfälische Zeitschrift 162, 2012, S. 23–43, hier S. 32 und 41f. Albert K. Hömberg: Geschichte der Comitate des Werler Grafenhauses. in: Westfälische Zeitschrift, Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde, 100, 1950 S. 9–134, hier S. 122; zuvor bereits Georg Waitz: Jahrbücher des Deutschen Reichs unter König Heinrich I. Duncker & Humblot, Berlin 1863, auch 1963 im Nachdruck der Ausgabe von 1885, S. 192. Johannes Fried: Der lange Schatten eines schwachen Herrschers. Ludwig der Fromme, die Kaiserin Judith, Pseudoisidor und andere Personen in der Perspektive neuer Fragen, Methoden und Erkenntnisse. In: Historische Zeitschrift. Bd. 284, 2007, S. 103–138, hier S. 120. Winfried Glocker: Die Verwandten der Ottonen und ihre Bedeutung in der Politik. Böhlau, Köln, Wien 1989, S. 255. Georg Heinrich Pertz u. a. (Hrsg.): Scriptores (in Folio) 4: Annales, chronica et historiae aevi Carolini et Saxonici. Hahn, Hannover 1841, S. 302–335, hier S. 306 :Filia Billungi, cuiusdam principis almi, Atque bonae famae generosae scilicet Aedae. Winfried Glocker: Die Verwandten der Ottonen und ihre Bedeutung in der Politik. Studien zur Familienpolitik und zur Genealogie des sächsischen Kaiserhauses. Böhlau, Köln/Wien 1989 S. 256 f. Wolfgang Giese: Heinrich I., Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008, S. 42. Matthias Becher: Rex, Dux und Gens. Untersuchungen zur Entstehung des sächsischen Herzogtums im 9. und 10. Jahrhundert. Matthiesen, Husum 1996, ISBN 3-7868-1444-9, S. 11. Matthias Becher, Rex, Dux und Gens. Untersuchungen zur Entstehung des sächsischen Herzogtums im 9. und 10. Jahrhundert. Husum 1996, S. 73. Wilfried Hartmann: Ludwig der Deutsche. Primus Verlag, Darmstadt 2002, ISBN 3-89678-452-8, S. 98. Matthias Becher, Rex, Dux und Gens. Untersuchungen zur Entstehung des sächsischen Herzogtums im 9. und 10. Jahrhundert. Husum 1996, S. 73.