Kurs:Modellierung und Numerische Methoden von Finanzderivaten/1 Grundlagen von Optionsgeschäften

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Es gibt verschiedene Arten von Optionen, z.B. europäische und amerikanische. In Abschnitt 1.1 werden weitere Optionstypen vorgestellt. Außerdem leiten wir in Abschnitt 1.2 einige Schranken für die Optionspreise europäischer und amerikanischer Optionen aus dem Arbitrage-Prinzip her.

Definition 1.1 (Europäische Call-Option (Put-Option))[Bearbeiten]

Eine europäische Call-Option (europäische Put-Option) ist ein Vertrag mit folgenden Bedingungen:
Zu einem bestimmten Zeitpunkt (expiry date) hat der Käufer der Option das Recht (aber nicht die Pflicht!), einen Basiswert zu einem bestimmten Ausübungspreis (exercise price / strike) vom Verkäufer der Option zu erwerben (oder an den Verkäufer zu verkaufen).

Die amerikanischen Optionen unterscheiden sich von europäischen dadurch, dass der Kauf / Verkauf bis spätestens zum Verfallstag vollzogen sein muss.

1.1 Typen von Optionen[Bearbeiten]

Wir erwähnen zuerst einige Begriffe, die in der Finanzwelt gebräuchlich sind. Ist zu einem Zeitpunkt der Basiswert deutlich kleiner (größer) als der Ausübungspreis , so ist der europäische Call aus dem Geld (im Geld) / out of the money (in the money) und der europäische Put im Geld (aus dem Geld) / in the money (at the money). Liegt in der Nähe von , so heißt der Call oder Put am Geld. Unter einem long call (long put) verstehen wir den Kauf einer Call-Option (Put-Option). Den Verkauf einer Call-Option (Put-Option) bezeichnen wir mit short call (short put).

Call- bzw. Put-Optionen spiegeln die Erwartung wider, dass der Kurs des Basiswerts steigt bzw. fällt. Mit Optionskombinationen können auch andere, komplexe Kurserwartungen modelliert werden. Dazu präsentieren wir einige Beispiele.

Straddle: Kaufe einen Put und einen Call, jeweils mit Verfallstag und Ausübungspreis . Die beiden Optionen bilden ein Portfolio (das ist die Summe von Finanzanlagen wie Aktien, Optionen, Geldanlagen oder dergleichen) mit dem Wert . Uns interessiert der Wert des Portfolios zum Verfallstag. Wegen der Beziehung
(1.1)
ist der Wert des Portfolios
Der Kauf eines Straddles lohnt sich also, wenn der Kurs des Basiswertes sich signifkant von unterscheidet, etwa wenn der Kurs deutlich steigt oder fällt.
Strangle: Kaufe einen Call mit Verfallstag und Ausübungspreis und kaufe einen Put mit Verfallstag und Ausübungspreis . Der Wert des Portfolios zur Zeit lautet
Käufer eines Strangles erwarten sehr große Kursschwankungen, ausgehend vom Kurs . Ein Strangle ist preiswerter als ein Straddle, da die Gewinnchancen kleiner sind.
Butterfly spread: Kaufe einen Call mit Ausübungspreis und einen Put mit Ausübungspreis sowie verkaufe einen Call und einen Put jeweils mit Ausübungspreis . Alle vier Optionen haben den Verfallstag . Mit den obigen Begriffen können wir auch kürzer formulieren:
long call , long put , short call , short put .
Der Wert des Portfolios zur Zeit lautet:
Verkaufen wir Optionen, gehen deren Werte negativ ins Portfolio ein, da sie eine Verpflichtung darstellen. Der Käufer eines Butterfly spread erwartet stagnierende Kurse um den Wert bzw. geringe Kursschwankungen.

Optionen, die nicht der Auszahlungsfunktion (1.1) genügen, heißen exotische Optionen. Exotische Optionen können vom europäischen oder amerikanischen Typ sein, je nachdem, ob die Option genau am oder auch vor dem Verfallstag eingelöst werden kann. Aus der Vielzahl dieser Optionen erwähnen wir nur einige Beispiele (eine größre Auswahl findet man in der Literatur, z.B. in [18]). Wir können exotische Optionen in die folgenden Klassen einteilen: pfadunabhängig oder pfadabhängig (d.h. die Auszahlung hängt von dem Kurs des Basiswerts vor dem Verfallstag ab) bzw. ”single-asset” oder ”multi-asset” (d.h. eine Option auf einen oder mehrere Basiswerte).

Einige pfadunabhängige Optionen sind:

Binäre Optionen: Diese Option wird wertlos, wenn der Kurs des Basiswerts zum Verfallstag eine festgelegte Schranke über- oder unterschreitet. Im Gegensatz zu europäischen Optionen ist die Höhe des Auszahlungsbetrags jedoch unabhängig vom Kurs des Basiswerts. Die Auszahlungsfunktion eines Calls lautet:
Compound-Optionen: Mit dem Kauf einer Compound-Option erwirbt man das Recht, zum Verfallstag eine andere Option mit Verfallstag zum Ausübungspreis zu kaufen bzw. zu verkaufen. Ein Beispiel ist eine ”Put auf Call”-Option mit der Auszahlungsfunktion
Chooser-Optionen: Bei diesen Optionen kann man zum Verfallstag wählen, ob man einen europäischen Call oder einen europäischen Put mit Verfallstag erhalten möchte. Diese Optionen haben die Auszahlungsfunktion

Die Preise der vorgestellten pfadunabhängigen Optionen können mit Hilfe der Black-Scholes-Theorie explizit berechnet werden (siehe z.B. [12], [17]). Einige pfadabhängige Optionen sind die folgenden:

Barrier-Optionen: Dies ist eine Option, die wertlos (oder wertvoll) wird, wenn der Kurs des Basiswerts eine vorher festgelegte Schranke vor dem Verfallstag über- bzw. unterschreitet. Ein Beispiel ist der Down-and-out call; diese Option wird wertlos, wenn der Basiswert innerhalb der Laufzeit der Option eine vorgegebene Schranke unterschreitet. Die Auszahlungsfunktion lautet:
wobei , falls und , falls .
Asiatische Optionen: Bei asiatischen Optionen hängt die Auszahlung von einem Durchschnittswert des Basiswerts ab. Beim European average strike call beispielsweise ist die Auszahlungsfunktion gegeben durch
Asiatische Optionen schützen den Verkäufer der Option vor Manipulationen des Kurses des Basiswertes kurz vor dem Verfallstag, da diese durch die Durchschnittsbildung herausgemittelt werden.
Lookback-Optionen: Bei Lookback-Optionen hängt die Auszahlungsfunktion vom Minimum oder Maximum des Kurses des Basiswerts, bezogen auf einen Zeitraum mit Verfallstag , ab. Ein Beispiel ist der European lookback strike call mit Auszahlungsfunktion
der die Möglichkeit realisiert, dass ein Basiswert zum Minimalpreis gekauft werden kann. Lookback-Optionen sind daher relativ teuer.

Den vorgestellten Optionen liegt ein einziger Basiswert zugrunde. Optionen, deren Wert von mehreren Basiswerten abhängt, heißen Multi-Asset-Optionen. Beispiele sind Rainbow-Optionen (Beispiel einer Auszahlungsfunktion: ) oder Basket-Optionen (Beispiel einer Auszahlungsfunktion: ).

1.2 Arbitrage, Schranken für Optionspreise[Bearbeiten]

Aus der bloßen Annahme der Arbitrage-Freiheit können allerlei Konsequenzen über die Höhe der Optionspreise gezogen werden. Genauer gesagt: wir leiten in diesem Abschnitt obere und untere Schranken für die Preise her. Dazu nehmen wir einen Finanzmarkt mit den folgenden Voraussetzungen an:

  • Es gibt keine Arbitrage-Möglichkeiten.
  • Es werden keine Dividendenzahlungen auf Aktien geleistet.
  • Der risikofreie Zinssatz für Geldanlagen und Kredite ist derselbe, er beträgt bei kontinuierlicher Verzinsung.

Was bedeutet ”bei kontinuierlicher Verzinsung”? Wir legen zur Zeit den Betrag 0an. Dieser Betrag werde nach der Zeit mit der Zinsrate verzinst und zusammen mit den Zinsen neu angelegt. Nach Zinszahlungen (bzw. nach der Zeit ) erhalten wir den Betrag

Im Grenzfall erhalten wir die kontinuierliche Verzinsung

Umgekehrt müssen wir den Betrag jetzt anlegen, um nach der Zeit den Betrag zurück zu erhalten. Dies nennt man Diskontierung.

Betrachten wir zuerst das folgende Portfolio: Kaufe einen Basiswert und einen europäischen Put mit dem Ausübungspreis und dem Verfallstag und verkaufe einen europäischen Call mit dem Ausübungspreis und dem Verfallstag . Das Portfolio, bestehend aus diesen Anlagen, hat den Wert

Der Wert von zur Zeit ist

Wie groß ist der Wert von zur Zeit ? Legen wir zur Zeit den Betrag risikofrei an, so erhalten wir zur Zeit auch den Betrag zurück. Wir behaupten, dass ist.

Angenommen, es wäre . Dann kaufen wir das Portfolio, leihen uns den Betrag aus (oder verkaufen entsprechende Bonds) und legen den Betrag beiseite. Zur Zeit liefert das Portfolio den Betrag , den wir der Bank für den Kredit geben. Dies bedeutet, dass wir zur Zeit einen sofortigen, risikofreien Gewinn erzielt haben. Das ist ein Widerspruch!

Angenommen, es wäre . Dann verkaufen wir das Portfolio (d.h. einen Basiswert und einen Put und kaufen einen Call), legen risikofrei bei der Bank an und legen die Differenz beiseite. Wir erhalten dann zur Zeit den Betrag von der Bank zurück und kaufen damit das Portfolio zum Preis von . Wir haben einen risikofreien Gewinn erzielt; auch das ist ein Widerspruch!

Wir haben folgende Aussage bewiesen:

Proposition 1.1 (Put-Call-Parität)[Bearbeiten]

Unter den obigen Voraussetzungen an den Finanzmarkt gilt für alle :

Hierbei sind und Abkürzungen für und . Wir nennen die obige Argumentation Arbitrage-Preistechnik. Mittels dieser Argumentation können wir obere und untere Schranken für europäische und amerikanische Optionen herleiten. Für die folgenden Resultate setzen wir die obigen Finanzmarkt-Annahmen voraus.

Proposition 1.2[Bearbeiten]

Für europäische Optionen gelten zur Zeit folgende Schranken:
(1)
(2)

Beweis:[Bearbeiten]

(1) Die Schranke ist offensichtlich; anderenfalls ergäbe der ”Kauf” einer solchen Option einen sofortigen Gewinn, ohne zur Zeit eine Verpflichtung einzugehen.

Ferner gilt , anderenfalls verkauft man einen Call und kauft einen Basiswert. Zur Zeit muss der Basiswert eventuell verkauft werden. Zur Zeit gilt nach Annahme , d.h. wir realisieren einen sofortigen, risikofreien Gewinn. Das ist ein Widerspruch.

Wir behaupten nun für alle Zeiten . Angenommen, es würde das Gegenteil gelten, d.h. es gibt ein t, so dass . Wir betrachten dann das folgende Portfolio zur Zeit :

Verkaufe den Basiswert , kaufe Call , lege an.

Wir erhalten die Arbitrage-Tabelle. Der Wert des Portfolios zur Zeit T ist also nichtnegativ, und zur Zeit realisieren wir einen sofortigen Gewinn . Das ist ein Widerspruch.

(2) Die Schranke für Put-Optionen folgen aus denen für Call-Optionen und der Call-Put-Parität (Übungsaufgabe).

q.e.d.

Proposition 1.2 (1) ist auch für amerikanische Calls gültig, da die Arbitrage zur Zeit möglich war. Es gilt genauer:

Proposition 1.3[Bearbeiten]

Für amerikanische Optionen gelten zur Zeit folgende Schranken:
(1)
(2)
(3)
wobei den Wert einer europäischen Call-Option bedeute.

Man beachte, dass die Relation (1) nur für Basiswerte gilt, auf die keine Dividende gezahlt wird! Die Beziehung (2) kann als Put-Call-Parität für amerikanische Optionen interpretiert werden.

Beweis:[Bearbeiten]

(1) Angenommen, wir üben die amerikanische Call-Option zur Zeit frühzeitig aus. Dann erhalten wir den Betrag , wobei gilt (anderenfalls würden wir die Option nicht ausüben!). Aus Proposition 1.2 (1) und der Bemerkung vor Proposition 1.3 folgt aber, dass für den Wert der Option gilt:

Es ist also sinnvoller, die Option zu verkaufen als auszuüben. Die frühzeitige Ausübung ist folglich nicht optimal. Übt man die Option genau zur Zeit aus, so erhält man die Ausstattung einer europäischen Option.

(2) Die größere Flexibilität amerikanischer Put-Optionen impliziert für alle , wobei den Wert einer europäischen Put-Option bezeichne. Aus der Put-Call-Parität und (1) folgt

für , also die untere Schranke in (2). Um die obere Schranke zu zeigen, benutzen wir wieder ein Arbitrage-Argument. Angenommen, es gibt ein mit . Sei der Ausübungszeitpunkt der amerikanischen Put-Option. Wir haben ein Portfolio konstruiert, das Arbitrage ermöglicht; das ist ein Widerspruch.

(3) Die Ungleichungskette (2) ist äquivalent zu

Nun ist nach Proposition 1.2 einerseits

und andererseits

Das beweist die Ungleichungskette (3).

q.e.d.

Bemerkung:[Bearbeiten]

Wir können die untere Schranke für amerikanische Put-Optionen aus Proposition 1.3 (3) verschärfen. Es gilt für :

Im Falle ist diese Ungleichung trivial. Sei also . Würde nun für ein gelten, so führt der Kauf der Put-Option und die gleichzeitige Ausübung der Option auf einen risikofreien Gewinn . Das ist ein Widerspruch.

Proposition 1.4[Bearbeiten]

(1) Seien bzw. die Preise zweier Call-Optionen mit Ausübungspreisen bzw. und mit Verfallstag (auf denselben Basiswert). Es gelte . Dann folgt für alle :

(2) Seien bzw. die Preise zweier Call-Optionen mit Verfallstagen bzw. und mit dem Ausübungspreis (auf denselben Basiswert). Gilt , so folgt für alle :

Beweis:[Bearbeiten]

→ Übungsaufgabe.

Literatur[Bearbeiten]

[1] Burrage, K., Burrage, P.M.: High strong order explicit Runge-Kutta methods for stochastic ordinary differential equations. Appl. Numer. Math. 22 (1996), 81-101.

[2] Cox, J., Ross, S., Rubinstein, M.: Option Pricing: A Simplified Approach. J. Financ. Econom. 7 (1979), 228 - 263.

[3] Edwards, F.R.: Hedge Funds and the Collapse of Long-Term Capital Management. Journal of Economic Perspectives, 1999

[4] Fisz, M.: Wahrscheinlichkeitsrechnung und mathematische Statistik. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, ISBN 3326000790

[5] Günther, M., Jüngel, A.: Finanzderivate mit MATLAB. Vieweg & Sohn, Wiesbaden 2003, ISBN 3528032049

[6] Hastings, C.: Approximations for Digital Computers. Princeton University Press, Princeton 1955, ISBN 0691079145

[7] Higham, D.: An algorithmic introduction to the numerical solution of stochastic differential equations. SIAM Review 43 (2001), 525-546.

[8] Higham, D.; Kloeden, P.: MAPLE and MATLAB for stochastic differential equations in finance. Preprint, 2002.

[9] Hull, J.C.: Options, Futures, and other Derivates. Prentice Hall 1997. ISBN 1405839724

[10] Klimov, G.: Probability Theory, Mir 1988, ISBN 0828532141

[11] Kloeden, P.; Platen, E.: Numerical Solution of Stochastic Differential Equations. Springer, Berlin, 1995, ISBN 3540540628

[12] Korn, R., Korn, E.: Optionsbewertung und Portfolio-Optimierung. Vieweg, Braunschweig 1999, ISBN 3528069821

[13] Kwok: Mathematical Models of Financial Derivatives. Springer, Singapur, 1998, ISBN 3540422889

[14] Löwenstein, R.: The Rise and Fall of Long-Term Capital Management. Random House, New York, 2000, ISBN 0375758259

[15] Øksendal, B.: Stochastic Differential Equations. Springer, Berlin 1998, ISBN 3540047581

[16] Seydel, R.: Einführung in die numerische Berechnung von Finanzderivaten, Springer, Berlin-Heidelberg-New York 2000. ISBN 3540668896

[17] Wilmott, P., Howison, S., Dewyenne, J.: The Mathematics of Financial Derivatives. Cambridge University Press, Cambridge 1996. ISBN 0521497892

[18] Zhang, P.: Exotic Options, World Scientific, Singapure 1997, ISBN 9810234821