Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2020-2021)/Teil I/Vorlesung 1
- Mathematik für Anwender
Mathematik hat eine Vielzahl an Anwendungen. Sie hilft beispielsweise, für ein Publikum einer gewissen Größe einen geeigneten Raum zu finden, indem man die Anzahl der Personen mit der Anzahl der Sitzgelegenheiten vergleicht. Beide Mengen werden mit der Hilfe von natürlichen Zahlen erfasst und die Mathematik stellt Methoden zur Verfügung, zwei solche Zahlen miteinander zu vergleichen, ohne dass man mit den Leuten verschiedene Räume durchprobieren muss. Sie hilft, die Ausgaben und die Einnahmen einer Person in Balance zu halten, indem man beispielsweise aus dem Monatseinkommen berechnen kann, wie viel man pro Tag ausgeben darf.
Mathematik hat Anwendungen im technischen Bereich, in der Bildverarbeitung, der Medizin, bei Datenübermittlung und Datenspeicherung, beim Entwurf von Suchalgorithmen, bei logistischen Problemen, bei Datenanalyse, maschinellem Lernen, künstlicher Intelligenz.
Hier interessieren wir uns hauptsächlich für Anwendungen der Mathematik in anderen Wissenschaften. Mathematik wird in sehr vielen Wissenschaften angewendet, in den Naturwissenschaften wie Physik, Chemie, Biologie, in der Informatik, als Statistik in Psychologie, Soziologie und Geschichte, als geometrisches Hilfsmittel in der Kartographie, in den Wirtschaftswissenschaften.
Dabei stellt die Mathematik eine Sprache bereit, mit der empirische Begebenheiten quantitativ beschrieben werden können, sie hilft bei der Modellierung (der Theoriebildung) von beobachtbaren Phänomen der Fachdisziplinen. Durch Techniken wie Interpolation und Extrapolation erlaubt sie Prognosen, beispielsweise in der Meteorologie oder über die zukünftige Entwicklung der Bevölkerung auf der Erde.
In diesen verschiedenen Bereichen wird eine Vielzahl an mathematischen Methoden angewendet, die sich in ihrer Komplexität stark unterscheiden, und zwar sowohl hinsichtlich ihrer innermathematischen Struktur als auch in Hinblick darauf, wie sie angewendet werden. Beispielsweise ist die Statistik eine komplexe mathematische Disziplin, wird aber in vielen Wissenschaften (aus gutem Grund) direkt und ohne tiefere Reflexion (als black box) angewendet, um etwa psychologische Tests zu beurteilen. Dagegen liegt in der (theoretischen) Physik eine so enge Beziehung zur Mathematik vor, dass die physikalischen Theorien ohne die Mathematik gar nicht existieren könnten, und ein Großteil der Mathematik ist selbst wiederum durch die Physik entstanden. Bei Differentialgleichungen kann man sich lediglich für ihre Numerik (konkrete approximierende Berechnungstechniken) interessieren oder aber für ihre Adäquatheit für ein bestimmtes Problem oder ihr qualitatives Lösungsverhalten. Es gibt also eine große Bandbreite, in welcher Tiefe und Substanz Mathematik in den Wissenschaften angewendet wird.
Für den überwiegenden Teil der mathematischen Anwendungen kann man aber sagen, dass ihr angemessener und verständnisvoller Einsatz eine substantielle mathematische Ausbildung voraussetzt und nicht erst im Kontext eines konkreten Problems gelernt werden kann. Es ist die Zielsetzung dieses Kurses, ein mathematisches Fundament zu legen, mit dem man in unterschiedlichen wissenschaftlichen Kontexten bestehen kann.
Diese Zielsetzung erklärt zu einem guten Teil den Aufbau und die Stoffauswahl für diesen Kurs. Es geht um eine solide Grundlegung für die Mathematik als solche, ihre Arbeitsweise, ihre Prinzipien, ihre Argumentationsschemata, ihre begriffliche Fundierung. Dagegen spielen konkrete Anwendungen, wie sie letztlich in den Einzelwissenschaften auftreten, eine geringere Rolle, allein schon deshalb, weil realistische Anwendungen typischerweise eine intimere Kenntnis der Einzelwissenschaften erfordert. Letztlich entscheiden auch die Einzelwissenschaften, was sie für ein realistisches Szenario und eine angemessene Modellierung halten. Die Mathematik stellt dazu Hilfsmittel bereit, auf die dann zurückgegriffen werden kann.
Es ist wohl zunächst ein Wort darüber angebracht, wie sich die schulische Mathematik und die Mathematik an einer Universität unterscheiden, und warum. Die kurze Antwort ist, dass an einer Universität Mathematik als Wissenschaft betrieben wird. Von daher ist es sinnvoll, sich etwas allgemeiner zu fragen, was wissenschaftliches Arbeiten ausmacht. Eine wichtige Beobachtung ist, dass wissenschaftliche Aussagen begründet werden müssen. Betrachten wir, was eine Argumentation im wissenschaftlichen oder im mathematischen Kontext bedeutet.
- Mathematische Argumentation
In einer Argumentation versucht man, eine Behauptung mittels allgemein anerkannter Prinzipien zu begründen, als wahr (oder gültig) zu erweisen. Grundsätzlich kann man mit sich selbst argumentieren, typischerweise gibt es ein Publikum, das man von der Behauptung überzeugen möchte. Argumentationen gibt es in den unterschiedlichsten Kontexten, in der Wissenschaft, in der Politik, in Beziehungen. Dabei gibt es kontextspezifische Prinzipien und Argumentationsmuster, im politischen Kontext beruft man sich gerne auf weitgehend anerkannte Grundsätze wie Menschenrechte, Grundgesetz, den Willen des Volkes, um daraus unter Berücksichtigung von Daten und Fakten eine politische Entscheidung herzuleiten. Die Erfahrung lehrt, dass dort die Argumente nicht so gut sind, um alle überzeugen zu können, und dass dort auch die Interessen von spezifischen Gruppen vertreten werden.
Auch in der mathematischen Argumentation versucht man, die Wahrheit von Behauptungen (oder die Korrektheit eines Rechenweges oder die Angemessenheit einer Modellierung) zu begründen. Die eingesetzten Mittel, die Argumentationsstrenge hängen auch da von der Zielgruppe, ihrem Vorwissen und ihrer Motivation, der Beziehung (Bindung, Vertrauen) zwischen der Person, die die Behauptung vertritt, und den Personen, die überzeugt werden sollen (beispielsweise Lehrer und Schüler), ab.
Die mathematische Argumentation im wissenschaftlichen Kontext verfügt in mehrfacher Hinsicht über gewisse Argumentationsstandards. Eine wissenschaftliche Argumentation zeichnet sich durch (insbesondere im mathematisch-naturwissenschaftlichen Kontext) folgende Punkte aus.
- Die starke Präsenz von Fachbegriffen, die definiert werden müssen und gemäß ihrer Definition eingesetzt werden.
- Die Existenz weniger benennbarer Grundprinzipien.[1]
- Der Einsatz von Logik zum Erschließen neuer Erkenntnisse.
- Die freie Verwendung von in der Wissenschaft bereits etabliertem Wissen.
- Die freie Zugänglichkeit und Überprüfbarkeit der Ergebnisse.[2]
In der mathematischen Argumentation im wissenschaftlichen Kontext treten diese Punkte besonders deutlich hervor,[5] was sich insbesondere schon darin niederschlägt, dass es einen eigenen Begriff für das mathematische Argumentieren gibt: Beweis. Eine bewiesene mathematische Behauptung nennt man einen Satz (oder Theorem oder Lemma oder Korollar).
- Die mathematischen Begriffe werden alle exakt und nur unter Verwendung von anderen mathematischen Begriffen definiert. Die Definitionen sind so angelegt, dass jedes sinnvolle mathematische Objekt entweder unter den Begriff fällt oder nicht, und zwar unabhängig davon, ob man das immer entscheiden kann.[6]
- Die Mathematik wird heute (seit ca. 130 Jahren) auf Mengen aufgebaut. Sie ist axiomatisch-logisch organisiert, aber realweltlich-anschaulich motiviert.
- Die Logik ist das Handwerkszeug der Mathematik. Es gibt (im Prinzip) eine vollständige Liste von erlaubten Schlussweisen der Aussagenlogik und der Prädikatenlogik.[7]
- Bewiesene mathematische Aussagen, also Sätze, werden weiterverwendet.[8] Für eine systematische Darstellung eines Teilgebietes der Mathematik (wie einer Vorlesung oder einem Buch) bedeutet dies, dass man die grundlegenden Sachen zuerst darstellt und darauf zunehmend komplexere Sachen aufbaut. Wenn ein zuvor bewiesener Satz dann irgendwo eingesetzt wird, wird über diesen Satz nicht nachgedacht, sondern nur, ob in der jetzigen Situation alle Voraussetzungen erfüllt sind, damit man den Satz anwenden kann.
- Mathematik wird in Zeitschriften und Büchern veröffentlicht, in Vorlesungen gelehrt, ist im Internet und in Bibliotheken zugänglich.[9]
- Die Mathematik wird heute in einer erdumspannenden Gemeinschaft entwickelt.[10]
In einem Universitätsstudium sollen die Studierenden an eine Wissenschaft herangeführt werden, also ihre Grundbegriffe, ihren Aufbau, ihre Arbeitstechniken, ihre wichtigsten Ergebnisse und ihre historischen Meilensteine kennen lernen, sie sollen eine umfassende wissenschaftliche Kompetenz in dem gewählten Gebiet erreichen. Hier ergeben sich drei naheliegende Fragen: Ist Wissenschaft schwierig? Ist ein Studium schwierig? Ist dieser Kurs schwierig? Die grobe Antwort ist ja, ziemlich. Für den Kurs gilt wohl Folgendes: Wenn es darum geht, die Inhalte des Kurses vollumfänglich und tiefgreifend zu verstehen, alle Aufgaben selbständig lösen zu können und dabei den Überblick zu bewahren, so ist es schwierig und setzt eine große mathematische Begabung voraus. Wenn es aber darum geht, den Kurs „irgendwie“ zu bestehen, so liegen die Schwierigkeiten eher im organisatorischen Bereich: kontinuierlich und konsequent den Stoff bearbeiten, Leitthemen und typische Fragen erkennen, sich selbst motivieren, Gleichgesinnte finden, eigene Schwächen erkennen und adäquat darauf reagieren (z.B. merken, dass Strategien, die in der Schule ausgereicht haben, jetzt nicht mehr ausreichen).
- Aussagen
Oben haben wir schon von der tragenden Rolle von Aussagen und die sie verbindende Logik in den Wissenschaften und in der Mathematik gesprochen, dies wollen wir nun präzisieren.
Eine Aussage ist ein sprachliches Gebilde, das wahr oder falsch sein kann.[11] Es ist durchaus erlaubt, dass man nicht entscheiden kann, ob die Aussage wahr oder falsch ist, weil man dazu Zusatzinformationen benötigt. Wichtig ist allein, dass die Prädikate wahr und falsch sinnvolle Prädikate des Gebildes aufgrund seiner syntaktischen und semantischen Gestalt sind.
Die Bedingung der Bedeutungsklarheit wird von natürlich-sprachlichen Aussagen selten erfüllt. Nehmen wir z.B. den Satz- Dieses Pferd ist schnell.
- Marsmenschen sind grün.
- Ich fresse einen Besen.
- Heinz Ngolo und Mustafa Müller sind Freunde.
In der natürlichen Sprache besteht die Möglichkeit, durch Zusatzinformationen, Kontextbezug, intersubjektive Vereinbarungen und kommunikative Bedeutungsangleichungen eine Gesprächssituation zu erzeugen, in der man über die Gültigkeit von solchen nicht scharf definierten Aussagen weitgehende Einigkeit erzielen kann. In der Logik und in der Mathematik hingegen sind diese praktischen Notlösungen nicht erlaubt, sondern die Bedeutung einer Aussage soll allein aus der Bedeutung der in ihr verwendeten Begriffe erschließbar sein, wobei diese Begriffe zuvor klar und unmissverständlich definiert worden sein müssen. Einige mathematische Aussagen (egal ob wahr oder falsch) sind
- .
- .
- 5 ist eine natürliche Zahl.
- Es ist .
- Primzahlen sind ungerade.
Wenn man diese Aussagen versteht, und insbesondere die in ihnen verwendeten Begriffe und Symbole kennt, so sieht man, dass es sich um Aussagen handelt, die entweder wahr oder falsch sind, und zwar unabhängig davon, ob der Leser weiß, ob sie wahr oder falsch sind. Ob ein sprachliches Gebilde eine Aussage ist hängt nicht vom Wissen, ob sie wahr oder falsch ist, oder vom Aufwand ab, mit dem man durch zusätzliches Nachforschen, durch Experimente oder durch logisch-mathematisches Überlegen entscheiden könnte, ob sie wahr oder falsch ist. Bei den folgenden Beispielen handelt es sich zwar um mathematische Objekte, aber nicht um Aussagen:
- 5
- 5+11
- Die Menge der Primzahlen
- Eine Summe von fünf Quadraten
- .
Statt uns jetzt mit konkreten Aussagen auseinander zu setzen, nehmen wir im Folgenden den strukturellen Standpunkt ein, dass eine Aussage eine Aussagenvariable ist, die einen der beiden Wahrheitswerte wahr oder falsch annehmen kann. Zunächst interessiert uns dann, wie sich diese Wahrheitsbelegungen bei einer Konstruktion von neuen Aussagen aus alten Aussagen verhalten.
- Verknüpfungen von Aussagen
Man kann aus verschiedenen Aussagen neue Aussagen bilden. Aus der Aussage
- Ich fresse einen Besen
kann man die negierte Aussage
- Ich fresse nicht einen Besen[12]
machen, und aus den beiden Aussagen
- Marsmenschen sind grün
- Ich fresse einen Besen
kann man beispielsweise die folgenden neuen Aussagen basteln.
- Marsmenschen sind grün und ich fresse einen Besen
- Marsmenschen sind grün oder ich fresse keinen Besen
- Wenn Marsmenschen grün sind, dann fresse ich einen Besen
- Wenn nicht gilt, dass Marsmenschen grün sind, dann fresse ich einen Besen
- Wenn Marsmenschen grün sind, dann fresse ich keinen Besen
- Wenn nicht gilt, dass Marsmenschen grün sind, dann fresse ich keinen Besen
- Marsmenschen sind genau dann grün, wenn ich einen Besen fresse
Hierbei werden die einzelnen Aussagen für sich genommen nicht verändert (bis auf gewisse grammatische Anpassungen), sondern lediglich in einen logischen Zusammenhang zueinander gebracht. Eine solche logische Verknüpfung ist dadurch gekennzeichnet, dass sich ihr Wahrheitsgehalt allein aus den Wahrheitsgehalten der beteiligten Aussagen und der Bedeutung der grammatischen Konjunktionen (aussagenlogisch spricht man von Junktoren) ergibt und keine weitere Information dafür erforderlich ist. Die Aussage
- Marsmenschen sind grün und ich fresse keinen Besen
ist beispielsweise genau dann wahr, wenn sowohl Marsmenschen grün sind und ich keinen Besen fresse. Das ist jedenfalls die Bedeutung der logischen „und“-Verknüpfung. Eine inhaltliche Beziehung zwischen den beiden Teilaussagen ist nicht nötig.
Betrachten wir zum Vergleich eine Aussage wie
- Die grünen Marsmenschen fressen Besen
Hier entsteht eine völlig neue Aussage, die lediglich einzelne Vokabeln oder Prädikate der vorgegebenen Aussagen verwendet, ihr Wahrheitsgehalt lässt sich aber keineswegs aus den Wahrheitsgehalten der vorgegebenen Aussagen erschließen.
Eine logische Verknüpfung von Aussagen liegt vor, wenn sich der Wahrheitsgehalt der Gesamtaussage aus den Wahrheitsgehalten der Teilaussagen ergibt. Die beteiligten Verknüpfungen legen dabei fest, wie sich die Wahrheitswerte der Gesamtaussage bestimmen lassen.
- Aussagenvariablen und Junktoren
Um sich die Abhängigkeiten von zusammengesetzten Aussagen allein von den einzelnen Wahrheitsgehalten der beteiligten Teilaussagen und den Junktoren, nicht aber von den konkreten Aussagen und ihren Bedeutungen klarer zu machen, ist es sinnvoll, mit Aussagenvariablen zu arbeiten und die Junktoren durch Symbole zu repräsentieren. Für Aussagen schreiben wir jetzt
und wir interessieren und also nicht für den Gehalt von , sondern lediglich für die möglichen Wahrheitswerte (oder Belegungen) von , die wir mit (wahr) oder (falsch) bezeichnen (gelegentlich verwendet man auch die Wahrheitswerte und ). Bei der Negation werden einfach die Wahrheitswerte vertauscht, was man mit einer einfachen Wahrheitstabelle ausdrückt:
Negation | ||||||
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Bei einer konkreten Aussage gibt es in der Regel mehrere sprachliche Möglichkeiten, die Negation zu formulieren. Um die Aussage „ich fresse einen Besen“ zu negieren, ist es egal, ob man sagt:
- Ich fresse nicht einen Besen.
- Ich fresse keinen Besen.
- Es ist nicht der Fall, dass ich einen Besen fresse.
- Es trifft nicht zu, dass ich einen Besen fresse.
Die Negation wirkt auf eine einzelne Aussage, man spricht von einem einstelligen Operator. Kommen wir nun zu mehrstelligen Operatoren, die von mindestens zwei Aussagen abhängen. Bei der Verknüpfung von zwei Aussagen gibt es insgesamt vier mögliche Kombinationen der Wahrheitswerte, sodass jede logische Verknüpfung dadurch festgelegt ist, wie sie diesen vier Kombinationen einen Wahrheitswert zuordnet. Daher gibt es insgesamt logische Verknüpfungen, die wichtigsten sind die folgenden vier.
Die Konjunktion ist die Und-Verknüpfung. Sie ist genau dann wahr, wenn beide Teilaussagen wahr sind; sie ist also falsch, sobald nur eine der beteiligten Aussagen falsch ist. Die Wahrheitstabelle der Konjunktion sieht so aus.
Konjunktion | |||||||||||||||
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Die Disjunktion (oder Alternation) ist die einschließende Oder-Verknüpfung. Sie ist wahr sobald mindestens eine der Teilaussagen wahr ist, und insbesondere auch dann wahr, wenn beide Aussagen zugleich wahr sind. Sie ist nur in dem einzigen Fall falsch, dass beide Teilaussagen falsch sind. Offensichtlich sind bei einer Konjunktion und einer Disjunktion die beteiligten Teilaussagen gleichberechtigt.
Disjunktion | |||||||||||||||
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Die Implikation ist die in der Mathematik wichtigste Verknüpfung. Mathematische Sätze haben fast immer die Gestalt einer (verschachtelten) Implikation. Beispiele sind (siehe Korollar 6.6 und Lemma 7.9)
- Wenn ein Polynom den Grad besitzt, dann hat es höchstens Nullstellen.
- Wenn eine Folge konvergiert, dann ist sie beschränkt.
Der logische Gehalt einer Implikation ist, dass aus der Gültigkeit einer Voraussetzung die Gültigkeit einer Konklusion folgt.[13] Sie wird meistens durch „Wenn wahr ist, dann ist auch wahr“ (oder kurz: Wenn , dann ) ausgedrückt. Ihre Wahrheitsbedingung ist daher, dass wenn mit wahr belegt ist, dann muss auch mit wahr belegt sein. Dies ist erfüllt, wenn falsch ist oder wenn wahr ist.[14] Ihre Wahrheitstabelle ist daher
Implikation | |||||||||||||||
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Bei einer Implikation sind die beiden beteiligten Teilaussagen nicht gleichberechtigt, die Implikationen und sind verschiedene Aussagen. Eine Implikation hat also eine „Richtung“.[15] Im allgemeinen Gebrauch und auch in der Mathematik werden Implikationen zumeist dann verwendet, wenn der Vordersatz der „Grund“ für die Konklusion ist, wenn die Implikation also einen kausalen Zusammenhang ausdrückt. Diese Interpretation spielt aber im aussagenlogischen Kontext keine Rolle.
Wenn die beiden Implikationen und zugleich gelten, so wird das durch „genau dann ist wahr, wenn wahr ist“ ausgedrückt. Man spricht von einer Äquivalenz der beiden Aussagen, die Wahrheitstabelle ist
Äquivalenz | |||||||||||||||
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Beispiele für eine mathematische Äquivalenzaussage sind:
- Eine natürliche Zahl ist genau dann gerade, wenn sie im Zehnersystem auf oder endet.
- Ein Dreieck ist genau dann rechtwinklig, wenn es eine Seite gibt, deren Quadrat gleich der Summe der beiden anderen Seitenquadrate ist.
Die Hinrichtung im zweiten Beispielsatz ist dabei der Satz des Pythagoras, die Rückrichtung gilt aber auch. Achtung: In gewissen Kontexten werden Äquivalenzen als Implikationen formuliert. Dies gilt beispielsweise für Belohnungen, Bestrafungen und auch in mathematische Definitionen. Wenn man sagt: „wenn du heute brav bist, dann gehen wir morgen in den Zoo“, so meint man in aller Regel, dass man auch nur dann in den Zoo geht, wenn man brav ist. Mathematische Definitionen wie „eine Zahl heißt gerade, wenn sie ein Vielfaches der ist“, sind als genau dann, wenn zu verstehen.
Unter Verwendung der Negation kann man jede logische Verknüpfung durch die angeführten Verknüpfungen ausdrücken, wobei man noch nicht mal alle braucht. Z.B. kann man die Konjunktion (und ebenso die Implikation und die Äquivalenz) auf die Disjunktion zurückführen, die Wahrheitstabelle[16]
Konjunktion als Disjunktion | |||||||||||||||
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zeigt nämlich, dass die Wahrheitsfunktion von mit der Wahrheitsfunktion von übereinstimmt. Daher sind die beiden Ausdrücke logisch gleichwertig. Bei einem solchen nur leicht verschachtelten Ausdruck kann man die Wahrheitswerte noch einfach berechnen und damit die Wahrheitsgleichheit mit der Konjunktion feststellen. Bei komplizierteren (tiefer verschachtelten) Ausdrücken ist es sinnvoll, abhängig von den Belegungen der beteiligten Aussagenvariablen die Wahrheitswerte der Zwischenausdrücke zu berechnen. Im angegebenen Beispiel würde dies zur Tabelle
Konjunktion als Disjunktion | ||||||||||||||||||||||||||||||
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führen. Natürlich kann man statt zwei auch beliebig viele Aussagenvariablen verwenden und daraus mit den Verknüpfungen neue Aussagen konstruieren. Die Wahrheitsbelegung der zusammengesetzten Aussagen lassen sich dann ebenfalls in entsprechend größeren Wahrheitstabellen darstellen.
- Tautologien
Bei Einzelaussagen und zusammengesetzten Aussagen ist jeder Wahrheitswert erlaubt, und die Wahrheitswerte bei den verknüpften Aussagen ergeben sich aus den Einzelbelegungen über die Wahrheitsregeln, die die Junktoren auszeichnen. Abhängig von den Belegungen können somit alle Aussagen wahr oder falsch sein. Besonders interessant sind aber solche Aussagen, die unabhängig von den Einzelbelegungen stets wahr sind. Solche Aussagen nennt man Tautologien (oder allgemeingültig). Sie sind für die Mathematik vor allem deshalb wichtig, weil sie erlaubten Schlussweisen entsprechen, wie sie in Beweisen häufig vorkommen. Wenn man beispielsweise schon die beiden Aussagen und bewiesen hat, wobei hier und für konkrete Aussagen stehen, so kann man daraus auf die Gültigkeit von schließen. Die zugrunde liegende aussagenlogische Tautologie ist
Wie gesagt, eine Tautologie ist durch den konstanten Wahrheitswert wahr gekennzeichnet. Der Nachweis, dass eine gegebene Aussage eine Tautologie ist, verläuft am einfachsten über eine Wahrheitstabelle.
Ableitungsregel (Modus ponens) | |||||||||||||||||||||||||
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Doppelnegation | ||||||||||||
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Tertium non datur | |||||||||
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Die Regel Tertium non datur geht auf Aristoteles zurück und besagt, dass eine Aussage (entweder) wahr oder falsch ist und es keine dritte Möglichkeit gibt. Die obige Regel drückt formal gesehen nur aus, dass mindestens ein Wahrheitswert gelten muss, die Regel davor sagt, dass wahr zugleich wahr ausschließt, was man auch den Satz vom Widerspruch nennt (zusammenfassend spricht man auch vom Bivalenzprinzip). Die Gültigkeit dieser Regeln ist bei vielen umgangssprachlichen Aussagen fragwürdig, im Rahmen der Aussagenlogik und der Mathematik haben sie aber uneingeschränkt Gültigkeit, was wiederum damit zusammenhängt, dass in diesen Gebieten nur solche Aussagen erlaubt sind, denen ein eindeutiger Wahrheitswert zukommt. Als Beweisprinzip schlägt sich dieses logische Prinzip als Beweis durch Fallunterscheidung nieder, wobei die folgende Tautologie dieses Beweisprinzip noch deutlicher ausdrückt.
Fallunterscheidung | |||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Bei der Fallunterscheidung will man beweisen, und man beweist es dann einerseits (Fall 1) unter der zusätzlichen Annahme und andererseits (Fall 2) unter der zusätzlichen Annahme . Man muss dabei zweimal was machen, der Vorteil ist aber, dass die zusätzlichen Annahmen zusätzliche Methoden und Techniken erlauben.
Die Kontraposition wird häufig in Beweisen verwendet, ohne dass dies immer explizit gemacht wird. In einem Beweis nimmt man einen pragmatischen Standpunkt ein, und manchmal ist es einfacher, von nach zu gelangen als von nach .
Kontraposition | |||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Die Widerspruchsregel ist auch ein häufiges Argumentationsmuster. Man zeigt, dass aus einer Aussage ein Widerspruch, oft von der Form , folgt, und schließt daraus, dass nicht gelten kann, also gelten muss.
Widerspruchsregel | |||||||||||||||||||||||||||||||||||
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- Fußnoten
- ↑ Über die selbst wiederum reflektiert wird und wo die Grenze zwischen Wissenschaft und Philosophie verläuft.
- ↑ Dies ist ein großer Unterschied zur Esoterik, wo das „Wissen“ nur unter ganz speziellen Bedingungen (Verschwiegenheit, Würdigkeit, ...) von Eingeweihten weitergegeben wird.
- ↑ Das heißt keineswegs, dass die Erkenntnisse und ihre Entdeckungen nicht von Gefühlen begleitet würden. Im Gegenteil, Wissenschaft macht denen, die sie betreiben, ziemlich viel Spaß.
- ↑ Die Generierung von Wissen ist sehr stark zeit- und kulturabhängig.
- ↑ Dafür fehlt der Mathematik ein entscheidender Punkt der Naturwissenschaften, die Beobachtung, die Empirie, das Experiment. Deshalb wird die Mathematik oft nicht zu den Naturwissenschaften gerechnet. Aber auch die Zuordnung zu den Geisteswissenschaften ist schwierig, so spricht man von Strukturwissenschaft.
- ↑ Insbesondere sind beispielhafte Definitionen vom Typ etwas wie ... nicht zulässig.
- ↑ Dies ist Gegenstand der mathematischen Logik.
- ↑ Sie sind auch nicht patentierbar.
- ↑ Einschränkung: Dies gilt nicht unbedingt für sicherheitsrelevante kryptologische Forschung, die zum Teil an regierungsnahen Forschungsinstituten durchgeführt wird.
- ↑ Wobei das Hauptgewicht nach wie vor auf den Industrieländern liegt. Die anderen Länder holen aber schnell auf. Die wichtigste mathematische Auszeichnung, die Fields-Medaille, ging 2014 an eine Iranerin, einen Brasilianer, einen Kanadier indischer Herkunft und einen Österreicher.
- ↑ Statt „wahr“ sagt man auch, dass die Aussage gilt oder dass sie richtig ist, statt „falsch“ auch, dass sie nicht gilt.
- ↑ Die sicherste Art, zur Negation zu kommen, ist eine Konstruktion wie „es ist nicht der Fall, dass ...“ zu verwenden. Dies ist insbesondere beim anderen Beispielsatz zu bedenken, die Aussage „Marsmenschen sind nicht grün“ kann man so verstehen, dass alle Marsmenschen nicht-grün sind, oder, dass eben nicht alle Marsmenschen grün sind, es also Ausnahmen gibt. Siehe auch den Abschnitt über Quantoren weiter unten.
- ↑ Genauer gesagt haben mathematische Sätze fast immer die Gestalt .
- ↑ An die Wahrheitsbelegung einer Implikation für den Fall, wo der Vordersatz (die Prämisse) falsch ist, muss man sich etwas gewöhnen. Der Punkt ist, dass wenn man eine Implikation beweist, dass man dann als wahr annimmt und davon ausgehend zeigen muss, dass auch wahr ist. Der Fall, dass falsch ist, kommt also in einem Implikationsbeweis gar nicht explizit vor. In diesem Fall gilt die Implikation, obwohl sie keine „Schlusskraft“ besitzt. Nehmen wir als Beispiel die mathematische Aussage, dass wenn eine natürliche Zahl durch vier teilbar ist, sie dann gerade ist. Dies ist eine wahre Aussage für alle natürlichen Zahlen, sie gilt insbesondere auch für alle Zahlen, die nicht durch vier teilbar sind. Es gibt auch jeweils für alle drei Wahrheitsbelegungen, die eine Implikation wahr machen, Beispiele von natürlichen Zahlen, die genau diese Wahrheitsbelegung repräsentieren, nicht aber für die vierte.
- ↑ Bei einer Implikation sagt man auch, dass eine hinreichende Bedingung für und dass eine notwendige Bedingung für ist. Siehe dazu auch die Wahrheitstabelle zur Kontraposition weiter unten.
- ↑ Im Folgenden verwenden wir, um Klammern zu sparen, die Konvention, dass die Negation stärker bindet als alle mehrstelligen Junktoren, und dass die Konjunktion stärker bindet als die anderen zweistelligen Junktoren.
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