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Mathematik/Einführender Text/Pythagoreische Tripel und der Einheitskreis/Vortrag

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Pythagoreische Tripel und der Einheitskreis




Der Satz des Pythagoras
Pythagoras von Samos lebte im sechsten vorchristlichen Jahrhundert. „Sein“ Satz war aber schon tausend Jahre früher in Babylon bekannt.

Wir rufen uns den Satz des Pythagoras in Erinnerung.


In einem rechtwinkligen Dreieck

ist der Flächeninhalt des Hypotenusenquadrats gleich der Summe der Flächeninhalte der beiden Kathetenquadrate.

Wenn man die beiden Kathetenlängen mit und und die Hypotenusenlänge mit bezeichnet, so besteht also der Zusammenhang

In diesem Vortrag soll es aber nicht um den Satz selbst gehen, sondern um die Zahlen , die diese Gleichung erfüllen. Wenn man sich einen Punkt und einen rechten Winkel vorgibt (durch zwei von dem Punkt ausgehenden, zueinander senkrechten Halbgeraden), so kann man sich beliebige Kathetenlängen und vorgeben und diese auf den beiden Halbgeraden eintragen. Zusammen mit der Verbindungsgeraden der Endpunkte entsteht ein rechtwinkliges Dreieck mit den vorgegebenen Kathetenlängen, und die Hypotenusenlänge ist dann

Die Kathetenlängen kann man sich also frei vorgeben, und das legt die Hypotenusenlänge fest. Allerdings kann man nicht erwarten, dass sich „schöne“ Eigenschaften von und übertragen. Wenn beispielsweise und ist, so ist

Die Hypotenusenlänge ist also eine irrationale Zahl (da Quadratwurzeln aus Primzahlen stets irrational sind), obwohl die Länge der Katheten natürliche Zahlen sind. Zur Erinnerung: Natürliche Zahlen sind die Zahlen

ganze Zahlen sind die Zahlen

und rationale Zahlen sind Zahlen, die man als Brüche aus ganzen Zahlen darstellen kann, also

Reelle Zahlen, die nicht rational sind, nennt man irrational. Beispielsweise sind

rationale Zahlen, dagegen sind

irrational, wobei das teilweise schwierige Sätze sind. Optisch sind rationale Zahlen von irrationalen Zahlen auf der Zahlengeraden schwer zu unterscheiden. In jeder beliebig kleinen Umgebung einer rationalen Zahl gibt es (unendlich viele) irrationale Zahlen und in jeder beliebig kleinen Umgebung einer irrationalen Zahl gibt es (unendlich viele) rationale Zahlen.



Pythagoreische Tripel

In diesem Vortrag beschäftigen wir uns mit den sogenannten pythagoreischen Tripeln.


Ein pythagoreisches Tripel ist eine ganzzahlige Lösung der diophantischen Gleichung

Es heißt primitiv, wenn keinen gemeinsamen Teiler besitzen.

Die roten Punkte sind primitive pythagoreische Tripel, die blauen nicht-primitive.

Lösungstripel, bei denen (mindestens) ein Eintrag null ist, heißen trivial. Nach der Umkehrung des Satzes des Pythagoras bildet ein solches Tripel die Seitenlängen eines rechtwinkligen Dreieckes. Es geht also um rechtwinklige Dreiecke mit der Eigenschaft, dass alle drei Seiten eine ganzzahlige Länge haben (dabei sind die Seitenlängen der Katheten und ist die Seitenlänge der Hypotenuse). Das bekannteste pythagoreische Tripel ist zweifellos

Die einfachste Möglichkeit, neue pythagoreische Tripel zu erhalten, ist es, das Tripel mit einer ganzzahligen Konstanten komponentenweise zu multiplizieren, also beispielsweise

zu betrachten. Wenn man sich auf primitive Tripel beschränkt, ist diese Operation nicht mehr erlaubt. Wenn zwei Zahlen des Tripels einen gemeinsamen Teiler haben, so hat natürlich auch die dritte diesen Teiler, und das Tripel ist nicht primitiv.

Wir wollen alle (primitiven) pythagoreischen Tripel finden. Man kann das Problem umformulieren, indem man durch teilt. Dann ist das Problem äquivalent zu:

Bestimme alle rationalen Lösungen für die Gleichung

Es geht also um alle Punkte auf dem Einheitskreis (in der Ebene mit Mittelpunkt und Radius ), deren beide Koordinaten rationale Zahlen sind. Wir sprechen kurz von rationalen Punkten. Die trivialen Lösungen sind die Zahlenpaare .

Wenn umgekehrt eine rationale Lösung vorliegt, also

so kann man daraus einfach ein (primitives) pythagoreisches Tripel errechnen. Wenn und mit ganzen Zahlen ist, so ist also

und durch Multiplikation mit erhält man daraus

Durch Division durch einen gemeinsamen Teiler ergibt sich ein primitives Tripel.



Parametrisierungen des Einheitskreises

Der (Einheits-)Kreis ist ein eindimensionales Objekt und es gibt verschiedene (Teil-)Parametrisierungen für ihn oder Ausschnitte von ihm. Unter einer Parametrisierung einer Kurve im versteht man generell eine Abbildung

die eine Bijektion zwischen (oder einem Intervall) und der Kurve (oder einem möglichst großen Ausschnitt daraus) vermittelt. Das Ziel einer Parametrisierung ist es, durch die Beziehung zu dem linearen Objekt auch das „krumme Objekt“ besser zu verstehen.

Da gelten soll, kann man sich zwischen und frei vorgeben und erhält für die Bedingung

Der Graph dieser Abbildung ist die obere Hälfte des Einheitskreises. Wenn man für eine rationale Zahl nimmt, also , so gibt es aber keinen Grund, warum ebenfalls rational sein sollte. Für ist

wieder rational, für ist

nicht rational. Wenn man sich „zufällig“ eine rationale Zahl aussucht, wird meistens irrational sein.

Ein Winkel definiert einen eindeutigen Punkt auf dem Einheitskreis

Eine weitere wichtige Parametrisierung des Einheitskreises wird durch die trigonometrischen Funktionen Sinus und Kosinus gegeben. Zu einem Winkel betrachtet man ein rechtwinkliges Dreieck mit Hypotenusenlänge , wobei einer der Winkel sei. Im Einheitskreis entsteht dieses Dreieck, wenn man den Winkel an die positive -Achse gegen den Uhrzeigersinn im Nullpunkt anlegt und den Durchstoßungspunkt des zugehörigen Strahles (der Halbgeraden) mit dem Einheitskreis bestimmt. Der Nullpunkt, der Punkt und der Lotfußpunkt von auf die -Achse bilden ein rechtwinkliges Dreieck. Die Länge der Gegenkathete (gegenüber dem Nullpunkt) bezeichnet man mit und die Länge der Ankathete bezeichnet man mit . Somit besitzt der Kreispunkt die Koordinaten

Wenn sämtliche Winkel durchläuft, durchläuft den Einheitskreis. Die Zuordnung

bildet also eine Parametrisierung des Einheitskreises. Hierbei kann man den Winkel auf unterschiedliche Arten messen, etwa durch den Grad, bei dem eine Volldrehung als Grad angesetzt wird, oder durch das Bogenmaß, bei dem die Länge des zugehörigen Kreisbogens als Winkel genommen wird und eine Volldrehung somit entspricht.

Diese trigonometrische Parametrisierung ist auf einem reellen Intervall (im Bogenmaß nimmt man als Definitionsintervall) definiert, und man kann sich wieder fragen, was bei ihr mit rationalen Zahlen passiert. Wenn wir mit der Gradeinteilung arbeiten, so geht es um die Frage, ob die Koordinaten zu einer rationalen Teildrehung rational sind. Zu einer Vierteldrehung (immer gemessen von der -Achse aus) erhält man die rationalen Koordinaten , zu einer Achteldrehung (also zum Winkel Grad)

erhält man die Koordinaten

die beide irrational sind, für eine Zwölfteldrehung

(also zum Winkel Grad) erhält man die Koordinaten

wobei die zweite Koordinate rational, die erste aber irrational ist. Die trigonometrische Parametrisierung hilft also ebenfalls nicht, die rationalen Punkte auf dem Einheitskreis besser zu verstehen.



Eine rationale Parametrisierung des Einheitskreises

Wir brauchen eine Parametrisierung, die rationale Zahlen in solche Punkte überführt, deren beide Koordinaten rational sind, und dabei möglichst all diese Punkte trifft.

Wir betrachten hierzu die Abbildung, die einen Punkt auf der -Achse auf den Durchstoßungspunkt abbildet, den der Einheitskreis mit der durch und definierten Geraden bildet. Aufgrund des Strahlensatzes haben wir die Bedingung

bzw. . Setzt man diese Gleichung in die Gleichung des Einheitskreises ein, so erhält man

und damit

Da uns die erste Lösung nicht interessiert (da diese dem Punkt auf dem Kreis entspricht), betrachten wir den zweiten Faktor

die zu

und damit zu

führt. Die Abbildung

ist also eine Parametrisierung des Einheitskreises. Bei dieser Parametrisierung werden alle Punkte des Einheitskreises mit Ausnahme von genau einmal getroffen. Das Urbild zum Punkt ist

für . Eine schlechte Eigenschaft dieser Abbildung ist, dass sie sehr große Verzerrungen besitzt. Die Punkte des Kreises, die nah bei liegen, werden enorm auseinandergerissen. Die gute und für uns entscheidende Eigenschaft kann man direkt aus den funktionalen Ausdrücken ablesen: Diese Parametrisierung macht aus rationalen Zahlen ein rationales Punktepaar auf dem Einheitskreis. Wenn nämlich

ist, so ist

Durch diese Abbildung werden auch alle Punkte des Einheitskreises mit rationalen Koordinaten durch einen rationalen Parameter erfasst. Wenn und beide rational sind, so ist auch das Urbild

rational. Wir fassen zusammen:


Die Abbildung

von der Menge der rationalen Zahlen in die Menge der Punkte auf dem Einheitskreis mit rationalen Koordinaten ohne den Punkt ist eine Bijektion, d.h. durch sie stehen die rationalen Zahlen in eindeutiger Beziehung zu den rationalen Punkten auf dem Einheitskreis.

Es folgt insbesondere die keineswegs selbstverständliche Aussage, dass es auf dem Einheitskreis unendlich viele rationale Punktepaare gibt.

Wenn man

mit ganzen Zahlen ansetzt, so ist der Bildpunkt auf dem Kreis gleich

Daher gehört zu einem jeden Paar das pythagoreische Tripel

Als „Probe“, dass es sich um ein pythagoreisches Tripel handelt, kann man auch direkt

ausrechnen. Wir halten fest.


Zu jedem primitiven pythagoreischen Tripel mit gibt es und mit

Wenn und einen gemeinsamen Teiler haben, so erhält man nichtprimitive Tripel. Um alle pythagoreischen Tripel überhaupt zu erhalten, muss man eventuell noch mit einer positiven ganzen Zahl multiplizieren. In der folgenden Tabelle werden nur teilerfremde und positive angeführt.




Die Dichtheit der rationalen Punkte

Wir wissen nun, wie man sämtliche rationalen Punkte auf dem Einheitskreis erhalten kann, wir wissen aber noch nicht, wie sie auf dem Einheitskreis verteilt sind. Die folgende Überlegung zeigt, dass es in jedem beliebig kleinen Ausschnitt des Einheitskreises stets unendlich viele rationale Punkte gibt. Dies beruht darauf, dass rationale Funktionen stetig sind. Es ist typisch für die höhere Mathematik, dass algebraische, arithmetische, analytische, numerische, geometrische und topologische Methoden Hand in Hand gehen.



Die Menge der Punkte auf dem Einheitskreis mit rationalen Koordinaten bilden eine dichte Teilmenge. Das bedeutet, dass es zu jedem Punkt auf dem Einheitskreis in jeder beliebig kleinen Umgebung von unendlich viele rationale Punkte auf dem Einheitskreis gibt.

Die Parametrisierung

ist stetig, da sie komponentenweise durch rationale Funktionen gegeben ist. Es sei ein Punkt des Einheitskreises. Der Punkt (der Punkt, der von der Parametrisierung nicht erfasst wird), ist selbst rational. Es sei also , und sei eine reelle Zahl mit . Es sei vorgegeben. Aufgrund der Stetigkeit gibt es dann auch ein derart, dass die Ballumgebung (das ist die Intervallumgebung ) nach hinein abgebildet wird, also . Da die rationalen Zahlen innerhalb der reellen Zahlen dicht liegen, gibt es eine rationale Zahl . Dann ist ein Punkt auf dem Einheitskreis mit rationalen Koordinaten, der in der -Umgebung von liegt.


Wenn manbeispielsweise einen rationalen Punkt auf dem Einheitskreis sucht, der möglichst nahe an dem irrationalen Punkt liegen soll, so kann man

berechnen. Die rationale Approximation

führt zum rationalen Punkt

auf dem Einheitskreis und zum pythagoreischen Tripel

und

In der Tat ist

wie man unmittelbar nachrechnet.



Gleichungen von höherem Grad

Statt der Gleichung

kann man auch andere Gleichungen in Hinblick darauf untersuchen, ob und wie viele ganzzahlige Lösungen sie haben. Generell nennt man Gleichungen der Form

Fermat-Gleichungen. Die berühmte Vermutung von Fermat aus dem siebzehnten Jahrhundert, der sogenannte „Große Fermat“, besagt, dass es für keine nicht-trivialen Lösungen gibt. Die Fälle wurden von Euler bewiesen.

Nach rund 350 Jahren wurde der Große Fermat schließlich 1995 von Andrew Wiles bewiesen.



Die diophantische Gleichung

besitzt für kein eine ganzzahlige nichttriviale Lösung.

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